Mein Leidens-/Lebensweg

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Desillusionist
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Registriert: 11. Nov 2010, 07:31

Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von Desillusionist »

Im Grunde weiß ich gar nicht womit ich genau anfangen soll. Das es mir nicht gut geht brauche ich nicht extra zu erwähnen denn sonst würde ich ja nicht in diesem Forum sein oder diesen Text schreiben. Ich würde gerne sagen dass ich mich in letzter Zeit schlechter und antriebsloser fühle, aber das kann ich so nicht da dieser Zustand mich schon ziemlich lange begleitet.
Ich bin jetzt 30 Jahre alt und schreibe gerade meine Abschlussarbeit, zumindest sollte ich das aber meistens grübele ich nur so vor mich hin und vernachlässige meine Arbeit. Eigentlich hätte ich schon längst Bewerbungen schreiben müssen aber auch das habe ich noch nicht getan und wenn mich jemand darauf anspricht reagiere ich mit Ausflüchten und fühle mich gleich wieder unter Druck gesetzt. Jeden Tag und bei fast allen Aufgaben dir mir zugetragen werden oder zugetragen wurden warte ich darauf das die Menschen um mich herum erkennen wie unfähig ich (meiner Selbsteinschätzung nach) in dem bin was ich tue. Ich weiß nicht wann es passiert, aber ich bin mir ziemlich sicher dass es passieren wird. Spätestens aber wohl wenn ich in einem Vorstellungsgespräch sitze und mein Gegenüber ein psychologisch ausgebildeter Headhunter ist wird alles raus kommen. Und dann stehe ich da, mit leeren Händen und ohne irgendwelche Zukunftsaussichten.
Ich habe mir eine schicken Hülle geschaffen welche die Menschen in meiner Umgebung bisher nicht zu durchschauen scheinen und denken ich wäre wirklich der der ich vorgeben zu sein. Aber so bin ich nicht. Ich bin nicht glücklich und auch wenn ich es mal war, so lag darunter doch auch immer der Mantel des Unglücklichseins den ich nie ganz ablegen konnte. Selbst in den beiden großen Beziehungen die ich bisher geführt habe war in den glücklichsten Moment immer der leichte Unterton da, der mich fragen ließ wie lange diese Momente denn diesmal anhalten.
Meine jetzige Beziehung steht gefühlt auch schon wieder kurz vor dem Aus da ich meiner Freundin im Moment die Nähe nicht geben kann die sie gerne hätte. Doch wenn sie mich darauf anspricht schiebe ich alles auf meine Abschlussarbeit und den angebliche Stress den ich dadurch habe, und nicht auf die Tatsache dass es mir einfach schlecht geht. Zurzeit habe ich nichts das mich für einen längeren Zeitraum fesseln oder mir Freude bereiten kann und alle möglichen Dingen, die ich früher gar nicht wahrgenommen habe, gehe mir einfach nur noch auf die Nerven.
Ich beginne alles mehr und mehr zu vernachlässigen. Ich esse zu wenig und meistens nur dann wenn meine Freundin dabei ist damit sie es nicht mitbekommt. Ich muss mit mir kämpfen damit ich die wenigen sozialen Kontakte die ich habe weiter pflege und sie nicht auch noch vor die Hunde gehen lasse. Wenn ich mal einen Abend bei meinen Bekannten oder Freunden verbringe dann liegt meine Einschätzung danach immer zwischen „das war verschwendete Zeit“ oder „war ganz okay“ ein Gefühl wie „so einen tollen Abend muss ich unbedingt ein zweites Mal erleben“ gibt es nicht.
Und dann sind da immer wieder diese ganze Selbstzweifel und Grübeleien die mich in jeder freien Minute in Beschlag nehmen. Sobald ich an mein bisheriges Leben zurückdenke fallen mir zuerst immer nur die Dinge ein die ich falsch gemacht habe und ich frage mich was gewesen wäre hätte ich anders reagiert. Es fällt mir schwer mich an schöne Dinge zu erinnern, vielleicht weil es nicht so viele waren oder weil sie von dunkleren Gedanken überlagert werden, ich weiß es nicht. Wenn ich könnte würde ich mich am liebsten irgendwo in einer ruhigen Ecke verkümmeln, nur noch ganz für mich da sein und mich komplett von der Außenwelt abschotten.
Kurz vor dem Ende meiner letzten Beziehung habe ich mal versucht mir Hilfe bei einem Therapeuten zu holen, da ich mir ziemlich sicher bin das mit mir irgendetwas nicht in Ordnung ist, aber habe immer nur Absagen bekommen und irgendwann resigniert aufgegeben. Wenn ich im Internet Selbsttests mache dann kommt da, selbst in bester Stimmung, immer bei heraus das ich an Depressionen leiden, deren Stärke aber ziemlich variieren kann.
Und wenn ich mir diesen Text wieder und wieder durchlese weiß ich dass ich damit nur an der Oberfläche gekratzt habe und das da noch viel mehr ist was eigentlich raus müsste. Bisher habe ich es noch immer geschafft mich aufzuraffen und meine Arbeit und mein Leben irgendwie zu meistern, aber ich fühle dass meine Kraft dazu immer mehr schwindet.
Im Moment bin ich einfach nur ziemlich verzweifelt und hilflos.
NitiNiti
Beiträge: 36
Registriert: 6. Mai 2010, 17:55

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von NitiNiti »

Hallo Desillusionist,

Du schreibst so anschaulich und ich kann Deine Worte so gut nachfühlen, war ich doch vor einem Monat in einer ähnlichen Situation wie Du. Stand auch kurz vor einer Abschlussprüfung (mit Projektarbeit) mit der festen Überzeugung, diese nicht zu bestehen, während alle in meinem Umfeld einen guten Abschluss erwarteten und einfach nicht sehen, wie's mir geht. Gut, ich habe dann irgendwie - ich weiß nicht wie - bestanden und das wünsche ich mir auch für Dich. Dass Du diesen Abschluss hast und dann erleichtert (soweit Du Erleichterung darüber überhaupt spüren kannst) einmal auf Dich und Deine Bedürfnisse schauen kannst.
Es fällt schwer, sich professionelle Hilfe zu holen (bei mir klappte es auch erst im zweiten Anlauf, nach einem Jahr weiter leiden), aber ich denke, das sollte auch Dein Weg sein. Von den Leuten in unserem Umfeld können wir kaum Hilfe erwarten, setzen wir doch die meiste Zeit vor ihnen eine 'Maske' auf, so dass sie gar nicht sehen können, wie schlecht es um uns bestellt ist.
Mein Weg wird nach drei Jahren ambulanter Therapie, wohl oder übel, in eine Klinik führen. Der Antrag ist gestellt, auch wenn ich noch gar nicht darüber nachdenken darf. Das muss nicht Dein Weg sein. Du kannst mit einer ambulanten Therapie, unterstützenden Meds o. ä. aus Deinem Loch und Deiner jetzigen Stimmungslage heraus kommen.
Das wünsch ich Dir von ganzem Herzen! Lass Dir helfen!
Liebe Grüße
Niti
Kampfgemuese
Beiträge: 129
Registriert: 11. Mär 2010, 15:07

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Desillusionist,

möchte Dich herzlich in diesem Forum willkommen heißen. Schön, dass Du hier bist.

Ich möchte Deinen Beitrag ganz pragmatisch beantworten, wahrscheinlich sogar etwas zerpflücken.. ich hoffe, das ist ok für Dich?

Die erste Frage, sie sich mir aufdrängt ist: kann es sein, dass Du Dir gar nicht erlaubst, glücklich/zufrieden/entspannt/fröhlich zu sein?
Dass es auch gar nicht sein darf, dass Du erfolgreich bist und schon gar nicht, dass Du über Wissen verfügst?

Bitte versteh das nicht so, als ob ich behaupten würde, dass Du das bewusst steuern würdest.

Du schreibst, dass Du gerade mehr oder weniger an Deiner Abschlussarbeit schreibst. Das bedeutet für mich, dass Du über eine Menge Wissen verfügen musst, denn sonst hättest Du es nicht bis dahin geschafft. Und kein Mensch kann sich bis zu diesem Punkt „durchlügen“, denn die Fakten belegen ja etwas anderes. Ich finde, Du kannst stolz auf Dich sein, dass Du es so weit geschafft hast!

Für meinen Teil glaube ich, dass viele Depressive ausgezeichnete Schauspieler sind und die Fassade – die unglaublich viel Kraft kostet – sehr lange aufrecht erhalten können. Mir fällt auf, dass Du anscheinend in keinem Bereich, sowohl öffentlich als auch privat, Du sein kannst. Deine Fassade muss rund um die Uhr da sein. Ich finde es nur natürlich, dass einem da irgendwann die Kraft ausgeht.

Was wäre der „worst case“, wenn Du Dich Deiner Freundin offenbaren würdest?
Wie würde es sich anfühlen, offen gegenüber anderen Menschen zu sein? Vermeintliche Fehler oder Schwächen einzugestehen macht einen Menschen in meinen Augen menschlicher, sympathischer. Denn jeder Mensch ist sich seinen eigenen Schwächen nur allzu bewusst und es erleichtert das Gegenüber zu erfahren, dass man selbst auch Schwächen hat.

Wie war noch dieser Spruch, den ich letztens im Fernsehen gesehen/gehört hab… „Perfektionismus ist wie Buddhismus – der Weg ist das Ziel“. (Ohje, hab ich das schon mal irgendwo hier geschrieben?.. *seufz*). Jedenfalls bedeutet das für mich – es gibt kein Ziel. Es ist nur ein Weg. Und zwar einer, der niemals endet. Es ist ein Kreis, ein Hamsterrad, ein Gefängnis. Und die Ansprüche an sich selbst steigen mit jeder Umdrehung, denn es geht immer „noch besser“, „noch schneller“, „noch perfekter“. Irgendwo unterwegs verliert man sich selbst.

Jetzt bin ich aber auch ziemlich vom Weg der Beantwortung Deines Beitrages abgekommen ;o) Was Deine Bewerbungen angeht würde ich Dir empfehlen zu versuchen, es ganz pragmatisch anzugehen, wenn Du die Kraft dafür findest:

- Ein professioneller Headhunter, der psychologisch geschult ist… willst Du wirklich bei so einer Firma arbeiten?`
- Selbst wenn Du Dich beim Bewerbungsgespräch nackig ausziehen und auf dem Tisch tanzen würdest – würde Dir jemand den Kopf abreißen? Würdest Du diese Menschen jemals wieder sehen?

Du schreibst, dass Du Dich selbst vernachlässigst. Das ist jetzt sehr ketzerisch von mir, bitte verzeih mir – wieso solltest Du Dich auch pflegen, wenn Du Dir selbst nichts wert bist?

Ich bitte Dich von ganzem Herzen, Dir Hilfe zu suchen, damit Du zu Dir selbst zurück finden kannst. Bitte, wenn es gar nicht mehr geht, geh zum Hausarzt und lass Dir eine Einweisung geben. Ambulant in eine Tagesklinik oder vollstationär, egal. Hauptsache Hilfe. Das ist mein Vorschlag und meine Bitte an Dich.

Bitte verzeih mir auch meine Direktheit, meine Art stößt Menschen manchmal vor den Kopf. Das ist nicht gewollt.

Liebe Grüße
Kampfgemuese
Desillusionist
Beiträge: 3
Registriert: 11. Nov 2010, 07:31

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von Desillusionist »

Zuerst einmal möchte ich mich für die bisherigen Antworten bedanken bevor ich auf einige Sachen weiter eingehen möchte.
Zu dem Punkt mit meiner Abschlussarbeit möchte ich noch sagen dass ich, trotz all der Zweifel, nicht die Angst habe sie nicht zu bestehen. Bisher habe ich immer alles irgendwie bestanden (was auch zu dem Punkt passt den Kampfgemuese angesprochen hat). Wenn ich allerdings feststelle wie viel Zeit ich damit verbracht habe an meiner Arbeit zu schreiben und wie viel Zeit damit andere Dinge zu tun, dann verstehe ich nicht wie mein Chef damit zufrieden sein kann. Ich meine, er muss doch wissen wozu ein Mitarbeiter in der Lage ist und das die bisher abgelieferte Arbeit in keinem Verhältnis zu der eingesetzten Zeit steht. Und Kampfgemuese hat auch recht dass man sich nicht einfach durchs Studium durchlügen kann, besonders dann nicht wenn die inneren Dämonen es nicht einmal zulassen zu schummeln. Aber auch im Studium, das bei mir deutlich länger gedauert hat als üblich, stand der Zeiteinsatz in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Und das alles sind Punkte wo ich mir denken das die Leute doch irgendwann verstehen müssen das da was faul ist, anfangen Fragen zu stellen und nicht mehr auf meine fadenscheinigen Ausreden hereinfallen.
Das mit dem psychologisch geschulten Headhunter war mehr darauf bezogen das die Leute die dort sitzen sehr viel Menschenkenntnis besitzen und ich nicht glaube vor denen meine Maske aufrechterhalten zu können. Wenn Fragen kommen wie „Was bewegt sie im Leben?“ dann weiß ich darauf einfach keine Antwort weil es gerade nichts gibt das mich wirklich bewegt. Und meine wahrheitsgemäße Antwort auf die Frage „Wo sehen sie sich in zehn Jahren?“ wäre „irgendwo in einem ruhigen Kellerbüro wo ich alleine vor mich hinwerkeln kann, von niemanden gestört werde und genug Geld zum Leben verdiene“ ist zwar das was ich denke aber nicht das was mich gut dastehen lässt. Und das ist doch das wofür Masken gut sind und wofür ich sie brauche. Damit meine Eltern denken sie hätten eine glücklich Sohn und nicht einen der sich ständig frag ob das alles überhaupt Sinn macht und wohin es führt. Damit mein Bürokollege glaubt ich hätte wirklich Lust darauf ihm dabei zuzuhören wie er mir Geschichten aus seinem Leben erzählt und ich ihn ebenfalls an meinem „Leben“ teilhaben lasse. Damit meine Freundin denkt ich muss wirklich so viel und lange arbeiten und nicht weiß dass ich einfach nur in der Firma im leeren Büro sitzenbleibe damit ich einfach mal ein wenig Zeit für mich habe.
Meine Freundin weiß schon eine Menge über mich, aber ich habe festgestellt das es Dinge gibt die sie einfach nicht verstehen kann. Durch unsere Arbeit sehen wir uns teilweise recht selten und ich weiß das sie es dann nicht versteht wenn ich, in einem unsere gemeinsamen Momente, zu ihr sage das ich einfach mal Zeit für mich brauche. Weil sie dazu wirklich verstehen müsste wie es in mir aussieht und das die Zeit die ich für mich brauche nicht davon abhängt wie oft wir uns sehen sondern das es eine Gefühlslage ist die jederzeit kommen und gehen kann. Und aus anderen Situationen weiß ich genau was sie tun wird wenn ich ihr sage wie es mir geht, sie würde versuchen mir auf ihre Art helfen zu wollen was aber alles nur noch schlimmer machen würde. Zumal es mir ja in letzter Zeit auch immer schwerer fällt ihr jegliche Art von Nähe zu geben oder diese zu ertragen.
Kampfgemuese
Beiträge: 129
Registriert: 11. Mär 2010, 15:07

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Desillusionist,

hey, das finde ich super, dass Du keine Angst hast, die Abschlussarbeit nicht zu bestehen!

Zu Deinem Chef und Deiner Arbeit.. hm. An wem oder was misst Du dich, dass Du meinst, dass Du zu wenig Leistung im Verhältnis zur Zeit bringst? Gibt es jemanden, von dem Du denkst, dass er die gleichen Aufgaben in kürzerer Zeit erledigt?

Und wie denkst Du über Deinen Chef… hältst Du ihn für kompetent und als ein Vorbild?

Generell glaube ich, dass Menschen alle unterschiedlich arbeiten. Einige langsamer, einiger schneller, einige sorgfältiger, andere schnuddeliger. Was zählt, ist das Ergebnis und das eigene Gefühl dabei. Mir z.B. geht es so, dass ich von Kollegen aus anderen Abteilungen manchmal denke, boah, was machen die überhaupt den ganzen Tag lang? Oder: wie machen die das nur? Das liegt aber daran, dass ich gar nicht mitbekomme, was sie – und wie sie es – machen, wegen der räumlichen Trennung.

Ich kann sagen, dass mein Aufgabenbereich bei der Arbeit sehr komplex und vielfältig ist. Und dass ich schon lange in diesem Job arbeite. Aber: ich weiß viele Dinge immer noch nicht oder kann sie mir nicht merken! Es gibt Tage, da halte ich mich für so kompetent wie fünf Meter Feldweg. Aber das wichtigste ist doch, dass man weiß, wo man nachfragen kann.
Und auch sehr wichtig finde ich: bei der Flut von Informationen, die täglich auf uns einprasseln, kann man sich gar nicht alles merken. Zwangsläufig fällt irgendwas „hintenüber“, wenn der Speicher voll ist.

Mag sein, dass viele Personalmenschen viel Menschenkenntnis haben. Hab aber auch schon von Fällen gehört, da hatten die von nix eine Ahnung. Noch dazu, dass manche Arbeitsstellen in der heutigen Zeit keine lange Vorhaltezeit haben und Stellen immer wieder gestrichen oder neu besetzt werden (mit fraglicher Kompetenz, möchte ich meinen), würd ich mich nicht drauf verlassen, dass die immer und wirklich Ahnung von dem haben, was sie tun. ;o)

Die Antworten auf die möglichen Fragen eines Personalers, die Du geschrieben hast, halte ich für eine Reaktion auf Deine derzeitige Verfassung. Dir geht es einfach nicht gut und darum finde ich es verständlich, dass Du keine hoch motivierten Antworten geben könntest. Wenn es Dir wieder besser geht, sieht das bestimmt wieder anders aus.

Klar sind Masken oder Fassaden in manchen Situationen hilfreich, sogar nötig. Ich meine, gerade im Beruf ist es sinnvoll, sich so darzustellen, wie es der Arbeit zuträglich ist.
Wenn es mir mal nicht gut geht, sage ich meinen Kollegen (mit denen ich ein sehr gutes Verhältnis habe, muss ich dazu sagen): „Pass auf, heute ist nicht mein Tag, also könntest Du heute recht blöde Antworten von mir bekommen“.

Du hältst diese Maske auch im Privatleben aufrecht, wenn ich Deinen Beitrag richtig gelesen habe. Also bist Du nur wirklich DU, wenn Du abends alleine im Büro sitzt. Du gönnst Dir eine Pause, die Du wirklich brauchst nur, wenn keiner da ist.

Was würde passieren, wenn Deine Eltern merken würden, wie es Dir wirklich geht? Desillusionist, ich finde es ganz ganz wichtig, so sein zu dürfen, wie man ist! Ich glaube, wenn man permanent ein fiktives Ich aufrecht erhält, dann bekommt man auch nur Reaktionen, die auf dieses fiktive Ich zugeschnitten sind. Ein Mensch, der nach Außen taff und locker ist, wird Reaktionen bekommen, die ihn überfordern. Weil er eben nicht so ist, wie er es vorgibt.
Und – nur Du musst mit Dir Dein ganzes Leben verbringen, nicht die anderen!

Das ist jetzt wieder nur eine Spekulation meinerseits – aber wenn Du, wie Du schreibst, sowieso schon davon ausgehst, dass die Beziehung mit Deiner Freundin vor dem Aus steht – warum nicht die Maske fallen lassen? Verlieren kannst Du bei dieser Rechnung meiner Meinung nach nichts. Du schreibst, dass sie dann versuchen würde, Dir auf ihre Art zu helfen, was nichts bringen würde. Womöglich kannst Du das mit gezielten Formulierungen vermeiden. Z.B. „Mir geht es furchtbar weil…. . Ich finde es schön, dass Du mir helfen willst, aber ich glaube, das ist für mich nicht der richtige Weg. Es tut mir gut, wenn Du mir zuhörst“.

Wie Du schon mitbekommen hast, bin ich oft zu direkt in meiner Wortwahl, aber trotzdem: Ich glaube, Du brauchst ganz dringend Urlaub von deiner Fassade!

Ganz liebe Grüße
Kampfgemuese


PS: Hatte ich schon erwähnt, dass ich keine kurzen Beiträge schreiben kann? Höhö.
3891
Beiträge: 5
Registriert: 15. Nov 2010, 09:42

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von 3891 »

Hallo Desillusionist,

du postest mir so aus der Seele Bin fast genau in der gleichen Situation: Abschlussarbeit nach "zu langem", zu unmotivierendem Studium, die starken Minderwertigkeitsgefühle, man denkt, man macht nur Blödsinn in Job und Studium, fühlt sich gelähmt und unproduktiv, Angst vor der Bewerbungsphase, der Gedanke, dass Freunde und Partner einen nicht berühren und umgekehrt... Erstaunlich, wie sehr sich Leidenswege ähneln können wenn man denkt, man wäre der einzige "Versager" unter lauter Strahlemännern. Lieber Desillusionist, du bist nicht allein in dieser durch Uni und Druck der Gesellschaft mitverursachten Hölle! Kannst ja meine "Langversion" in meinem Thread lesen, wenn du magst. Ich möchte dir gerne etwas Mut machen, keine Ahnung ob ich überhaupt die richtigen Worte wähle, aber ich versuche es.

Ich möchte dir von meiner Partnerschaft erzählen. Mein Partner und ich sind eigentlich Feuer und Wasser, ich die Verkopfte, Zweifelnde, er der Macher. Ich bin gerne aktiv, zappelig, neugierig, er eher ein passiver Gemütsmensch, der gerne auf der Couch versumpft während ich einfach raus will. usw. ...Ja, manchmal hapert es bei unserer Kommunikation, und oft gibt es auch Streit. Ich überfordere ihn mit meinen Gefühlswelten und erwarte von ihm eine "Heilung", die ich mir nur selbst geben kann, wenn überhaupt. Bisher haben wir uns immer wieder zusammengerauft. Und wenn ich manchmal denke, was soll diese Beziehung, er versteht mich doch eh nicht oder ich will nicht schon wieder nur rumhocken, dann sehe ich ihn manchmal auch nur an und denke: Ja, er ist gut für mich und es ist gut, wie es ist. Vielleicht ist er in meinen verbrämten Augen manchmal "einfach gestrickt", aber er gibt mir auch alles, was mir in bisherigen Beziehungen fehlte.
Mittlerweile begreift er, dass ich Phasen habe, in denen es mir nicht gut geht. Er wird es nie ganz nachvollziehen können, aber da ihm ja auch was an der Beziehung liegt, bemüht er sich seinerseits um Strategien, mir entgegenzukommen. ich sage ihm dann auch, dass ich das sehr gut finde und es mir auch hilft.

Vertraue deiner Partnerin, höre tief in dich rein und versuche, etwas Vertrauen zu ihr zu finden. Dann kommen die richtigen Worte sicherlich leichter. Keine Riesenschritte, keine Erfolgsgarantie, aber versuche wieder einen Zugang zu dem zu finden, was du mal an ihr geliebt hast bzw. noch tust.

Ich hab gut Reden, was weiß ich schon

ich wünsche dir alle Liebe und Gute,
Kieferina
Anna38
Beiträge: 24
Registriert: 14. Jan 2010, 08:25

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von Anna38 »

Hallo Desillusionist!
Dein Beitrag hätte von mir sein können! Ich leide auch schon seit längerem an Depressionen, nur hatte ich meine Krankheit gar nicht erkannt. Ich dachte immer, ich grübel eben mehr als andere, ich hab den Kopf irgendwie voller als andere, wenn die wüssten, was in meinem Kopf alles so vor sich geht! Auch ich habe eine Fassade aufgebaut, hinter die kaum jemand sehen kann, weil ich es nicht zulasse, weil es eine Schwäche ist, die ich nicht zugeben kann.
Richtig schwer depressiv wurde ich, weil ICH mich von meinem Mann getrennt habe und mit Sack und Pack mit meinen Kindern zu meinem jetzigen Lebensgefährten gezogen bin. Mein Exmann war immer nett zu mir, hat mich immer geliebt. Aber nach 16 Ehejahren war die Luft raus, es gab so einige Dinge, die einfach nicht mehr gestimmt haben. Hätte ich mich nicht getrennt, hätte ich mich vor den Zug geworfen. Aber die Trennung war das erste Mal, dass ICH etwas durchgezogen habe, ohne Rücksicht auf andere! Ich bin ein Mensch, der IMMER erst sieht, dass es allen anderen gut geht und kilometer weit später komme ich.
Eigentlich müsste ich glücklich sein, ich leb jetzt mit meinen Kindern mit meinem Verlobten seit 3 Jahren zusammen, wir heiraten im Dezember, alles läuft wirklich prima. Wenn das das Wörtchen wenn nicht wäre. Ich trau mir nichts zu, stelle mich hinten an, grübel die ganze Zeit...
Als ich letztes Jahr eine Therapie gemacht habe und AD bekam, gings mir zeitweise wirklich besser. Die AD hab ich irgenwann wieder abgesetzt, weil ich dachte, ich bin "geheilt". Aber die Depressionen sind wieder gekommen. Ich bin enttäuscht von mir, weil ich nicht glücklich bin, so wie es von mir erwartet wird. Ich könnte die AD wieder nehmen, habe aber Angst, wieder an Gewicht zuzulegen, wie so oft bei den Tabletten. Ich versuch noch mal, ohne auszukommen.
Was ich damit sagen will, lass dir helfen, sei offen gegenüber Tablette, die dir helfen, mach eine Therapie. Dir gehs dann besser, dein Umfeld profitiert davon. Auch ich hatte Angst, meinem Partner von meinem Zustand zu erzählen, weil er schlecht damit umgehen kann. Aber seit er es weiß, ist ihm manches mal klar, warum ich wie reagiere.
Ich drück dir die Daumen, oute dich, deine Freundin wirds dir danken!
Desillusionist
Beiträge: 3
Registriert: 11. Nov 2010, 07:31

Re: Mein Leidens-/Lebensweg

Beitrag von Desillusionist »

Nochmals danke für all die Antworten und das tolle Feedback das ich hier bekomme, es hilft doch ungemein zu wissen das man nicht alleine da ist auch wenn man so denkt und fühlt.

Ich habe Vertrauen zu meiner Freundin, aber sie reagiert auf manche Dinge auf eine Art und Weise mit der ich nicht klarkomme und die mir klarmacht das sie es mich manchmal nicht versteht. Am Wochenende habe ich sie z.B. zu ihrer Firmenweihnachtsfeier in die Stadt gefahren und das, obwohl ich sehr ungern in die Stadt fahren wenn ich denn Weg nicht wirklich kenne. Aber wenn ich versuche ihr zu erklären, dass ich mich dabei einfach unwohl fühle obwohl es nicht mal eine schwierige Wegführung war dann versteht sie es einfach nicht. Sie sagt mir dann öfter, dass der Weg doch ganz leicht ist und ich bräuchte keine Angst zu haben mich zu verfahren weil alles gut ausgeschildert ist. Aber darum geht’s es mir gar nicht, es geht mir einfach nur darum ihr klar zu machen, dass ich mich dabei halt unwohl fühle und selbst an dieser Erklärung scheitere ich. Weshalb ich auch nicht glaube ihr meine momentane Gefühlslage wirklich mitteilen zu können.
Am Wochenende ist mir auch wieder aufgefallen wie sehr sich meine, nach außen getragene Haltung ändert sobald andere Menschen in meiner Nähe sind. Wenn ich von der Arbeit nach Hause fahre oder alleine bin, dann bin ich grüblerisch und starrte stumpfsinnig vor mich hin, aber sobald ich mein Ziel erreiche ist es als würde ein Schalter umgelegt oder die Maske aufgesetzt um nach Außen eine positiveres Ich zu präsentieren.
Und immer wenn ich mich wieder ernsthafter mit dem Thema Therapeut auseinandersetze ist da diese kleine Stimme die sagt: „es hat bisher geklappt also warum nicht so weiter machen. So schlimm ist es doch gar nicht“.

Die Ironie dabei ist das mein äußeres Ich schon eine sehr ruhige und zurückhaltende Person ist und damit, meines Erachtens, gar nicht so weit entfernt vom wahren Ich ist. In meiner zurückliegenden Schulzeit war ich fast immer in der Außenseiterrolle und nie wirklich im Mittelpunkt, was von mir aber bewusst so gewählt war da ich schon damals keinerlei Intentionen verspürte irgendwelche Bekanntschaften zu pflegen. Ich bin immer davon ausgegangen die Menschen um mich herum hätten längst bemerkt wie es um mich steht, aber scheinbar ist dem nicht so. Die wenigen Freundschaften die ich habe kann ich mit Mühe und Not aufrecht halten weil ich mich immer mal wieder dazu zwinge Kontakt aufzunehmen.

In ein paar Tagen muss ich meine Abschlussarbeit abgegeben, die meines Erachtens sogar fertig ist, aber ich erreiche meinen Professor schon seit einer Woche nicht egal wie ich es versuche. Ich weiß, das ich vermutlich aufgeregt und nervös sein sollte weil mir die Zeit durch die Finger rinnt, aber ich bin es nicht. Stattdessen versinke ich in mir Selbst und in Grübeleien. Es ist fast so als interessiere es mich, zumindest gefühlstechnisch, gar nicht, dass von der pünktlichen Abgabe der Arbeit meine ganze Zukunft abhängt. Es ist so als hätte ich zu dem was sich mein Leben nennt keinen wirklichen Bezug. Es ist mehr so ein dahindümpeln und alles auf mich zukommen zu lassen ohne wirklich darin involviert zu sein. Und auch wenn es mich stört und ich weiß das das nicht für immer gut gehen wird so kann ich mich nicht dazu aufraffen etwas daran zu ändern.
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