Kinder vor Leiden bewahren

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paco
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Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von paco »

Hallo zusammen,

ich habe eine Depression. Das musste ich akzeptieren. Und ich leide unter ihr.

Depressionen haben möglicherweise einen erblichen Anteil, d.h. ich habe diese Krankheit evtl an meine Kinder weitergegeben. Weil ich meinen Kindern aber möglichst ein Leiden ersparen möchte, frage ich mich, wie ich mich als verantwortlicher Vater verhalten soll. Und kann ich was tun, dass die Depri evtl meine Kinder verschont? Daher meine Fragen:

- Wann ist der geeignete Zeitpunkt, den Kindern von ihrem problematischen Erbe zu erzählen?

- Was können ich/die Kinder prophylaktisch tun, damit bei den Kinder die Depression vermieden oder zumindest in der Schwere beschränkt wird?

Gibt es dazu belastbare Erkenntnisse?
Habt Ihr gute Antworten darauf?

Liebe Grüße

paco
Carrion
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von Carrion »

Hey Paco!

zum Thema: unangenehmes Erbe. Schau mal hier:
http://www.diskussionsforum-depression. ... 1293740331

bzw. direkt hier:

http://www.sueddeutsche.de/wissen/psych ... -1.1040879

Ist ein Artikel über Kinder, die sozusagen genetisch, mit Depressionen "belastet" werden. Allerdings ist er nicht so pessimistisch wie man vll denken würde...

LG
Sophia

Ach so: Ich würde ihnen gar nicht davon erzählen, also nicht mit den WOrten "problematisches Erbe". Das ist in meinen Ohren eine Art Self-fullfilling Prophecy. Geh offen mit deiner Krankheit um, dann sehen sie dasses so etwas gibt und wie man "verantwortungsbewusst" damit umgeht. Egal ob sie "es" dann "geerbt" haben oder nicht, sie werden Menschen werden, die damit umgehen können. Denke ich mir zumindest.

Klugscheißer Sophia, die selbst keine Kinder hat
____________________________________________________________________________________



Just before our love got lost you said “I am as constant as a northern star.” And I said, “Constantly in the darkness, where’s that?"
paco
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von paco »

hi sophia,

wir können ja abwarten was andere "klugscheißer" noch beisteuern . und selbst keine kinder zu haben, macht dich nicht zwingend inkompetent. merci für den verweis auf den thread und die sz.

ich frage mich, gibt es prophylaktische maßnahmen, die den ausbruch einer depri, selbst wenn sie genetisch "angelegt" ist, mit guter chance verhindern? zumindest das frühe erkennen einer depri kann ja ein vorteil sein. aber ich stimm dir auf alle fälle zu: die art, wie ich die nachricht rüberbringe, soll sorgsam überlegt sein.

LG paco

ps: in der tat gibt sophias hinweis einen teil der antworten. danke!
steppenwolf1

Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von steppenwolf1 »

tomroerich
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von tomroerich »

Hallo Paco,

hier kommt Klugschiss.

Genetik ist heute nicht mehr das, was du und ich darüber in der Schule gelernt haben.
Neueste Erkenntnisse, die sog. Epigenetik, malen ein ganz anderes Bild als das der Vorherbestimmtheit durch Erbanlagen.

Demnach werden viele Gene von Genschaltern aktiviert oder deaktiviert und zwar abhängig von Lebensweise, Denkweise, Umweltfaktoren, Lebensstil. Der klassische Gensatz ist mehr eine Klaviatur, auf der das Leben spielt, auf der du spielst.

Das bedeutet, dass die Gene durchaus nicht diese Allmacht besitzen, die man ihnen früher einmalig zugebilligt hat. Buchempfehlung: "Das Gedächtnis des Körpers" von Joachim Bauer.

Einige Wissenschaftler vertreten auch die These, dass die Ein/Ausschaltbedingungen für die Gene ebenfalls vererbbar aind. Das würde bedeuten, dass Erfahrungen vererbbar sind.

Zur Frage, wann man den Kindern über die eigenen Veranlagungen etwas sagen sollte:

Imo so früh wie möglich. Kinder glauben sehr schnell, etwas mit den Verhaltensweisen der Eltern zu tun zu haben. Da kann es sehr nützlich sein zu sagen, der Papa habe eine "Traurigkeitskrankheit".

LG

Thomas
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ghana
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von ghana »

Hallo Paco,

<ich frage mich, gibt es prophylaktische maßnahmen, die den ausbruch einer depri, selbst wenn sie genetisch "angelegt" ist, mit guter chance verhindern?

Ich könnte mir vorstellen, dass ein gesunder Lebenstil insgesamt (Bewegung, Ernährung, Entspannung, gute soziale Beziehungen)das Risiko, an einer Depression zu erkranken auch bei genetisch "Vorbelasteten" senken kann.

Ich glaube aber nicht, dass es irgendwas gibt, mit dem man prophylaktisch den Ausbruch einer Depression auf jeden Fall verhindern kann.

Mmm, wenn ich so nachdenke, wäre echt spitze, eine Impfung gegen Depression ...

LG, ghana
"Am dunkelsten ist es immer vor der Dämmerung." (Eoin Colfer)
paco
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von paco »

hi ghana,
(hast du eine besondere beziehung zu accra-kumasi-tamale?)

>Ich könnte mir vorstellen, dass ein gesunder Lebenstil insgesamt (Bewegung, Ernährung, Entspannung, gute soziale Beziehungen) das Risiko, an einer Depression zu erkranken auch bei genetisch "Vorbelasteten" senken kann.
Na, das wäre doch schon super, wenn man das Kindern ins Stammbuch schreiben kann. Auch bereits die ersten Zeichen richtig zu deuten, kann viel Leid verhindern, meine ich aus eigener Erfahrung. Deshalb muss ich sie beizeiten ermuntern, sich mit dem Thema Depri auseinander zu setzen. Das falscheste und verantwortungslos wäre, die Kinder genauso wie mich in ihre Depression reinrennen zu lassen. Mein Wunsch ist, dass sie bereits die ersten Anzeichen richtig deuten und entsprechend handeln.

Schönen Abend

paco
ghana
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von ghana »

Hallo paco,

nein, mein nick hat mmit Afrika nichts zu tun, sondern mit einem Liedtext, den ich dazu noch falsch verstanden habe ... eigentlich müsste ich dana heißen...

Ich stimme dir zu, dass es sicher gut ist, wenn du als Vater die Augen offen hälst, ob es deinen Kindern psychisch gut geht. Ich weiß aber nciht, ob es wirklich hilfreich ist, wenn sich deine Kinder ausführlich mit der Möglichkeit beschäftigen, dass sie depressiv werden könnten. Wie vorhin schon jemand schrieb, fürchte ich, dass das dann eine selbsterfüllende Prophezeiung werden könnte.

Ich bin übrigens das depressive Kind einer depressiven Mutter und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Beschäftigung mit dem Thema Depression bei mir den Ausbruch der Krankheit hätte verhindern können.

LG,
ghana (oder doch dana?!)
"Am dunkelsten ist es immer vor der Dämmerung." (Eoin Colfer)
néant
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von néant »

Hi paco,
hm.. wie war das noch mal? Stichwort Vulnerabilität. Es wird ja nicht die Krankheit an sich, gleich einem Familienerbstück, das da ist und weitergegeben wird oder nicht, vererbt.
Man stellt sich doch eher vor, dass die nicht optimale Verarbeitung, ob nun genetisch bedingt oder angelernt, von psychischen oder anderen Belastungen, über geht, was die Anfälligkeit für psychische Krankheiten (nicht nur eben die, die der Elterteil hat) erhöht und in manchen Situationen (hoher Stress, geringe Ressourcen) zum Ausbruch führt.
Ist das in etwa richtig wiedergegeben?
Das würde zweierlei bedeuten (nur Ideen von mir):
Man könnte das erhöhte Risiko senken durch Stärkung der Ressourcen.
Es könnten sich andere Störungen als Depression entwickeln. Daraus würde ich die Konsequenz ziehen, den vorgebahnten, versteiften Blick abzulegen und den Kindern außerdem nicht mit "Traurigkeitskrankheit" kommen.
Letztlich musst du selbst entscheiden ob, und wenn ja, welche ethischen Konsequenzen du aus einer Statistik ziehst.
anna54
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von anna54 »

Hallo zusammen

auch ich bin das Kind einer depressiven Mutter.
Meine Mutter hat 10Kinder und eins (ich) ist depressiv.

Ich habe zwei Kinder,die meine Krankheit durch viele Angehörigengespräche und Fachliteratur gut kennen.
Ein Gespräch,ob sie selbst erkranken,halte ich nicht für geeignet,Leiden abzuwehren.
Die Sensibilität um zu erkranken ist ererbt,das eigene Leben entscheidet---selbst.
Leben ist halt lebensgefährlich.
Was wäre wenn????????????
Erkranke ich an Krebs?
Nichtwissen ist gnädig.
anna54
Mione
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von Mione »

Hallo an alle,

um das Thema, ob eine Veranlagung zu Depressionen erblich ist und wie man damit umgeht, habe ich mir auch schon seit längerem Gedanken gemacht.
Meine Großmutter väterlicherseits ist depressiv, mein Vater ebenfalls, andere Verwandte und ich auch.
Ich weiß von meinem Vater, dass er sich manchmal Vorwürfe macht, ich hätte die Depressionen von ihm geerbt und er sagt mir immer wieder, dass ihm das so leid täte. Wenn ich ihm erklären will, dass er nichts dafür kann und ich nicht böse auf ihn bin (warum sollte ich auch?), scheint das nicht viel gegen die Selbstvorwürfe zu helfen
Ich möchte nicht, dass er sich Vorwürfe macht, kann aber auch verstehen, dass man als Elternteil will, dass das eigene Kind nichts mit dieser Krankheit zu tun hat.
Ich möchte irgendwann in Zukunft sehr gerne Kinder haben und frage mich auch, ob diese "Kette" dann fortgesetzt wird bzw. ob ich etwas dafür tun kann, dass das nicht passiert.Habe bereits einige Male mit meinem Psychiater über das Thema gesprochen und er meinte, zu dem Thema Vererbung ja/nein läge forschungsmäßig wohl noch einiges im Dunkeln.

Ich kann nur aus eigener Erfahrung als Kind eines depressiven Elternteils sagen, was mir sehr geholfen hat:

- das Thema Depressionen wurde nicht totgeschwiegen, mir wurde als Kind dem Alter ensprechend erklärt, warum der Papa manchmal so traurig ausgeschaut ...

- dass Depressionen eine Krankheit sind wie andere auch, man sich dafür nicht schämen muss und woran man sie erkennen kann

- dass es sein könnte, dass ich auch im Laufe meines Lebens Depressionen entwickele und dass ich mich in diesem Fall immer an meinen Vater wenden könnte und wo man sonst noch Hilfe bekommt

- dass das Thema Depris trotzdem kein tägliches Thema zu Hause war und ansonsten alles ganz "normal" ablief

Im Endeffekt muss ich sagen, dass mir der offene Umgang mit dem Thema wirklich sehr geholfen hat
Trotzdem habe ich nie damit gerechnet, selbst depressiv zu werden und habe die ersten Anzeichen bei mir trotz der ganzen Infos leider nicht erkannt.

Ich glaube nicht, dass allein die Gene schuld sind an meinen Depressionen - meine Geschwister z.B. haben mit so etwas zum Glück überhaupt keine Probleme


Liebe Grüße,
Mione
paco
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Registriert: 19. Jan 2011, 11:06

Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von paco »

Hallo zusammen,
vielen Dank für die Antworten. Sie waren auf alle Fälle hilfreich.
Schon klar: es spielen immer Gene und die Umwelt eine Rolle.
Und genau darum geht es mir auch. Wenn eine genetische Disposition zur Depression vorliegt, wie kann ich dann Einfluss auf die Umwelt nehmen, um dieses Potential möglichst nicht zum Tragen kommen zu lassen. Das ist m.E. der Teil, bei dem die Verantwortlichkeit der Eltern ins Spiel kommt.
Weil ich alles tun will, was in meinen Kräften liegt, um den Kindern dieses Los zu ersparen.
Liebe Grüße
paco
Secret
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Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von Secret »

Das was Anna geschrieben hat: ein von 10 Kindern depressiv habe ich so in etwa ein einem Fachbuch gelesen: es seien 10-15 %.
Ich habe zwei Kinder 11 und 9 Jahre alt, als wir uns Kinder wünschten war es mir noch nicht bewusst das ich depressiv bin. Uns wenn ich es gewusst hätte: Wenn jeder nur Kinder bekommt der keine Krankheiten hat wäre die Menschheit schon ausgestorben, ich denke nicht das in Familien mit anderen Krankheiten auch so viel darüber nachgedacht wird.
In einem Buch habe ich gerade gelesen dass besonders die Kinder gefährdet sind, die sehr pflichtbewusst unauffällig und ruhig sind. Da mache ich mir schon um meinen Großen Sorgen, aber was könnte ich machen?
Was die Vererbund ausmacht eher nichts, genauso wie bei anderen Krankheiten. Aber ein anderes soziales Umfeld schaffen als ich es in meiner Kindheit erleben musste.
Doch niemand ist perfekt, meine Traurigkeit kann ich ja nicht immer verbergen.
Übrigigens rede ich nur mit meinen Mann darüber, und meine Schwester weil sich auch erkrankt ist.
Doch der neunjährige, der fragt schon mal häufiger nach warum ich traurig bin usw.

Also ich weiss nicht wie ich darüber reden soll, ich habe da noch ein Problem mit wenn Kinder noch Kinder sind. Aber vielleicht in kindgemässer Sprache einfach zugeben wenn man traurig ist, z.B. weil man keine Arbeit hat.
LG

Secret
himmelskörper
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Registriert: 10. Jul 2009, 14:13

Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von himmelskörper »

Hallo Paco,

ich denke nicht das wir uns ein schlechtes Gewissen machen müssen, das wir evtl. dieses Erbe weitergeben.

Weil wir dies ja nicht bewusst tun.
Anderst wäre es wenn unsere Kinder depressiv werden weil wir sie vernachlässigen, ihnen nicht die Liebe geben die sie brauchen.

Was wir als depressive Eltern machen können, also so mache ich es. Wir können ihnen vorleben was man gegen Depressionen machen können. wir können ihnen zeigen welche Hilfsmöglichkeiten es gibt.

Wir sollten so früh wie möglich unseren Kindern Altersgerecht unsere Krankheit erklären. Wir wissen doch, das Kindern sich oft Vorwürfe machen, sie wären Schuld an der Traurigkeit der Mutter/Vater.

Dies gilt es zu verhindern.

Ich leide auch unter sehr schweren Depressionen, meine Tochter 17 J. war letztes Jahr 5 Monate in der Klinik wegen schweren Depressionen. Von meinem Vater bin ich auch der Meinung, das er an Depri gelitten hat.

Ich versuche meinen Kindern eine liebevolle Mutter zu sein. Wenn ich in einer Depriphase stecke, sage ich das es mir nicht gut geht und das sie damit aber nichts zu tun haben. Auch das ich weiß wo ich Hilfe holen kann.

Als meine Tochter spürte das mit ihr irgendetwas nicht stimmte, hat sie sich Hilfe von einer Schulpsychologin geholt, von selber. Auch war es ihr eigener Wunsch in die Klinik zu gehen.
Sie hat gewusst welche Hilfen es gibt, das ist wichtig, dass wir dies unseren Kindern mitgeben.


alles liebe sedna


mbm22
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von mbm22 »

Lieber Paco,

ich habe sehr interessiert in Deinem Thread mitgelesen, weil ich mich mit dieser Frage oder dieser Sorge auch recht viel auseinandersetze.

Nun werde ich mal meinen Senf dazu geben und Du schaust, ob es für Dich eine gute Antwort ist.

Von meiner Depression (Dysthymie / Burnout) wissen nur meine Kinder und ein ganz kleiner Kreis von Freunden.

Mir war es wichtig, mit meinen Kindern darüber zu sprechen, weil ich, nachdem ich bei der Arbeit den ganzen Tag über meine Fassade wahren muss, zu Hause meine Maske auch mal ablegen muss, um Mensch zu bleiben.

Dazu gehört dann auch, Gedanken und Gefühle zuzulassen. Da ich meine Kinder nicht mit meinem Verhalten ängstigen oder verunsichern möchte, habe ich beschlossen offen mit ihnen darüber zu sprechen.
Sie (meine Kinder sind fast 12, 18 und 20) waren erleichtert zu hören, dass ich mir Hilfe suche, Medikamente bekomme, damit es mir besser geht und auch einen Therapeuten habe, der für mich da ist.

Ich möchte meine Kinder nicht belügen. Sie müssen keine Inhalte meiner Therapie kennen, sollen aber wissen, dass ich dort gut versorgt bin.

Natürlich beschäftige ich mich auch mit der Frage, inwieweit meine Kinder auch gefährdet sind, an einer Depression zu erkranken. Wenn man der Zwillingsforschung Glauben schenkt, erkranken eineiige Zwillingen nicht immer beide an einer psychischen Erkrankung, sondern oft nur einer. Das spricht für mich doch sehr dafür, dass das Umfeld sehr stark Einfluss darauf hat, ob ein Mensch erkrankt oder eben nicht.

Viel wichtiger scheint mir die Resilienz zu sein. Hierüber habe ich mich, da ich ja auch in einem therapeutischen Beruf tätig bin, weiter belesen. Du findest im Internet z.B. ein umfangreiches Skript (35 Seiten) zum Thema "Resilienz bei Kindern fördern".

Seine Kinder so anzunehmen, wie sie sind, sie zu lieben und wertzuschätzen ist wohl das Beste, was wir tun können, um sie zu stärken. Ein gesunder Selbstwert bedeutet weniger Verletzlichkeit.

Wenn Du schaust, was Du in Deiner Kindheit bei Deinen Eltern vielleicht vermisst hast, Dir gefehlt hat, weißt Du, was wichtig gewesen wäre.
Damit kannst Du Dir dann Deine Frage quasi selbst beantworten.

Einen weiteren wichtigen Aspekt sehe ich im Umgang mit Konflikten. Du kannst Deinen Kindern als liebender Vater, versuchen alle Steine aus dem Weg zu räumen, damit es ihnen möglichst gut geht, sie nicht leiden.
Doch werden sie damit den eigenständigen Umgang mit Konflikten erlernen? Wohl eher nicht. Besser ist es aus meiner Sicht, den Kindern klar zu machen, dass im Leben nicht immer alles so glatt läuft wie man es gerne hätte, auch im eigenen Leben nicht.
Ihnen dann zu zeigen, wie man mit Konflikten umgehen kann, dass man nicht an ihnen zerbrechen muss, sondern sich Hilfe holen kann, finde ich sehr wichtig.
Da haben wir als Eltern, so denke ich, auch eine wichtige Vorbildfunktion.
Dem Kind zu zeigen, dass ich in solchen Situationen selber probieren muss, was gut für mich ist, was mir weiter hilft bei meinen Sorgen und Problem ist ein erster Schritt. Aber auch dann, kann es sein, dass ich nicht auf Anhieb einen richtigen Weg finde. Das Erkennen, wenn die eine Idee nicht gut war, nicht aufzugeben, sondern einfach etwas anderes zu probieren, hilft sehr.

Dabei können und sollten wir unsere Kinder begleiten, bis sie selber gut genug für sich sorgen können.

Beruflich habe ich gerade mit einem Kind einer schwer depressiven Muter zu tun, die es nicht schafft, ihr Kind ausreichend zu stärken. Mich macht es sehr betroffen zu sehen, wie traurig, schmerzerfüllt und sprachlos dieses Kind ist.
Ich muss sehen, wie ich für dieses Kind und ein Geschwisterkind, schnelltens Hilfe organisieren kann.

Herzliche Grüße

lernfee
wennfrid
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von wennfrid »

Hi paco
Ich leide unter endogenen Depressionen, also von innen ohne äußeren Anlaß. Ein großen Teil davon habe ich vererbt bekommen und die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß ich sie meinen Kindern weiterverbt habe. Bei dieser Realität könnte ich wahnsinnig werden, aber ich kann meine Kinder nicht davor schützen. Ich kann meine Erfahrungen weitergeben und ich kann sie unterstützen, wenn sie mich um Hilfe bitten. Mir ist klar, daß ich meine HIlfe nicht aufdrängen darf und daß sie Zeitpunkt und Geschwindigkeit bestimmen. Trotz allem bleibt ein fader Beigeschmack.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
tomroerich
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von tomroerich »

Hi Paco,

Weil ich alles tun will, was in meinen Kräften liegt, um den Kindern dieses Los zu ersparen.

ja, aber das sagst du eben auch als ein zu Depressionen neigender Mensch, der sich gerne verantwortlich, schuldig und als Ursache für irgendetwas sieht.

Letzten Endes hat diese Einstellung aber keinen gesicherten Hintergrund in dem Sinne, dass du tatsächlich wissen kannst, welchen Einfluss du als Person Paco überhaupt hast.

Du, als Person Paco, bist im Ergebnis ein Produkt aus eigenen Prägungen durch Gene und Umwelt - deiner Erziehung, deiner Eltern, die wiederum durch ihre Eltern geprägt wurden. Übernimm nicht die Verantwortung für das, was deine Kinder sind oder sein werden und glaube nicht, dass deine Eltern dir gegenüber eine solche Verantwortung haben oder hatten. Der Spielraum dafür, da etwas bewusst zu beeinflussen, ist äußerst gering oder existiert vielleicht garnicht.

Stell dir doch mal vor, wie wenig wir im Grunde über diese Zusammenhänge wissen. Da bist du als geprägter Mensch, dessen Denken und Fühlen auch noch von einer Krankheit beeinflusst wird, und da ist dein Kind mit einer anderen Genetik - vielleicht ähnlich aber doch anders - das seine ganz eigene und individuelle Art hat, Dinge wahrzunehmen und zu interpretieren. Man kann da einfach keine klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge herstellen. Wie es z.B. bei einer Maschine wäre von der man weiß, wie sie reagiert.

Wenn du dir all das vor Augen hältst, dann musst du zugeben, dass es wohl kaum in deiner Hand liegen kann, was aus deinen Kindern einmal wird. Versteh mich nicht falsch, ich will dir lediglich einen Gedanken zur Entlastung anbieten und dich nicht etwa zur Gleichgültigkeit auffordern. Du kannst im Rahmen deiner Möglichkeiten den Kindern gegnüber so handeln, wie du es für am Besten hältst, doch bleibt das Ergebnis stets offen.

Meine beiden Kinder sind erwachsen und alle beiden entwickeln in ihrer Ausbildung bzw. Beruf Verhaltensweisen, die wir als Depris nur zu gut kennen: Nur die beste Leistung kommt in Frage, etwas aufzugeben kommt nie in Frage, sich Hilfe holen ebenfalls nicht. Beide leiden unter dem druck, den sie sich selbst machen und entwickeln bereits eindeutige psychosomatische Beschwerden.
Alles Reden nützt nichts.

Dabei haben meine Frau und ich stets darauf geachtet, dass Leistung keine allzu große Rolle spielt. Wir haben immer getröstet, wenn eine Note mal nicht gut war und haben immer betont, darauf käme es nicht an. In vielen Gesprächen haben wir zu vermitteln versucht, dass uns ihr Glück am Herzen liegt und dass das nicht von Leistung abhängt. Und was ist passiert? Alle beide sind Leistungs-Junkies geworden. Warum? Der Zeitgeist vielleicht? Die Gene? Wer weiß es?

Und wenn es so wäre, dass wir das unseren Kindern eingebleut hätten - was aber nicht so ist - hätten wir es dann getan, weil wir ihnen böse wollten oder weil wir eben glaubten, damit das Beste zu tun? So, wie es ja viele Eltern tun? Verfügen wir über irgendwelche gesicherten Erkenntnisse darüber, wie sich welcher Einfluss auswirken wird? Das wird nie so sein, weil Menschen keine analytisch erfassbaren Organismen sind, die sich vorhersagen lassen.


Eltern sind das Schicksal ihrer Kinder - das ist nicht zu leugnen. Wichtig ist, zu erkennen, dass wir hier keine Produkte formen, sondern dass Schicksale sich offensichtlich auf den verschlungensten Wegen ergeben und vollziehen. Du setzt dich nur unter einen unnötigen Druck wenn du glaubst, das steuern zu können.

LG

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Guinevere
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von Guinevere »

- Wann ist der geeignete Zeitpunkt, den Kindern von ihrem problematischen Erbe zu erzählen?

Hey Paco,
ich hab jetzt nicht den ganzen Thread gelesen, weil ich etwas lese-/denkfaul bin heute.

Meine Eltern sind auch beide eher "depressiv" und anderes...so, als selber Kind und lange betroffen...um ihre Verhaltensweise anzusprechen, nun, besonders meine Mom hält ihres so ganz starr - ohne, dass man daran rütteln darf - für einzig perfekt, ein hinterfragen dieses und ja, der Psychoterror, "Krieg" geht wieder von vorne los. Obwohl da (es nennt sich emotionaler Missbrauch) mittlerweile schon so Antworten kommen wie: "Ich werd euch da nicht mehr mit reinziehen und mir kann ohnehin keiner helfen".

Also - ich hab jetzt nicht gelesen, wie alt Deine Kinder sind !:-) - da ich so aus eigenen Erfahrungen schon denke, dass das Kopieren des Verhaltens der Eltern viel mit spielt, ob sie in ihrem späteren Leben mal ne depressive Phase haben oder nicht...würde ich lieber das mal ansprechen .

Ansonsten , ja, weiß nicht, wie weit Du da Kontrolle - (?) sofern es schon in diese reicht - darüber haben möchtest, also so, wie bei meiner Mom, dass sie dann wie letztes Jahr bei meiner Schwester ständige Rückmeldungen erwartet, nur damit es ihr besser geht, was es aber nicht wirklich tut, und nie nicht wirklich kann , weil ihre Sicht so negativ eingefärbt ist, und sie aus diesem, ihrem Resonanzfeld raus nur - schon zwanghaft - das für sie negative rauspickt.
Da ist ihr dann bei dem Angehörigengespräch gesagt worden, dass sie das mit sich selber regeln, den Kontrollzwang ablegen müsse, selber damit klar kommen muss, loslassen lernen muss, ohne ständige Rückmeldung versuchen solle klar zu kommen.

Meine Kinder, nun, das AD(H)S ist wohl vererbt, und so auch die Veranlagung zu Depressionen.
Ja, ging ja gar nicht anders als seit frühester Kindheit darüber zu sprechen!

Tochter ist mittlerweile doch ganz glücklich damit, kann auch das "positive" daran erkennen und schätzen. Bei meiner Schwester in Bezug auf Dad, da hab ich letztens ein Foto von den zweien im Schlafzimmer bei ihm hängen sehn, wo sie sich bei ihm ganz fett für das vererben seiner Gene (ADHS) bedankt...

Lieber Gruß, und alles Liebe für Euch!
manu
Guinevere
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Re: Kinder vor Leiden bewahren

Beitrag von Guinevere »

...und ja , obwohl ich meine Tochter (Suizidgedanken in der Pubertät) im Moment doch als ziemlich stabil, stark einschätzen würde...

Sie hat seit zwei Wochen nen neuen Arbeitskollegen in ihrer Abteilung, der lt. ihrer Aussage die Oma an Agressionen noch toppt, und, die Arbeitskollegen aus den anderen Abteilungen fragen sie schon, wie sie ihn aushält, wenden sich an sie, weil sie mit ihm nichts zu tun haben möchten, nicht mit ihm sprechen möchten, keinen Kontakt haben möchten. Hintenrum wird schon getuschelt und sich darauf gefreut, dass das Osterlamperl backen etc. bald anfängt, weils da schon sehr viele freiwillig aufgegeben haben, gekündigt haben...

...und, heut Mittag, als ich sie von der Arbeit abgeholt hab, hat sie den Wunsch geäussert, sie würde darauf hoffen, dass das Universum sie krank werden lässt, um in den Krankenstand gehen zu können, dann kann er sich alleine und mit sich selbst austoben .

In so Extremsituationen sind halt dann bei mir schon so Gedanken und Ängste da an "hoffentlich wirds mal keine Depri"
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