Baldiges Ende der Psychotherapie

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Friedrich
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Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Friedrich »

Liebe Mit-Leidende,
Bei mir ist die Therapieverlängerung bald ausgelaufen, welches ich an der Zeitspanne merke, die ständig, von Sitzung zu Sitzung, weiter ausgedehnt wird. Vorab müsst ihr wissen, dass ich meine schwerkranke, PS II, Mutter im gemeinsamen Haus pflege.
In der gestrigen Sitzung hat mich der Therapeut mal wieder richtig geschnappt. Er fragte, "Was machen Sie eigentlich, wenn ihre Mutter mal stirbt? Nennen Sie mir doch einmal einige Aspekte oder Lebensziele, die nach dem Tod ihrer Mutter denkbar sind." Da musste ich passen, weil ich keinerlei Aspekte oder Intentionen sehe, ich besitze eigentlich keine soz. Kontakte mehr, die Freundschaften haben sich im Laufe der Zeit einfach aufgelöst. Ich kann nur sagen, dass nach meiner Mutter Tod auch für mich das Leben am Ende sein wird. Ansonsten sehe ich keine Zukunft, oder gar eine nur für mich geltende Perspektive. Eigentlich fühle ich, dass mein Leben bereits sein Ende erreicht hat, nur aufgrund der Pflege weiter seinen gewohnten Gang geht.
Steht jemand von euch ebenfalls so da? Sieht, träumt von toten Verwandten, die so einladend werben, sich ihrem "neuen" Leben anzuschließen. Meine Träume enden irgendwie mit einem Rückzieher, der mich in mein eigenes Bett fallen lässt, weil ich doch die Versorgung einhalten muss. Aber in der kommenden Nacht werde ich, auch mit Zop, wieder sehen, wie es außerhalb des hiesigen Lebenskreises zugeht.
Dendrit
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Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Dendrit »

Hallo Wichmann,

spontan würde mir Selbsthilfegruppe oder/und anderes Ehrenamtliches zu unterstützen/beiteiligen einfallen. Hast Du in diese Richtung schon mal gedacht?

LG, Manuela
Shantja1970
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Registriert: 30. Mai 2006, 22:33

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Shantja1970 »

Hallo Wichmann, das ist aber tragisch, dass dir das jetzt zum Ende der Therapie einfällt und dass du dir da nicht schon vorher mit dem Therapeuten Gedanken drüber gemacht hast, was ist, wenn deine Mutter stirbt. Generell ist es wichtig, mehrere Standbeine zu haben, dass man nicht zusammenbricht, wenn eins wegfällt.

Ich denke du solltest dir wieder erarbeiten, was dir Freude bereitet. Ausprobieren, was könnte ein Hobby von dir werden? Malen oder musizieren, Sport? Du könntest dich ehrenamtlich um jemanden kümmern, oder wie schon gesagt wurde, in eine Selbsthilfegruppe gehen. Es gibt VHS Kurse, Kochgruppen etc. Das ist alles nicht einfach, wenn man depressiv ist, aber man kann ja auch andere Leute mit psychischen Problemen suchen. Dein Leben ist nicht zu Ende, wenn deine Mutter stirbt.

Liebe Grüße, Shantja
Andreas01

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Andreas01 »

Hallo,
schließe mich Shantja an, würde es auch so versuchen.

Das dem Therapeuten nicht mehr dazu einfällt als:
>>>"Was machen Sie eigentlich, wenn ihre Mutter mal stirbt? Nennen Sie mir doch einmal einige Aspekte oder Lebensziele, die nach dem Tod ihrer Mutter denkbar sind."<<<

ist ziemlich arm.

Gruß
Andreas
julius.scheu
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Registriert: 19. Jun 2007, 15:23

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von julius.scheu »

Hallo, meine Mutter ist vor 40 Tagen gestorben. Sie war PS 2. Durch die Pflege hatte mein Leben einen Sinn. Ich stehe jetzt vor dem Nichts – ich habe keine Familie, keine Verwandten, keinen Job, keine Freunde – aber Depressionen habe ich nicht, weil ich mich an den Spruch halte: „Schaue vorwärts nicht zurück, neuer Mut bringt Lebensglück.“ Ich gehe zweimal täglich auf den Friedhof und weine jeden Tag. Natürlich fehlen mir auch monatlich die 430 Euro Pflegegeld – muss mich jetzt finanziell einschränken. Ich habe niemanden mehr zum Reden, nicht mal einen Hund. So schlecht es mir momentan auch geht, ich habe Hoffnung. Was ist ein Leben ohne Hoffnung?

Ich habe in den letzten Jahren sehr viel mitmachen müssen. Ich habe Vater und Mutter bis zum Tod gepflegt – war viele Jahre im Tal der Tränen. Ich sehe jetzt voller Optimismus in meine Zukunft, weil ich weiß, dass nach dem Tal der Berg kommt. Alles ist im Fluss, alles ist mal Schluss. Ein Mensch, der noch strahlen kann, obwohl er aus der Hölle kommt, hat noch Chancen. Ich lass mich durch nichts unterkriegen. Was mich nicht umbringt, das macht mich stark.

Ich möchte euch auf etwas hinweisen, was ich in einem Esoterikbuch gelesen habe, mir hat es geholfen, vielleicht ist es für einen von euch auch hilfreich:
„Hölderlin: „Mit ihrem heilgen Wetterschlage. Mit Unerbittlichkeit vollbringt die Not an einem großen Tage, was kaum Jahrhunderten gelingt. Und wenn in ihren Ungewittern selbst ein Elysium vergeht, und Welten ihrem Donnern zittern – was groß und göttlich ist, besteht.“

„Selten wird uns ein Tag so entsetzliches Erleben bringen, dass wir völlig verwandelt und geläutert aus ihm hervorgehen. Aber die Summierung von Not und Elend ist auch eine Krone, die erreichen lassen kann, „was kaum Jahrhunderten gelingt“... Die negative Seite fehlenden Leids ist, dass die Weite der Seele, die zur Reifung notwendig ist, nicht erzwungen werden kann. .. Seelenpein und Selbstzucht sind die Fundamente, aus denen die „Weite der Seele“ wächst. ...Wer ohne Einschränkung dem „Pfad“ folgt, wird unmerklich erst, dann immer spürbarer und bewusster, geführt, durch „das Tal der Tränen“ auf die lichte Höhe der Berggipfel. Wohl dem, der sein Ziel erkannte und ihm kompromisslos folgt. Er ist gefeit gegen jedes Ungemach, gegen jede noch drohende irdische Katastrophe, denn „was groß und göttlich ist, besteht“, und alles, was von Wert ist, trägt der Sehnende für immer unverlierbar in sich.“ LG Julius
Friedrich
Beiträge: 20
Registriert: 26. Mai 2009, 15:31

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Friedrich »

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure Zuschriften, die mir klarmachen, dass ich auf gar keinen Fall allein auf der Welt bin. Es geht mir fast wie Julius, doch ich sehe für mich keine Phase des Auftriebs; leider helfen bei mir auch keine sich ständig einhämmernde Worte; ich bin und bleibe so wie ich bin .....
Einfach nur nachdenklich, melancholisch und vor allen Dingen an manchen tieftraurig.

viele Grüße
Friedrich
MarieSabine
Beiträge: 25
Registriert: 22. Jun 2010, 03:52

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von MarieSabine »

Ich habe bald einen Abschied aus einer Therapiegruppe vor mir, der mir auch schwer fällt. Den Therapeuten werde ich nicht vermissen, aber die anderen Gruppenmitglieder.
lowrider60sec

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von lowrider60sec »

Hallo Marie Sabine,

Was hält dich davon ab, Kontakt zu einigen zu knüpfen?

lowrider
MarieSabine
Beiträge: 25
Registriert: 22. Jun 2010, 03:52

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von MarieSabine »

Nichts hält mich davon ab, aber es ist doch nicht dasselbe, ob man einmal die Woche als Gruppe zusammen sitzt, oder mit einzelnen Leuten E-Mails austauscht, telefoniert, oder, wenn die Kraft von zwei Depressiven dafür ausreicht, sich verabredet. Irgendwie ist es dennoch ein Abschied, sich aus der Gruppe zu lösen.
Dendrit
Beiträge: 4976
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Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Dendrit »

Hallo Marie Sabine,

Irgendwie ist es dennoch ein Abschied, sich aus der Gruppe zu lösen.

Sicher, ist klar. Dennoch kann es "übergangsweise" hilfreicher sein, als ganz "ohne". Wie sehen das andere Teilnehmer? Geht es ihnen ähnlich?

LG, Manuela
Friedrich
Beiträge: 20
Registriert: 26. Mai 2009, 15:31

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von Friedrich »

Liebe Mit-Leidende,

es freut mich zu lesen, dass einige von Uns Hoffnung in sich selbst tragen, die dann auch dazu führt, sich gegenseitig Trost, Hilfe und Zuversicht zu spenden. Ich kann ja nur für mich sprechen: diese Hoffnung sehe ich nicht. Ich verlasse das Haus nur noch um Einkäufe zu erledigen und Ärzte aufzusuchen. Hier zu Hause erledige ich nahezu alles, koche auch für meinen Cousin und seiner Frau, wenn diese meine Mutter und mich besuchen. Damit ist dann auch schon der eigene Antrieb hinweg. Es gibt kaum eine Minute des Alleinseins, während derer ich nicht grübele.
Ich wünsche euch allen alles Gute


Friedrich
MarieSabine
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Registriert: 22. Jun 2010, 03:52

Re: Baldiges Ende der Psychotherapie

Beitrag von MarieSabine »

@Manuela
Eine hat mir schon geschrieben, sie fände es schade, wenn ich gehe...
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