Wollen müssen?

Antworten
Stfn
Beiträge: 32
Registriert: 1. Okt 2010, 20:09

Wollen müssen?

Beitrag von Stfn »

Hallo,

vor einer Woche habe ich schonmal einen Beitrag gestartet zum Thema "Vom Müssen zum Wollen":

http://www.diskussionsforum-depression. ... 1303242281

Eure vielen Antworten waren sehr hilfreich und ich habe mich weiter mit diesem Thema beschäftigt. Im Moment geht es mir leider nicht so gut. Ich nehme es so wahr, dass ich jetzt einen Druck spüre das Wollen zum Müssen. Nach dem Motto: "Du weißt doch jetzt wie' s geht. Es ist so schwach von dir, dass du das nicht umsetzt."

Kennt das jemand von Euch? Hat jemand vielleicht Anregungen wie ich damit umgehen kann?

Ich freue mich über eure Beiträge.
Euer
Stefan
https://twitter.com/Depribird

----------------------------

Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Wollen müssen?

Beitrag von ghm »

Hallo Stfn,

vom "Wissen" im Kopf, bis zum Leben ist noch ein weiter Weg, der Achtsamkeit, der Übung und des Zulassen, dass es auch (zuweilen) nicht geht.

Lass Dir Zeit, höre auf Dich und sei gut zu Dir
und hin und wieder liess die Ratschläge und nimm Dir, was heute zu Dir passt.

Kein Druck, keine Strafen, einfach machen, was geht
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Wollen müssen?

Beitrag von otterchen »

Hm,
das klingt für mich wie ein Kind, das keine Verantwortung tragen will oder kann.

Hast Du Dich schon einmal mit Deinem inneren Kind auseinandergesetzt?
Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Schlüssel sein könnte.
Und da kommt man mit Forderungen ("du musst jetzt wollen") nun wirklich nicht weiter, sondern nur damit, dass man sich dem Kind wirklich zuwendet und sich liebevoll mit ihm beschäftigt.

Nur so eine Idee...
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Schwert10
Beiträge: 257
Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: Wollen müssen?

Beitrag von Schwert10 »

Hi Stfn,
Wirklich eine blöde Situation! Es geht auch Gesunden Menschen so, daß es ein weiter Weg ist vom Vorsatz zur Verwirklichubng. Bei uns Depris ist es nur noch schlimmer, weil uns die positive Gefühlsresonanz fehlt, die nötig ist, um Absichten durch Handeln Realität werden zu lassen.Leider ist es ja gerade ein Symptom unserer Erkrankung, daß wir oft "nicht wollen können". Einer meiner Lieblingssäzte ist immer noch : Eigentlich will ich ja...Wie gregor schon bemerkt hat, ist es vom Wissen im Kopf bis ins Leben manchmal ein weiter Weg. Es ist nicht leicht einzusehen, daß man manchmal länger braucht als andere und mehr Energie aufwenden muß, um Dinge verwirklichen zu können. Oder auch, daß es Zeiten gibt, in denen es eben gar nicht geht.
Möglicherweise hilft es Dir zu wissen, daß Andere mit dem gleichen Problemm kämpfen. Ich hatte auch immer ein schlechtes Gewissen und hielt mich für "disziplinlos, faul,lahmarschig" und was sonst noch, wil mir die Kraft fehlte, Erkenntnisse in Realität zu verwandeln. Wenn es dir gerade schlecht geht frag dich nicht wieso du es jetzt nicht auf die Reihe kriegst, sondern ob du von jemandem, der sich gerade ein Bein gebrochen hat, einen Hürdenlauf verlangen kannst.
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
Stfn
Beiträge: 32
Registriert: 1. Okt 2010, 20:09

Re: Wollen müssen?

Beitrag von Stfn »

@Alle:

Danke für die guten Worte und Ratschläge. Mit meinem "inneren Kind" beschäftige ich mich gerade. Ich lese da auch gerade ein Buch, welches mir hier empfohlen wurde: "Aussöhnung mit dem inneren Kind". Leider baue ich mir schnell (ohne es gleich zu merken) so einen inneren Druck auf, der heißt: "Jetzt weißt du wie' s geht. Jetzt musst du das umsetzen".

Von daher ist es denke ich wichtig, wirklich geduld mit sich zu haben und dieses subtile "Müssen" zu umschiffen. Ich bezeichne das für mich als "Das Wollen suchen" Es ist aber wirklich verrückt wo das Müssen überall lauert. Wenn Gregor schreibt "Sei gut zu dir" kommt gleich die "unbewußte innere Stimme" und sagt: "Du musst gut zu dir sein, sonst machst du was falsch". Da braucht es manchmal eine ganze Weile, bis ich das erkannt habe und noch viel länger, bis ich wirklich gut zu mir bin.

Liebe Grüße
Stefan
https://twitter.com/Depribird

----------------------------

Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
mäh
Beiträge: 18
Registriert: 27. Apr 2011, 17:09
Kontaktdaten:

Re: Wollen müssen?

Beitrag von mäh »

Hallo Stfn,

vielleicht versuchst du - nur für dich - das Wort müssen durch wollen zu ersetzen, wann immer du es denkst. "Ich weiß wie es geht, und ich will es auch - aber ich kann es momentan nur beschränkt (oder eben nicht)".

Müssen muss niemand, zwingen geht gar nicht - nicht andere und nicht sich selbst. Du kannst dich von deinem inneren Leidensdruck befreien, und du schaffst das auch. Ohne Muss.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

"Wenn man schon ein Gefangener des eigenen Geistes ist, dann sollte man wenigstens dafür sorgen, dass die Zelle anständig möbliert ist." (Peter Ustinov)
Schwert10
Beiträge: 257
Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: Wollen müssen?

Beitrag von Schwert10 »

Hallo zusammen,
Ich übe seit etwa anderthalb Wochen, vom Müssen zum Wollen zu gelangen.Angeregt durch das Buch "Jetzt geht es um mich" von Josef Giger - Bütler habe ich erst mal nur drauf geachtet, wann und wie oft ich "Ich muß" sage oder denke. Ratet mal: Eigentlich immer. Selbst wenn ich etwas will, denke ich , ich muß. Ich muß von morgens bis abends, wenn ich danach gehe, und nie will ich was! Da kann man ja nur depressiv werden!

Nach schon zwei Tagen hatte ich die Nase voll, ich hatte keine Lust mehr auf dieses ewige Müssen. Ich konnte offenbar jahrzehntelang so lebeh , solange ich es selbst nicht merkte, aber wenige Tage mit Bewußtsein und schon kriegte ich die Krise!
Ich habe jetzt konsequent jedes "ich muß " erst mal durch ein "Ich will" ersetzt. Dadurch merke ich sehr schnell, ob das überhaupt stimmt. Das Gefühl für das eigene Wollen oder Nichtwollen ist vieleicht verschüttet, aber es ist da, wenn man sich nur selber zuhört.

Besonders wichtig ist für mich, daß ich wollen DARF! Das macht es leichter, es auch zu können. Aber ich muß nicht mal wollen, ich muß nicht von Heute auf morgen ein anderer Mensch werden. Wenn ich meinem Willen aus welchen Gründen auch immer (noch) nicht folgen mag, ist das völlig in Ordnung. Wenn ich zu irgendwas keine Meinung habe, ist das Ok. Wenn ich grad nicht weiß, was ich will, dann ist das eben so.

Ich fühle mich unglaublich entlastet, seitdem ich versuche, das zu fühlen und zu tun. Ein kleines bißchen weniger, das mich "niederdrückt". Und ganz wichtig: Keine Schuldgefühle, weil man sich bisher so sehr selbst drangsaliert hat! Als es anfing , war es vermutlich die einzige Methode, um zu überleben. Jetzt ist sie es nicht mehr, also darf man eine neue Methode lernen. Aber das braucht Zeit und Übung und Geduld und vor allem einen verständnisvollen Umgang mit sich selbst.
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
Rakang
Beiträge: 82
Registriert: 30. Apr 2011, 19:26

Re: Wollen müssen?

Beitrag von Rakang »

hallo Stfn

trotz Wissen ist es leider immer ein sehr anstrengender weiter Weg ein wenig positive Änderung zu erreichen, ich nehme mal das Beispiel - wie die Besteigung des Mt. Everest.

In den Antwirten zu Deinem Beitrag taucht das Wort Achtsamkeit auf, ein Begriff der unter anderem in Meditations- Übungen aus Indien stammt. Auch dort sieht man klar den sehr langen mühevollen Weg.
Bitte lass Dich nicht überfordern und nicht entmutigen, sondern gehe konsequent in Deinem eigenen Tempo weiter.
Antworten