SOZIALE KOMPETENZ LERNEN ABER WIE?

[thea]

Hallo,

ich bin aufgrund meiner Geschichte lange Zeit isoliert gewesen.
Ich merke, dass ich im Umgang zu Mitmenschen wenig sozial kompetent bin.

Ich schließe schnell Kontakte, aber ich habe arge Probleme diese zu halten.
(Hintergrund sind meine starken Selbstwertprobleme)

Ich merke, dass ich Nachteile habe. In beruflicher als auch in sozialer Hinsicht.
Selbst während meines Klinikaufenthaltes habe ich gemerkt, dass andere Menschen mit Depressionen usw. weniger Probleme haben dauerhafte Kontakte zu Menschen zu knüpfen. Ich war zwar in der Gruppe aber nicht etabliert. Ich werde automatisch zum Außenseiter.

Ich will das ändern.
Wo kann man das trainieren? Was kann ich konkret tun um andere Menschen verstehen zu lernen?

Thea

[Minja]

Hallo Thea,

als kurzfristige Hilfe könnte ich Dir empfehlen, in die Bibliothek zu gehen und ein paar Bücher zu diesem Thema auszuleihen. Da gibt es auch Schritt-für-Schritt-Programme, wo man das üben kann.

Ansonsten fällt mir nur noch eine Psychotherapie ein.

Alles Gute für Dich!

[Flotti]

Das hört sich so an, als ob vielleicht noch eine weitere Störung, z.B. Borderline, neben der Depression besteht.

Richtig gut ist - wurde in einer Klinik auch für rein depressive Patienten verwendet - ein Computer-Trainingsprogramm:
Interaktives SkillsTraining für Borderline-Patienten

[La_crimosa]

Hallo Thea,
meine Gedanken dazu:
was heißt für Dich genau "sozial kompetent" sein?

Du schreibst, Du schließt schnell Kontakte - dies ist doch schonmal eine gute und wichtige (soziale) Kompetenz!!! Du scheinst also keine Sozialphobie zu haben, oder?

Kontakte halten finde ich auch immer schwierig. Was ist Dein Problem dabei? - Dass Du Dich nicht oft genug meldest? Oder Treffen absagst?
Meinst Du (aufgrund der Selbstwertproblematik), dass Du es nicht Wert bist, mit jemanden befreundet zu sein?!

Ich merke bei mir oft, wie ich mich selbst zum Außenseiter mache. Blicke anderer als Ablehnung interpretiere, mich stark zurücknehme... und manchmal auch ein wenig arrogant wirke - wahrscheinlich ein Schutz. Und mein Thema: Angst vor Nähe.

"Was kann ich konkret tun um andere Menschen verstehen zu lernen?" - Hast Du das Gefühl, zur Außenseiterin zu werden, weil Du Dein Gegenüber nicht verstehst? Was genau verstehst Du nicht?

Wie genau kann man das trainieren? - Eine Verhaltenstherapie wäre da bestimmt nicht schlecht... Aber auch andere Therapieformen, die nach den Ursprüngen und dahinterliegenden Ängsten und Befürchtungen schauen.

Ansonsten: Mach Dir keinen Druck. Versuche auch die kleinen Schritte wahrzunehmen. "Tiefere" Freundschaften brauchen auch Zeit.
Versuche Dich mit Deinen Grenzen zu konfrontieren, langsam und in Deinem Tempo (d.h., wenn Du schnell Kontakte schließt, dann versuche an dem Kontakt dran zu bleiben. Vielleicht ist das dann erstmal mechanisch, indem Du Dir in Deinen Kalender Termine setzt, wann Du Dich bei dem oder derjenigen meldest... Und wenn eine Angst kommt, Dein Gegenüber könnte keine Interesse an Dir haben, dann... mh? Nun dann wird es wahrscheinlich schwierig, weil Du vielleicht keinen Seismographen in Dir hast... Aber auch hier gilt das Prinzip "Trial and error" - u.U. verbunden mit "Schmerzen/Verletzungen"...

Und: Du bist es wert, Freundin zu sein! Lasse Dich entdecken und gebe Hilfestellung bei der Entdeckung!

Grüßlinge,
Susanne

[Antiope]

Susanne hat schon einiges Wichtige zusammengefasst

Auch in der Therapie würde es darum gehen, zu trainieren.

Kontakte zu halten ist (für mein Empfinden) extrem anstrengend. (Selbe Vorerfahrungen ...)

Ich versuche, regelmäßig in Kontakt zu bleiben (SMS an Bekannte, E-Mail an ehemalige Arbeitskollegen, ...), hin und wieder Treffen vereinbaren, ...
Mehr schaffe ich nicht.

[2011]

Hallo Thea,

du hast geschrieben: ich werde automatisch zum Außenseiter.

Warum hast du diesen Eindruck? Machst du dich selbst dazu?
Bei mir ist es so, wenn ich denke zu merken, das ich irgentwie nicht dazu gehöre, weil ich die Personen um mich nicht verstehe oder sie mich nicht, dann schließe ich mich selbst aus der Gruppe aus. Unbewußt gehe ich auf Abstand und signalisiere wohl Ablehnung.

Oder auch in einer Gruppe, wenn es mir zu viel wird, dann höre ich zwar die Stimmen aber kann nicht verstehen was besprochen wird, so kann ich dann natürlich nicht an Gesprächen teilnehmen und werde immer stiller und ziehe mich dann zurück.
Werd darüber natürlich traurig oder wütend auf mein Gegenüber.

Leider habe ich auch keine Lösung gefunden.
Noch nicht?!
Ich denke nur, das ich das Problem erkannt habe, es benennen kann und den Wunsch habe es zu ändern ist schon mal ein guter Anfang!!
Freundschaften sind etwas sehr wertvolles und ich glaube es dauert lange um eine wirklich gute Freundschaft aufzubauen. Bekanntschaften kommen und gehen manchmal ist es schade und manchmal auch besser so.

Ich freue mich für dich, das du so schnell Kontackte knüpfen kannst.

Mach weiter und ich wünsche dir viel Kraft um eine Lösung zu finden.

[wütend]

>>Oder auch in einer Gruppe, wenn es mir zu viel wird, dann höre ich zwar die Stimmen aber kann nicht verstehen was besprochen wird, so kann ich dann natürlich nicht an Gesprächen teilnehmen und werde immer stiller und ziehe mich dann zurück.
Werd darüber natürlich traurig oder wütend auf mein Gegenüber.<<

Was soll daran naütlich sein, das Du wütend auf andere wirst, wenn Dir was zuviel wird.

[2011]

Tja lieber Parson,

"natürlich" ist ironisch gemeint. Wenn es dir besser gefällt, ersetze das Wort mit dummer Weise.

herzliche Grüße

[pero]

Hallo Thea,
ich glaube nicht das man soziale Kompetenz durch Bücher lernen kann.
Ich sehe es auch so das Deine schnelle Kontaktaufnahme schon eine gute Basis ist.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen das beide Seiten wichtig sind wenn lose Kontakte verfestigt werden sollen.
Zum einen ist es wichtig das Du Dich den anderen gegenüber öffnest, aber auch die anderen müssen daran Interesse haben. Da ist es sehr Hilfreich wenn es gemeinsame Interessen gibt.
Freundschaften entstehen aus geben und nehmen.
Meist muss man erst geben, sich öffnen damit der/die/das Gegenüber sieht: "Ah ja, das ist jemand der mir vertraut, dann kann ich ihr ja vielleicht auch vertrauen".

Du hast doch sicherlich ein Hobby oder bestimmte Interessen. Vielleicht gibt's ja einen Verein oder einen VHS-Kurs zu dem Thema in der Nähe. Und dann kann es auch sehr hilfreich sein sich bei einer Tätigkeit (Arbeitsgruppe / Bürgerinitiative) zu engagieren.

Wichtig ist aber auch das so ein Prozess seine Zeit braucht, man sollte den anderen nicht überfordern. Auch hier gilt: In der Ruhe liegt die Kraft.
Also nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Lass es langsam angehen. Aber ich bin mir sicher das Du es kannst. Ich selbst habe auch kein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das ist also ein Hindernis, aber das kann man überwinden. Nur Mut, warum solltest Du es nicht schaffen. Ich wüsche Dir dabei genügen Ruhe und Gelassenheit....


lg
pero

[thea]

Vielen Dank Euch allen für Ihre Antworten!!

ich bastle an diesem Problem schon länger herum. In der Klinik hatte ich Pech mit den Bezusärzten, die haben mir gesagt sie sehen kein Problem bei mir im Kontakt mit Menschen.


Aber defakto habe ich keine Freunde und auch berufliche Nachteile.

Solange es nur um ein lockers Grüßen geht und ich jemanden nur "vom sehen" kenne, bin ich locker. Sobald sich jemand für mich interessiert stehe ich unter Druck. Das ist besonders beruflich ein Problem. Je wichtiger die Person, umso mehr benehme ich mich daneben, weil ich so unter Druck stehe. Ich bin richtig verkrampt, schwitze, kriege keinen ordentlichen Satz mehr raus. Ich kann mich auf einmal überhaupt nicht in den anderen versetzen. Ich kann oft dem Inhalt nicht mehr folgen, weil mein Kopf leer ist...

Ich war in der Schulzeit komplett isoliert, ich hatte keine Freunde, deswegen habe ich viel gelesen, mich viel in Büchern vergraben.
Wenn ich heute in so einer Drucksituation stehe formuliere ich eher wie aus einem Buch und halte mich an Wissen fest, und wirke besserwisserisch und überheblich. Dabei will ich den anderen gar nicht belehren...

Das kommt noch hinzu: Ich wechsle zwischen Extremen: Gerade wenn ich abgespannt und erschöpft bin wirke ich arrogant auf die Menschen und angeberisch. Das ist natürlich wenig anziehend. Dabei bin ich nicht arrogant. Ich bin nicht besser als die anderen, im Gegenteil ich sehe wie viele Dinge von anderen gut gemacht werden. Mir kommt vor, ich tu dann hart nach außen, weil ich mich innen dann so schlecht fühle.

Oder ich wechsle in das andere Extrem und bin der gute Idiot für alles. Ich lasse mich wirklich leicht ausnutzen. Wenn mich jemand um einen Gefallen fragt, kann ich schwer ablehnen.

Ich bin ein Mensch der wenig berechend ist, mir "passiert" es aber auch, dass ich Zwischentöne gar nicht verstehe und übersehe.
Genau auf diese Art und Weise falle ich zwischen den Stühlen durch.
Manchmal denke ich, dass ich hart zu denen bin, die es gut mit mir meinen, und keinen Willen gegen jene habe, die mich nur ausnutzen.

Weil ich schon so lange für mich "allein" lebe, komme ich mit dem Alleinsein selbst sehr gut klar. Ich unternehme viel mit mir. und bin "Rücksichtnehmen" nicht mehr so gewohnt.

Dazu kommt, dass sich meine Gedanken oft verselbstständigen.
Es ist tatsächlich so, dass ich leicht kränkbar bin, weil ich das Verhalten von anderen leicht als Ablehnung gegen mich interpretiere.

Alles in Allem ist diese Situation sehr schwer für mich

Ich habe jahrelang versucht mich in Arbeit zu vergraben und diese Probleme durch erhöhten Arbeitseinsatz wett zu machen. Nur das löst mein Grundproblem nicht. Im Gegenteil, viel harte Arbeit kann ich nicht präsentieren und keinen Erfolg davon verbuchen weil mir das Selbstvertrauen fehlt.

Ich habe oft so wenig Selbstvertrauen, dass ich in Drucksituationen bei Dingen versage die ich tagtäglich ohne Probleme mache... Was sich andere dann von mir denken ist doch klar....

So kommen andere mit weniger Arbeit schneller voran. Was wieder auch nicht gut für das Selbstbewusstsein ist...

Ich laufe im Kreis. Ich will was dagegen tun, nur wo soll ich am besten anfangen?

Thea

[pero]

Hallo Thea,
ich glaube das Du eigentlich schon selbst recht genau weisst was Dir fehlt. Das finde ich schon sehr gut, zeigt es doch das Du Dich selbst schon recht gut beobachtest. Das ist doch schon mehr als der erste Schritt.

Meine Frage an Dich ist jetzt warum bist du so unsicher?
Angst davor Fehler zu machen?
Mangelndes Wissen?
Oder einfach nur Unsicherheit?

Für mich stellt sich die Frage wie Du Dir mehr Selbstsicherheit erarbeiten kann. Gibt es einen Bereich in dem Du selbstsicher bist?
Oder gibt es einen besonderen Grund für Deine Unsicherheit?

Ich habe z.B. einen Sprachfehler der mein Verhalten beeinflusst.

lg
pero

[Antiope]

Hallo Thea,

ich möchte jetzt nicht in eine "Me-too"- Haltung verfallen.
Über lange Strecken habe ich mich in Deinen Schilderungen selbst wiedergefunden.

- in der Schulzeit isoliert, die Außenseiterin
- vollkommen in Bücher abgedriftet, die eigentlich nur eine Ersatzlösung waren, denn ich wollte gerne mit anderen spielen, war aber viel zu aktiv
- ich merke die Zwischentöne überhaupt nicht, oder noch viel schlimmer: ich bekomme sie unbewusst mit, merke unbewusst, wie sie sich widersprechen, und werde völlig konfus
- ich habe zuwenig soziale Kompetenz, um die Ziele der Menschen zu spüren; wenn jemand mir gegenüber "freundlich" ist, denke ich, oh toll, netter Mensch. Und wenn er mich damit nur manipuliert, um seine eigenen Ziele zu verfolgen, bin ich wieder der Gelackmeierte.
- oft habe ich das Gefühl, dass mir die Menschen vollkommen fremd sind, als ob ich ein Alien wäre, der durch sehr fremde Welten irren muss.
- das leicht Kränkbare ist "eigentlich" gut verstehbar: die mitgesendeten Botschaften sind nicht angekommen, das Alien-Gefühl, ...

Trainieren versuche ich auf einem "ungefährlichen" Gebiet, in VHS-Kursen (da weiß ich, dass es wieder aufhört), vielleicht an so "Begegnungswochenenden" oder "Hobby-Wochenenden". Hübsch überschaubar.
Wäre so etwas eine Trainingseinheit für Dich?

[Flotti]

Vielleicht wäre ein erster, einfacher Einstieg ins "Praxistraining" die Beteiligung in Selbsthilfegruppen vor Ort zu Depression und / oder Persönlichkeitsstörungen.

In diesem Umfeld kannst Du üben und wirst andere mit ähnlichen Problemen antreffen.

[La_crimosa]

Hallo Thea,
ja, erkennen ist schon ein großer Schritt!!!

Ich weiß auch von mir, dass ich Vieles erkenne, aber es trotzdem nicht schaffe, Veränderungen einzuleiten... Es sind immer die gleichen Fallen, in die ich tappe.
Gerade in Bezug auf Kontakte und Beziehungen ist die Angst vor "Verletzungen" zu groß...

Und ich sage mir, was kann schon passieren?!

Trotzdem, trotzdem ziehe ich mich oft zurück...

Aber es gibt kleine, leise Fortschritte. Diese lerne ich wahrzunehmen. Mich dem zu öffnen.

Und ich versuche mir immer einen kleinen Schubs zu geben, meine negativen Gedanken beiseite zu schieben... Und neue Erfahrungen zuzulassen.

Das kostet immer Überwindung. Das kostet am Anfang immer ein bewusstes Gegensteuern.
Und es erfordet auch ein sanftes Umgehen mit mir selber.

Sei gut zu Dir! Deine Ängste haben ihre Ursache! Die kann " man" nicht einfach überrennen!

Susanne

[La_crimosa]