Warum gehen meine Fortschritte verloren?

[tiffiellen]

Ihr Lieben Terapieerfahrenen!

Seit gestern bin ich sehr nachdenklich und traurig. Nach 4 Jahren muß ich mich von meiner Thera trennen. Ich hab ja schon eine neue und die Sache an sich ist nicht das Problem.

Mir ist erst jetzt klar geworden, dass ich meine Fortschritte die ich dort gemacht habe nicht mitnehmen kann. Mit Schrecken stelle ich fest, dass sie an die Person, also die Thera, gebunden sind.
Ganz konkret ist mir der Zugang zu meinen Gefühlen abhanden gekommen. Hab keine Ahnung wie es mir mit manchen Dingen geht, bis zu dem Punkt, wo mich völlig unerwartet eine Gefühlslawine mit großer Heftigkeit überrollt, wenn ich Kontakt zur alten Thera hab. Dort scheinen die Gefühle einen Platz und eine Berechtigung zu haben. Aber eben NUR dort!

Ich hab EWIG (fast 3 Jahre) gebraucht, bis ich überhaupt einen Zugang zu meinen Gefühlen gefunden hab. Wenn mir das dann mit Trennung von der Thera wieder verloren geht, welchen Sinn macht Therapie dann überhaupt?

Bei meiner neuen bin ich (noch) emotionslos. Rede über die Dinge die mir Probleme machen, als ob es mich nichts anginge. Die Aussicht womöglich wieder so ewig zu brauchen um anzukommen, macht mir Angst! Wie soll ich die Zeit bis dahin blos überstehen ?

Hat von euch schon mal ähnliche Erfahrungen gemacht? Geht es beim zweiten mal leichter, schneller?

Ellen

[ghm]

Hallo tiffiellen,

das gehört zu unseren "Erbschaften" aus der Evolution.

Was machst Du, wenn Du der heissen Herdplatte zu nahe kommst?
Du zuckst zurück, ohne zu denken, ganz schnell.

Weil irgendwann einer unserer "Vorfahren" gelernt hat, wenn es zu heiss wird schnell weg.

So ähnlich ist das auch bei Deinen Fortschritten. Du erarbeitest Dir etwas und versuchst es zu einem Teil Deines Selbst zu machen.
Wenn es aber schnell gehen muss, greift Dein Un(ter)bewustsein auf gut geübte Verhaltensweisen zurück.

Was hast Du vor langer Zeit zum emotionalen Uberleben erlernt?
Das was heute Deine depressiven Gefühle möglich macht.
Darauf greiffst Du in den unbewussten Sekunden zurück.


Deine alte Therapeutin ist Dir ein Ort der Ruhe geworden.

Schaffe Dir einen neuen, erst mal ausserhalb von Dir einen Platz oder "Schrein"
Und dann später in Dir einen Platz, wo Du ganz bei Dir bist

[chrigu]

Hi Ellen,

wenn die Fortschritte, die Du mit Deiner Therapeutin gemacht hast, nur mit ihr funktionieren, dann sind es doch eigentlich keine echten Fortschritte, oder?

Ich glaube, es ist eigentlich so: Du hast Fortschritte gemacht, und nach einigen Stunden bei der neuen Therapeutin (Eingewöhnungszeit und Zeit, um Vertrauen zu fassen, ist normal und solltest Du Dir auch zugestehen) wirst Du merken, dass diese Fortschritte in Dir ruhen und nicht mit einer bestimmten Person verbunden sind.

Lass Dir und ihr ein wenig Zeit. Und vielleicht kannst Du ihr ja genau die Sorge, die Du uns hier mitgeteilt hast, auch sagen; ich könnte mir vorstellen, dass das ein prima Einstiegspunkt ist, an dem man weiterarbeiten kann.

Alles Gute
Chrigu

[tiffiellen]

Hallo Chirgu,

wäre schön, wenn du Recht hättest! Da gibt es bei mir schon auch ein bisschen Hoffnung, das es dieses mal schneller geht mit dem "Vertrauen haben".
Ich hab halt gedacht, meine Gefühle warzunehmen wäre eine Errungenschaft von mir. Hab gedacht, wenn die Tür zu den Gefühlen erst einmal geöffnet ist, bleibt sie offen....ist aber nicht so.

Ach schiss, bin grad total neben der Kappe. schaffs nicht mich jetzt weiter damit auseinander zu setzen. Ich schreib morgen noch mal! Liebe Grüße Ellen

[tiffiellen]

Lieber Gregor,

ich glaub, ich habs nicht verstanden, was du geschrieben hast. Was meinst du mit "Schnell"?

Ich muß jetzt ins Bett, schreibe dir morgen noch mal. gute Nacht! Ellen

[ghm]

Hallo tiffiellen,

ich versuche achtsam durch meinen Tag zu gehen. Aber wenn ich nicht aufpasse, mache/denke/tue ich etwas (zu) schnell und stelle dann häufig später fest, dass ich es gemacht/gedacht/getan habe wie nach den "alten" Mustern und nicht wie ich es "neu" machen wollte.

[tiffiellen]

Guten morgen, Gregor und Chrigu!

Das Zurückfallen in alte Muster kenne ich auch. Was bei mir grad passiert geht in diese Richtung, aber Gefühle kann ich mir ja nicht verordnen. Sie sind da, oder eben nicht.

Ich hab meine Gefühle so gut weggepackt, dass keine Ahnung (und das meine ich wirklich so)hab was ich fühle und wenn ichs nicht merke, kann ich auch nichts anders machen.
Vielleicht hilft ein Beispiel.
Neulich hatte ich eine Bewerbung laufen. Ich hab gedacht, die hab ich schon so gut wie in der Tasche, hatte schon einige Hürden genommen. Dann rufe ich morgens dort an (stand schon vor der Tür bei der Arbeit)und wll einen Hospitationstag bestätigen und die Dame sagt mir, dass es sich erledigt hätte, ich wäre ihnen zu ....(egal was).
Dann schlucke ich einmal, überlege wie es mir geht, denke "gut" und gehe an meine Arbeit. Freue ich noch, dass ichs so gut weggesteckt habe und dass ich nicht weinend in der Ecke sitze usw.
Nach 14 Tagen bin ich bei meiner Thera und die fragt mich am Ende der Std im Rausgehen, was mit der Stelle geworden ist.
Ich breche in Tränen aus und merke (14 Tage später!!), dass mir die Absage total nahe gegangen ist, vor allem auch der Grund der Absage hat mich sehr getroffen!
Gehe nach der Std dort raus und hab wieder alles weggepackt. Kann der Neuen später davon erzählen, als würde es gar nicht mich betreffen.

Gefühle kann ich mir ja nicht verordnen und auch mit Nachdenken lassen sie sich nicht finden.
Fühle mich ein bisschen, als hätte ich einen Dampfdrucktopf in mir. wenn er verschlossen ist, kriegt man von dem was drinnen los ist nichts mit. Man hört noch nicht mal Kochgeräusche, scheinbar alles still und friedlich.
Aber wenn man ihn öffnet, kommt einem die ganze Ladung entgegen, voller Dynamik und explosiver Kraft! Nix mit Ruhig und friedlich!

Ach, vielleicht ist das ach etwas sehr spezielles von mir und für andere nicht nachvollziehbar...

Ich bin niemand, der dauernd unterwegs ist und nicht zur Ruhe kommt. Denke eigentlich nicht, dass es daran liegt, dass ich keinen Platz hätte um zur Ruhe zu kommen.
Klar gibt es einen Grund dafür, warum ich Gefühle wegpacke. Bei der Thera war der Platz, wo sie sein durften- aber der ist mir jetzt abhanden gekommen.

Gestern war ich sehr in Panik, weil ich mich gefragt habe, wie das weitergehen soll. Anstatt vorwärts zu gehen, mache ich mit dem Therapeutenwechsel 5 Schritte Rückwärts.
Kann mir selbst und meinen Empfindungen nicht trauen- das macht mir am meisten zu schaffen und auch Angst, weil ich mich frage, wann dieser Drucktopf wohl das nächste mal unverhofft öffnet.

Liebe Grüße Ellen

[Secret]

Hallo Ellen,

ja das mit dem Topf das kenne ich auch. Mein Therapeut nannte es in Dosen konservierte frühere Gefühle und Erfahrungen.

Ich habe zwar seit 2,5 Jahren den selben Therapeuten, aber auch hier merke ich dass es nicht wie bei einer Ausbildung, Lernen von Fertigkeiten immer vorwärts geht, sondern ein ständiges auf und ab gibt. oft durch veränderte situationen, anderer Job, zur Zeit ohne Job, Kinder werden älter usw.

Ich wünsche Dir dass Du nach einer Eingewöhnungsphase mit der neuen Therapeutin auch gut zurechtkommst. Denn jeder Mensch ist anders und hat eine andere Arbeitsweise und Lebenseinstellung, daher wird eine Therapie bei jedem Psychologen etwas anders verlaufen denke ich.

LG
Secret

[Kodiak]

Liebe Ellen,

das ist für mich schon nachvollziehbar, was Du schreibst.
Meine Therapeutin "klagt" darüber, nicht an meine Emotionen heranzukommen. Ich würde es ihr erlauben, käme ich selbst daran.
Mir ist bewusst, dass jede verdrängte Emotion in den Topf kommt, oder in das Fass, das dann der berühmte Tropfen zum überlaufen bringt. In welcher Form auch immer.

Ich schütze mich damit. Mir ist klar, dieses Verhalten ist nicht gut, dient heute keinem Zweck mehr. Fast keinem Zweck. Dennoch kann ich nicht einfach sagen, ich mach´s jetzt anders.
Die Gefühle sind immer da, irgendwo versteckt, nicht abrufbar, immer noch ängstlich, immer noch verletzt.

Du glaubst 5 Schritte rückwärts gegangen zu sein. Kann die Perspektive täuschen?
Der Therapeutenwechsel ist eine neue Situation. Was Du an positiven Erfahrungen während der abgeschlossenen Therapie gewonnen hast, kann Dir keiner mehr nehmen. Was jetzt mit der neuen Therapie kommt, ist zusätzlich. Es kann eigentlich nur ein Gewinn sein, wenn die Chemie zwischen Dir und der Therapeutin stimmt.
Ich wünschte so weit zu sein, wie Du.

Liebe Grüße

Dietmar

[tiffiellen]

Liebe secret!

Ja, es ist so, wie du schreibst. Ich muß mir und ihr Zeit geben- mein Verstand ist ganz klar deiner Meinung!
Nur der Rest von mir eben nicht. Der schiebt Panik vor der Veränderung die so nicht erwartet wurde. Hat Angst, dass eine lange Durststrecke bevor steht, ehe wieder so etwas vertrauensvolles entsteht.

Da kommt das Kind wieder zm Vorschein, das in der Ecke sitzt und keine logischen Erklärungen hören will..., sich nicht verabschieden will und so tut, als ob sich etwas ändert, wenn es nicht hinschaut...

liebe Grüße Ellen

[tiffiellen]

Lieber Dietmar!

das mir das, was ich dort erreicht habe erhalten bleibt, hab ich ja auch gedacht- aber so scheint es nicht zu sein...ich erlebe es jedenfalls grad anders und bin total traurig deshalb.

Da kommen vielleicht auch ein paar Dinge zusammen. Mittwoch soll die Abschieds-Stunde bei der alten Thera sein. Am gleichen Tag wird meine Tochter 18 und am nächsten Tag hab ich einen Gerichtstermin mit meinem Ex.

Eine Mischung, die das Potential hat, mir den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Ich muß funktionieren und das wird nur klappen, wenn ich alle Gefühle in den Kochtopf tue...

Ach, ich hab einfach total schiss, dass ichs nicht gut überstehe und die Biege mache!

Warst du noch nicht an dem Punkt, wo du zugang zu deinen Gefühlen hattest, oder wie soll ich dein Wünschen deuten?

Das schwierige ist halt, dass man diesen Zugang nicht irgendwie "machen" kann, alle Logik bringt einen an dieser Stelle nicht weiter. Entweder die Tür öffnet sich in einem vertrauensvollen Raum, wo sie aufgehen darf- oder sie bleibt zu.
Da ist kein "Macher" gefragt, kein "an sich arbeiten", eher ein leise sein und spüren, wo sich etwas regt.
Wie gesagt, bei mir hat es drei Jahre gedauert... hab keine Ahnung, wie lange das bei anderen dauert aber meine Thera fand auch, dass ich sehr lange gebraucht habe.
Ich bin langsam auf meinem Weg unterwegs, weil ich so ängstlich bin. das hat seien Grund und so wird es bei dir auch sein.

Liebe Grüße von der müden ellen

[wennfrid]

Hi Ellen
Ich denke ähnlich wie Chrigu. Bei dir hat sich eine Abhängigkeit gebildet, eine Abhängigkeit vom Therapeut. Das Ziel sollte aber sein, dass du selbständig das Erlernte in die Realität umsetzt, selbständig, ohne eine weitere Person. Es kann sein, dass der Therapeut diese Aufgaben dem Patienten noch nicht aufgegeben hat, oder der Zeitpunkt ist noch nicht da. Auf jeden Fall kannst du die Erkenntnisse bereits nutzen und über einem weiteren Therapeuten oder aber selbsständig umsetzen.

[ghm]

Hallo tiffiellen,

ich wünsche Dir für Mittwoch, dass Du bei Dir bist. Dann gibt es keinen Grund für Angst und Furcht.

Das Selbst Deines Seiens ist unverletzlich und voller warmer Güte (zu Dir selbst(wie auch zu den Anderen)) und voller Zuversicht.
Angst und Hoffnungslosigkeit ist eine Illusion Deines Ego, das Dich behalten will.

[tiffiellen]

ich hab das "Abschiedsgespräch" verschoben. Schaffe es nicht. bin ganz schlecht drauf und will mir das nicht auch noch geben.
Aber Danke für die guten Gedanken und Wünsche!

Diese Woche ist schon so schwer genug.
Hab den Tag heut überlebt, irgendwie...
Es tut mir so leid für mein Kind, dass ich so schlecht drauf bin- 18 wird man ja nicht alle Tage.
Ich verliere mit Blick auf den Gerichtstermin am Do, den Boden unter den Füßen. Scheiß Gefühl!

Ich gehe jetzt ins Bett und zieh mir die Decke über den Kopf! Vielleicht wirds morgen besser! Ellen