Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Strampeltier
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Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von Strampeltier »

"Denn die Abhängigkeit von Therapeuten (= therapeutische Regeression) ist Teil den therapeutischen Prozesses und vom Therapeuten gewollt." (Parson)

... ist ja interessant. ... Mir fällt es schweer diese Bezeihung zum Therapeuten für mich einzuordnen. Das ziemlich erste woran ich mich erinnern kann war, dass es sich bei der therapeutischen Beziehung um eine zeitlich begrenzte Zusammenarbeit mit einem sicheren Ende handelt. - Klar -
Für mich war das ein eindeutiges Signal, das eine gewisse Distanz erzeugte und mir meine UNABHÄNGIGKEIT BEWAHRT/von mir FORDERTE. Ich stehe daher auch zwischen den Stühlen und kann mich nicht recht entscheiden, ob ich darauf eingehen sollte, dass es mich ziemlich beschäftigt, wenn die regelmäßigen Sitzungen unterbrochen sind, oder ob ich diese Unsicherheit nicht zu stark werden lassen sollte, d.h. an der Stelle erstmal aushalten lernen muss.
Was würdet Ihr tun?

Schöne Grüße...
Ergo sum.
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

wütend

Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von wütend »

Liebes Strampeltier

>>Ich stehe daher auch zwischen den Stühlen und kann mich nicht recht entscheiden, ob ich darauf eingehen sollte, <<
Worauf einlassen?


>>dass es mich ziemlich beschäftigt, wenn die regelmäßigen Sitzungen unterbrochen sind, oder ob ich diese Unsicherheit nicht zu stark werden lassen sollte, d.h. an der Stelle erstmal aushalten lernen muss. <<
Kannst Du denn diese Unsicherheit beeinflussen? Aushalten ist sicher richtig, aber du solltest diese Gefühle der Unsicherheit auch unbedingt in der Psychotherapie ansprechen.
wütend

Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von wütend »

>> Es gibt Dinge die kann ich alleine nicht Lösen aber mein Leben geht auch ohne die Therapeutin weiter<<

Liebe FrauRossi, das was du beschreibst ist die Rationalität. In der Psychotherapie geht es aber vorwiegend Emotionen/Gefühle.

Und das Gefühl der Abhängigkeit kann sich durchaus noch entwickeln. Es kam bei mir erst nach 1 Jahr und zwar von mir ziehmlich unbemerkt, da ich ein Mensch der Ratio bist. Möglicherweise wirst auch Du die Abhängigkeit erst bemerken, wenn die bereits schwerstens ausgebildet ist. Und dann wird es sehr schwer, das zu akzeptieren und damit umzugehen.

Ich habe in der Situation emotional dicht gemacht und wollte nur noch raus aus dieser Psychotherapie und war doch gefangen. Für mich war das ein viele Monate langer Horror.
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

heikeg
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Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von heikeg »

Hallo FrauRossi,

sorry, wenn ich mal so ungefragt darauf antworte. Ich kenne dieses Problem mit dem "Abhängigsein" ebenfalls, was ich hier ja auch schon mal geschrieben hatte. Deshalb habe ich auch ein ganz anderes Verhältnis zu meinem Therapeuten aufgebaut. Ich vertraue ihm voll und ganz, bleibe auf gleicher Augenhöhe, aber passe auf, dass ich in kein Abhängigkeitsverhältnis gelange. Ich schrieb ein paar Beiträge vorher, dass ich meinen Thera nicht als jemanden sehe "mit dem ich (endlich) über alles reden kann" sondern jemanden, "der mir hilft wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen". Damit habe ich in meinem eigenen Kopf schon eine andere Perspektive eingenommen. Bei der ersten Perspektive gelänge ich (nach meiner Empfindung) in die Abhängigkeit, weil was soll ich machen, wenn der nicht mehr da ist? Bei der zweiten Perspektive kann ich ihm ebenfalls alles anvertrauen (weil ich vertrauen zu ihm habe), aber sehe es im Kontext zum Hinführen in das selbstbestimmte Leben und einem therapeutischen Arbeitsverhältnis auf Zeit.

Ich weiß nicht, ob ich es verständlich ausgedrückt habe, vielleicht ein bisschen verschwurbelt.

Viele Grüße Heike
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unipolar depressiv seit 2002
Jessi1980
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Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo!

Das Gefühl von Abhängigkeit hat sich bei mir erst jetzt nach anderthalb Jahren eingestellt. Vorher dachte ich immer: "Was haben die Anderen bloß für Probleme, nur weil der Thera mal im Urlaub ist?" Jetzt weiß ich es. Mein Therapeut fehlt mir, es fehlen mir die Gespräche und dieser intensive emotionale Kontakt.

>Eine therapeutische Beziehung ist immer einseitig. Also man selber ist irgendwie abhängig vom Therapeuten, für den Patienten ist die Therapie etwas wichtiges, zentrales im Leben. Für den Therapeuten (auch oder gerade bei den guten)ist man einer von vielen und es ist deren Job. Das heißt nicht, dass der Therapeut nicht engagiert ist oder nicht empathisch. Aber es muss und sollte sich davon distanzieren können, wenn er frei hat.<
Dem Geschriebenen kann ich aus meiner Erfahrung nicht ganz zustimmen. Über dieses Thema habe ich mit meinem Therapeuten in einer Sitzung gesprochen. Als ich mich im März endgültig von meiner Mutter getrennt habe (ich hatte ständig suizidale Gedanken und es ging mir nach jedem Treffen miserabel), sagte er mir, dass er nun endlich wieder ruhig schlafen könne. Ich habe es nicht wirklich ernst genommen und ihn "lächelnd" gefragt, ob das sein Ernst sei. Daraufhin antwortete er, dass es sich zwar um eine Therapeuten/Patienten-Beziehung handele, ich aber auch nicht vergessen solle, dass wir eine zwischenmenschliche Beziehung führen würden. Natürlich würde er sich Sorgen machen, auch außerhalb der Sitzungen.

Ich glaube nicht, dass jeder Therapeut außerhalb der Sitzungen absolut abschalten kann. Auch diese machen sich in ihrer Freizeit so ihre Gedanken, sicherlich mit einem entsprechenden Abstand, aber es sind ja keine Maschinen.

Ein kleiner Tipp: Es gibt ein Buch von Irvin D. Yalom "Jeden Tag ein bisschen näher". Therapeut und Patientin beschreiben ihre eigenen Empfindungen während eines Settings schriftlich nach jeder Sitzung und tauschen diese Berichte halbjährlich untereinander aus. Auch in Fachbüchern wird oft beschrieben, dass auch Therapeuten emotional ins Schleudern geraten können, wenn ein Fall sehr heikel ist.

Ich denke, dass es vom Patienten abhängt, inwieweit dieser den Therapeuten emotional wirklich berührt... Ein Patient, der NUR klagt, meckert, angreift und sich selbst nicht verändert/ verändern will wird diesen vielleicht innerlich verärgern (er ist ja auch nur ein Mensch), aber nicht näher beschäftigen.

Liebe Grüße
Jessy
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

heikeg
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Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von heikeg »

Hallo Jessy,
Hallo FrauRossi,

"Das Gefühl von Abhängigkeit hat sich bei mir erst jetzt nach anderthalb Jahren eingestellt. Vorher dachte ich immer: "Was haben die Anderen bloß für Probleme, nur weil der Thera mal im Urlaub ist?" Jetzt weiß ich es. Mein Therapeut fehlt mir, es fehlen mir die Gespräche und dieser intensive emotionale Kontakt.

Genau das meine ich mit diesem "Fehlen-der-Gespräche". Der Therapeut wird zu einem Menschen, dem man alles erzählt, was sonst früher der beste Freund/die beste Freundin übernommen hatte. Er hat zu einem festgesetzten Termin zeit und seine Aufgabe ist zuhören und zusammen reflektieren.

Zuhören und reflektiern sollte ja auch passieren, aber nach meiner Meinung sollte, zumindest in meinem Kopf, der Therapeut ein Helfer zur Selbsthilfe sein und nicht zum besten Freund werden, denn dann passiert genau das, was hier beschrieben wird, "was mache ich, wenn er nicht da ist oder wenn die Therapie zu ende geht".

Früher, ganz zu Anfang, als ich in die Klinik kam oder auch die erste Therapie machte, war in mir auch der Gedanke oder auch der Wunsch, man möge mich an die Hand nehmen, mich pflegen (im übertragenen Sinne gemeint), mich trösten. Doch genau dies war, zumindest in den Klinikzeiten, kaum bis gar nicht Gegenstand der Therapie. Zuhören, die Problemfelder erörtern und erkennen und danach Hilfen an die Hand geben um allein wieder den Alltag zu meistern.

Obwohl ich eine tiefenpsychologische Psychotherapie absolviere, sehe ich diese Beziehung auf Zeit und als eine "Arbeitsbeziehung", um vorwärts zu kommen. Mit diesem Paradigmenwechsel kann ich auch gut Pausen aushalten. Klar, eine fette Krise ist dann ein Notstand, aber da muss ich eben auch Alternativen zur Verfügung stehen haben. Ganz leicht wird es mir sicherlich auch nicht fallen, wenn bald die Therapie zu ende geht, doch meine ich, dass ich nicht deshalb wieder in eine Krise stürzen werde.

Viele Grüße Heike
-------- Signatur ---------

unipolar depressiv seit 2002
jolanda
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Re: Therapeut im Urlaub- Wie überbrückt ihr die Zeit?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Ich sage ja auch nicht, dass der Therapeut die Patienten in dem Moment in dem er die Tür hinter sich schließt vergisst (vergessen sollte). Das geht wahrscheinlich nicht. Und dass sie auch außerhalb ihrer Arbeitszeiten über die Patienten nachdenken ist auch klar. Aber es muss eine Distanz da sein, selbst wenn sie sich mal Sorgen machen.
Wenn meine Therapeutin sagt, ihr sei es nachts plötzlich eingefallen, dass sie einen Rückruf bei mir vergessen hat, dann finde ich das irgendwie auch nett, weiß aber auch, dass sie wegen mir oder anderen bestimmt keine schlaflosen Nächte hat (hoffe ich zumindest)

Was passieren kann, wenn die Therapeutin die Distanz verliert, musste ich seeehr schmerzhaft erfahren.
Einerseits fehlt mir etwas bei der jetzigen, weil eben die Distanz da ist, andererseits ist es wohl auch gut so.
Vielleicht hilft das auch, die Urlaubszeit besser zu überstehen.

Und dann ist es so, dass ich jetzt schon fast drei Jahre bei ihr bin und wir uns sehr gut kennen. Manchmal verstehen wir uns ohne Worte. Oder ich weiß genau, was sie gleich sagen wird. Und das weiß ich eben auch, wenn sie nicht da ist. "Was würde Frau ... jetzt sagen?" und das hilft mir dann auch manchmal weiter. Weil sie eben Dinge sagt, die ich mir selber (noch) nicht sagen kann, gerade, wenn es darum geht, Gefühle zu akzeptieren.

LG, jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
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