Nebenwirkungen Depression

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Anna38
Beiträge: 24
Registriert: 14. Jan 2010, 08:25

Nebenwirkungen Depression

Beitrag von Anna38 »

Hallo zusammen,
ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber seit ich unter Depris leide, habe ich folgende ich nenn es mal Nebenwirkungen:
- Geräuschempfindlichkeit, sobald z. B. eine Tür knallt, zucke ich zusammen, nicht einfach so, sondern hab ich sofort angst. Geht zwar schnell wieder vorbei, aber ich kenne mich so nicht.
- Ich kann Lautstärke im Allgemeinen nicht gut vertragen, oft ist mir das Radio schon zu laut, es kommt mir so vor wie eine Art Reizüberflutung
- einige Geräusche bringen mich regelrecht auf die Palme: manchmal ein Vogel draußen, wenn jemand mit den Fingernägeln knackt (weiß nicht, wie ich es beschreiben soll), das Schnarchen meines Partners. Trotz Ohrenstöpsel höre ich es, steiger mich rein und schlaf seit längerem fast jede Nacht im Nebenzimmer.
- ich bin total dünnhäutig! Alles wird von mir innerlich hinterfragt, sei es nur die leiseste Kritik, dreht sich bei mir alles.
- Ich kann kaum Entscheidungen treffen. Werd ich gefragt, was ich im Fernsehen gucken möchte, sag ich, ist mir egal. Was unternehmen wir: egal. Ich habe IMMER das Gefühl, es allen recht machen zu müssen, trau mich kaum, mal meine Bedürfnisse auszusprechen, ich kann ja damit leben, mich nach anderen zu richten.

Es verunsichert mich sehr, wie sehr ich mich verändert habe und weiß nicht, ob das unter diesen Umständen normal ist. Geht es euch ähnlich?
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

kenn ich auch! Vom überschäumendem Temprament, immer fröhlich, immer ein Lied auf den Lippen, voller Tatendrang

und dann zu:

entscheidungsunfähig, ist mir egal Haltung, selbst Vogelgezwitscher zu laut, Sonnne zu hell, totale Reizüberflutung, Schlafstörungen, antriebslos, gefühllos, weinen...,

Ja ich glaube das gehört zur Depression dazu. Seit zwei Wochen bin ich in Therapie, und schreibe Tagebuch. Ich kann nicht behaupten daß es aufgehört hätte, aber das aufschreiben hilft beim sortieren. Es ist vielleicht ein wenig besser geworden, etwas weniger Druck, von allem ein bischen weniger. Ich habe aber auch direkt alles rausgelassen, alles ohne Scham, sonst wäre ich geplatzt.

Ich kann nicht behaupten daß ich schon wieder etwas hin bekomme, aber wie gesagt etwas besser geht es. Und das macht Hoffnung.

Wünsche dir Kraft und Geduld.

LG
blub
Beiträge: 39
Registriert: 21. Apr 2011, 19:55

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von blub »

Hallo
Also ich kenn diese Nebenwirkungen nur zu gut. Ich denke es hat viel damit zu tun, dass man sich selbst nicht wertvoll findet, werlos. Also fühlt man sich auch nicht berechtigt etwas im Fernsehn auszusuchen. Das mit den Geräuschen kenn ich auch nur zu gut. Ebenso wie die allgemeine Dünnhäutigkeit. Heute saß in der Bibliothek neben mir jemand und kaute Kaugummi und das Geräusch hat mich schon fast auf die Palme gebracht. Ich versuch mir dann zu sagen, dass es ein ganz normales Geräusch ist, dass mich grade nur stört, weil etwas mit mir nicht stimmt und da kannn niemand anderes etwas für.
~Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet~
wütend

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von wütend »

Liebe Anna38

das sind ganz normale Symptome der Depression.
Die hatte ich auch, und noch so einiges mehr.
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von Antiope »

Hallo Anna,

ja, genau das mit der extremen Dünnhäutigkeit (Geräusche, Bilder, Farben, Musik) und der Entscheidungslosigkeit sind bei mir ein Teil der Hauptsymptome. Entscheidungslosigkeit heißt einfach: keine Möglichkeit, entscheiden zu können. Kein Können mehr. Auch permanente In-Frage-Stellung soeben getroffener Entscheidungen.

Und noch ein weiteres, sehr Unangenehmens: keine Konzentration. Es geht nicht. keine Filme (sowieso nicht wegen der schnellen Schnitte, der evoziierten Gefühle, ...), keine Bücher. Eigentlich nicht arbeitsfähig, da mir selbst das Setzen oder Nicht-Setzen eines Kommas kaum mehr möglich ist ...
Anna38
Beiträge: 24
Registriert: 14. Jan 2010, 08:25

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von Anna38 »

Ich bin schon etwas beruhigt, dass ich hier nicht die einzige bin, die diese Symptome hat. Allerdings muss ich mir somit wirklich eingestehen, dass es nicht so weiter geht.
Am schlimmsten ist auch bei mir diese "In-Frage-Stellen", alles wird bezweifelt, angezweifelt, hin- und her überlegt, Konzentration ist kaum noch vorhanden. Wenn mein Mann mir Dinge erzählt, kann ich oftmals kaum folgen. Wenn er das mitbekommt, ist er natürlich sauer und denkt, ich interessiere mich nicht für das, was er sagt. Aber ich geb mir wirklich Mühe... Und dann diese ewige Grübelei: ich würde mir soooo wünschen, mal den Kopf leer zu haben! Ich beneide die Leute, die sich um nichts und niemanden Gedanken machen! Ich denke einfach immer, tagsüber, nachts, beim einschlafen, immer. Ich kann überhaupt nicht mehr abschalten.
Wenn ich meinem Umfeld davon erzählen würde, würden die wohl aus allen Wolken fallen, aber ich kann mich einfach nicht outen. Nach meiner ersten Therapie ging das zwar ganz gut, aber irgendwie ist Gras über die Sache gewachsen und ich kann nicht sagen: hey, mir gehts (wieder/immer noch) beschissen. Nach außen halte ich eben meine Fassade aufrecht so gut es geht. Aber jede Kleinigkeit, die irgendwie negativ rüber kommt, wirft mich total aus der Bahn und ich würde am liebsten den Kopf in den Sand stecken und Schluss mit allem machen.
Ich wehre mich gegen AD, ich habe Angst, dass ich wieder an Gewicht zunehme und so wieder Angriffsfläche biete. Dann ist das Bild einer perfekten Frau/Mutter/Tochter usw. wieder angeknackt, und damit kann ich nicht leben.
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von ghm »

Hallo Anna,

warum kannst Du Deinem Umfeld nicht sagen,

"ich habe versucht mich zusammenzureissen, aber ich habe einen Rückfall" ?

In jeder Erkrankung ist die Gefahr des Rückfalls.
Du hast Dich wieder übernommen und der Rückfall ist da.

Ich hoffe Du findest den Mut, es Deinem Umfeld mitzuteilen.

Wenn Du nach einer Grippen zu früh wieder startest und einen Rückfall hast, gehst Du doch auch wieder ins Bett, oder nicht?

(Auch weil ich gelernt habe, dass ich nicht mehr so viel aushalte wie vor der Depression)
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Anna38

kann ich gut verstehen, ich möchte auch keine Medikament nehmen.
1. Weil ich lange andere Medikamente genommen hab, die mich nicht geheilt haben, im Gegenteil sie haben noch mehr kaputt gemacht.
2. War mein Vater Alkoholiker und mein Onkel und mein Opa und meine Mutter Tablettenabhängig.

Das sind natürlich meine eigenen Gründe und gehören zu "meiner speziellen Macke" aber Fakt ist ich will sie nicht.

Das hab ich der Rherapeutin auch gesagt. Und sie akzeptiert das, vielleicht nur fürs erste, aber sie kann mich und dich schließlich nicht zwingen.

Vielleicht kannst du aber auch so ne Art Deal machen?
Du nimmst die Medis in der Akutphase aber zeitlich eng begrenzt?

Ich bin neu in dem ganzen Thema und weiß nicht ob so was möglich ist. Ich hab ne Freundin die hätte sich ohne Medis wohl *mg*br*cht.

Ich denke wenn es medizinisch absolut notwendig ist nimm sie lieber. Aber sprich auch darüber vielleicht gibt's alternativen.

Lg FrauRossi (sucht das Glück)
Zarra
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Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von Zarra »

Hallo Anna,

es gibt Antidepressiva, bei denen man nicht zunimmt. Ein guter Psychiater wird bei der Auswahl auf Deinen Wunsch Rücksicht nehmen - denn sonst ist die Akzeptanz einfach zu gering. Antidepressiva machen nicht alles gut, aber sie können einfach unterstützend wirken, ich fand gerade hinsichtlich Überempfindlichkeiten, schneller Überreizbarkeit.

Ich habe mühsam in Therapie gelernt, nicht alle meine Entscheidungen sofort (!) wieder in Frage zu stellen. Das ist das eine. Damit kehrt einfach etwas mehr Ruhe ein. -- Hintergrund ist natürlich auch, daß man "nicht perfekt sein muß", daß es keine perfekten Entscheidungen geben muß, daß man sich ggf. später auch wieder umentscheiden darf (aber nicht zigmal hin und her innerhalb einer halben Stunde!).

Das Sich-Trauen, zu eigenen Bedürfnissen und Wünschen etc. zu stehen UND ES ZU TUN, ist eine Sache. Da bin ich gerade auch noch sehr am Lernen. (Und da muß man sich natürlich ggf. mit Kontra-Reaktionen der Umgebung auseinandersetzen ...)

Das andere ist, daß es mir oft sehr schwer fällt, ÜBERHAUPT WAHRZUNEHMEN, was ich denn möchte. Da kann ich denn zwar locker "egal" sagen und es stimmt sogar, ich kann es angeblich den anderen recht machen - aber letztendlich bleibt doch etwas auf der Strecke, nämlich ich, weil ICH MICH GAR NICHT WIRKLICH WAHRNEHME. Da galt es und gilt es bei mir, wieder mehr hinspüren zu lernen, was ich denn will, was mir gut tun könnte, was ...

Mit gar niemandem über das eigenen Empfinden reden zu können, kostet unheimlich Kraft - Kraft, die man woanders gut gebrauchen und einsetzen könnte. Ich glaube nicht, daß man allen von seiner Erkrankung oder seinem Befinden erzählen muß oder sollte (oder auch will), aber man sollte es NICHT vor ALLEN verheimlichen müssen. Denn das entfremdet einen dann wieder noch ein Stück mehr von sich selbst. - Ich habe es als ziemliche Entlastung erlebt, diese - erlebt: - absolute Fassade nicht mehr aufrecht erhalten zu müssen. Ich fühle mich immer noch in der Pflicht, mich verbindlich etc. zu verhalten, aber dieser fast unerträgliche Druck ist weg; was jetzt noch an Druck da ist, hat meist etwas Nachvollziehbares, Reales. Und weißt Du, manchmal ist es doch so, daß nachdem man ausgesprochen hat, wie man sich fühlt, man plötzlich auch sagen kann: "Okay, so ist es; und jetzt packe ich doch ... (dies oder jenes) an".

Dann: Du hast Dir nicht ausgesucht, daß es Dir (wieder oder noch) schlecht geht. Keiner sucht sich Krankheit aus.

Alles Gute!

Zarra
pero
Beiträge: 970
Registriert: 8. Apr 2011, 09:23

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von pero »

Hallo Anna,
ja, es geht mir sehr ähnlich. Früher habe ich immer ein Radio angehabt, jetzt ist das fast immer aus. Ich kann diese Berieselung nur noch selten ertragen.
Aber ich liebe Vogelstimmen und andere Naturgeräusche.

Auch die Entscheidungsschwäche und Letargie kenne ich, da haben mir AntiDepressiva geholfen.

lg
pero
Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
blueray

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von blueray »

Hallo Anna,
dein Posting hätte auch von mir sein können.
Ich habe diese Problematik auch das mich verschiedene Geräusche stören oder nerven.
Eine zu laute Geräuschkulisse macht mir zu schaffen, zb. auf der Arbeit. Da wir Maschinen laufen haben ist es laut klar, aber laut und laut sind zwei paar Schuhe. Mir hat das früher nichts ausgemacht, heute ist meine Schmerzgrenze schnell erschöpft, die Maschinen gehen mir nach einer halben Stunde auf den Sack und das Radio kommt mir vor als ob es plärrt.
Zuhause reichen schon solche Sachen wie das ständige Räuspern von Familienmitgliedern oder andere banale Dinge.
Es hat mit Sicherheit was mit der Depression zu tun, denn ich habe das je nach Deprieepisode mal weniger oder mehr.
Man ist einfach nicht in der "Reihe", nicht gelöst und locker, nur noch angespannt. Totale Reizüberflutung.
Mit Antidepressiva wird das auch besser, das weis ich aus Erfahrung.
Ich bin auch so ein Gegner von den Medis, aber ich habe feststellen müssen das es ohne meistens nicht geht.
Es gibt auch Medis die sich nicht auf das Gewicht auswirken, das kann dir dein Arzt am besten sagen. Die Problematik mit dem Zunehmen habe ich auch, aber ich habe mich umstellen lassen und mache Ausdauersport das hilft für die Linie sowie für die Nerven.

Gruß
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von anna54 »

Hallo Anna
wie die anderen auch schon geschrieben haben,die Dünnhäutigkeit ist ein deutliches Symptom der Depression.

Zu deiner Fassade,kann ich dir eigene Erfahrungen berichten. Ja es geht,eine Zeit lang kannst du dir selbst und anderen etwas vormachen.
Aber tu dir das bitte nicht an!!!!
Es kostet Kraft,die du nicht hast.Es bringt dich an absolute Grenzen.
Was soll ich dir über Nebenwirkungen erzählen,alles und nichts!!!!
Du läufst der Krankheit nicht davon,dass kann ich dir sicher sagen,das ist schlimm,aber ich würde mir heute wünschen,ich hätte den Anfang der Depression ernst genommen,dann hätte ich mir und der Familie vieles erspart.
Es ist ein langer und schwerer Weg,diese Krankheit anzunehmen,die richtige Therapie zu finden--- und auch zu bekommen.

Nimm dich bitte wichtig---Fassaden sind Schall und Rauch---.

Anna für Anna
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von FönX »

Sorry, ich habe mich verpostet.
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Anna38
Beiträge: 24
Registriert: 14. Jan 2010, 08:25

Re: Nebenwirkungen Depression

Beitrag von Anna38 »

Hallo ihr lieben,
erst einmal danke für die zahlreichen Antworten.

Ich weiß, dass ich eigentlich zu meiner Krankheit stehen sollte, ich habe aber immer das Problem, dass ich mich ganz hinten anstelle. Ich kann einfach nicht klagen, wenn mich irgendwas bedrückt, sei es körperlich oder seelisch. Ich denke immer, ich bin doch kein Jammerlappen und irgendwie gehts doch bestimmt wieder. Ich habe eine Freundin, mit der ich mich austauschen kann, allerdings wäre es mir schon wichtig, wenn meine Familie von mir wüsste, wie es um mich steht. Ich habe angst davor, dass alle auf Zehenspitzen um mich rum schleichen, dass ich Dinge höre wie: "ja ja, ist ja wieder deine Depression", wenn ich irgenwie anderer Meinung bin oder nah am Wasser gebaut bin. So was in der Richtung hat mein Mann schon mal gesagt, das hat mich zutiefst verletzt und mich dazu gebracht, besser den Mund zu halten.

Schlimm sind auch die ewigen Schlafstörungen. Mit AD konnte ich ganz gut schlafen, aber ich denke, es muss auch anders gehen. Ich ziehe ja schon fast jede Nacht ins Nebenzimmer um, weil mich das Schnarchen oder sogar die Geräusche bei offenem Fenster stören. Nebenan schlafe ich mit schlossenem Fenster, Ohrenstöpseln und völlig abgedunkelt. Und selbst dann komme ich kaum zur Ruhe. Es ist mir peinlich, wenn ich mich wie eine alte Frau mittags versuche hinzulegen, mehr als 20 Minuten sind aber nie drin, das ist ein ewiger Kreislauf.
Ich hoffe, der Urlaub wird mich ein Stück stärken...
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