Über die Kranheit reden

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Bella0704
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Über die Kranheit reden

Beitrag von Bella0704 »

Hallo zusammen,

hab mal eine Frage an euch. Höre immer wieder, dass man offen mit der Depression umgehen soll. Habe das innerhalb meiner Familie getan. Hier ein Beispiel.
Meine Tochter (20 Jahre) hat Probleme mit ihrem Freund. Die Beiden wohnen zusammen und sie ist noch in der Ausbildung. Sie hat mir erzählt, dass sich ihr Freund von ihr getrennt hat und mich nach einer Lösung gefragt. Habe ihr erklärt, dass es mir nicht gut geht und ich im Moment keine Kraft habe ihr zu helfen. Hab ihr angeboten wieder bei uns in ihr altes Zimmer einzuziehen. Das wollte sie nicht (wollte nur finazielle Unterstützung). Daraufhin war sie sauer und meinte ich könnte mich ja melden, wenn es mir besser ging. Ich wäre egoistisch. Dann hat sie die Tür geknallt und ist gegangen. Das ist jetzt zwei Wochen her. Habe nichts mehr von ihr gehört.
Auch meine Schwester hat kein Vertsändnis für mein Verhalten. Sie spricht auch nicht mehr mit mir. Habe deswegen ein total schlechtes Gewissen. Wollte doch nur um etwas Verständnis bitten und klar machen, wie es mir im Moment geht. Habe jetzt nur noch wenige Freunde und meinen Mann. Der hält absolut zu mir und findet das verhalten der Anderen auch nicht wirklich o.k.
Habt ihr auch solche Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel, dass Freunde und Familie euer Verhalten persönlich nehmen und es zum Streit kommt.

VG
Cora0704
heikeg
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Re: Über die Kranheit reden

Beitrag von heikeg »

Hallo Cora,

also Streit in dem Sinne nicht, doch zu Anfang konnte ich eben hören: "ich müßte mich doch nur etwas mehr anstrengen, jedem geht es mal schlecht ..." oder "Ich soll mir nicht immer so viele Gedanken machen, dann ist es ja klar, dass ich nicht gut drauf bin" und noch vieles mehr.

Die Gesunden kennen ja auch depressive Stimmungen und damit vergleichen sie das dann und glauben, wir würden uns nur zu sehr hängen lassen. Sie können nicht verstehen, dass es einen Unterschied zwischen "normale depressive Verstimmungen" und Depression gibt. Ich hatte dann zum Beispiel meine Mutter mal ne Broschüre in die Hand gegeben und sie mal auf Sendungen aufmerksam gemacht. Jetzt versteht sie es etwas besser.

Viele Grüße Heike
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unipolar depressiv seit 2002
ghm
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Re: Über die Kranheit reden

Beitrag von ghm »

Hallo Cora,

ich kenne Dich nicht, aber wenn ich von meiner Lebensgeschichte ausgehe, hast Du viele Jahre "zuviel" für Deine Familie gemacht und Dich mehr und mehr vergessen.

Die habe nun aber immer noch die Erwartung, dass Du ihnen "die Steine aus dem Weg" räumst.

Jetzt kommst Du und sagst, dass sie sich mehr um sich selbst kümmern müssen.

Dass will dann (meistens) das Umfeld nicht akzeptieren (Du hast ja bisher gut funktioniert).

Wenn ich richtig liege mit der Beschreibung, mache Dich frei von Druck der Anderen und komm wieder zu Dir.

Dass sie sich jetzt um ihre eigenen Dinge mehr kümmern müssen ist OK und kein Grund, dass Du Dich verantwortlich fühlen musst.

Solltest Du zum Muttertyp der "überbehütenden" gehören, könnte es sinnvoll sein, mit Deiner Tochter ein Gespräch zu führen, dass Du bisher zu viel (für sie) getan hast, dass Du auf Sie stolz bist und vertraust, dass Sie ihre Dinge jetzt selbst regelt.
Natürlich stehst Du für Fragen weiter zur Verfügung.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
pero
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Re: Über die Kranheit reden

Beitrag von pero »

Hallo Cora,
mein erster Gedanke war das man mit der Familie keine Feinde braucht...

Zunächst möchte ich Dir sagen das es nach meiner Meinung richtig ist offen mit der Depression umzugehen.
Leider trifft man dabei auch Menschen die das nicht verstehen können oder wollen.
Dein Verhalten ist nicht selbstsüchtig, also kein Grund für ein schlechtes Gewissen.
Im Gegenteil, nach meiner Meinung ist das Verhalten Deiner Tochter extrem egoistisch und kindisch. Mag ja sein das sie nach den Papieren 20 ist, das Verhalten passt aber eher zu einer 12 jährigen.

Bei Deiner Schwester kann das aber auch Unsicherheit sein. Manchmal ist es auch so das andere, die in der gleichen Situation stecken, so abweisend reagieren.
Habe ich selbst so bei einer Ärztin erlebt.

Auf der anderen Seite ist eine Depression für einen aussenstehenden schwer verständlich.
Ich verstehe es ja selbst kaum das es so ein Riesenproblem ist alltägliche Dinge zu machen. Wie soll das jemand verstehen der das noch nicht selbst erlebt hat?

Vielleicht könnte es helfen wenn Du Deiner Schwester ein Buch über Depression gibst.
Dazu fallen mir 2 gute Bücher ein:
Depressionen überwinden: Niemals aufgeben!
von der Stiftung Warentest

und mein derzeitiger Favorit:
Depression. Helfen und sich nicht verlieren: Ein Ratgeber für Freunde und Familie
von Huub Buijssen und Eva Grambow

Besonders letztere gefällt mir besonders gut weil es eine recht einfache, übersichtliche und verständliche Einführung in die Depression ist und dabei aber auch durchaus kritisch ist, also z.B. auch auf die Fallstricke bei der Therapeutensuche hinweist.

Das erste Buch ist dafür deutlich umfangreicher und detailierter.

Ich hoffe das Du auch Therapeutische Hilfe bekommst und nicht nur Medikamente nimmst.
Ein Therapeut wäre auch für solche Fälle ein sehr guter Gesprächspartner.

Wie gesagt halte ich es für richtig so offen mit einer Depression umzugehen. Lass Dich nicht verunsichern. Im Moment bist Du es die Hilfe braucht, da müssen die anderen erst mal ein Stück zurückbleiben...

lg
pero
Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
Cara81
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Registriert: 15. Jun 2011, 10:59

Re: Über die Kranheit reden

Beitrag von Cara81 »

Der beste Spruch, den ich mal erhalten habe, war: Du musst nur dein Leben in die Hand nehmen, dann verschwindet die Depression von alleine.
Dass die Depression mich eben davon abhält, mein Leben zu leben, wurde dann quittiert mit "Ja klar, irgendetwas muss ja schuld sein, zur Not auch die Gesellschaft". Und das kam von einem Menschen, den ich einmal sehr geliebt habe oder es vielleicht immernoch tue, unter der ganzen Wut, die ich auf ihn habe. Das hat mich tagelang buchstäblich gelähmt, ich lag teilweise völlig verkrampft auf dem Bett und konnte mich nicht bewegen. Das hat er nicht mitbekommen, würde mich mal interessieren, ob er das dann immernoch so gesehen hätte?! Na egal.
Jedenfalls ist es mir auch passiert, dass von Leuten, von denen ich es nie erwartet hätte, so eine Ignoranz auf mich zukam. Andererseits von einer langjährigen Freundin von mir echtes Verständnis, was ich widerum auch nicht erwartet hätte, da sie sonst ein extremer Vernunftsmensch ist und in ihrem Leben immer nur geradeaus gegangen ist, während ich mich auch verschlungenen Pfaden verirre (wie poetisch )
°°° Wer sich einigelt, stellt seine Stacheln nach innen auf.°°°
bigappel
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Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Über die Kranheit reden

Beitrag von bigappel »

Liebe Cora,

nach meiner Auffassung hast Du ganz genau alles richtig gemacht!

Sehr gut!

Du hast:

a) Verständnis für die emotionale Situation
für Deine Tochter,

b) Du hast ihr eine Lösung im Rahmen Deiner
Möglichkeit angeboten (kann bei Dir wieder wohnen),

c) Du hast Deine Grenze gewahrt (mir geht
es gerade nicht gut, trotzdem kümmere
ich mich um Dich und biete Hilfe an).

Das ist Dein Recht und Deine Verpflichtung im Rahmen des Selbstwertes. Super!!!!

Deine Tochter versucht Dich zu instrumentalisieren mit ihrer Art und Weise. Du sollst Schuld sein.

Das geht gar nicht.

Sie kennt Dich, bisher hast Du auf die Art vielleicht funktioniert und getan, was man von Dir erwartet. Das Du nunmehr Grenzen setzt, scheint für Deine Familie neu zu sein; diese müssen das erst lernen.

Dazu sind beide Damen (Schwester und Tochter)
bestimmt noch in der Lage und wenn nicht:
schade auch.

Du hast alles richtig gemacht!
Ich freu mich für Dich.

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Bella0704
Beiträge: 11
Registriert: 9. Jun 2011, 13:23

Re: Über die Kranheit reden

Beitrag von Bella0704 »

Danke an euch alle für die Rückmeldungen. Habe schon bei der Arbeit gemerkt, dass ich für die Anderen unbequem bin, wenn ich anders bin als sonst. Ich meine mit anders sein auch mal "nein" zu sagen. Bin ein Mensch der immer versucht es allen recht zu machen und für alle da zu sein. Will auch immer allen gefallen. Mir ist wohl klar, dass das nicht geht. Fällt mir aber schwer das anzunehmen. Es gibt aber auch was Positives mal anders zu sein. Hab wenigsten meine Ruhe.
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