Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

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Blümli
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Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
heisl61
Beiträge: 4
Registriert: 17. Jan 2011, 20:44

Re: Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

Beitrag von heisl61 »

Hallo Blümli!
Ich kann gut mitfühlen wie es einem geht wenn sich ein Mensch nach dem man Sehnsucht hat auf einmal so distanziert.
Aber die wahren Gründe was da unter der Woche passiert ist hast du auch nicht erfahren.
Gehe einfach vorsichtig an Ihn heran und suche ein Gespräch unter 4 Augen.
Gruß Friedl!
ghm
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Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

Beitrag von ghm »

Hallo Blümli,

hast Du auch im Bereich für Angehörige gelesen?

Ich denke es ist für die "Partner" schwierig mit uns.
Ich durfte mir von meiner Exfrau auch ein "ich kann Deine dauernden Depressionen nicht mehr ertragen" abholen. Seit Mitte 2010 bin ich geschieden.
Ich glaube es ist nicht leicht mit uns.
Vermutlich solltest Du Dir auch Rat bei "Deine Leidensgenossen" suchen.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

Beitrag von ghm »

Hallo Blümli,

ich fürchte Du verstehst nicht, bitte entschuldige. Es hat mich nicht verletzt, dass Sie sich von mir getrennt hat, das ist richtig, denn "vereint sein mit jemandem den Du nicht liebst, ist Verschwendung der Seele".

Es hat mich verletzt, dass ich so fahrlässig war, mich über viele Jahre nicht mehr richtig wahrgenommen zu haben.

Ich kann mich nicht äussern warum Dein Freund etwas tat oder nicht. Aber bitte pass auf Dich auf und bleib bei Dir.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Depression für Außenstehende

Beitrag von Antiope »

Hallo Blümli,
ich denke, Du bist in einer sehr schwierigen Situation - und zwar deshalb, weil ihr als Paar kaum ein Vorher hattet, eine Vertrauensbasis, die auch in diesen Stürmen sicher ist.

Wenn ich jetzt schwer angeschlagen wäre, dann könnte ich mich auf nichts mehr verlassen. Mir wäre meine gesamte Sicherheit verloren gegangen. Und gäbe es nun eine neue Partnerin, dann würde auch diese Basis wegrutschen, weil ich nicht weiß, *dass* die Brücke von mir zu Dir hält.
Alles, was Dein Freund in diesen Mails geschrieben hat, von Zweifel und Angst usw., alles das ist ein Gesicht der Krankheit. Vielleicht hat ihn etwas gestört, vielleicht aber auch nicht. Gehe vom zweiten aus: es gab einen inneren Auslöser. Der hat seine gesamte Weltsicht "verstellt".

Und das Schlimme ist: Du erreichst ihn nicht mehr - weil er keine Vertrauensbasis mehr hat. Die hat die Krankheit weggefressen.
Das Einzige, was Du jetzt machen kannst, ist, ihm zu versichern, dass Du da bist. Mehr geht nicht.

Deine Frage nach den Wahrnehmungen versuche ich gerne zu beantworten. Wenn es mir sehr schlecht geht und jemand sagt, "Du musst die Türe zumachen", dann rasen folgende Gedanken durch den Kopf:
- unfähig; kann nichtmal an sowas einfaches denken; vergesslich; wie dumm kann man nur sein?
- ich bin schuld daran, dass der andere friert.
- der will, dass ich rausgehe und die Tür von außen zumache.
- ich fühle mich völlig davon überfordert, die Gedanken des anderen zu lesen, mich in seinem Maßstab richtig zu verhalten, keine Fehler zu machen, an das korrekte Benehmen zu denken. Ich habe Angst, den nächsten Fehler zu machen. Ich muss mich selbst bestrafen, um die Sünde des Vergessens und der Eitelkeit (ich habe den anderen gezwungen, an meiner Statt die Türe zuzumachen) zu büßen.

So kann es endlos weitergehen.
Zudem gibt es viele weitere Spiralen. Beispielsweise: ich kann mich nicht entscheiden, ob ich etwas esse, und wenn ja was. Die Zubereitung kostet zuviel Kraft. Ich habe weder Hunger noch Appetit auf etwas. ICh habe kein Recht, etwas zu essen, weil Kinder in Afrika hungern. Ich muss mich für vergangenes Unrecht bestrafen, ich muss mich endlich von der Gier des Essenwollens befreien.

Weitere Einblicke in die Wahrnehmungswelt:
Kontakt mit Menschen ist fast nicht mehr möglich. Ich kann deren Lachen nicht ertragen, es zerreißt mir das Herz. Ich verstehe nichtmal, warum die lachen. Ich kann nicht einsteigen in ein Gespräch, weil ich es nicht verstehe. Weil ich keinen "tollen" Aspekt habe, sondern merke, dass alles nur schwarz ist. Ich habe nur negative Ansichten - was andere nicht verstehen können.
Ich kann mich anderen nicht mitteilen, weil ich nicht weiß, was los ist. Ich habe die Sprache verloren, mein Gehirn denkt nicht mehr, es ist nur traurig. Selbst der Tisch fühlt sich kalt und traurig an - es ist kein Holz mehr, sondern *kein Gefühl*.
Meine Erfahrungen mit anderen sind durch erfahrenes Unrecht überdeckt, durch mein eigenes Schuldigwerden am anderen. (bitte diesen religiösen Kontext zu entschuldigen, aber er ist für eine Depression wichtig!!)
Ich bin durch falsche Worte, falsche Taten am anderen schuldig geworden - oder glaube es zumindest, egal, ob die Worte oder Taten exisiteren, egal, ob der andere sie *überhaupt wahrgenommen* hat. ICH habe sie notiert und muss sie büßen. ICH habe andere verletzt, ausgenutzt, bin ihnen auf den Nerv gegangen, habe sie kaputtgemacht.

Wenn ich depressiv bin, dann habe ich keine Hoffnung mehr, ich sehe keine Zukunft mehr. Wer dann zu mir sagt, alles wird wieder besser, versteht mich nicht. Es ist einfach so, dass diese Geschichte, in der ich jetzt sitze, nicht gut ausgeht. ICh habe auch keine Kraft mehr, irgendetwas zu tun, um die Hoffnung wiederaufleben zu lassen. Das allerschlimmste ist ja, dass man dann gegen alle Gefühle doch noch hofft - und irgendwann mal geht dann die Kraft aus. Ich habe die ganze Zeit gegen Windmühlen gekämpft, jetzt habe ich verloren. Und ich hätte sie alle besiegen müssen!!!
Ich sitze dann da, sehe die Tage und Stunden vor mir und weiß, es gibt nichts mehr, was den Zustand ändern kann. ICh kann nichts mehr tun, selbst Tränen helfen nicht. ICh kann nichts mehr tun, alles hat keinen Sinn mehr. Warum einkaufen, telefonieren, essen, reden? An der Grundsituation, dass sich nichts mehr ändert, dass die Zeit, DEINE Zeit abgelaufen ist, dass Du nur noch den Stein des Sisyphos nach oben rollst, um dann wieder und wieder und wieder von ihm überrollt zu werden - an dieser trostlosen Situation ändert sich nichts. Dein Fluch ist, dass Du den Stein nach oben rollen musst, er ist so schwer, dass es alle Deine Kraft kostet, ihn zu bewegen, dass Du ihn gerade noch beherrschen kannst, dass Du NIEMALS nachgeben darfst, keine Sekunde Zeit, Luft zu holen, Du stemmst Dich gegen den Stein und musst ihn nach oben rollen. Wenn er oben liegenbliebe, dann dürftest Du einen kurzen Moment Pause machen - vielleicht Dich umschauen. Aber erst dann. Vorher musst Du ihn beherrschen, bewegen, Du bist an ihn gekettet, ganz kurz. Du kämpfst und kämpfst und kämpfst.

... Soweit ein kurzer Einblick in meine Depressionswelt.
Gleichzeitig merke ich, wieviel Kraft ich von anderen absauge, wieviel ich brauche, wie sehr es auch die anderen erschöpft, diese Kraft abgeben zu müssen.
Ich muss mich zurückziehen - aus diesem Grund und auch deswegen, weil es mich sehr viel Kraft kostet, mich auf andere einzustellen, wahrzunehmen, was sie sagen oder tun. Ich spüre nichts mehr, die ganze Welt hat eine andere Sprache. Ich komme nicht mehr mit, verstehe die Welt nicht mehr, jedes Wort tut weh, jeder Versuch zu verstehen ist Hoechstleistung. Beziehung zu leben ist eine fast nicht mehr leistbare Möglichkeit, weil ich zum einen den anderen wahrnehme, aber nicht mehr antworten kann.

...
So, Blümli, ich hoffe, dass ich Deine Frage nicht totgeschrieben habe. Frage einfach, wenn Du noch etwas brauchst. Versuche Kontakt mit Angehörigengruppen aufzunehmen - auch Du (gerade Du) brauchst jetzt auch Hilfe, um damit einfacher klarzukommen. Du musst für Dich selbst über den grauen Tellerrand schauen, immer den Fuß draußen behalten, Dich *nicht* in dieses Schwarze Loch einsaugen zu lassen.

Lass es Dir gutgehen! Und das meine ich ernst.
Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Gefühlseinbruch - wie gehe ich damit um

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Einblicke in Welt der Depression

Beitrag von Antiope »

Hallo Blümli,

gerne, frage einfach. Was ich jedoch für ganz wichtig halte: versuche nicht vollständig zu verstehen, indem Du Deine Welt verläßt und in die kranke Welt der Schuld, des Schmerzes, des niezuvergessenden Verlustes, der Hoffnungslosigkeit eintauchst. Versuche *DEIN* eigenes Leben zu leben, Dir Deine Kräfte, Deine Ressourcen von da zu holen, wo es Dir gut tut. Ansonsten würdest Du nur Dein eigenes Leben verlieren und Deine Möglichkeiten ungelebt lassen.
Du kannst da sein, wenn er Dich braucht, Du kannst Dinge für ihn regeln, die er gerade nicht schafft - aber gehen muss er selbst. Das ist ja das Teuflische an einer Depression: man macht sich selbst hilflos, damit man endlich vollkommen umsorgt wird, und raubt sich selbst genau die einzige Chance, rauszukommen. Depression ist *auch* erlernte Hilflosigkeit, das Abgeben der Macht an die anderen.

Alles Liebe Dir und viel Kraft und Freude und viele gute Lieder!
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