Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

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Olga
Beiträge: 70
Registriert: 4. Mai 2005, 10:35

Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von Olga »

Hallo Forum,

bin jetzt seit Ende Oktober krank geschrieben (wegen Depression). Anfang der Woche war Termin beim Psychiater, mein Freund hat mich begleitet weil ich denke, er kann mich besser einschätzen was die Depression angeht. Und siehe da, während ich dachte, ich wäre schon wieder fast fit erklärt mein Freund bei diesem Termin dass er mich noch für zu instabil hält. Hab ich mich wieder überschätzt?
Jedenfalls sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das alleine zu Hause sitzen auf Dauer nicht gut tut und ich besser in eine Klinik gehe. Es gibt hier in der Stadt eine Tagklinik, da war ich auch schon mal und das war sehr gut und mein Psychiater hat mich gleich angemeldet. Wartezeit im Schnitt 3 Monate.

So, und seit dem ich jetzt diesen Druck nicht mehr habe, dass ich bald wieder zur Arbeit muss, seit dem geht es mir besser. Ich komm mir vor wie ein elender Simulant! Bis letztes Wochenende hab ich jeden Tag im Bett gelegen und geheult (ohne Grund, nur so) und heute sitz ich hier vor dem Rechner und bin einfach nur ... wie soll ich das beschreiben... ich fühl mich OMMMmmmmm. Halt gut.

Aber wie lange hält das OMMMmmmm? Oder waren die letzten Wochen nur eine Phase und ich bin wieder auf den Beinen? Hab ich vielleicht nur eine Auszeit gebraucht? Oder breche ich wieder ein, wenn ich wieder im Büro rumsitze?
Gestern hab ich von meinen Kollegen einen ganz lieben Gute-Besserung-Wunsch bekommen. Sie schreiben, dass sie mich vermissen und sich schon freuen, wenn ich wieder komme. Ich bin echt gerührt! Und hab auch gleich ein schlechtes Gewissen bekommen.

Soll ich möglichst bald wieder zur Arbeit oder soll ich daheim mein OMMmmmmm genießen? Bin ich dann ein Simulant? Oder überschätze ich meine psychische Stabilität?
Viele Grüße

Olga



Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.

(Hildegard v. Bingen)

Tamandua
Beiträge: 26
Registriert: 17. Nov 2010, 10:52

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von Tamandua »

Hallo Olga,

weißt Du, was für ein Gedanke mir beim Lesen Deines Beitrags spontan durch den Kopf geschossen ist?
"Vielleicht brauchte sie die Überweisung an die Tagesklinik sozusagen als 'Bestätigung', dass es ihr wirklich schlecht geht und sogar schlecht gehen 'darf'!"
Ich kann das nicht anders formulieren, aber Du sprichst ja z.B. von grundlosem Weinen und dass Du denkst, es könnte ja sein, Du seist eine Simulantin und solltest bald wieder arbeiten gehen... Von mir selbst kenne ich es aus einer gewissen Phase so, dass ich immer, wenn ich mal einen Tag ein bisschen Stabilität erlangt hatte, sofort gedacht habe "jetzt muss ich aber zusehen, dass ich wieder zu arbeiten anfange" - und auf der Stelle war konnte ich nur noch heulen und war vor Angst am "Durchdrehen".

Vielleicht ist Dein aktueller Antrieb ja irgendwie aus der "Erleichterung" entstanden, dass Du eine therapeutische Perspektive hast, eine Chance, durch die TK für längere Zeit stabil zu werden? Erleichterung, weil der Druck, im Job zu funktionieren, vorerst in weite Ferne gerückt ist?

Ganz spontan wirst Du es bestimmt nicht sagen können, ob Du jetzt dauerhaft stabil bist. Was wäre denn, wenn Dir heute jemand sagen würde, Du müsstest morgen zur Arbeit...?
Spätestens in der Tagesklinik wirst Du es merken bzw. lernen, deine persönlichen Kriterien und "Signale" für mehr oder weniger stabile Zustände zu erkennen.

Ich hoffe, es ist überhaupt verständlich, was ich meine.

Liebe Grüße
Tam
lucya
Beiträge: 1536
Registriert: 4. Aug 2010, 11:39

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von lucya »

Hallo Olga!
Ersteinmal wünsche ich Dir alles Gute...


"bin jetzt seit Ende Oktober krank geschrieben (wegen Depression). Anfang der Woche war Termin beim Psychiater, mein Freund hat mich begleitet weil ich denke, er kann mich besser einschätzen was die Depression angeht. Und siehe da, während ich dachte, ich wäre schon wieder fast fit erklärt mein Freund bei diesem Termin dass er mich noch für zu instabil hält."

Das kenne ich! Eine Psychologin gab mir sogar den Tipp auf mein Umfeld, natürlich vor allem den Partner zu fragen, wie stabil derjenige einen hält!

"Hab ich mich wieder überschätzt?"

Ich würde denken ja, aber darauf kannst nur Du Dir eine ehrliche Antwort geben!

"Es gibt hier in der Stadt eine Tagklinik, da war ich auch schon mal und das war sehr gut und mein Psychiater hat mich gleich angemeldet. Wartezeit im Schnitt 3 Monate."

Ich denke das ist der richtige Schritt für Dich; wenn Du ihn selbst gewählt hast.
>
>" So, und seit dem ich jetzt diesen Druck nicht mehr habe, dass ich bald wieder zur Arbeit muss, seit dem geht es mir besser. Ich komm mir vor wie ein elender Simulant!"

Du bist garantiert kein Simulant!! Ich kenne dieses Gefühl auch so gut!! Das ging soweit, daß ich dachte, ich hätte in der Klinik gar nichts zu suchen, weil das alles Nebenwirkungen der Medis seien und ich gar nichts habe!

" Bis letztes Wochenende hab ich jeden Tag im Bett gelegen und geheult (ohne Grund, nur so) und heute sitz ich hier vor dem Rechner und bin einfach nur ... wie soll ich das beschreiben... ich fühl mich OMMMmmmmm. Halt gut."

Olga, Du kennst das, es ist ein Auf und Ab, entsetzlich. Eben z.B. ging es mir echt nicht so toll, ich hzabe mich GEZWUNGEN mit den Kindern zu spielen und es hat funktioniert (diesmal). Ich habe halt Angst, weil ich gerade erst aus der Klinik gekommen bin und bei mir schon wieder die Lampen angingen!! Aber es ist ja nicht an einem Tag gekommen, dann geht es auch nicht an einem Tag wieder weg!!!

"Ich bin echt gerührt! Und hab auch gleich ein schlechtes Gewissen bekommen."


Deine Lieben Kollegen möchten Dich stabil und ohne schlechtes Gewissen zurück haben!

Ich denke Du solltest in Dich tief hineinhören, dann kennst Du die Antworten selbst...
Die lucya

_________________________________________

Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwierig!
Olga
Beiträge: 70
Registriert: 4. Mai 2005, 10:35

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von Olga »

Vielen Dank für Eure Antworten!

Gut zu wissen, dass man nicht die einzige mit solchen seelischen Verwurschtelungen ist.

Tja, was wäre, wenn ich morgen wieder regulär ins Büro müsste (da haben wir´s schon: ich schreib M Ü S S T E statt K Ö N N T E)? Ich merk, wie die Atmung wieder flacher wird und ich verkrampfe.

Das ist aber auch, weil ich jetzt dann im Büro anrufen muss um mich weiter krank zu melden. Davor hab ich Angst. Die erste Krankmeldung hat mein Freund übernommen weil ich solche Angst hatte - ich bin zitternd und heulend dagesessen und konnte mich nicht mehr beruhigen.
Ich bin fast vierzig und kein kleines Kind mehr, aber das hab ich nicht geschafft: im Büro anrufen und bescheid geben, dass ich krank bin.
Völlig irreal, es gibt wirklich GAR KEINEN Grund für diese Angst. Es ist eher die Angst dass ich die anderen enttäusche.
Supi, jetzt krieg ich auch noch Kopfweh.....

Ja also wenn ich mich jetzt so beobachte .... stabil ist was anderes.
Gut. Ich ruf jetzt an. Oh man, diese Angst..
Viele Grüße

Olga



Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.

(Hildegard v. Bingen)

LaLeLu

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von LaLeLu »

Hallo liebe Olga

Hast Du den Anruf gut hinter Dich bringen können? Wie geht es Dir jetzt?

Ich kann Deine Angst schon nachempfinden, auch wenn es - scheinbar - gar keinen Grund dafür zu geben scheint.

Bist Du auf unbestimmte Dauer krankgeschrieben?

Ich schicke Dir viele gute Gedanken und denke nun in allererster Linie an Dich selbst - gib Dir ausreichend Zeit zum Gesundwerden!

Viele liebe Grüße
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von anna54 »

Liebe Olga
Das ist eine schlimme Zeit,wenn man zwischen"ich müsste-ich könnte-wenn ich wollte"
hin und her schwankt.
Ich kann mich gut daran erinnern,wie klein ich mich gefühlt habe. Mit dem Abstand jetzt,bin ich erschrocken,was ich mir selbst da angetan habe.
Krankmeldungen sind keine Niederlagen.
Mach dich frei von Selbstzweifeln,die Krankheit Depression ist ernst genug.Mir hat geholfen,diese Erkrankung,wie einen komplizieten Knochenbruch zu sehen.
Da wäre jede Schonung und Hilfe selbstverständlich.
Mach es dir nicht selber schwer,du kannst nicht warten,bis du auf der Arbeitsstelle zusammmenbrichst.
Wünsche dir alles Gute anna54
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von wennfrid »

Hi Olga
Ich denke, daß du kein Simulant bist. Du hast den Arbeitsdruck gegen deine Schuldgefühle ausgewechselt. Ich glaube, eine Überschätzung der Psyche liegt hier vor.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Tournesol1342
Beiträge: 50
Registriert: 13. Jul 2010, 20:05

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von Tournesol1342 »

"Es ist eher die Angst dass ich die anderen enttäusche."

Ja, das kenne ich auch: Im Moment bin ich auch wieder krankgeschrieben, und mir gehen die gleichen Gedanken durch den Kopf wie Dir!

"Mit ein bisschen mehr Anstrengung würde es doch gehen!"
"Was wieder alles liegenbleibt auf der Arbeit!"
"Was die Leute wohl von mir denken?"

Es stimmt: Ich habe den Druck und den Stress, den mir die Arbeit bereitet hat, jetzt nahtlos gegen Selbstvorwürfe ausgetauscht.
Ich weiß, dass das Schwachsinn ist - aber ich bekomme dieses Gefühl nicht unter Kontrolle und so sitze ich hier und in meinem Kopf kreiseln diese zermürbenden Gedanken.

Nach einer schlimmen depressiven Phase über viele Monate hinweg dachte ich, es sei jetzt überstanden und ich sei wieder "stabil". Naja, zumindest war das meine Hoffnung...
Und jetzt bin ich wieder auf dem "Hosenboden" gelandet - ziemlich unsanft und mit heftigeren Depressionen als zuvor. So viel zum Thema "stabil".

Soweit meine Gedanken zum Thema. Euch allen ein schönes Wochenende!
LG, Tournesol.


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Die Dinge sind nie so, wie sie sind.

Sie sind, wie man sie macht.

(J. Anouilh)
Olga
Beiträge: 70
Registriert: 4. Mai 2005, 10:35

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von Olga »

Vielen Dank nochmal!

Ich werde jetzt erst mal bis Ende des Jahres zuhause bleiben und dann gucken wir mal. Also, wenn es nach meinem Freund und meinem Psychiater ginge würde ich wohl noch mindestens Februar daheim sein. Aber mein schlechtes Gewissen drückt .... und das fühlt sich tatsächlich genauso an wie der Druck, den ich mir immer wegen der Arbeit mache! Nie schaff ich es einfach mal zu denken "es ist gut so wie ich es mache". Hm .. das ist ja schon mal ein Ansatz.

Das Telefongespräch war sehr gut. Mein Chef weiß um meine Depression und er findet es sehr gut, dass ich damit offen umgehe. War also ganz umsonst, die Angst.

Übrigens: heut nacht hat es hier geschneit! Mindestens 10cm!! Ungelogen!! Schön ist das draußen. Hab schon den Meisenknödel am Balkon drapiert.
Viele Grüße

Olga



Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.

(Hildegard v. Bingen)

LaLeLu

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von LaLeLu »

Olga

Es ist sehr wichtig und gut, dass Du nach Dir schaust und nun erst mal bis zum Neuen Jahr nicht zur Arbeit gehst.

Bekommst Du auch ein Medikament und/ oder machst Du Therapie?

Zitat von Olga: "Das Telefongespräch war sehr gut. Mein Chef weiß um meine Depression und er findet es sehr gut, dass ich damit offen umgehe. War also ganz umsonst, die Angst."


Das freut mich sehr - auch, dass Dein Chef offensichtlich Verständnis für Dich und die Depression hat.

Zitat von Olga: "Übrigens: heut nacht hat es hier geschneit! Mindestens 10cm!! Ungelogen!! Schön ist das draußen. Hab schon den Meisenknödel am Balkon drapiert."

Geniesse es! Die Natur kann sehr tröstlich und beruhigend sein. Vielleicht magst Du ja auch einen kleinen Spaziergang durch die verschneite Landschaft!?

Ganz liebe Grüße
Olga
Beiträge: 70
Registriert: 4. Mai 2005, 10:35

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von Olga »

Hallo LaLeLu,

zur Zeit nehme ich nur ein Medikament. Ich hab nämlich mein Therapie-Budget bereits ausgeschöpft und hätte 2 Jahre bis zur nächsten abzuwarten. Aber wenn ich eine andere Therapieform wähle kann man wohl doch eine Bewilligung von der Krankenkasse bekommen. Und darum muss ich heute noch eine Menge Psychologen antelefonieren wegen Termin. Viel lieber würde ich bei meiner Therapeutin bleiben aber das geht ja leider nicht...

Ich war schon draußen mit meinem schneeverrückten Hund. Das ist sooo witzig wenn Hund durch den Schnee hüpft und dann wieder zu mir rennt mit einem kleinen Schneehaufen auf der schwarzen Schnauze
Viele Grüße

Olga



Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.

(Hildegard v. Bingen)

LaLeLu

Re: Stabil oder nicht stabil? Wie merkt man das?

Beitrag von LaLeLu »

Hallo liebe Olga

Zitat von Olga: "Ich war schon draußen mit meinem schneeverrückten Hund. Das ist sooo witzig wenn Hund durch den Schnee hüpft und dann wieder zu mir rennt mit einem kleinen Schneehaufen auf der schwarzen Schnauze "

Das klingt wirklich putzig.

Gestern Abend habe ich eine DVD angeschaut, die einfach nur wunderschön war, darin ging es auch um einen Hund.

http://www.hachiko-derfilm.de/

Es ist ein wundervoller Film, der auf einer wahren Geschichte beruht.

Auch ich bin zur Zeit wieder sehr depressiv, und obwohl dieser Film auch ein wenig traurig ist, hat er mir gestern Abend wirklich ein bissel geholfen. Auch heute habe ich die Bilder noch in Erinnerung und bin ganz berührt.

Ja, soweit ich es weiß, kannst Du erneut Therapie beantragen, wenn Du eine andere Methode wählst. Beispielsweise von Psychoanalyse und Verhaltenstherapie oder umgekehrt.

Könntest Du Dir vorstellen die zwei Jahre Wartezeit zum Beispiel mit Terminen in einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) zu überbrücken und nach zwei Jahren wieder zu Deiner jetzigen Therapeutin zu gehen?

Es wäre noch eine Alternative, wenn Du die Therapiemethode nicht unbedingt wechseln möchtest. Zur Behandlung in einer PIA brauchst Du nur einen Überweisungsschein und Deine Chipkarte.

Viele liebe Grüße
Antworten