Wege aus der Isolation

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limone
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Wege aus der Isolation

Beitrag von limone »

Hallo zusammen. Bin neu hier, kenne mich noch nicht so gut aus. Habe eine Frage an Euch: kann mir jemand sagen, wie man aus dieser Isolation rauskommt? Der Alltag ist ausgefüllt mit Arbeit, das lenkt ab. Aber die Wochenenden.... Rückzug, Einsamkeit, Verzweiflung. Keine Kraft für sprtliche Aktivitäten. Die Freunde / Bekannten haben alle Familie, also keine Zeit für gemeinsame Unternehmungen. Was kann man / Frau am Sonntag machen? Vor Allem, wenn es einem schwer fällt, mit fremden Menschen in Kontakt zu treten? Habt Ihr einen Rat für mich?
kormoran
Beiträge: 3276
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Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von kormoran »

liebe limone,

willkommen im forum !

ich kann zuerst nur mal sagen: ich stehe auch vor der frage. kontakt zu menschen habe ich fast nur bei der arbeit. ich beobachte im letzten jahr, wie sich von den wenigen menschen, die mir einigermaßen nahe waren, einige entfernt haben. (zum teil einfach, weil sie mit ihren eigenen familien usw. genug um die ohren haben; zum teil klare abgrenzung und zurückweisung meines wunsches nach verbindlicher freundschaft)
es bleibt eigentlich fast nichts. früher ans alleinsein gewöhnt, merke ich jetzt wie sehr ich mir wünsche, mal wenigstens am telefon ein bisschen plaudern zu können, ab und an sich treffen oder ausflüge mal nicht allein zu machen, sich über das erlebte auch austauschen zu können.

mir geht es allerdings zur zeit ziemlich gut, ich habe also kraft für sport, und manchmal auch für ausstellungen, konzerte, kino. an wirklich guten tagen (daran arbeite ich) finde ich auch die ruhe, lange und konzentriert zu lesen oder generell etwas zu tun und ganz bei der sache zu sein, sodass mir die sache selbst kraft gibt und die bedürftigkeit nach außen wegfällt.

das hilft zum einen, die isolation auszuhalten .... gibt aber auch innere stabilität und mut, kontakte nach außen zu wagen.

ideen dafür liegen ja sozusagen auf der straße, aber noch finde ich nichts, was ich mir zutraue.

selbsthilfegruppe? schaffe ich das zeitlich?
das läge eigentlich am nächsten, denn dort hätte frau kontakt mit menschen, denen es ähnlich geht - wo man keine maske tragen muss.

mitmachen bei gruppen-aktivitäten? das läge auf der hand, wo ich doch kraft hätte für unternehmungen. und dann ist da die angst, mit einer gruppe von menschen "gefangen" zu sein und darin unendlich einsam, und die ablehnung, die ich immer wieder erfahre, nur noch stärker zu empfinden. ich habe solche angst vor solchen rückschlägen, sie überwiegt die hoffnung auf gute neue kontakte.

wichtig ist jedenfalls, sich nicht in die einsamkeit und verzweiflung reinfallen zu lassen.
das fällt natürlich leichter, wenn etwas kraft da ist - vielleicht schaffst du es aber doch auch schritt für schritt, wieder mit sport anzufangen. klein anfangen, aber umso konsequenter. es fällt doch ein bisschen leichter, sich kontakte nach außen zuzutrauen, wenn man sich selbst stärker und erfüllt erleben kann, und dabei kann sport helfen.

warst du schon einmal in einer selbsthilfegruppe?

liebe grüße
kormoranin
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*** zurück ins leben!
missdi
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Registriert: 23. Dez 2005, 23:25

Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von missdi »

Liebe Limone und liebe Komoranin,

ich kann diese Gefühle gut nachvollziehen.

Auch ich habe zur Zeit fast nur soziale Kontakte auf der Arbeit. Abgesehen davon habe ich gerade nur wenig Kontakt zu einzelnen Freunden. Dass ich mich von vielen zurückgezogen haben, liegt vor allem daran, dass ich es nicht mehr aushalte, dass alle um mich herum sich weiterentwickeln, voll im Leben stehen (sei es Kinder kriegen, sich beruflich weiterentwickeln, umziehen), während ich selbst das Gefühl habe, innerlich tot zu sein (momentan) und es nicht schaffe, weiterzugehen, lebendig zu werden (momentan fühle ich mich wie ein "Phantom"). Es ist also nicht unbedingt so, dass sich andere von mir abwenden, ich bin eigentlich immer diejenige, die sich zurückzieht.

Gerade in Phasen, in denen ich richtig verzweifelt bin (wie jetzt) habe ich dann aber das dringende Bedürnis nach Trost. Vor allem auch, weil man durch die Depression die Verbindung zu sich selbst verloren hat, dann fühlt man die äußere Einsamkeit umso mehr. Trost bei anderen zu finden hilft mir kurzfristig, mich wieder besser, weniger einsam zu fühlen, aber ich bleibe dabei "klein".

Der eigentliche Weg aus der Isolation für mich ist, mich selbst zu stärken, wie Komoranin es ausgedrückt hat, um dann wieder besser auf Menschen zugehen zu können. Das heißt den Blick erstmal nur auf mich zu richten, was kann ich tun, damit ich mich besser fühle. Gleich werde ich zu Beispiel eine Runde joggen gehen (was ich gerade leider sehr vernachlässigt habe), dadurch dass ich meinen Körper spüre, fühle ich mich selbst wieder mehr.

Gut finde ich, sich Aktivitäten zu suchen, in denen man Kontakt zu anderen Menschen hat, aber in denen es aber primär um die Aktivität geht. So kann man sich durch die gemeinsame Aktivität stärken und kommt so leichter in Kontakt. Ich habe z.B. vor einiger Zeit einen Gesangskurs gemacht, der mir total viel Spaß gemacht hat und hatte dabei auch guten Kontakt zu den anderen Teilnehmern.

Bei mir kommt bei diesen Gruppen dann leider das Problem, dass ich nicht "am Ball" bleibe, große Probleme habe, mich auch längerfristig darauf einzulassen, sobald die Kontakte möglicherweise intensiver, für mich "gefährlich" werden, dann bin ich schnell wieder weg.

Liebe Grüße
Lunablau
Reve
Beiträge: 753
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von Reve »

Hallo Ihr,

müssen denn die Kontakte „unbedingt“ sein?

Ich für meinen Teil sag nein und nehme damit allerdings in Kauf, melancholisch zu bleiben.
Da dauerhaft rauszukommen geht wirklich nur über Gespräche, das merk ich auch.

Nun hab ich eine große Familie, aber die jeder entwickelt sich weiter, ist ja auch gut so. Die Interessen gehen komplett in andere Richtungen,….

Ich hab mich für meine Hobbys entschieden, anstelle von Kontakten. Neben einer beruflichen Tätigkeit, neben meiner Familie.

Die hängen zum Teil mit körperlicher Aktivität zusammen, mit Konsequenz, mit ganz, ganz viel Kreativität,….
Es ist mein Schatz, meine Schatzkiste, da kann ich reingreifen und mir etwas aussuchen, was gerade zu meiner Stimmung passt. Zugegeben, eine sehr melancholische Stimmung, aber ich bin von niemandem mehr abhängig,…

LG, Carin
missdi
Beiträge: 100
Registriert: 23. Dez 2005, 23:25

Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von missdi »

Hallo Carin,

"müssen" tut gar nichts.

Es ist sicher ein Unterscheid, ob man eine eigene Familie hat oder ab man ganz alleine lebt. Wenn man ganz alleine ist, dann ist die Gefahr, ganz in die Isolation zu rutschen denke ich noch größer.

Ich kann mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens in Einsamkeit zu verbringen, ich möchte das nicht und das macht für mich persönlich keinen Sinm. Nicht weil irgendwas so sein "muss", sondern weil ich sehr unglücklich damit bin, einsam zu sein und weil ich mir eigentlich Kontakt wünsche, nur dieser aus verschiedenen Gründen für mich oft schwierig ist. Wenn es mir gut geht, wenn ich mich gut fühle, bin ich eigentlich sein sehr kommunikativer und kontaktfreudiger Mensch.

Aber es gibt auch Menschen, die den Mangel an Kontakt nicht als Verlust spüren und sich viel besser selbst genügen können. Ich denke, das ist typsache und jeder muss für sich herausfinden, ob und wieviel Kontakt er braucht. Bei mir persönlich ist es wohl eine gesunde Mischung aus Kontakt und Zeit/Raum für mich alleine, die ideal wäre. Dass man sich BEWUSST dazu entscheiden kann, JETZT wünsche ich mir Kontakt oder JETZT möchte ich für mich sein. Aber nicht aus Gründen von Ängsten, Depressionen usw. in eine Art ungewollte Isolation hineinzurutschen.

Ich finde Alleinsein kann herrlich sein, ich kann das sehr genießen, aber nur wenn es mir gut geht.

Liebe Grüße
Lunablau
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von kormoran »

hi,

das ist so eine sache - wie viel mensch braucht der mensch?

bei mir geht es nicht um "müssen", weil es sich so gehören würde, nicht einmal mehr, weil mir eine therapeutin dazu riete oder so. ich merke ganz einfach, dass mir der menschliche etwas nähere, vertraute austausch verdammt arg fehlt.
dieses bedürfnis zu erkennen und zuzulassen bedeutet für mich fortschritt, denn ich habe von kleinst auf wirklich gut gelernt, allein zu sein (und dass es gut ist, nicht von anderen abhängig zu sein). ich habe mir - übernommen von den prägenden personen meiner kindheit und jugend - diese sehnsucht davor gar nicht erlaubt. und damit habe ich meine eigenen bedürfnisse geleugnet und mich überfordert, das war sicherlich auch ein baustein in der entstehung der depression.

erzwingen kann man nichts und will ich auch nicht. es ist ok für mich, alleine in urlaub zu fahren, allein was zu unternehmen. ich kann das auch genießen.
ich spüre aber, dass mir auch etwas fehlt.
und ich wünsche mir, dass sich menschen fänden, die auch mit mir in beziehung treten wollen.
ob das passiert oder nicht - ich kann es nicht erzwingen. ich kann es nur möglich machen, offen sein, in mir selbst möglichst stark, nicht bedürftig;
bisher mache ich die erfahrung, dass das interesse von anderen an einem solchen kontakt mit mir nicht entsteht. das tut ganz schön weh.

liebe grüße
kormoranin
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limone
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Registriert: 23. Jun 2011, 11:46

Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von limone »

Vielen Dank für Eure Antworten und Ratschläge. Ich sehe das auch so, dass es durchaus mal schön sein kann, Zeit für sich alleine zu haben. Wenn es jedoch an fast jedem Wochenende so ist, weil die Kinder groß sind, und ihre eigenen Wege gehen- was ja auch wichtig und richtig ist- dann kann es zur Belastung werden. Und alleine ins Kino, alleine in Urlaub fahren... macht keinen Spaß. Da bleibt man dann doch wieder eher zu hause.
In einer Selbsthilfegruppe war ich noch nicht. Bin überhaupt erst seit kurzem auf dem Weg, meinen Zustand ernst zu nehmen. Im Grunde genommen lebe ich schon seit vielen, vielen Jahren mit der Depression, und bildete mir ein, mein Leben auch damit irgendwie im griff zu haben. Auslöser war jetzt eine Auseinandersetzung mit meiner Tochter, in deren Verlauf sie mir sagte, sie halte es nicht mehr aus, mich immer traurig zu sehen. Sie leide darunter. Irgendwie habe ich wohl immer gedacht, wenn ich mir Mühe gebe, merken sie es nicht, und belastet es sie nicht. Nun merke ich, indem ich mich mit Hilfe von Büchern, Internet usw. damit auseinandersetze erst, wie mies es mir eigentlich wirklich geht. Und sehe, dass ich mich in ganz, ganz vielem, was dort beschrieben wird, selber wieder erkenne. Dazu gehört auch die Angst vor Menschen. Es ist eigentlich irrsinnig, denn ich habe beruflich jeden Tag mit Menschen zu tun. Aber privat ist es ganz was anderes.
Daher habe ich auch Angst vor dem Schritt in eine Selbsthilfegruppe. Kann mir einer beschreiben, wie es dort ist? Habe auch einen Arzttermin gemacht, für mich zusammen mit meiner Tochter, aber die Wartezeit beträgt 3 Monate
Je mehr ich mich damit beschäftige, um so stärker bekomme ich das Gefühl, von einer Lawine überrollt zu werden. Da kommt so vieles von früher wieder hoch.
Jedenfalls tut es gut, sich hier mit Euch austauschen zu können. Jedoch fürchte ich, es täuscht einen über die Einsamkeit hinweg...
Liebe Grüße Limone
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von kormoran »

hallo limone,

es ist ein wichtiger schritt, dass du deine situation ernst nimmst und auch etwas tust, damit es besser werden kann.
arzttermin ist schon mal gut, auf jeden fall!
die auseinandersetzung mit der depression, wohl auch die aha-erlebnisse wenn du hier im forum vieles liest, was auch bei dir so ist, die ahnung, was da an baustellen in einer therapie zu bearbeiten wäre und dass das wohl auch bedeutet, durch viel unangenehmes durchgehen zu müssen - dass dich das momentan etwas überrollt, das ist verständlich.

aber das sollte dich nicht davon abhalten, den weg weiter zu gehen - denn es ist der weg ins freie. nur davon, die augen zu verschließen und es nicht zu wagen, wird es nicht besser, eher schlechter. hey, es ist dein leben und es hält noch viel gutes für dich bereit!

selbsthilfegruppe hat bei mir so ausgesehen, dass man in einer runde von 5-8 leuten zusammen saß, einmal die woche, die gruppe war begleitet von einer betroffenen, die auch eine ausbildung dafür hatte. für mich war das damals der erste schritt zurück unter menschen, und natürlich von da her schon extrem wertvoll. es tat gut, sich nicht verstellen zu müssen, erfahrungen auszutauschen, aufzubauen, zu trösten, rat zu finden, oder mal ein thema eingehender zu besprechen. vereinzelt ergaben sich auch einzelne aktivitäten mit einer frau aus der gruppe außerhalb der gruppentermine. in dem fall war es leider so, dass das für mich damals zu anstrengend war. ich war noch ziemlich platt damals, die frau ziemlich "fordernd" und die gemeinsamkeiten dann doch nicht genug, dass ich mich auf eine anhaltende freundschaft hätte einlassen können.

liebe grüße
kormoranin
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limone
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Re: Wege aus der Isolation

Beitrag von limone »

Hallo kormoranin,
vielen Dank für Deine Mut machenden Worte. Denke, es gibt da wirklich einige offene Baustellen, und muß aufpassen, dass es mich derzeit nicht überrollt.
Wenn man hier so liest, denkt man, es gibt so viele nette Menschen, mit denen man sich austauschen kann- warum findet man die im wirklichen Leben nicht?
Vielleicht ist der Weg über die Selbsthilfegruppe ja ganz gut.
Alles Liebe und Gute
Limone
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