ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

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LaraMaria
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Registriert: 7. Apr 2010, 22:06

ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von LaraMaria »

Hallo ins Forum!

Durch meine Erfahrungen, die ich am Arbeitsplatz machen musste (3 Jahre Mobbing durch eine Kollegin), wurde mein sowieso schon stark ausgeprägtes Misstrauen anderen gegenüber richtig angeheizt.
Ich war dann 15 Monate krank geschrieben. Anfangs war ich in einer Klinik, den ganzen Tag mit anderen Patienten zusammen. Anschließend war ich noch 9 Monate zu Hause und eigentlich überwiegend allein oder mit meinem Mann zusammen. Ich habe kaum noch Kontakte gepflegt und manche auch bewusst (nach Überlegungen, was mir diese Menschen eigentlich wirklich bedeuten) abgebrochen.
Als ich in der Reha war, war es sehr ungewohnt für mich, wieder so viel Kontakt mit Menschen zu haben. Jetzt arbeite ich seit einigen Monaten wieder und war gerade 4 Wochen im Urlaub. Im Urlaub war ich bis auf ein paar Ausnahmen nur mit meinem Mann zusammen (ab und zu ein bißchen Familie noch dazu).

So richtig vermisse ich eigentlich nichts.
Aber es macht mir Probleme. Ich kann schlecht auf andere zugehen. Ich habe gestern den ganzen Vormittag gebraucht, bis ich es endlich geschafft habe, mich bei der Kollegin zurückzumelden, die mich im Urlaub vertreten hat. Vorher saß ich mit beinah Beklemmungen (Herzklopfen) in meinem Büro und hab mich erst einmal im Mailkasten versteckt. War genug da zum Lesen...stöhn.

Letzte Woche habe ich jemanden aus der Klinik zufällig wieder getroffen und wir haben noch einmal Tel.Nr. getauscht. Sie wollte anrufen und sich mit mir auf ein Treffen verabreden. Sie hat bisher nicht angerufen und irgendwie bin ich erleichtert.
Also, es tut mir nicht Leid, wenn jemand sich nicht meldet, und ich kümmere mich auch nicht weiter darum. Es ist mir so gleichgültig. Das ist jetzt schon länger so, aber früher war das ganz anders. Da haben mich andere immer sehr interessiert und ich habe mich gekümmert und mir alles angehört, usw. und so fort.

Eigentlich denke ich dabei, dass mich sowieso niemand mag und meine Erfahrungen mit sogenannten "Freunden" waren die, dass ich eigentlich ständig enttäuscht war, weil meine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Ich habe mir z.B. immer eine richtig gute Freundin gewünscht und mir dafür auch jemanden "auserwählt", eine Schulfreundin, die ich schon 30 Jahre kenne. Aber sie war immer sehr distanziert, hatte wenig Zeit für Treffen, mochte angeblich nicht so gern telefonieren und so blieb es bei Emails und die wurden dann auch immer kürzer und irgendwann hab ich mich ausgeklinkt, weil es nicht das war, was ich mir wünschte. Und solche "Bekanntschaften" (sind ja keine Freunde) habe ich mehrfach geschlossen. Irgendwie war es immer dasselbe. Und jetzt denke ich, dass ich auch immer wieder dieselben Menschen nett finden würde und es immer wieder so sein wird und weil ich nicht enttäuscht werden will, kümmere ich mich gar nicht darum und bleibe gleich allein.

In "Gedanken" spinne ich herum und habe meine Freunde in einer Telenovela, die ich täglich schaue. Da gibt es Figuren, die ich gern mag, und die sind jetzt meine Freunde. Und ich selbst bin meine beste Freundin.

Aber mal ehrlich: das ist doch krank, oder?

Im Beruf komme ich nicht mehr klar, weil ich mich ständig in mein Büro verdrücke und mich abkapsel. Aber mich interessiert der Käse auch nicht, den die anderen machen und labern. Ich gehe auch nicht auf Betriebsausflüge mit oder Weihnachtsfeiern, ich finde das alles furchtbar und schwitze dabei immer so.
Früher war das so nicht (vor der Krankheit). Entsteht so ein recht merkwürdiges Verhalten durch die Erkrankung? Also, ich merke ja, dass ich mich merkwürdig verhalte. Das ist vielleicht noch das Schlimmste daran. Ich kann aber auch einfach nicht anders.

Kennt ihr das auch? Wie geht ihr damit um? Was macht ihr für Jobs, wenn es euch auch so geht? Wo + Was kann man denn arbeiten, wenn man so intro ist? Ich denke mit Grauen an mein bevorstehendes Gespräch mit dem Chef. Sicher wird er mir sagen, dass ich mich mehr einbringen muss und mehr auf die anderen Teammitglieder zugehen sollte. Dann habe ich den Salat. Das Gespräch ist Mitte September.
In der Reha habe ich dies bereits angesprochen und meine Thera dort meinte, ich solle doch meinem Arbeitgeber sagen, dass er mich nur so kriegt, wie ich bin und dass ich nicht bereit bin, mich zu verbiegen, sondern dass ich meine Stärken habe, wenn ich allein arbeiten kann und eben nicht so ein großer Teamplayer bin. Und wenn mein Arbeitgeber das nicht akzeptiert, dann muss ich eben meine Konsequenzen daraus ziehen. Klingt ja schön einfach. In der Praxis halte ich das für schwierig. Überall muss man mit anderen zusammenarbeiten und kann sich eigentlich nicht so einigeln. Es sei denn, man arbeitet als Schäfer, aber ich will jetzt auch nicht umschulen und künftig Tag und Nacht allein mit Schafen auf einer Wiese herumsitzen.

Danke, wer so lange mitgelesen hat!

Liebe Grüße von
LaraMaria
kiwilana
Beiträge: 1622
Registriert: 14. Nov 2010, 14:10

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von kiwilana »

Hallo liebe LaraMaria,

was du beschrieben hast, hätte von mir sein können. du bist also nicht allein damit. bei weitem nicht: auch von anderen habe ich schon ähnliches gelesen. und ja, es ist definitiv - zumindest zum größten teil - die krankheit.

vor allem von der beschränkung auf den partner als einzigen gewollten - oder eher subjektiv machbaren? - kontakt las ich schon oft. wofür ich persönlich dir dabei sehr dankbar bin: dass du auch serien erwähnt hast.

es tut mir grad ganz gut mal zu lesen, dass ich da nicht die einzige bin. und meine persönliche erfahrung ist:

diesen aspekt auszublenden, funktioniert nicht.

ich denke, wenn (psychisch) gesunde menschen solche serien gucken, dann ist es einfach nur mal abschalten, ggf. auch eine temporäre kleine flucht und heile welt: temporär! bei uns ist es m.E. mehr: eine ersatz-welt.

ersatz-freunde (wie du auch von dir sagtest), plus bei mir noch: ersatz-geschwister und ersatz-partner. juhu. aber was sagt all das aus??? dahinter steckt doch voll die wahrheit, die man/du/ich bewusst angucken sollte:

unsere tiefsten inneren und wahren sehnsüchte und bedürfnisse.

so sehr ich "meine" serien bzw. die figuren, gefühle und erlebnisse darin, auch liebe... oft genug werde ich beim gucken auch sehr traurig. und die wahrheit dahinter war und ist bei mir das gefühl: ich will das auch!!!

so, und egal wie bescheuert das jetzt klingen mag: seit etwa einem jahr arbeite ich sozusagen therapeutisch mit den gefühlen, die durch die serien tief in mir ausgelöst werden. und erkannte: diese gefühle, sehnsüchte und bedürfnisse habe ich im bewussten alltag jahrelang verdrängt. aus angst: vor ablehnung, enttäuschung, erneutem verlassen werden. denn genau wie du habe ich sehr schlechte und prägende erfahrungen gemacht.

ich gucke immer noch "meine" serien - kann es auch gar nicht abstellen, egal wie sehr ich es versuche - aber: nach der ablenkung, flucht, erleichterung und wohltat dadurch, versuche ich parallel auch damit zu arbeiten.

es half und hilft mir dabei, meine (unerfüllten!) bedürfnisse nicht zu leugnen, zu verdrängen, zu vergessen. und zu erkennen: die serien sind leider nur ein ersatz und wollen mir genau das sagen, wenn ich beim gucken emotional werde: du brauchst das auch in deinem echten leben! du sehnst dich danach und wenn du dies weiter ignorierst - auch wenn deine ängste nachvollziehbar sind - wirst du nicht glücklicher/gesünder werden.

so ist es zumindest bei mir. und letztendlich kann ich wirklich sagen und behaupten, dass mir die serien bzw. die bewusste reflektion meiner gefühle durch sie, z.b. dabei halfen mich von meinem freund zu trennen. von dem ich es jahrelang nicht schaffte mich zu trennen, obwohl ich tot-unglücklich war. und mir halfen und heute noch helfen, mich immer mal wieder für echte menschen zu öffnen und kontakte schritt für schritt zu üben.

man/ich/du sollten und dürfen auf unsere gefühle, sehnsüchte und bedürfnisse achten - sie und ihre botschaften hören und versuchen damit zu arbeiten. natürlich schritt für schritt und ohne druck. ich gucke jetzt halt immer: was mag ich da so? was hätte ich auch gerne davon? und zu gucken: was und wie könnte ich davon auch real ermöglichen? das angst-thema dabei würde ich parallel mit theras oder ggf. hier behandeln.

ganz liebe grüße und alles gute! schritt für schritt kiwi
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von kormoran »

liebe LaraMaria,

ich habe diese erfahrung schon auch gemacht. also auch ich habe mich infolge mobbing und der dann beginnenden depression immer mehr verkrochen und kontakte gemieden.
das ist ja jetzt vorbei, ich arbeite jetzt woanders.
aber auch jetzt ist es so, wenn es mir schlecht geht, dass kontakte für mich eine kraftanstrengung bedeuten und ich mich gerne nahezu in mich selbst einstülpen würde.
ich weiß dann einfach nicht, was sagen, im kopf ist leere, es ist dann so anstrengend, sich ins soziale geschehen einzuklinken. und ich bin gefährdet, alles mögliche als negativ auf mich gerichtet zu interpretieren.

allerdings bin ich ja aus dem letzten tief wieder gut herausgekommen und jetzt fällt mir das alles nicht schwer; außer, dass ich von menschen, die viel tratschen und intrigieren, bewusst abstand halte.

auf die dauer würde ich es so, wie du es beschreibst, an einem arbeitsplatz wohl ganz schwer aushalten.

ich habe zwar gelernt, die depression und also auch mich mit diesen zeitweiligen symptomen einigermaßen anzunehmen; aber es macht das existieren in einem sozialen umfeld doch sehr schwer.

ich glaube eigentlich nicht, dass du dich mit diesem zustanden abfinden musst/sollst. vielleicht war in der reha einfach noch nicht mehr an verbesserung für dich möglich ... aber da könnte doch therapeutisch noch ein neuer anlauf drin sein? bist du in ambulanter therapie?

liebe grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
Polarlicht
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Registriert: 7. Jun 2011, 23:46

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von Polarlicht »

Hallo LaraMaria,
was die Introvertiertheit/Abkapselung angeht, kann ich mich nahtlos einreihen - nur mit dem fernsehen habe ich es überhaupt nicht.
Ich arbeite in der IT, da darf man so intro sein. Allerdings arbeite ich als Beraterin und habe in der Teamarbeit keinerlei Probleme mit anderen in Kontakt zu treten, solange ich eine Sache habe, um die es geht, an der ich entlangagiere.
Wenn ich nur auf mich reduziert bin, in der Freizeit, auf Seminaren, im Urlaub - in der Smalltalkzone, dann geht rein garnichts. Ich habe demnächst 25-jähriges Betriebsjubiläum und habe es tatsächlich geschafft, noch nie auf einer Firmenfeier zu sein, weil mir das das absolute Grauen ist. Zu meinem eigenen Jubiläum werde ich auch nicht gehen - einfach Urlaub nehmen. In Lösungen finden bin ich gut.
Leider wird es mit den Jahren auch immer schlimmer statt besser und so versuche ich mich damit zu arrangieren, dass es ist, wie es ist. Allerdings bin ich komplett allein, d.h. kein Partner, kaum Kontakte zur weit entfernt wohnenden Familie. Und ich vermisse auch keine konkrete Person, finde nur das alleinsein unerträglich.
Wie kiwi schon schriebt: das ist die Krankheit, der Wechsel zwischen Empfindungslosigkeit und dann immer wieder bodenloser Traurigkeit, Einsamkeit etc. Und manchmal gibt es gute Momente und eine Vorstellung, wie es sein kann, wenn ich das hinter mir habe. Das hält mich aufrecht.

Liebe Grüße,
Polarlicht
justforus2
Beiträge: 59
Registriert: 16. Aug 2011, 20:40

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von justforus2 »

Hallo LaraMaria,

ich kenne diese Bauchschmerzen. Hatte schon das entsprechende Gespräch mit dem Chef, hab versucht, aus dem Mist mit Feiern usw. rauszukommen, aber er sagt, wenn ich unkollegial sei, käme das in meine Akte (und meine Begutachtung)...Ich habe voll die Panik, wenn ich am 5. wieder arbeiten muss...

Du bist nicht allein, nein, nein!!!!!!

Aber vielleicht würde in deinem Fall der Rat der Therap. doch helfen, bei mir ist es eine Art späte Ausbildung, da ist das anders...

Viiiiiiiiiel Glück!!!

SilA
Diagnosen: Depressionen, Angststörungen
Omnia
Beiträge: 230
Registriert: 5. Aug 2011, 13:14

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von Omnia »

"Kennt ihr das auch?"
Ja, ich kenn' das auch. Ich kann mich bis zu einem bestimmten Punkt verstellen, so tun also ob ich extrovertiert wäre. Aber nur kurze Zeit. Ich fühl mich dabei ziemlich unwohl und es ist sehr anstrengend.
Ich mein', ich habe keine Probleme [mehr] Vorträge, Referate oder sonst was zu halten. Oder Diskussionen zu führen auf die ich richtig vorbereitet bin.
Ich hab' eher Probleme damit mit Kollegen Small-Talk zu halten - so dieses Alltags-Blabla halt. Und wenn ich länger irgendwo arbeitet fällt das immer auf, dass ich introvertiert bin. Und zwar ziemlich deutlich. Also zur Zeit bin ich ja noch Studentin und arbeite nur so nebenbei mal, da ist das ja auch nicht so wichtig. Aber ich mache mir gerade genau diese Gedanken:
"Wo + Was kann man denn arbeiten, wenn man so intro ist?", weil ich bald mit meinem Studium fertig bin.
Ich war allerdings schon immer so. Also ich habe nie irgendwelche Erfahrunge mit Mobbing oder so gemacht. Sondern war eigentlich trotzdem immer überall gut integriert.

Ich hab' halt festgestellt, dass ich ein großes Problem damit habe, wenn ich merke, dass die anderen damit ein "Problem" haben.
Manchmal bekommt man das ja auch direkt gesagt :-s.
Ich habe immer das Gefühl, es gibt zwei Gruppen:
Die Extrovertierten und die Introvertierten und im Berufsleben gehört den Extros sozusagen die Welt und die Intros haben das nachsehen.
Das ist echt hart manchmal.

Wenn ich mich akzeptiert fühle und man mir Zeit gibt => wenn ich mich wohl fühle, bin ich auch gar nicht mehr sooo introvertiert.

Wenn es mir nicht so gut geht, wird die Introvertiertheit auch noch schlimmer.
Dann habe ich wirklich manchmal so eine Art "Ekel" vor anderen Menschen. Das ist dann schon krass. Also obwohl Ekel jetzt eigentlich nicht der richtig Ausdruck ist. Aber so ähnlich fühlt es sich an.

Keine Ahnung. Naja, eigentlich habe ich ja eine Verhaltenstherapie gemacht und weiß theoretisch, wie ich damit umgehen kann, damit es für mich ok ist.
Aber irgendwie habe ich schon ein bisschen Angst vor dem Berufseinstieg.
LaraMaria
Beiträge: 244
Registriert: 7. Apr 2010, 22:06

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von LaraMaria »

Ich danke euch allen erst einmal ganz doll für eure einfühlsamen Beiträge. Sie geben mir das ehrliche Gefühl, nicht allein zu sein damit.
Gern würde ich noch auf einiges eingehen, aber ich habe so fürchterliche Kopfschmerzen und muss morgen auf Dienstreise.
Morgen abend kann ich hoffentlich etwas Zeit finden für einen Dialog.

Danke!
Und eine gute Nacht euch.

LG
LaraMaria
4630
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Registriert: 17. Aug 2011, 09:00

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von 4630 »

Ich hab mich auch absolut in vielem von dem wieder erkannt. Besonders in dem was Omnia geschrieben hat.

Da auch mir das schon früher auffiel, aber eigentlich nie unangenehm war, dass ich so auf meinen Mann fixiert bin und ich sonst niemanden wirklich brauche, habe ich meine Therapeutin gefragt, ob das denn überhaupt normal wäre. Sie meinte, dass wenn ich mich so glücklich und zufrieden fühle in meiner Beziehung, wäre es völlig in Ordnung wenn ich keine "beste Freundin" haben wolle.

Allerdings bin ich mir nicht mehr so sicher, ob der Rat ok ist nach dem Spiegel, den ihr mir vorgehalten habt. Schließlich vermeide auch ich möglichst Betriebsfeiern und -ausflüge. Vor 2 Wochen sprach mein Chef mich darauf an, dass ihm dieses Verhalten gar nicht gefällt. So wie es aussieht, werde ich gehen wenn mein Vertrag ausläuft - wieder einmal fliehen trifft es besser!

@Omnia
<<Naja, eigentlich habe ich ja eine Verhaltenstherapie gemacht und weiß theoretisch, wie ich damit umgehen kann, damit es für mich ok ist.>>

Kannst du das vielleicht näher erläutern? Hört sich interessant an!
Lady_Godiva

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von Lady_Godiva »

Oh, das kenn ich auch nur all zu gut. Früher habe ich mit meiner besten Freundin stundenlang telefoniert, obwohl wir davor den halben Tag in der Schule gemeinsam verbracht haben. Aber schon da hab ich mich langsam zurück gezogen. Ich bin immer in die Welt der Bücher abgetaucht, habe mir auch vorgestellt, ich gehöre dazu, wäre ein Teil davon. Dadurch haben die realen Freundschaften gelitten. Wurde alles nur noch eher oberflächlich. Dann hatte ich eine Phase, da habe ich das Alleinsein gehaßt, habe mich extrem ins Partyleben und Co. gestürzt, doch nun bin ich wieder an dem Punkt angelangt: Mein Mann und meine Kinder sind mir genug. Selbst wenn ich zu meinen Eltern mal fahre, fühle ich mich bald unwohl, werde unruhig und würde am Liebsten wieder verschwinden. Serien schau ich keine, aber meine "Freunde" habe ich in einem Internetforum gefunden. Würde mich zwar nicht direkt als süchtig empfinden, denn ich kann auch ohne, aber dennoch geh ich als erstes an den Laptop, wenn wir nach Hause kommen.
Mir bereitet es auch Herzklopfen, mir fremde Leute anzusprechen oder gar anrufen.

Ich hoffe, daß wir alle dies bald in den Griff bekommen und unsere Ängste verlieren
blueray

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von blueray »

Ich kenne das von mir auch sehr gut und weiß nicht so recht was ich davon halten soll.
Einerseits ist der Mensch ein soziales Wesen und soll sich nicht abkapseln, mir fehlen auch die sozialen Kontakte.
Aber andererseits will ich irgendwie nur meine Ruhe und deshalb klappt das mit den "Neukontakten" auch nicht so wirklich. Ich kann auch bestätigen das es manchmal in meinem Leben nur ein oder zwei Personen gab die ich gerne um mich hatte oder habe.
Bei den meisten Situationen mit Menschen mit denen ich mich befassen soll oder muss kommt mir mehr wie einmal der "Fluchtgedanke".

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr was da noch richtig und was falsch ist.
Manchmal denke ich das ich "inkompatibel" für diese Gesellschaft bin.

Dieser Abschnitt aus einem Posting hier kann ich sehr gut nachvollziehen, ich würde nur das Wort Ekel durch Abneigung ersetzen.

"Wenn es mir nicht so gut geht, wird die Introvertiertheit auch noch schlimmer.
Dann habe ich wirklich manchmal so eine Art "Ekel" vor anderen Menschen. Das ist dann schon krass. Also obwohl Ekel jetzt eigentlich nicht der richtig Ausdruck ist. Aber so ähnlich fühlt es sich an."


Gruß
LaraMaria
Beiträge: 244
Registriert: 7. Apr 2010, 22:06

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von LaraMaria »

Liebe Kiwi,

als ich deinen Beitrag las, war ich erst einmal sprachlos. Ich denke, du wirst Recht haben. Denn ich habe mich auch schon so manches Mal gefragt, warum ich plötzlich so emotional reagiere, während ich die Sendung sehe. Habe mich ja eigentlich doch immer recht gut im Griff. Aber wenn ich die Sendung einschalte, dann ist das für mich auch eine besondere Zeit am Tag und irgendwie geht da eine seltsame Wandlung in mir vor.
Ich glaube, du hast mir sehr weitergeholfen. Ich werde das weiter beobachten und kann sicherlich noch viel Therapie daraus machen.

Liebe Kormoranin,

du hattest gefragt, ob ich in Therapie bin. Nun, ich war letztes Jahr 14 Wochen in einer Tagesklinik, habe danach ambulant 15 Termine Gruppentherapie (je 90 min) und 20 Stunden Einzeltherapie absolviert und dann die 6-wöchige Reha mit 3x pro Woche 90min Gruppe und ein Einzel pro Woche (ca. eine Stunde).
Als ich irgendwann merkte, dass ich nicht weiterkomme, also dass es keine Fortschritte mehr gibt, da habe ich mich hingesetzt und die ganzen Stunden addiert und dann hatte ich den Eindruck, dass ich schon so viiiiiel Therapie gemacht habe, dass es nun einmal reicht. Außerdem sollte ja noch die IRENA (Reha-Nachsorge) stattfinden (25 Gruppensitzungen), die aber bis heute nicht begonnen hat und sie wissen auch nicht, wann ich einen Platz bekomme.
Tolle Reha-Nachsorge! Ich bin Mitte März aus der Reha entlassen.

Heute war ich bei meiner Psychiaterin und habe mein Haupt-Thema mit dem völlig desolaten Selbstwert angesprochen und dass der sich auch nicht durch den ach so tollen neuen Job gebessert hat. Er ist einfach durch die Geschehnisse der Jahre 2007-2009 massiv zerstört. In der Reha hatten sie gemeint, ich solle dahin zurückkehren, wo er frustriert wurde, mein Selbstwert. Ja, hab ich gemacht, voller Erwartungen. Statt wie bisher arbeite ich nun nicht mehr mit Sachbearbeitern, sondern überwiegend mit Juristen zusammen und was soll ich sagen? Das baut mich eher noch mehr ab als auf.
Ich fühle mich immer zu dumm, zu langsam, zu bekloppt (ein bißchen bekloppt sind ja alle).
Meine Psychiaterin meint, ich solle dringend in die Tiefenpsychologie wechseln (bisher war alles VT), um dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Ich vertraue ihr. Ich bin alle 2 Monate bei ihr, nachdem meine Hausärztin irgendwann im Herbst 2010 vor der Reha-Beantragung meinte, jetzt bräuchten wir den Facharzt. Die Termine bei der Psychiaterin dauern eigentlich immer nur so 15-20 min, aber da wir nichts über Medis zu reden haben, kann ich auch diese kurze Zeit sehr gut für mich nutzen. Sie hat mir schon sehr viele hilfreiche Dinge gesagt.
Nun frage ich mich: Warum hat mir das nicht längst jemand geraten, diesen Methodenwechsel? Bin hellauf begeistert, dass ich jetzt wieder von vorne anfange. Schon im September 2010, als die Gruppensitzungen zu Ende gingen, klagte ich über das für mich große Thema "Selbstwert" und in jeder Einzelsitzung klagte ich weiter. Und dann verschwand mein Thera irgendwann aus der Einrichtung, in der er arbeitete, und war nach meiner Reha "verschwunden". Egal, ich wäre eh nicht wieder zu ihm gegangen.
Aber dass mir ein Methodenwechsel evtl. helfen kann, hätte er sehen können oder auch die Reha-Leute. Es nervt mich so, wie unprofessionell teilweise gearbeitet wird. (Von mir wurde stets eine Riesenportion Professionalität erwartet. Ich durfte noch nie Fehler machen.)

Na gut, also wieder Thera suchen, Wartezeit, Antrag stellen, etc.pp

Was du sagst, dass du dich von Leuten fernhältst, die tratschen, ist treffend. Meine ach so liebe Kollegin (Juristin), die mich einarbeiten sollte, hat immer den neuesten Klatsch und Tratsch parat, vor allem über unseren Direktor. Irgendwie gibt es wohl eine undichte Stelle in seinem Umfeld und das wird alles weiter berichtet. Ich muss demnächst mal den Mut aufbringen, ihr zu sagen, dass ich das nicht mehr hören und mich schon gar nicht daran beteiligen will. Das habe ich in einer Thera-Stunde mal "üben" müssen, ich denke ständig daran, aber wenn sie wieder vor mir sitzt und schludert, dann sitz ich da und krieg kein Wort raus. Hinterher ärgere ich mich.
Ich muss das bald machen! Sonst bekommt sie ja den Eindruck, ich würde mitmachen.

Liebe/r SilA,

wenn dein Chef meint, du seist unkollegial, weil du nicht zu Feiern gehst, und er würde das in deine Akte aufnehmen, dann würde ich - wenn hoffentlich vorhanden - mal den Betriebsrat einschalten. Solche Dinge gehören nun wirklich nicht in die Personalakte!

Liebe Omnia,

Zitat "wenn ich mich wohlfühle, bin ich gar nicht mehr so intro".
Ich auch nicht.
Ich war letzten Mittwoch zu einem Seminar und nachdem ich mit all den Fremden aufgetaut war, bin ich am Ende noch mit der Referentin zum Bahnhof gegangen und wir haben richtig nett gesprochen. Und ich könnte schwören, dass sie nichts, aber auch gar nichts bemerkt hat.
Anschließend war ich so aufgekratzt, dass ich mich noch verabredet habe, mit einer Mitpatientin aus der Tagesklinik.
Nun treffe ich mich Mittwoch tatsächlich mal mit jemand anders als immer nur mit meinem Mann.
Das mit dem Seminar ist aber auch nicht so ungewöhnlich bei mir. Für gewöhnlich kann ich mit mir ganz Fremden ganz gut zurecht kommen und auch gut "Theater spielen" und es macht mir auch nichts aus.
Aber bei den Kollegen (wo Erfolgsdruck dabei ist und Neid auf meine Unkündbarkeit, und seltsame Blicke über meine lange Krankheit und jetzt meinen vielen Urlaub ausgetauscht werden, und was weiß ich noch alles), da ist es anders. Die beklemmen mich!

So, das ist wieder sehr viel Text.
Würde mich gern weiter mit euch austauschen.
Wie seid ihr denn die letzten Tage mit dem Problem zurechtgekommen?

Ganz liebe Grüße
LaraMaria

"Ich bin nicht gestört, ich bin verhaltensoriginell"
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von FrauRossi »

Hallo LaraMaria,

Wie alle hier kenne ich das auch, mir werden andere Menschen schnell zu viel. Es ist mir zu anstrengend weil ich das Gefühl habe es kommt nie etwas zurück.

Ich habe auch mal eine Zeit gehabt in der ich sehr auf Party gemacht habe viel rausgegangen bin USW.
Aber ich hatte immer das Gefühl ich müsse das alles einleiten. Wenn ich nicht alle zusammen telefoniert habe dann is nix passiert. Ich hatte auch immer das Gefühl daß die anderen untereinander viel mehr Kontakt pflegen und ich da außen vor bin.

Ich habe in der Schule eine beste Freundin gehabt, die ist nach der Schule dann weggezogen. Dann hatte ich eine andere beste Freundin die ist auch weggezogen. Parallel zu diesen beiden über den Zeitraum hatte ich noch eine Freundin, die ist drogensüchtig geworden und dann als sie clean war auch weggezogen. Jahre später eine neue beste Freundin auch ausgewandert. Jetzt habe ich auch seit Jahren eine beste Freundin, habe aber manchmal das Gefühl sie ist es nur weil es sonst niemanden mehr gibt.

Es ist schon so daß ich oft keine Lust habe etwas zu machen, jetzt, das kommt bei anderen nicht so gut an. Aber ich werde auch nicht gefragt ob ich mitmachen will und im Gegensatz zu früher hab ich einfach nicht mehr die Kraft da dauernd hinterher zu telefonieren.

Ich schaue auch Serien, würde aber nicht sagen daß es so ne Art Ersatzfreunde sind. Aber ich finde es eben auch gut wie es da gezeigt wird. Da kennen sich immer viele Leute untereinander und kümmern sich umeinander obwohl sie unterschiedlich sind. Da wird keiner irgendwie hängen gelassen, das ist auch mein Ideabild vom Leben.

Aber wie lauter Leute finden die so sind? Ich hab halt keine Lust zu Pokern nur weil das grad alle machen. Ich schaffe es rein körperlich nicht nächtelang in Kneipen zu sitzen.

Das mit dem Smaltalk fällt mir auch schwer. Mir wurde mal vorgeworfen, ich sei arrogant. Das bin ich nicht. Da habe ich angefangen Smaltak zu üben. Dann kam meine große Stunde habe eine ehemalige Arbeitskollegin wieder getroffen und super Smaltalk gemacht, habe gefragt was sie jetzt macht, ach ja immernoch, ach die ist auch noch da, wie geht's der denn, haste jetzt Kinder, schön das das geklappt hat, was macht der Mann (sogar den Namen wusste ich noch) usw.

Ich war total stolz auf mein super Smaltalk und hab mir innerlich auf die Schultergeklopft. Alles gefragt, ganz toll. Und das alles obwohl es mich nicht die Bohne interessierte.

Tja dann ging's weiter haste noch Kontakt zu der und der, lass mal wieder treffen, gibt ja soviel zu erzählen, ja machen wir mal, du musst jetzt weiter, ja ich auch. Tschüss dann Heike.

Da sagt sie: Ich heiße Anke

was soll ich sagen, mein Stolz dahin. Deutlicher hätte ich nicht mehr verkacken können.

Da hab ich dann beschlossen, Smaltalk das is halt nix für mich. Bei mir geht's nur über echtes Interesse in beide Richtungen.

Aber das muss man ja auch erstmal zulassen können und da liegt dann wohl der Hase im Pfeffer.

LG FrauRossi
LaraMaria
Beiträge: 244
Registriert: 7. Apr 2010, 22:06

Re: ich kann auf andere nicht zugehen, andere interessieren mich nicht wirklich

Beitrag von LaraMaria »

Liebe Frau Rossi,

das war auch zuletzt meine beste Freundin: die letzte, die es noch gab, sonst war niemand mehr da(ausgenommen immer mein Mann!). Aber es war nicht so, wie ich es mir wünschte, und deshalb brach ich den Kontakt ab. Das war so eine Entscheidung in der Therapiephase, wo ich unglaublich darauf fixiert war, mich zu fragen "was tut mir gut/was tut mir nicht gut?" Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie mir nicht gut tut und dass ich das nicht mehr will. Es war so schwer. Ich denke oft an sie, würde gerne wissen, was sie macht, wie es ihr geht. Sie war im Grunde auch depressiv, aber weit weg von einer Behandlung geschweige denn einem Einsehen. Aber diese Fragen, die ertrage ich jetzt. Ich bekomme darauf keine Antwort. Denn wenn ich die Antwort erbeten würde (sie würde sicherlich antworten) - es wäre wieder wie immer: voller Mangel für mich und dann wäre ich wieder frustriert. Ich lasse die Finger von ihr. Ein für alle Mal.

Wenn du Kontakt suchst, dann würde ich andere Möglichkeiten anraten als nächtelang in Kneipen herumsitzen. Vielleicht einen VHS-Kurs besuchen, evtl. sogar zu einem Thema aus der Psychologie. Häufig sitzen da Menschen mit ähnlichen Sorgen wie wir, hab ich selbst schon erlebt. Naja, dann muss es noch passen und was draus werden. Sind schon viele Hürden, aber wäre vielleicht einen Versuch wert!?
Was auch immer nett ist zum Kontaktknüpfen, sind Sportkurse. Pilates z.B. Da sind dann auch nur Frauen und das ist übel anstrengend und für Anfänger schwierig, da gibt es immer was zu lachen und da kommt man sich schon näher. Dann kann man was draus machen, wenn man das schafft. Bei mir ist es immer an Letzerem gescheitert. Ich habe auch mal einen Kurs für autogenes Training gemacht, da waren auch ganz viele Leute mit Schlafstörungen und Panikattacken, also schon "solche wie wir" und ich war immer sehr offen, was meine Erkrankung angeht, und da fand ich auch Kontakt. Aber ich konnte ihn nicht halten, weil mir das echte Interesse an den Menschen fehlte. Einmal wurde ich auch versetzt, sie kam einfach nicht in das Cafe, wo wir verabredet waren, hatte es vergessen. Für mich war das wieder so ein derber Knick nach dem Motto "bin ihr nicht wichtig, hat kein richtiges Interesse an mir, wenn sie sich das nicht mal merken kann, usw." Dann gehe ich gleich wieder auf Abstand. Ich will ja niemanden nerven mit meiner Anwesenheit.

Ist schon schwierig, aber vielleicht hast du ja eine Anregung bekommen und kannst etwas machen - und dabei bleiben (was ich immer nicht schaffe) und findest eine Freundin auf diesem Wege.

Lieben Gruß
LaraMaria

PS:hier sich auszutauschen, ist doch auch schon nett
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