Abendtief - wirklich so selten?

jolanda
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Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Ich hatte schon mal einen thread zum Thema Abendtiefs aufgemacht, aber der ist schon über ein JAhr in der Versenkung geraten, drum mache ich einen neuen.

Ich leide unter ausgeprägten Abendtiefs. Morgens geht es meistens so leidlich. Immerhin schaffe ich es (noch) morgens um 6 auf zu stehen und zur Arbeit zu gehen. Da bin ich auch so beschäftigt, dass es einigermaßen geht, obwohl es auch da mühsam ist momentan.
Je schwerer die Depression wird, desto schwerer wird das Abendtief und desto früher setzt es ein.
Momentan bin ich (nach eigener Einschätzung) leicht bis mittel depressiv. Mein Alltag funktioniert noch. Entsprechend setzt das Abendtief erst wirklich Abends ein, und da kann ich ja dann schnell ins Bett gehen und dem so entfliehen.
Ich habe Angst, dass ich noch weiter in die Depression rutsche und nach meinen Erfahrungen der letzten Jahre mit in der Summe bestimmt 1 1/2 Jahren Klinik Aufenthalten ist diese Angst wohl auch berechtigt. Abendtiefs sind ein ganz klares Frühwarnzeichen für Depression bei mir.

Wer kennt das noch mit den Abendtiefs? Gibt es hier wirklich sonst niemand? Morgentiefs sind ja wohl weitverbreitet bei Depression, aber es kann ja nicht sein, dass ich die einzige hier bin, bei der es anders ist.

LG, jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Lee
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Lee »

Hallo Jolanda,

nein, du bist nicht allein. Ich kenne nur die Abendvariante - ein Morgentief hatte ich noch nie. Auch in meinen schlechtesten Zeiten nicht. Da war es vielmehr so, als müsste die Dame in Schwarz selber erstmal wach werden bevor sie wieder ihren Trampelpfad beschritt.

Da "meine Depression" nur dann auftaucht, wenn ich über meine Grenzen hinausgehe, also müde bin, sehe ich hier für mich einen Zusammenhang: müde = müde. Solange ich auf Pausen achte, ist alles gut.

Viele Grüße

Lee
JuliMami
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von JuliMami »

Hallo Jolanda!

Ich habe zwar schon morgens das Gefühl, ich möchte nicht aufstehen, bin schon bedrückt und traurig, aber eigentlich schaffe ich es trotzdem immer.. aber so richtig schlimm ist es bei mir auch nur am Abend.
Ich kenne es auch nur am Abend von mir. Damals, als es mir schonmal nicht so gut ging, war dieses Tief auch immer am Abend/in der Nacht.

Lg, JuliMami
wennfrid
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von wennfrid »

Hi Jolanda
Ein Abendtief kenne ich nicht, bei mir gibt es jeden Tag das Morgentief. Allerdings ist die Depression individuell und man darf kein Symptom von sich auf andere übertragen.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Dendrit
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Jolanda,

ich gehör auch zu den allabendlichen. Als ich das erste Mal hörte, dass man bei einer Depri morgens ein Tief hat, war mir klar: entweder bin ich ein Simulant oder die Vermutung stimmt nicht. In der Klinik hat mir dann der Psychiater das von der "Abend-Variante" erzählt.

Vormittags gings mir psychisch teils richtig gut und konnte gar nicht verstehen, was ich den Abend davor empfunden und gedacht habe ... aber ab nachmittags gings dann auch wieder bergab und konnte nicht verstehen, warum es mir vormittags so gut ging.

LG, Manuela
Tamandua
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Tamandua »

Hallo Jolanda,

auch ich hatte jahrelang dauernd mit Abendtiefs zu kämpfen.
Natürlich fühlte ich mich auch morgens furchtbar und bin manchmal nur unter Tränen aufgestanden, aber das hätte ich nicht als Tief bezeichnet, denn funktioniert habe ich ja, bin also aufgestanden und habe meine Pflichten bewältigt. Was mich vielleicht auch motiviert hat, dass ich mr jeden Morgen gesagt habe "heute beginnt ein neues Leben - Diät machen, mehr arbeiten, mehr unter Leute gehen usw." Abends ging aber immer gar nichts mehr, denn ich hatte zwar oft viel gearbeitet, aber "nicht genug" und hatte natürlich wieder zuviel gegessen und null Energie mehr, mich noch mit Freunden zu treffen. Mein Abendtief entstand also täglich aus Frust über einen weiteren nutzlosen Tag, an dem ich "wieder versagt" hatte.

Das "Glück", was Manuela hatte, nämlich einen Psychiater zu treffen, der die Tatsache von Abendtiefs als seltene (aber mögliche!) Variante der depressiven Symtomatik akzeptiert, hatte ich nicht.
Als ich mal in der Klinik nach einem Arztwechsel ein Gespräch zu dem Thema hatte, meinte der Arzt, das könne so nicht sein, das wäre keine Depression (hatte sein Vorgänger diagnostiziert), da ich ja doch morgens halbwegs aus dem Bett käme und eine disziplinierte, offene Erscheinung hätte blablabla... und wenn es mir eher abends schlecht ginge, dann wohl nicht depressionsbedingt.
(Damit will ich nicht sagen, alle Psychiater seien so...hm...vorurteilsbehaftet!!!)

In ausführlicheren Schilderungen von Diagnosekriterien wirst Du das Phänomen "Abendtief" angesprochen finden. Es gibt - falls ich mich richtig erinnere - sogar eine extra fachliche Bezeichnung dafür.

Liebe Grüße
Tam
heinrich12
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von heinrich12 »

Hallo Jolanda,

ich gehöre dann auch noch zum Club.

Morgens habe ich zwar auch Schwierigkeiten, aufzustehen und Angst vor dem Tag. Da ich aber meine Kinder pünktlich zur Schule bringen muss und selber auch arbeite, muss ich aufstehen. (Das klappt am Wochenende dann allerdings nicht.)
Den Tag über bin ich dann meist abgelenkt und merke abends, wenn die Kinder im Bett sind, oft erst, wie schlecht und fertig ich mich eigentlich fühle. Von daher zieht es mich eigentlich fast jeden Abend ziemlich runter und ich will eigentlich nur noch, dass es aufhört und gehe früh ins Bett.
Vielleicht hat das Abendtief bei mir auch was damit zu tun, dass ich für meinen Alltag viel Energie brauche, von der abends einfach nichts mehr da ist.

Viele Grüße
Sonnenstrahl
ecureuille

Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von ecureuille »

Hallo,

ich kann mich Sonnenstrahl nur anschließen.

Morgens ist irgendwie die Angst und die Depressionen noch nicht wach. Ich bin morgens am produktivsten und kretivsten. Deswegen stehe ich oft früh auf und mache meine Unterrichtsvorbereitung dann anstatt mitten in der Nacht, da ich spätestens ab fünf Uhr nur noch müde bin und am liebsten sofort ins Bett ginge.

lg
hörnchen
lucya
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von lucya »



Hallo!!
Ich gehöre auch zum Club...

Vielleicht hat das auch damit etwas zu tun, was man insgesamt für ein Typ ist? Damit meine ich, daß ich immer schon ein "Morgenmensch" war, der seine Dinge besser morgens als abends regeln konnte. Mein Mann ist da ganz anders... Stimmt diese Theorie bei Euch?!

Allerdings kenne ich auch Tage, die durchweg tief sind...

Liebe Grüße
Die lucya

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Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwierig!
Tournesol1342
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Tournesol1342 »

Ich habe eine erstaunliche Erfahrung gemacht:
Bei meiner ersten (also zumindest bei der ersten ärztlich diagnostizierten) depressiven Episode hatte ich auch so ein "Abendtief". Morgens war ich - wie auch im "Normalzustand" - recht fit, kam zeitig aus den Federn und habe meine Arbeit am Vormittag immer gut geschafft. Die Nachmittage und Abende waren aber grauselig. Ich habe viel geschlafen; damit hatte ich damals keine Probleme.

Seit einigen Wochen nun hat mich erneut eine Phase der Depression "im Griff". Jetzt aber ist alles anders: Es gibt das klassische Morgentief, ich komme nicht aus dem Bett, und wenn ich das dann mal geschafft habe, geht alles nur mit äußerster Anstrengung und im Zeitlupentempo. Erst nachmittags werde ich munter und am Abend geht es stimmungsmäßig meistens etwas besser. Schlafen kann ich aber gar nicht - d.h. nur mit Hilfe von Medikamenten.

Ich bin ziemlich baff, wie unterschiedlich die Depression doch bei ein und demselben Menschen sein kann. *kopfschüttel*

Viele Grüße
von Tournesol.


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Die Dinge sind nie so, wie sie sind.

Sie sind, wie man sie macht.

(J. Anouilh)
Lioness
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Lioness »

Hallo zusammen,

also ich kenne ähnlich wie Tournesol beides. Ich bin schon im "Normalfall" ein ausgeprägter Morgenmuffel - wer mich kennt, weiß, dass man mich vor dem ersten Kaffee am Besten einfach nicht anspricht - und habe meine kreativsten Phasen ab Spätnachmittag. Habe ich leichte depressive Verstimmungen / Anwandlungen, was auch jetzt immer wieder mal vorkommt, dann verstärkt sich diese Morgenmuffeligkeit zu einem leichten Morgentief, und ich brauche wirklich Stunden, um in die Pötte zu kommen. Nachmittags /Abends sind diese Anwandlungen dann meistens verflogen.

Ganz im Gegensatz dazu mein Empfinden in einer schweren Depression: Da kamen mit der abendlichen Dunkelheit die dunklen, einsamen Gedanken und Gefühle, und es graute mir stets vor der Nacht. Auch deswegen, weil Suizidgedanken nachts verstärkt auftauchten und ich zunehmend Angst bekam, dass irgendwann der Zeitpunkt käme, an dem ich nicht mehr dagegenhalten könne.... Am nächsten Morgen ging es mir dann besser (aber natürlich auch nicht wirklich gut), weil mit dem neuen Tag die Helligkeit und die Geschäftigkeit der "normalen" Welt draußen eine Pseudonormalität vorgaukelten, an die ich mich geklammert habe. Bin dann z.B. Brötchenholen gegangen zum Frühstück (mein Appetit hat irgendwie nie unter Depressionen gelitten, egal wie schlimm die waren.,....), habe mich zu kleinen Haushaltstätigkeiten überredet, um einfach ein Stück Normalität wieder herzustellen (was an den schlimmsten Tagen natürlich auch nicht funktioniert hat).

Das Abendtief hängt / hing sicherlich auch mit meiner damaligen einsamen Lebenssituation zusammen.

Grüße
Lioness



Wir brauchen den Blick nach hinten, um unser Leben zu verstehen. Wir brauchen den Blick nach vorne, um unser Leben zu LEBEN!
mondraute
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von mondraute »

Hallo,

bei mir gibt es noch etwas Erstaunlicheres.
Wenn ich es nicht selbst erleben würde, könnte ich es selbst kaum glauben.
Ich habe turnusmäßig jeweils an zwei Vormittagen einen ziemlich ausgeglichenen Gemütszustand und am nachmittag so gegen 16.00 Uhr fällt die Stimmung ab und auch Angst stellt sich ein. Dasselbe die nächsten zwei Tage in umgekehrter Reihenfolge. Stimmungswende immer so gegen 16.00 Uhr.
Ich habe einmal gelesen, dass bei den sog. neurotischen Depressionen, das Abendtief ausgeprägter sei, während bei den sog. endogenen Depressionen, die Bezeichnung ist inzwischen überholt, eher ein Morgentief anzutreffen ist.
Nun frage ich mich, zu welcher Gruppe ich wohl gehöre. Das Seltsame ist, dass bei meinen vorangegangenen zwei Phasen stets das Morgentief vorherrschend war und gegen 16.00 Uhr eine Stimmungsverbesserung eingetreten ist.
Ich kann beim besten Willen keinen Zusammenhang zwischen Depressionszeit und meinem Denken, Fühlen und Handeln herstellen, wobei nicht gesagt ist, dass es das nicht gibt.
Ich finde das ein spannendes Thema. Im übrigen nehme ich Medikamente, ein sedierendes und ein antriebsteigerndes.

MfG Mondraute
Nico Niedermeier
Moderator
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Nico Niedermeier »

In den alten Klassifikationen u7nterschied man immer zwischen:
Morgentief = Hinweis auf ne stoffwechsel bedingte Depression

Abendtief = Lebensgeschichtlich bedingte Depression
Viele Grüße
N. Niedermeier
Tamandua
Beiträge: 26
Registriert: 17. Nov 2010, 10:52

Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Tamandua »

Hallo,

diesen Thread finde ich wirklich sehr spannend, denn ich habe noch nie so geballt auf einem Haufen so viele Parallelen zu mir selbst entdeckt!

Also, bei mir ist es nicht so, dass ich schon immer ein Morgenmensch war und deswegen eher abends meine Durchhänger habe. Ok, als Kind bin ich immer extrem früh aufgestanden, aber nur im Vorschulalter, danach hat sich das geändert. Ab der Pubertät habe ich dann auch gerne mal bis 9:30 Uhr im Bett rumgegammelt (schlafen konnte ich nie so lange, denn einmal aufgewacht, konnte ich nie wieder einschlafen), denn das Bett war mein "sicherer Ort".

Naja, im Studium war es weiterhin ähnlich: immer geschafft, dem Wecker zu folgen (hatte viel zuviel Angst, zu verschlafen und Ärger zu bekommen) und ich hatte in der vorlesungsfreien Zeit immer Jobs, bei denen ich irre früh aufstehen musste. Die Abende waren furchtbar, am liebsten wäre ich immer schon um 21 Uhr ins Bett gegangen.
Bei meinem ersten Psychiatrieaufenthalt war es dann soweit, dass ich echt schon um 20 Uhr im Bett lag, meine Zimmernachbarin übrigens auch (die 22-Uhr-Medikamente wurden ja gebracht). Aufstehen konnte ich dort übrigens immer ziemlich problemlos - ich hasse es nämlich, wenn mich jemand ungeduscht und im Schlafanzug sieht, das hat mich auch in den schlimmsten Phasen angetrieben.

Bis vor gut einem Jahr war es eher so, dass ich solche Abendtiefs hatte.
Letztes Jahr im Sommer: Trotz hoher Dosis Dominal & Atosil kaum schlafen können, spätestens ab morgens um 5 unterwegs...

Jetzt ist es eher so, dass es mir abends ganz gut geht - was sich in erster Linie darin ausdrückt, dass ich deutlich später schlafen gehe als früher. Ich brauche dann auch etwa zwei Stunden, bis ich einschlafe (das ist dann oft etwa 2 Uhr).
Morgens ist es aber einfach "grausam". Ca. um 5 füttere ich meinen Kater und dann schiebe ich erstmal meine ich-hasse-mich-das-Leben-ist-sooo-doof-Filme/Gedanken. Schlafe immer irgendwann nochmal ein und wache oft erst gegen 10 auf.
Das Schlimmste daran ist, dass ich weiß, dass ich mir diesen "Luxus" nur leisten kann, weil ich nicht arbeiten gehe. Und ich verabscheue mich deswegen umso mehr.

Zur Zeit habe ich also die fiesesten Kämpfe mit mir selbst am Morgen. Es hat sich also auch bei mir deutlich was verlagert. Das habe ich vorhin schon nicht mehr dazu geschrieben, weil ich nicht so einen Bandwurm-Text posten wollte.

Ehrlich gesagt, ich bewundere alle Depressiven, die es schaffen, TROTZDEM morgens pünktlich aufzustehen (sei es in einer Klinik oder sogar wegen der Arbeit).
Denn beim Morgentief hilft ja kein Decke-übern-Kopf...


Liebe Grüße
Tam
DarkRaven
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von DarkRaven »

lucya
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von lucya »

Hallo Herr Dr. Niedermeier,
Sie schreiben in der alten Klassifikation schreibt man dem Abendtief der lebensgeschichtlichtlichen Verursachung zu... Denken Sie nun an dieser These ist was dran?! In der Literatur finde ich auch eher etwas über das Morgentief.
Die lucya

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jolanda
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Erstmal Danke für die vielen konstruktiven Rückmeldungen.

Eigentlich bin ich überhaupt kein Morgenmensch. Um 6 auf zu stehen ist grundsätzlich für mich Quälerei, die aber leichter fällt, wenn ich nicht depressiv bin oder wenigstens draußen schon Licht ist. (bin ja auch im Sommer depressiv)
Sobald ich frei habe, selbst am Wochenende kippt mein Tagesrhythmus auf andere Zeiten. Statt um 22 Uhr ins Bett und um 6 Uhr raus, gehe ich dann eher erst zwischen 24 un 1 Uhr ins Bett und schlafe bis 10 oder auch mal bis Mittags.
Schon als Jugendliche brauchte ich viel Schlaf, unter 8 Stunden ist für mich zu wenig. Früher waren Klassenfahrten für mich immer der Horror, weil nachts natürlich alle Halligalli machen wollten und ich wollte schlafen (mal abgesehen davon, dass ich dann nonstop mit Leuten zusammen sein musste, die mich ausgegrenzt haben). Da kam ich dann immer krank nach hause danach.

aber obwohl ich mich Morgens schwer tue und umso schwerer, je depressiver, ist die Stimmung erträglicher, als Abends. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem das Abendtief schon Mittags anfängt.
In der Klinik habe ich es auch selten geschafft, morgens wirklich aus dem Bett zu kommen, aber abends waren die großen Krisen. Aber wozu soll man auch aufstehen, wenn man im Leben keinen Sinn sieht? Allein mein Pflichtbewusstsein trieb mich dann raus. Entweder für den Job oder eben in der Klinik, dass ich am Therapieprogramm teil nahm. Auf der Depressionsstation ist da auch mehr Druck dahinter, da bekommt man Stress, wenn man zur Morgenrunde nicht erscheint und außerdem gibt es danach kein Frühstück mehr. Aber in der Psychiatrie, wo bei den weiteren malen immer war (weil halt akut) ist das anders. Aber da habe ich immer ein ganz individuelles Therapieprogramm bekommen (viel besser, als auf der Depristation) und weil so viel Einzeltherapien waren, habe ich mich auch so verpflichtet gefühlt.

Will sagen, das Pflichtbewusstsein trägt mich lange noch weiter, selbst wenn eigentlich nichts mehr geht. Und das treibt mich auch morgens aus dem Bett.

Die Abendtiefs sind wie gesagt ein Frühwarnzeichen. Und derzeit habe ich die, deshalb nun die Angst, dass es schlimmer wird, zumal diese Tendenz da ist.

Ob meine Depressionen jetzt (mal nach alter Definition) endogen sind oder biografisch bedingt vermag ich nicht zu sagen. Wohl eher beides. LEbensgeschichtlich auf jeden Fall, aber sowohl meine Psychiaterin, als auch meine Psychotherapeutin (die auch FÄ für Psychiatrie ist)sehen auch ganz klar eine endogene Komponente. Zumal die mich neuerdings auch eher als bipolar II einstufen.
Dann müsste ich ja wohl beides haben - Morgen- und Abendtiefs

Wohl doch besser Decke über den Kopf ziehen und auf bessere Zeiten warten. Geht aber nicht, weil ich noch in der Probezeit bin.

LG, jolanda


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Dendrit
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Dendrit »

@ Lucya

Vielleicht hat das auch damit etwas zu tun, was man insgesamt für ein Typ ist? Damit meine ich, daß ich immer schon ein "Morgenmensch" war, der seine Dinge besser morgens als abends regeln konnte. Mein Mann ist da ganz anders... Stimmt diese Theorie bei Euch?!

Hm. Also Morgenmuffel bin ich auch - wenn ich für mich zu früh aufstehen muss. Grad körperliche Sachen gelingen mir besser nachmittags. Abends könnt ich ohne Probleme bis 3 h durchmachen. Da diese Beobachtung (spät ins Bett, morgens lang schlafen) auch bei einer anderen Erkrankung beobachtet wurde, sag ich das gern, weil dann mein "nicht normaler" Schlaf-Wach-Rhythmus eher akzeptiert wird. Dabei sind in meiner "Blutsfamilie" alle "Nachteulen". Selbst Versuche, einen anderen Rhythmus reinzubekommen bleibt gezwungen, "normal" ist für mich der jetzige.

LG, Manuela
Guinevere
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Guinevere »

Abendtief = Lebensgeschichtlich bedingte Depression

Hmm, an ein Morgentief kann ich mich kaum, bis gar nicht erinnern, war allerdings schon länger nicht mehr stärker (relativ) depressiv. Kommt drauf an, was man unter "Morgen" versteht. Ich komm ja nie so irre früh ins Bett, weil ich oft länger arbeite (seit 25 Jahren).

Morgens brauch ich zwar ne Weile (10 min - Kaffee und Zigarette -> "Dopamin" ) bis ich mich halbwegs orientiert hab *. Aber, wenn ich ein Tief hab, dann Frühabends, so von 17 - 19 Uhr, und nach 22 werd ich dann wieder so richtig munter ...und, wenn ich Depri bin, dann brauch ich lange zum Schlaf finden.

Lieber Gruß und gute Nacht!
manu

edit: * bei "Entzug" (Nikotin - diesmal 3. Tag) funktioniert Koordination, Konzentration,... dann spätestens Mittags leider nicht mehr.

2. edit: und, das macht mich dann wie diesmal Rauchen aufhören wollen schon ziemlich "fertig", wenn mir alles aus der Hand fällt etc.
mbm22
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von mbm22 »

Guten Morgen liebe Forianer!

Es ist in diesem Thread wirklich erstaunlich zu lesen, wie unterschiedlich das Befinden doch am Morgen, sowie am Abend ist.

Ich denke, dass es bei mir ein Morgentief gibt, was eindeutig psychischer Art ist, denn ansonsten zähle ich mich eher zu den Frühaufstehern. Gerade eben erwacht, erlebe ich es jeden Morgen, dass sofort schlechte Gedanken und Gefühle auftauchen. Es ist so als wenn der PC hochfährt, ohne dass man auf einen Schalter gedrückt hätte. Ich kann mich einfach nicht dagegen wehren, spüre Ängste vor dem Tag, meine Sorgen und Probleme in geballter Form, muss häufig weinen.
Um dann gegenanzusteuern, hilft nur das sofortige Aufstehen, um mich in irgendwelche Aktionen zu stürzen, sonst lähmt mich die Grübelei und ich kriege nichts mehr auf die Reihe.

Am Abend geht es mir zwar psychisch besser, aber ich bin vom Tag oft dermaßen erschöpft, dass dann ein physisches Tief folgt. Ich habe am Abend dann keine Kraft und Energie mehr, etwas zu tun, kann meinen Feierabend oft kaum genießen. Jede Aktivität fällt mir schwer, möchte manchmal nur noch liegen, die Augen schließen und die Stimmen und Geräusche meiner Kinder um mich herum hören und nichts tun müssen. Selbst Dinge, die ich früher gerne gemacht habe, wie lesen oder einen guten Film sehen, reizen mich nicht mehr, sind einfach nicht mehr wichtig.

Meist gehe ich dann früh schlafen, weil ich auch Sorge habe, für den nächsten Tag nicht genug Kräfte zu haben, nicht fit genug zu sein, alles zu schaffen.

Herzliche Grüße und einen gemütlichen Adventssonntag

lernfee
Kalline
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Registriert: 20. Nov 2010, 17:44

Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Kalline »

Hi,
gestern Abend ist es über mich hergefallen, wie schon lange nicht mehr.
Ich war mit ganz engem lieben Freunden verabredet, wir wollten auf einen romantischen Weihnachtsmarkt auf einer Burg und ich habe mich seh darauf gefreut und konnte alles hin organisieren ( Pflege meiner Mutter). Ich wollte gerade meine Jacke anziehen, da ist es über mich gekommen und hat mich mit aller Gewalt so fest umschlungen. Hatte spantan so statke Herzschmerzen, ich hatte das Gefühl trotz einatmen bekamm ich keine Luft in die Lunge. Es war der Horror. Ich habe das Treffen abgesagt.
Der Abend war gelaufen, wieder so viele quälende Gedanken, bin früh eingeschlafen. Heute morgen geht es mir richtig gut und kann es nicht fassen, dass ich es war die gestern soooooo Probleme hatte.

Du siehst das Abendtief ist überall.

Kennt jemand ne Möglichkeit den Zustand zu überlisten?

Grusse Euch Alle und einen schönen 1.Advent
Kalline
Guinevere
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Guinevere »

Wunderschönen guten Morgen ,

Meist gehe ich dann früh schlafen, weil ich auch Sorge habe, für den nächsten Tag nicht genug Kräfte zu haben, nicht fit genug zu sein, alles zu schaffen.

Ja, weiß net, kann mich noch nicht an den Gedanken gewöhnen ne halbe Stunde früher aufzustehen *Bett morgens immer so heftig schön kuschelig find* ...aber, mei Schwester hat letztens gemeint, mit ein paar Yogaübungen gleich nach dem Aufstehen wäre sie bedeutend leistungsfähiger .

Allen nen sehr gemütlichen Adventsonntag!
manu
Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2865
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Nico Niedermeier »

Hallo an Sie:-),
ich denke, dass dies nicht immer gilt, aber oft kann man sich dieser Einschätzung nicht entziehen. Und auch in den modernen Klassifikationssystemen (DSM-IV)(obwohl man nicht "ursächlich" diagnostiziert)werden diese Aspekte durch die Hintertür, doch wieder diagnostiziert. Man kann bei Depressionen ein "organisches Syndrom" mitdiagostizieren und in diesem findet sich neben anderen (früher der endogenen Depression zugeschriebenen) Symptomen, auch das Morgentief:-)
Beste Grüße
N. Niedermeier
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Das habe ich jetzt nur zum Teil verstanden.
Aber naja, es geht ja auch ums Abendtief.
Hieße das dann im Rückschluss, dass wenn man kein Morgentief hat, sondern Abendtiefs, dass es dann nicht endogen ist?
Wenn ich sehe, wie verbreitet psychische Erkrankungen, besser gesagt Depressionen oder bipolare Erkrankung in meiner Familie sind, dann mag ich den genetischen Anteil eigentlich nicht verneinen. Und dann kommt noch die Lebensgeschichte oben drauf.
Wobei natürlich die Frage ist, was ist Vererbung und was Prägung, wenn ein Elternteil selber betroffen ist.

Zumindest bin ich froh, dass ich doch nicht so ein Exot bin mit den Abendtiefs.
Diese Abendtiefs waren wohl mit ein Grund, warum die Tagesklinik nichts für mich war. Denn Abends war ich ja dann doch alleine, gerade wenn es mir schlecht ging. Abgesehen davon dass diese Tagesklinik für mich so oder so total ungeeignet war.(Mein Mann arbeitet auch oft Abends, so dass der dann auch nicht da war)
Da ist es doch besser, wenn man eine nette Nachtwache hat zum reden. Und es tut gut zu wissen, dass ich notfalls immer dort auf der Station anrufen kann und wenn sie Zeit haben, dann reden sie auch ne Weile mit mir.
OFt sitze ich dann nämlich abends alleine da, kurz vorm heulen und bin soooo verzweifelt. Am nächsten Morgen gehe ich dann wieder zur Arbeit und hoffe eben, dass der Abend besser wird als der vorige...

LG, jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Guinevere
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Re: Abendtief - wirklich so selten?

Beitrag von Guinevere »

Hallo auch von mir!

Man kann bei Depressionen ein "organisches Syndrom" mitdiagostizieren und in diesem findet sich neben anderen (früher der endogenen Depression zugeschriebenen) Symptomen, auch das Morgentief:-)

Hmmm, hab ich auch nicht ganz verstanden ( Jolanda). Aber, ich würde meinen mit organisch ist nicht (? - oder wohl doch !?:-))) - wegen der Endogenen - ne genetische Prädisposition gemeint).

Hatte heute Familie zum Essen eingeladen, und Schwester (andere) hat auch das Abendtief (nach der Arbeit um ca. 17 Uhr) ...und ja, weiß nicht ob es stimmt, aber, irgendwann hatte ich mal in ner Heilpraktikerbroschüre gelesen, dass Abendtief eher für *kopfkratz* Neurotische Depression typisch wäre, und, ich glaub eher nicht, dass diese in Frage käme *nicht genau weiß*.

*mal nen link such* , so, wie es sich für mich hier: http://www.psychomeda.de/lexikon/depression.html lest, gibts wohl die Diagnose nimma ...und , da steht:

Typisch ist auch das Abendtief (statt Morgentief bei der Major Depression). Heute spricht man beispielsweise eher von einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer akuten Belastungsreaktion.

Aber, zu dem Schluss waren wir heute beim Gespräch auch so gekommen .

Gute Nacht allen,
manu
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