Was ist Freude?

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leolamm
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Was ist Freude?

Beitrag von leolamm »

Hallo an alle,

durch den VOX-Beitrag vom Samstag bin ich ziemlich ins Grübeln gekommen. Einige der Befragten meinten sinngemäß, daß nach der Therapie die Freude zurückgekehrt sei.

Für mich sehe ich das Problem, daß ich nicht weiß, wie sich Freude anfühlt. Wann ist es Freude? Wann einfach nur ein angenehmerer Moment? Oft, wenn das Loch nicht zu groß ist, frage ich mich, ist das jetzt Freude, was ich empfinde? Oder bilde ich es mir nur ein, daß ich mich freue.

Wie unterscheidet Ihr das?

Sorry, ich bin ziemlich aufgewühlt und schreibe etwas wirr. Ich hoffe, Ihr könnt meinen Gedankengängen folgen.

Gruß
LeoLamm
Reve
Beiträge: 753
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Was ist Freude?

Beitrag von Reve »

Hallo Leo,

ist schon spät, aber ich sehe einige Beiträge mit wenig Antworten.

Was ist für mich Freude?
Auf jeden Fall etwas, das rar geworden ist, was Kostbares, etwas für das man oder in dem Fall ich was tun muss. Es kommt nicht von selbst.

Ich empfinde beispielsweise Freude, wenn am Rand meines Bildschirmes Blumen auftauchen, Aufnahmen aus meinem Garten. Wenn ich die Tulpen sehe, empfinde ich Freude, glaub ich. Und zwar Vorfreude.

Wenn ich was Frischgewaschenes in die Hand nehme, emfpinde ich auch so was ähnliches wie Freude bei dem Duft, den das Teil verströmt. Oder wenn ich meiner Katze über das Fell streichle und sie mich mit ihrer winzigen Nase anstupfst, das ist Glück pur.

LG, Carin
himmelskörper
Beiträge: 778
Registriert: 10. Jul 2009, 14:13

Re: Was ist Freude?

Beitrag von himmelskörper »

Hallo Leo,

ja, Freude kehrt schon zurück, aber man darf seine Anforderungen nicht so hoch stellen.

Lange wusste man nichts mehr was einen erfreuen kann, oder vielmehr man wusste es schon aber es hat einfach keine Freude mehr ausgelöst.

Oft stellt man dann nach einer Therapie, seine Erwartung zu hoch, man setzt sich Situationen aus, die einem mal Freude bereitet hat und ist enttäuscht sie nicht zu spüren.

Ich denke wir müssen einfach wieder klein anfangen, unsere Umwelt bewusst wahrnehmen.
Uns einfach an kleinen Dingen erfreun, die uns vielleicht selbstverständlich vorkommen.

Z.b. Die Sonne die scheint, das Lachen der Kinder, ein gutes Essen, eine leckere Torte, ein geschaffter Tag, ein gutes Telefongespräch.........usw.

Wir müssen nicht gleich wieder nach höherem Streben, unsere Ziele zu hoch stecken, sonst sind wir schnell wieder da wo wir waren.

Wir müssen auch lernen mit weniger zufrieden zu sein, damit meine ich jetzt nicht, weniger Freude am Tag ist ok, nein, aber wir müssen nicht über unsere Grenzen tretten uns finaziell verausgaben oder Hohe Ziele stecken.

Ein Spaziergang oder eine Ruhepause in der Natur, dies bewusst wahrnehmen, beobachten und ganz bei sich und der NAtur sein, kann sehr viel Freude auslösen.

alles Liebe sedna


Funksignal
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Re: Was ist Freude?

Beitrag von Funksignal »

Hallo,

ich habe den Beitrag auf VOX auch gesehen. Und zu deiner Frage fällt mir spontan ein, was der Sänger von PUR zu dem Thema gesagt hat (den genauen Wortlaut bekomme ich leider nicht mehr zusammen..):
warum immer auf tolle, großartige Hochpunkte im Leben warten? Auch Kleinigkeiten können erfreuen. Einfache Dinge. Momente in denen man sich einfach nur wohl fühlt.

Für mich ist Freude ein schönes Gefühl, ein Moment in dem ich mich wohl und glücklich fühle.
Und manchmal ist das eben auch schon (nur) eine warme Wärmflasche, eine Wolldecke und ein Abend auf der Couch nach einem schrecklichen Tag

LG
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Was ist Freude?

Beitrag von otterchen »

Guten Morgen,

ich habe mir gestern auch Gedanken über die Freude gemacht...

Es ist wie ein inneres Licht, eine Leichtigkeit, ein warmes, manchmal funkensprühendes Gefühl. Ich fühle mich lebendig, und in diesem Moment ist nichts anderes mehr wichtiger als gerade dieses Ereignis.
Manchmal ist meine Freude kleiner: wenn ich z.B. morgens auf dem Weg zur Arbeit ein paar Rehe ein Stück entfernt am Waldrand sehe. Mein Atem geht einen Moment ruhiger, meine Muskeln entspannen ein wenig, ich bin dann zugewandt. Innerlich kein Feuerwerk, aber eine "kleine Sonne".
Eine große Freude sähe bei mir schon anders aus: ausfüllend, übersprudelnd, fließend, öffnend, umarmend.
Freude kann unerwartet sein oder erlösend, sachte oder überwältigend, klein und dennoch deutlich spürbar oder groß und mitreißend.
Ich bin dann nur noch "große Augen" und "Bauchgefühl" und Lachen. Andere Gefühle, wie z.B. ... was weiß ich... kalte Füße oder so ... würde ich in diesem Moment gar nicht mehr wahrnehmen.
Die Freude ist bei mir eng verwandt mit der Zufriedenheit. Die Zufriedenheit ist die kleine Schwester, die dafür aber häufiger anwesend ist. Die Freude kommt oft nur, wenn man bereit für sie ist; sonst könnte sie ein seltener Besucher werden. Und Freude ist umso schöner, je liebevoller man sie empfängt. Also Schadenfreude bzw. die Freude daran, wenn es anderen wirklich schlecht geht lassen die Freude bitter und seltener werden.
Freude wie auch Glück sind für mich nur Momente, die man nicht festhalten kann. Und Freude ist wiederum eine enge Verwandte des Glücks. Man kann Glück haben, obwohl man sich nicht darüber so recht freuen kann... etwa das Glück, einen Unfall unbeschadet zu überstehen (ich möchte denjenigen sehen, der dann vor Glück in die Luft springt).

Freude hat für mich etwas mit Wahrnehmung und positiver Bewertung zu tun. Die Welt um mich herum zu spüren und nicht in einem negativen Licht zu sehen. Die Sinne aktivieren und sich z.B. über einen streichelnden, sanften Wind freuen. Offen sein und die guten Dinge sehen. Nicht "da ist ein Pärchen - und ich bin allein", sondern "da ist ein Pärchen - wie liebevoll sie miteinander umgehen".
Nicht "es wird Herbst, wie schrecklich" sondern "es wird Herbst, da mache ich es mir drinnen so richtig schön gemütlich".

Ja... Achtsamkeit, seine Sinne aktivieren und die eigenen Bewertungen hinterfragen - das sind für mich Grundlagen dafür, dass ich Freude empfinden kann. Vielleicht noch Dankbarkeit dafür, was ich alles habe und kann: Ich habe alle Gliedmaßen und alle meine Sinne, ich lebe in einem Land, das tausendmal bessere Lebensmöglichkeiten gibt als z.B. Entwicklungsländer, ich bin nicht obdachlos, ich habe diverse Möglichkeiten, mein Leben zu gestalten. Das klingt in den Ohren für jemanden, der gerade in einem depressiven Loch ist, wahrscheinlich wie Hohn, aber so langsam konnte ich diese Gedanken tatsächlich zulassen und mich alleine darüber schon freuen.

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
kormoran
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Re: Was ist Freude?

Beitrag von kormoran »

hallo leo lamm,

deine frage berührt mich sehr. ich kenne diese zeit, wo ich keine freude empfinden konnte, wo das, von dem ich wusste, dass es mit freude verbunden sein könnte, wie durch eine glaswand getrennt von mir war.

ich meine: du erkennst die freude, wenn sie da ist.

aber wie kannst du da hin kommmen? ein teil ist wohl nicht in deiner macht . so lange die depression die empfindungen so dämpft, würdest du dich beim versuch, freude zu finden, wohl eher frustrieren.

andererseits kannst du schon mit achtsamkeit schauen, was da so alles ist, in deinem leben, deinem tag. vielleicht überdecken an manchen stellen tatsächlich die erwartungen das, was in deinem inneren sich leise freut.

achtsamkeit, kleine dinge betrachten, etwas zugewandt und ohne ablenkung tun, in die natur gehen, den körper spüren, sich austoben, auspowern (wenn das geht) ... und jeden tag überlegen, was dir gutes begegnet ist, und wie du ganz innen drin drauf reagiert hast - da könnte schon sein, dass du wieder freude freilegst, wo du sie nicht erwartet oder erlaubt hast.

hm. ein versuch zu deiner frage.
liebe grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
leolamm
Beiträge: 69
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Re: Was ist Freude?

Beitrag von leolamm »

Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für Eure vielschichtigen Antworten. Da waren einige Impulse dabei, z.B. werde ich den Mittagsspaziergang wieder in meinen Tagesablauf integrieren, die Aufmerksamkeit für den Moment üben.

Ich lese für mich das leidige Thema zu hohe Erwartungen heraus. Immer die Perfektionistin, immer der extrem hohe Anspruch, vielleicht auch, weil die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft so hoch ist. Dann erlaube ich mir die Freude quasi nur, wenn es übermenschlich war. Da findet viel zu selten eine positive Bewertung statt, nur der innere Scharfrichter ist immer aktiv. Schöner Mist.

"so lange die depression die empfindungen so dämpft..." zeigt mir, daß die Depri mich schon lange gefangen hält. Es war mir bekannt, aber nicht bewußt.

Das schöne Gefühl, in dem ich mich wohl fühle, den warmen funkensprühenden Moment, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, den kenne ich, auch wenn ich ihn selten spüre oder zulasse.

Liebe Grüße
Leo
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Was ist Freude?

Beitrag von anna54 »

Danke an otterchen
habe lange nicht mehr eine so schöne Beschreibung von Gefühlen gelesen, die bei mir viele Jahre verschüttet waren.
Die Achtsamkeit der kleinen Dinge war bei mir die Rückkehr der Freude.
Achtsamkeit lässt sich üben,ganz besonders in der Natur.
Vieles fühlte sich zunächst komisch an,inzwischen ist es die Achtsamkeit,wie ich mit mir selbst umgehe.
Ich selbst gebe den Dingen ihren Wert,und das ist dann auch der Reichtum der Gefühle.
Heute morgen haben mich die Kinder in der Schule vor Wiedersehensfreude umgerannt,das ist die Nahrung meiner Seele.
Die Aufgabe meines Berufes war der höchste Preis der Krankheit,das Ehrenamt in der Schule ist der höchste Gewinn.

Wünsche allen viele Sonnenstrahlen im Herbstlaub anna54
3241
Beiträge: 103
Registriert: 30. Mär 2008, 13:34

Re: Was ist Freude?

Beitrag von 3241 »

Ein schöner Thread. Ja, mit Freude ist das so eine Sache, die gar nicht so einfach ist bzw. zu beantworten ist.

Momentan ist meine größte Lüge, wenn jemand behauptet: "das Leben ist schön". Das Leben ist nicht schön. Für mich ist es ein einziger Kampf, schon immer gewesen. Und in diesem Kampf können schöne Momente vorkommen. Diese verknüpfe ich mit Freude. Wenn ich Freude spüre, ist das ein schöner Moment.

Schlimm ist es, wenn es mir von einem auf den anderen Tag schlechter geht. Dann kommt es vor, dass ich mir z.B. irgendetwas ansehe und nur denken kann "vorgestern konnte ich mich darüber noch freuen, jetzt dringt nichts mehr durch, da ist nichts mehr". Sehr bitter.

Ich nehme seit 2 Monaten wieder Medis (Citalopram) und kann seit 3 Wochen sagen, dass ich relativ stabil bin. Von daher verbinde ich das "Freude" erleben nicht mit dem Abschluss einer Therapie (bin insgesamt 2 1/2 Jahre in Therapie, nun die 2.). Ich verbinde das Freuen mit der Tagesform. Es kann jeden Tag anders sein, unabhängig ob ich in Thera bin oder nicht.

Inzwischen konzentriere ich mich auf die kleinen Dinge des Lebens. Das kann die frische Luft am Morgen sein, ein Sonnenstrahl, eine schöne Wolke, eine Blume, Tiere, die ich beobachte (bin wohl eher ein naturverbundener Mensch), einen schöne Schokolade, inzwischen sehr wichtig für mich: Musik, oder wenn ich doch die Nähe zu meinem Mann suche und mich ankuscheln "kann". Nicht mehr.

Von der Illusion, dass Leben ist schön und alles muss toll sein bin ich gänzlich abgekommen. Das sind für mich Lügen. Oberflächlich halte ich natürlich meine Maske um im Mainstream des Lebens mitzuhalten. Sonst ist man ganz schnell raus.

Ach welch schöne oberflächliche Welt.
Es ist Zeit, mein Schatz es ist Zeit,

zu gehen und zu schweben

Zeit, mein Herz es ist Zeit,

zu sehen und zu leben

(Auszug Songtext "Auf zum Mond" UH)
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Was ist Freude?

Beitrag von otterchen »

Hallo Niniel,

DAS Leben gibt es nicht - es gibt Deins, meins, deren...

Und wenn DEIN Leben nicht schön ist, dann kannst Du das ändern. Du bist die einzige, die Dein Leben leben und gestalten kann.
Wenn also jemand sagt "das Leben ist schön", dann meint er SEIN Leben - und ich finde es ermutigend, wenn es Leute gibt, die das hinbekommen.

Ich mag mir nicht anmaßen, Dir zu schreiben, dass Du Dein Leben auf jeden Fall "schön" gestalten kannst, aber ich bin mir zumindest sicher, dass einige Änderungen möglich sind. Die haben aber meist was mit einem selbst zu tun:
mit gemachten Erfahrungen, die man durch neue ersetzen kann,
mit Blickwinkeln, die man ändern kann,
mit Glaubenssätzen, die man abklopfen und überprüfen kann,
mit Denkweisen, die man ändern und erweitern kann,
mit Verhaltensweisen, die man ebenfalls modifizieren kann,
mit Möglichkeiten, die man ergreifen kann, um einen Tag zu gestalten - nicht gänzlich, aber dennoch einflussnehmend.

Das jemandem zu erzählen, der gerade womöglich in einem depressiven Tief ist, mag bestimmt nicht so ankommen, wie ich das aussenden will... aber ich möchte ein wenig Hoffnung machen, dass es möglich ist.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Serendipity28
Beiträge: 23
Registriert: 21. Okt 2010, 22:39

Re: Was ist Freude?

Beitrag von Serendipity28 »

Hi an alle hier,
Ich bin noch nicht lange hier im Forum aber ich lese immer wieder gerne eure Beiträge. Also jetz nicht, damit ich mich besser fühle, aber es tut doch gut zu wissen, dass man mit seinen Ängsten u sorgen nicht alleine ist.
Jedoch macht es mich zutiefst traurig zu lesen, dass jemand nicht mehr weiß, wann er/sie Freude empfindet. Denn Freude ist etwas schönes u sollte jedem Menschen ab zu treffen.
Vielleicht freut man sich ja öfter am Tag, empfindet es nur nicht so, weil man gerade übe was anderes grübelt. Der threat:
3 schöne Dinge des Tages - hat mir sehr geholfen, einfach mal den vergangenen Tag noch mal durchzugehen. Manchmal bin ich selbst erstaunt, dass ich tatsächlich 3 Dinge finde, obwohl ich eigentlich der Meinung war, der Tag war sch..... .
Vielleicht würde es dir ja helfen, ein gefühlstGebuch zu führen. Einfach ein kleines Notizbuch kaufen und in die Handtasche stecken. Einfach mal versuchen, den Tag bewusster zu erleben und damit meine ich vor allem, deine Umgebung. Na ja, also ich freue mich gerade über das schöne Wetter u auf meine Party morgen.
Viel Freude wünsche ich euch allen von Herzen <3
leolamm
Beiträge: 69
Registriert: 24. Okt 2007, 09:47

Re: Was ist Freude?

Beitrag von leolamm »

Liebe Serendipity,

interessanter Nickname Da habe ich wieder was gelernt, danke dafür.

Genau das war es ja, was mich so erschreckt hat. Mir wurde da klar, was fehlte. Es war ein ziemlicher Schreck.

Danke auch für die Idee mit dem Gefühlstagebuch. Ich habe wirklich immer ein kleines Notizbich bei mir. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Die 3 guten Dinge des Tages hatte ich leider auch schon wieder aus den Augen verloren, danke für die Erinnerung.

Liebe Grüße
Leo
Serendipity28
Beiträge: 23
Registriert: 21. Okt 2010, 22:39

Re: Was ist Freude?

Beitrag von Serendipity28 »

Gern geschehen
Hoffentlich, hilft es.
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