Einsam

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Ellinor1
Beiträge: 7
Registriert: 4. Dez 2010, 07:13

Einsam

Beitrag von Ellinor1 »

Ich habe mich heute angemeldet, weil ich Antworten suche auf Fragen, die ich in meinem Umfeld nicht stellen kann. Zu meinem Lebenslauf: ich bin in einer Familie aufgewachsen, die von Problemen der Eltern komplett überschattet war. Meine Eltern haben sich ihr ganzes Leben gehaßt. Hauptsächlich war er (mein Vater)Alkoholiker, wesahlb meine Mutter von Früh bis abends rumgeheut hat, wie schlecht es ihr wegen seines Alkoholismus geht. Sie hat uns Kinder komplett für ihr Unglück in Anspruch genommen. Ich habe meinen Vater seit frühester Kindheit verachtet, weil er meine Mutter so unglücklich machte. Bis zu seinem Tod hatte ich keine Beziehung zu ihm.
Durch diese Überschattung der Elternprobleme hab ich in méiner Kindheit vor allem eins gelernt- dass wir Kinder funktionieren müssen, weil meine Eltern schon genug Probleme hatten. Das hat auch funktioniert, Wir haben alle drei unser Abi mit eins gemacht und nie Probleme gemacht. Meine ältere Schwester ist dann kurz nach Berufsbeginn (Lehrerin) als erste zusammen gebrochen- mit nun immer wiederkehrenden schizophren Psychosen seit zehn Jahren, steht total unter Medikamenten, EU-Rentnerin.
Ich habe mit 20 meinen Sohn bekommen, hab mit ihm erfolgreich studiert, alleinerziehend, hab dann gleich voll gearbeitet seitdem. Hab in jeder noch so schweren Phase meine Kräfte aufs Neue mobilisiert, war stark, problemlos, bedürfnislos, hab alles gemacht, dass es ihm gut geht, war immer gut drauf. Ich hab mir geschworen, dass wenn ich mal Kinder habe, ich meine persönlichen Probleme niemals meinem Kind aufhalse, weil er ein Recht hat auf eigene Probleme.
Ich habe jetzt eine 6jähr. Beziehung hinter mir.Er hat sich vor 2 Monaten von mir getrennt für eine andere. Das ist aber nicht das Problem. Ich weiß gar nicht, ob ich ihn geliebt habe. Ich habe eigentlich nur eine perfekte Familie gesucht. Seit mind. einem Jahr ist mir bewußt, dass es das nicht ist.Die familie war nicht die, die ich gesucht habe. Er hat sich null um meinen Sohn u mich gekümmert etc. Seit einem Jahr ist mir bewußt, dass ich nicht finde,was ich suche und egal wie ich mich anstrenge, ich bleibe allein und muss allein alle Verantwortung tragen. Ich bin davon so fertig immer nur stark zu sein. Ich kann mich nicht fallen lassen, weil mich niemand auffängt. ich muss ja stark sein für mein Kind. Er hat mich nie heulen sehen. Dabei könnte ich seit einem Jahr jeden Tag von früh bis abends heulen. Ich bin die totale Funktionsmaschine, ich arbeite 40 Stunden, der Haushalt läuft wie geschmiert, ich engagiere mich wo ich kann in der Schule, bin gut drauf auf der Arbeit, aber ich könnte nur heulen. Stattdessen hab ich den ganzen Tag meine Maske auf u abends will ich, dass mein Sohn so schnell wie möglich ins Bett geht, damit ich meine Maske abnehmen kann. Ich bin das ganze Jahr so müde u erschöpft gewesen, mich immer so zusammenzureißen. Ich war eine Maschine, ich habe schon Ewigkeiten nicht mehr aus dem Herzen gelacht, ich bin das ganze Jahr nicht mehr weggegangen, weil es mir zu anstrengend war noch zusätzlich zum Job u Kind meine Maske aufzusetzen. Mein Partner war das ganze Jahr beruflich so eingespannt. Ich wollte ihm da natürlich nicht noch zusätzlich zur Last fallen, also hab ich getan, was ich immer tue und habe funktioniert. Habe alle Bedürfnisse aller anderen erfüllt und dabei gewartet, dass er weniger beruflichen Stress hat um mich dann zu fragen wie es mir geht.Ich dachte, dann wird er mich aus meinem Loch rausholen, wenn er nur erst Zeit hat nach meinen Bedürfnissen zu fragen. Das hat er natürlich nicht gemacht. Er hat mich verlassen. Fazit: wenn ich mich nur ein klein wenig gehen lasse, werde ich hängen gelassen. Sicher war ich im letzten Jahr keine Ausgeburt von Spass u Freude, aber ich habe funtioniert und gedacht, dass irgendwann mal der moment kommt, wo ich mich mal fallen lassen kann, wo ich aufgefangen werde. Ich stand zunächt nur unter schock. Ich konnte nicht fassen, dass er mich in der größten Krise meines Lebens einfach so im Stich läßt. Die ganze Zeit hab ich gewartet und alles ausgehalten, die permanent negativen Gefühle, die Einsamkeit, die Anstrengung und dann das.Ich bin jetzt endlich zu ner Ärztin gegangen. Die hat mir direkt nach zehn Minuten Gespräch ein starkes Antidepressivum verschrieben, was ich auch gleich nehmen sollte, damit ich über die Feiertage komme. Einen Therapeplatz kann ich als alleinerziehende vollberufstätige Mutter fühestens in nem Halben Jahr bekommen (zu einer Zeit, zu der ich eben kann). Das Medikament hat bisher nur alles verschlimmert. Ich nehme es jetzt seit 5 Tagen und heule den ganzen Tag, an der Haltestelle, im Bus, beim Kochen, wenn ich mit dem Hund draußen bin, unter der Dusche. Vorher konnte ich mich ja wenigstens tagsüber zusammenreißen, damit niemand was mitkriegt, vor allem nicht mein Sohn.
Ich weiß nicht, wie ich mich neu motivieren soll. Ich bin so einsam.
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Einsam

Beitrag von wennfrid »

Hi Ellior
Erstmal willkommen
Ich habe mir deine Geschichte durchgelesen und ich denke, du hast schon viel erleben müssen. Die ersten Werte, übernimmt man von den Eltern: Das Leben ist grausam, der Tod ist besser, als das Leben, niemand soll unser Leiden in unserer Familienstruktur erfahren. Diese Werte übernimmt der junge Mensch und im Erwachsenenalter stellt er fest; Viele Werte sind von seiner Kindheit heute noch da. Ohne einen kompetenten Arzt/Therapeuten, der eine vertraute Umgebung gestalten kann, wird sich nicht viel ändern - aber eine Änderung ist immer möglich.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1697
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Einsam

Beitrag von Anne Blume »

Hallo Ellior,

willkommen im Forum und zu Beginn ein Hinweis: habe Ihr Posting mit Verweis auf die Forenregeln zum Thema Suizidalität editiert. Derartige Schilderungen könnten andere Leser triggern und werden deshalb von uns entfernt.

Viele Grüße
Anne Blume
mbm22
Beiträge: 381
Registriert: 25. Mai 2010, 22:48

Re: Einsam

Beitrag von mbm22 »

Liebe Ellinor,

mit großer Betroffenheit habe ich eben Deinen Beitrag gelesen und bin wirklich sehr berührt, z. T. auch, weil ich in meinem Leben ähnliche Erfahrungen machen musste.

Du steckst zum ersten Mal in einer Krise, in der Du das Gefühl hast, alleine nicht weiterzukommen. Es ist gut, dass Du dieses so für Dich annehmen konntest, was für jemanden, der sein Leben lang nur funktioniert hat, sehr schwer ist. Gut, dass Du den Mut aufbringen konntest, Dich an Deine Ärztin (vermutlich Hausärztin?) zu wenden. Auch sie hat Deine Situation gleich erkannt und Handlungsbedarf gesehen.

Nun bist Du zunächst einmal mit einem AD versorgt, was Dir in der nächsten Zeit helfen soll. Es wirkt nicht so, wie Du es Dir vorgestellt oder vielleicht gewünscht hast. Du würdest vermutlich mit dem AD gern weiterhin Deine Maske tragen können, damit niemand etwas von der Depression, Trauer, Verzweifelung usw. merkt. Ich kenne das von mir nur allzu gut, das kannst Du mir glauben.

Doch ich habe auch erkannt, dass ich diese Erkrankung, mein Nicht-mehr-so-funktionieren-können annehmen muss.
Auch ich habe fast mein ganzes Leben lang immer versucht so zu funktionieren, wie man es von mir erwartet hat, war bemüht immer alles alleine zu schaffen, für meine Familie stark zu sein. Nach außen war ich für die anderen vielleicht auch ein Fels in der Brandung, ein Mensch, den nichts umhauen kann, doch tief in mir sah es oft anders aus. Ich habe es nicht wahrhaben wollen, Gefühle gezielt aus meinem Leben verbannt, mir Wünsche und Bedürfnisse untersagt, stattdessen aber mit aller Kraft und Energie für die anderen geschaut.

Jahrzehnte hat es so funktioniert, oft auch gut, so dass ich meinte, ich gehe den richtigen Weg. Mein Einbruch kam nicht nach der Trennung von meinem Mann, mit dem ich drei Kinder habe, sondern erst einige Jahre später, nachdem ich mir mit letzter Kraft eine neue berufliche Existenz aufgebaut habe. Ich hätte stolz und zufrieden über das Erreichte sein können und war es nicht, weil mir auf einmal klar wurde, dass ich mich über die vielen Jahre einfach verloren habe. In mir herrschte nur noch eine große Leere, ich konnte mich garnicht mehr spüren, weder gute noch schlechte Gefühle.

Da habe gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann, ich so nicht weiterleben kann und will, weil ich mich innerlich schon tot fühle.

So bin ich dann zu meiner Hausärztin gegangen, die mir ebenfalls ein AD verordnet hat, damit ich meinen Alltag weiterhin packe, sowie eine Überweisung für die Psychotherapie ausgestellt, mit der ich mich dann selbst auf den Weg machen musste.
Ich hatte keine Ahnung, welche Form von Therapie für mich gut sein könnte, habe aber dennoch meinen ganzen Mut zusammengenommen, um einen Psychotherapeuten zu finden. Dabei hatte ich großes Glück, denn nach einem Monat fand ich einen Verhaltenstherapeuten, der mir auch von Anfang an symphatisch war. Trotzdem hat es Ewigkeiten gedauert, bis ich mich bei ihm öffnen konnte. Weinen konnte ich bei ihm jetzt das erste Mal nach gut 1,5 Jahren Therapie und zwar auch erst nach der Umstellung auf ein neues AD, was mir eher erlaubt, meine Gefühle zuzulassen und anzunehmen.

Dieses scheint Dir vielleicht mithilfe Deines AD jetzt schon möglich zu sein. Du nimmst es derzeit eher als Verschlechterung Deines Zustandes wahr, doch ich denke, es ist ein großer Meilenstein, den Du damit gemacht hast.

Du wirst, die Erfahrung habe ich gemacht, nur für Dich weiterkommen, wenn Du Dich so annehmen kannst wie Du bist. Und dazu gehört einerseits Deine Stärke, die Du Dein Leben lang unter Beweis gestellt hast, aber auch Deine Schwäche, die Du in Dir trägst, sowie alle mir ihr verbundenen Gedanken und Gefühle.

Ich würde mir für Dich wünschen, dass Du auch ihr einen Platz in Deinem Leben zuweisen kannst, sie langsam und ganz behutsam für Dich annehmen kannst.

Kein Mensch auf der ganzen Welt kann immer nur stark sein und funktionieren und dieses erwartet im Grunde genommen auch niemand von Dir, höchstens Du selber.

Dein Sohn wird auch trotz Deiner Maske spüren, dass mit seiner Mum irgendetwas los ist. So war es jedenfalls bei meinen Kindern. Ich habe auch lange versucht, alles vor ihnen zu verbergen, doch irgendwann war mir klar, dass ich sie nicht täuschen, nicht belügen möchte, denn dafür liebe ich sie viel zu sehr.

Ich habe versucht mit ihnen offen über meine Depression zu sprechen, ihnen von meinen Medikamenten und meiner Psychotherapie erzählt, den beiden Großen mehr als dem Kleinen. Und sie haben es verstanden, fanden es gut, dass ich so ehrlich mit ihnen spreche und sie waren froh, dass ich die Kraft aufbringe, mir kompetente Hilfe zu holen.

Leider weiß ich nicht, wie alt Dein Sohn jetzt ist, aber ich würde Dich gern zu mehr Offenheit ihm gegenüber ermutigen. Dein Schweigen könnte ihn vielleicht eher verunsichern.

Warum musst Du so lange auf einen Therapieplatz warten? Eine ambulante Psychotherapie lässt sich recht gut in den beruflichen Alltag einbauen, auch in den einer alleinerziehenden Mutter. Wenn ich das schaffe, wirst Du es auch schaffen können. Ich kann es Dir nur sehr an Herz legen, die möglichst rasch kompetente Hilfe zu suchen. Erste Schritte bist Du schon gegangen und das ist gut so. Mache jetzt bitte auch weiter so, für Dich, aber auch für Deinen Sohn. Okay?

Dabei wünsche ich Dir ganz viel positive Unterstützung in diesem Forum.

Ganz herzliche Grüße

lernfee
Susanne_Scherrer

Re: Einsam

Beitrag von Susanne_Scherrer »

Hallo, liebe Elliot

ich kann Dich so gut verstehen...ja spüre Dich förmlich und habe mich selber in Deiner Geschichte wiedergefunden.

Alkohol, Gewalt, Missbrauch und Lieblosigkeit habe ich als Kind auch erfahren müssen.

Alkohol in Form von zwei Elternteilen plus sämtliche Geschwister die soffen.
Gewalt in Form von Hass.
Missbrauch in Form von emotionalem Missbrauch seitens meiner Mutter, die ich oft trösten musste oder ihre Wut auszuhalten hatte, wenn es mal wieder Krach gab.
Lieblosigkeit in Form von unerfüllter Sehnsucht als kleiner Mensch beachtet und geliebt zu werden.
Nur einmal in den Arm genommen zu werden und Worte wie "ich habe Dich sehr lieb" zu hören.

Das sollten später meine Partner erfüllen...mir diese Liebe , Anerkennung, Hoffnung und Zuwendung geben, die ich als Kind nicht hatte.
Meine Beziehungen gingen immer in die Hose.
Entweder ich bekam keine Liebe ect..., oder aber soviel Liebe, dass ich damit nicht umzugehen wusste, diese Partner mir shnell auf den Keks gingen, weil sie mir gewohnte Verhaltensmuster durchbrachen.

Erst Heute weiss ich, dass niemand mir das geben kann, was ich mir sooo sehr wünsche, denn ich habe begriffen, dass ich allein diese Liebe in mir trage...ich muss nur versuchen, sie zu entdecken.
Mutig genug, um meine uralten und auch neu hinzugekommenen Wunden anzusehen, mache ich erneut eine Therapie.
Nie war ich da, wo ich HEUTE stehe und bin.

Ich hoffe, Du findest einen Weg, um Dir selber zu begegnen, Deinen Eltern zu verzeihen und die Liebe in Dir zu entdecken.

schön, dass Du da bist.
LG
Sanne
Clown
Beiträge: 4337
Registriert: 8. Nov 2004, 18:22
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Re: Einsam

Beitrag von Clown »

Hallo Ellinor,

willkommen im Forum!

Dir geht es richtig schlecht und ich finde sehr gut, dass du es hier herauslässt.

Ich habe einen vielleicht für dich ungewöhnlichen Hinweis, oder kennst du dich etwas mit Homöopathie aus? Dort wird ein Mittel, das (auch Depressionen) heilen kann, danach ausgesucht, welche Krankheiten und seelischen Zustände es bei einem gesunden Menschen hervorruft.

Sprich, alles, was du beschreibst, passt nach meinem Wissensstand -
(und ich bin Laiin, lasse mich aber selbst klassisch homöopathisch behandeln, es ist die sogenannte Konstitutionsbehandlung und mache damit sehr gute Erfahrungen) -
auf ein hom. Konstitutionsmittel.

Mein Rat also an dich: Gehe (zusätzlich zu den bisherigen Maßnahmen) zu einem/einer erfahrenen HomöopathIn, am besten du druckst dir dafür dein obiges Posting aus (vielleicht vorher einige Absätze einfügen, das erleichtert das Lesen ) und nimmst es mit.

Wenn ich richtig gelesen habe, bis du Lehrerin, verbeamtet? Dann übernehmen ja KK und Beihilfe die Behandlungskosten in der Regel, nicht?

Alles Gute für dich,

Clown

edit: Das fehlende 'n' bei deinem Namen eingefügt, Tschulli ( © Jojo! )
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
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