Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

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Antiope
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Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

Beitrag von Antiope »

Hallo zusammen,
eigentlich bräuchte ich nur etwas Zuspruch. Wie in einem vorigen Posting kurz dargelegt, habe ich am 22.12. überraschend meinen Job verloren, der mir eigentlich alles bedeutet hat und für mich die "letzte Chance" auf ein geregeltes Arbeitsleben war. Dann aber hat mein Vorgesetzter sehr viel Druck ausgeübt, hat immer mehr verlangt - und ich kann mich nicht wehren (konnte es noch nie), habe immer nur versucht, wenigstens die Hürde irgendwie zu nehmen. Dabei bin ich einfach gescheitert, zum einen, weil ich die Arbeit organisatorisch nicht auf die Reihe bekomme (anstatt eins nach dem anderen abzuarbeiten, Prioritäten zu setzen, usw, bin ich *völlig* blockiert, überfordert, entscheidungslos, hirntechnisch leer), zum anderen, weil mein Vorgesetzter viel zu viel verlangt, und es aber nicht einsieht und eingesehen hat.
Der hat mir halt den Stuhl vor die Türe gesetzt (die dritte super-bescheuerte Schnellkündigung mit Tiefenverletzung), und ich kann nicht loslassen. Diesmal nicht. Sonst ging es immer. Ich habe alles, was ich hatte, dort investiert, für mein Gefühl hat vieles gut geklappt. Schlechter als bei vielen anderen, aber so viel besser wie bei den Stellen vorher. Jetzt kann ich nicht mehr. Mir tut alles weh, weil so viel Vertrauen kaputt gemacht worden ist.
Und jetzt habe ich eine neue Stelle, will sie nicht (zu weit entfernt), kann mich auch nicht darauf einlassen. Und ich wette, die fahre ich auch an die Wand. Entweder der Vertrag wird zurückgezogen (habe gesagt, dass ich erst in die Reha will, dann arbeiten - und nichtjetztsofort arbeiten, wie kann man so blöd sein, wer will denn einen Psychisch Behinderten??), oder ich erlege die Anstellung in 3 bis 4 Wochen. Weil ich wieder herumticke wie bekloppt, nichts organisiert kriege, zurückwill. Hatte ich schon mal, und habe es dann nach zwei monaten hingeschmissen, weil ich abends nur noch am Heulen war. Wäre auch eine Stelle mit Aussicht gewesen. Ich war da sowas von blöd ...
Jetzt stehe ich wirklich vor den Scherben meines Lebens. Habe gerade die Überstunden ausgezahlt bekommen, nicht mal 1 EUR pro Stunde, den nicht genommenen Urlaub (20 Tage) war dann gratis. Habe seit 1999 keinen Sommerurlaub gehabt, bisher erst 3 mal Urlaub, dabei zweimal Zwangsurlaub (letztes Jahr und dieses Jahr). Jedesmal neuer Start, PRobezeit ohne Urlaub, Kündigung oder neues Projekt (was wieder kein Urlaub möglich macht). Ich will auch mal was von der Welt sehen, auch mal Spass und Freude haben.

Tut mir leid, dass ich jetzt gerade mein Elend so zusammenschreibe, aber ....
lammbock
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Re: Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

Beitrag von lammbock »

Hört sich nicht gerade berauschend an- hast Du es schon einmal mit einer Umschulung versucht? Klar fänngt man wieder , von vorne an-aber besser als einen Job zu haben der einen krank macht - auch mit einer psychischen Erkrankung kann man einen Job bekommen es ist nicht alles so aussichtlos wie es manchmal scheint
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

Beitrag von Antiope »

ja, habe ich. und danach das gelernt, was mir Spass macht - oder ich gedacht hatte, wäre das richtige. Jetzt möchte ich nicht nochmals wechseln - könnte auch nicht mehr (krafttechnisch gesehen).
habe also bereits 3 Berufe. ...
kiwilana
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Re: Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

Beitrag von kiwilana »

Hallo Antiope,

erstmal tut es mir leid für dich, dass dir gekündigt wurde - Und damit meine ich nicht, dass du eine Stelle "verloren" hast: Denn mit dieser Wortwahl klingt es mir zu sehr nach Selbstverschuldung, was es in deinem Fall (und in vielen mit Erkrankungen) eben nunmal NICHT ist! Du hast im Rahmen deiner ganz individuellen Kräfte gehandelt, gearbeitet und auch Leistung erbracht - das darfst du nicht vergessen! Würdest du nur dich selbst fragen, hättest du dann nicht auch das Gefühl "Hey, ich hab schon ein paar Sachen hinbekommen"? Das ist das was zählt bzw. nicht vergessen werden darf.

Wenn man nun gekündigt wird (ähnlich wie wenn man von seinem Partner verlassen wird o.ä.), neigen einige Menschen dazu (ich auch), nach Gründen bei sich selbst zu suchen, die das verursacht haben. Auf gut Deutsch: Sich selbst die Schuld für vieles zu geben. Dabei wird aber ein entscheidender Punkt vergessen: Bei allen Dingen, die ein Zusammensein bzw. Zusammenarbeiten oder dann evtl. eben auch eine Trennung bzw. Kündigung betreffen, gibt es immer (mindestens) ZWEI Parteien.

Es geht jetzt nicht darum, die Schuld nun andersrum beim anderen zu suchen. Nein. Ich finde Schuldfragen sind sowieso nicht konstruktiv. Aber was ich sagen will, ist: Du allein bist NICHT VERANTWORTLICH dafür, wenn jemand dir kündigt. Gut, wenn man mit einer Waffe in der Firma Amok läuft, dann wohl schon (sorry, aber mal als Beispiel). Aber i.d.R. geht es einfach nur um unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen: Was im Zusammenleben und Zusammenarbeiten - eben allem Zwischenmenschlichen - auch normal ist.

Manchmal lassen sich Unterschiede besprechen, klären, Lösungen oder Kompromisse finden. Wenn eine Partei sich dazu jedoch nicht in der Lage fühlt oder sich nicht dafür bereit erklären will, kommt es ggf. zum Bruch. Ein Arbeitgeber z.B. muss auch auf die Wirtschaftlichkeit achten. Das heißt aber immer noch nicht, dass DU etwas falsch gemacht hast. Aus seiner arbeits- und wirtschaftlichen Sicht heraus vielleicht. Aber es ist nur SEINE Sicht, sie ist nicht allgemein gültig. Denn z.B. ICH - und ich vermute auch viele andere hier, die wie du auch, eine krankheitsbedingte eingeschränkte Leistungsfähigkeit haben - würden das schon wieder ganz anders sehen. Wirtschaftlich ist man je nach Unternehmen und was von einem erwartet wird, evtl. nicht gerade. Ok, das mag stimmen bzw. ist nunmal so.

Aber nicht wirtschaftlich zu sein und deshalb ggf. früher oder später gekündigt zu werden, heißt NICHT, man sei falsch, schlecht, der Schuldige oder sonstwas. Denn aus unserer Sicht, aus der Sicht von Betroffenen - und sicherlich auch Sicht von Ärzten und Menschen, die sich damit auskennen - hat das, was wir leisten bzw. was DU geleistet HAST, eine GANZ ANDERE Bedeutung. Denn solange man sich bemüht hat, es versucht hat und wollte (und das schriebst du über diese Stelle) ist ALLES, was man hinbekommen hat (egal wie "schlecht" oder "zu wenig" aus der Sicht eines Arbeitgebers sein mag), einfach ALLES, das gelang - egal wieviel nicht gelang - einen ORDEN WERT! Ich hoffe du weißt das auch bzw. kannst deine Sicht (wieder) mehr darauf lenken: Nämlich auf das, was du - trotz allem und wie es endete - gut hinbekommen hast (aufzustehen, zur Arbeit zu gehen, kleine Aufgaben zu erledigen, etc.).

Das ist nunmal leider das Traurige an der Beziehung zu Arbeitgebern (leider aber auch in vielen Partnerschaften). Es geht oftmals nicht darum, was man GUT gemacht hat und hinbekam - sondern es wird eher darauf geguckt, was man nicht gut macht bzw. nicht hinbekam. Ich denke aber, dass es auch viele Arbeitgeber gibt, die sich nicht gerade darüber freuen, dies so betrachten und beurteilen zu müssen (und dann evtl. Kündigungen aussprechen müssen).

So, langer Text, weil mir dieses Thema sehr am Herzen liegt. Ich denke, was dir erstmal helfen könnte, wäre ein innerer Prozess: Dir selbst zu verzeihen, dass du krank und deshalb leistungseingeschränkt bist - aber deshalb kein schlechter Mensch bist, sondern sogar vieles Tolles und Gutes geschafft hast! Und auch ohne jede Leistung zu erbringen, wertvoll bist! Und dann auch dem Arbeitgeber zu verzeihen, dass er diese Entscheidung so treffen musste.

Das kann dabei helfen, den Jetzt-Zustand zu akzeptieren. Zu erkennen und sich selbst zu sagen: "Es ist nicht schön, aber ich nehme an, dass die Situation so ist wie sie ist". Was einem das bringt? Manche denken, durch Akzeptieren würde man etwas "schlucken", aufgeben, sich nicht wehren, etc. Aber da sehe ich einen wichtigen Unterschied (ähnlich wie bei den anonymen Alkoholikern):

Es geht nicht darum "alles" zu akzeptieren, sondern nur das, was man selbst einfach nicht (mehr) ändern kann. Wenn man diese Dinge akzeptiert, ist das sehr befreiend, man kann es loslassen... und: dadurch seine Energie und Zeit wieder GENAU den Dingen zu widmen können, bei denen man SELBST auch wirklich Einfluss nehmen kann und Änderungen zum Guten bewirken kann.

Deshalb: Was würde dir gut tun? Welcher Job, an welchem Ort, mit welcher Arbeitszeit? Klammer dich nicht daran fest, was du nicht ändern kannst. Frage dich lieber: Was kann ich ändern und was tut mir gut? Und wenn du keine Umschulung machen möchtest, dir aber trotzdem etwas Bestimmtes (im Job) fehlt: Dann lausche doch mal in dich hinein und finde heraus, was das ist - und versuche dann, diese dir wichtigen Dinge im privaten Bereich zu ermöglichen.

Fliege los, liebe Antiope! Die Flügel sind da - sie sind nur gerade damit beschäftigt, sich an alten nicht mehr zu ändernden Dingen festzuhalten Ganz liebe Grüße, Kiwi
lammbock
Beiträge: 22
Registriert: 15. Jan 2011, 16:31

Re: Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

Beitrag von lammbock »

Hi Antiope,

ich habe erst zwei Berufe gelernt und bin momentan dabei mich neu zuordnen- ich weiß auch noch nicht, ob ich die Kraft habe- aber ich weiß,dass es so wie es ist keine Lösung ist- es wird nicht einfach werden, aber ich versuche eine Reha zu bekommen und vielleicht sehe ich dann klarer, wenn ich etwas Abstand habe- wie kann man Dir helfen-?? Was tut Dir gut oder macht Dir momentan Freude? ? Hab mir aus lauter Verzweiflung zu Weihnachten ne Wii geholt und spiele da immer boxen- tut ganz gut sich abzureagieren-
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Flugfedern verloren (niedergeschlagen)

Beitrag von Antiope »

Hallo Kiwilana, Hallo MaBi,

danke vielmals für Euren Zuspruch! Danke!

Einiges von dem, was Du schriebst, Kiwilana, kann ich nachvollziehen oder vom Verstand her begreifen bzw habs schon gewusst und begriffen. Aber es ist genau richtig, es nochmals zu lesen, weil das theoretische Wissen einfach "wegrutscht".

Was und wie Du über die Schuld und Beziehung schreibst, hilft mir, alles eher mit Distanz zu betrachten und aus der Spirale auszusteigen. Da ist der Text nicht "zu lang", sondern genau da hilft er mir wirklich.

Weißt Du, ich kann dem Arbeitgeber die Entscheidung nachsehen - zum einen Teil. Zum anderen halt nicht, weil es eigentlich hätte klappen können, weil falsche Maßstäbe angesetzt worden sind, weil abgeurteilt wurde, weil das, was ich gut gemacht hatte, anderen zugeschrieben wird und damit nicht in die "Bewertung" eingeflossen ist.

Ich glaube, ich kann die Situation immer noch nicht so annehmen, wie sie ist, tief in der Seele. Vielleicht, weil es zu schnell ging, weil anderes "versprochen" wurde, weil es eine Wiederholung ist und ich ein Scheitern nicht akzeptieren kann.
Mich von dieser Vergangenheit frei zu machen, das dauert noch - leider. Ich versuche zwar, alles auf die Zukunft zu richten ... naja, ist schwierig, wenn einem genau die fehlt. Habe schon versucht, Pläne für die Zeit der Arbeitslosigkeit zu machen: Wohnung aufräumen, Keller ausmisten, einen Drechselkurs machen - aber das fehlt mir gerade das Vermögen, einzusteigen, zu beginnen.
Aber jetzt werde ich mich nochmals intensiv mit Deinen Anregungen auseinandersetzen und schauen, wo ich was wie loslassen kann.

Ich Danke Dir!
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