Ohnmachtsgefühle

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lens
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Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Kennt ihr das ?

Ihr steht am Ende einer Schlange und braucht unbedingt noch eine Fahrkarte, aber es geht und geht nicht weiter. Der Zug läuft schon ein.

Oder der Handwerker, der fest zugesagt hat
kommt nicht, und ich traue mich nicht, wegzugehen.

Gestern abend kam ich nicht ins Internet und rief den Telekom Kundendienst an. Ich wurde weitergeleitet und hing eine halbe Stunde in der Warteschleife. Immer wieder die Ansage: Haben sie noch einen Moment Geduld, der nächste freie Mitarbeiter ist für sie reserviert.

Meine Gefühle in diesen Situationen sind fuchtbar. Ich stelle mir vor, wie die im Kundencenter über mich lachen. Ich nehme das total persönlich und kann doch nicht auflegen, denn ich brauche ja den Fachmann.
Am Schluss war es eine Bagatelle, die schnell behoben war.Ich kam mir wie geprügelt vor.Dabei war die Frau am anderen Ende sehr freundlich.

Ich weiss, dass die Ursache für meine Ohnmachtsgefühle bei mir liegt. Und doch treffen sie mich immer wieder schmerzlich,
vor allem, wenn ich nicht aus der Situation raus kann. Ich leide dann unverhältnismässig, das merke ich an meiner Umgebung.

Wie geht ihr damit um?

Gruss von
Ibis
Liber
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von Liber »

Hallo Ibis,

freilich kenne ich solche Situationen und solche Gefühle auch!

Aber erst mal eine Frage: sind das Ohnmachtsgefühle oder ist das eher Ungeduld und Ärger, was du in solchen Situationen spürst?

Ohnmachtsgefühle würden bedeuten: ich kann an dieser Situation absolut nichts ändern, ich bin ihr völlig ausgeliefert. Tatsächlich aber kann ich: aus der Warteschlange weggehen. Das Haus verlassen und einkaufen gehen. Den Hörer auflegen.

Die Konsequenzen muss ich dann natürlich tragen: Ich kriege keine Karte, der Handwerker steht womöglich vor verschlossener Tür, ich werde mit dem Kundendienstmitarbeiter nicht verbunden.

Ich schreibe das auch nur, um deutlich zu machen, DASS Handlungsalternativen bestehen.

Im praktischen Leben aber bleiben wir ja zumeist in solchen Situationen, weil uns das Ziel des Wartens wichtiger ist.

Und wie dann also mit solchen Wartesituationen umgehen?

Wenn Ärger und Ungeduld hochkommen, dann darf ich mir als ganz "normal" erst mal zugestehen! Schließlich lassen mich andere warten, es handelt sich ja schließlich um meine Zeit, die ich lieber anders verbringen würde - ist so. Ja, ich ärgere mich darüber. Punkt.

Aber dann im Ärger nicht steckenbleiben. Dauerärger ändert an der Situation nichts und schadet mir nur selbst.

Vielleicht die Wartezeit einfach sinnvoll nutzen?

Wenn ich in Warteschleifen am Telefon stecke, dann schalte ich das Telefon auf "Lautsprecher", lege es neben mich hin (drücke es also nicht mehr ans Ohr) und lese derweil die Zeitung.

Wenn ich in Staus stecke, höre ich Musik, manchmal schließe ich die Augen dabei (ist nur ein bisschen Vorsicht angebracht, falls der Stau derweil weitergeht .).

Das Warten auf Handwerker: den Handwerkern gebe ich erst mal ca. ein bis eineinhalb Stunden Zeit, dann rufe ich aber in der Firma an. Ich will wissen, woran ich bin. Wird mir keine genaue Zeit gesagt, wann jemand kommt, versuche ich, aus der Wartezeit "das Beste" zu machen. Im Haus etwas erledigen, oder einfach Lesen, Musikhören ... irgendetwas Sinnvolles für mich.

Eben nicht nur "warten".

Das mindert die Ohnmachts- und Ärgergefühle.


Viele Grüße!

Brittka
FönX
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von FönX »

Hallo ibis,

zunächst muss ich sagen, dass ich diese Gefühle auch kenne. Als Ohnmachtsgefühle würde ich sie, wie auch Brittka, nicht einordnen. Eher Hilflosigkeit, wobei die ja auch durch uns künstlich forciert wird. Mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauche, ist für für mich als Depri ja unmöglich, wo ich doch im Kopf immer meine, der Starke sein zu müssen. Dieses Denken gehört zu den depressiven Strukturen. Und die manifeste Depression kann die Chance sein, dass wir uns von diesen Mustern trennen. Dann würden wir zumindest das Machbare versuchen, z.B. die Leute in der Schlange vor mir fragen, ob sie auch diesen Zug haben müssen, oder ob sie mich freundlicherweise vorlassen. Hinzu kommt ja noch die antizipierte Meinung "der lässt mich bestimmt nicht vor, der Depp!". Wenn ich nicht frage, habe ich das "Nein" automatisch. Somit sind manchmal unsere unrealistischen Erwartungen der Anlass für Ungeduld und Ärger. Da hat Brittka ja auch schon einige hilfreiche Tipps gegeben.

Liebe Grüße
FönX

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lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Hallo Brittka und FönX,

vielen Dank für eure Antworten. Ich habe inzwischen auch weiter darüber nachgedacht, warum ich diese Gefühle so heftig erlebe.

Ich kann erkennen, dass mein Partner mit den gleichen Situationen viel gelassener umgeht. Gut, er ist eben anders geartet, ist jedesmal mein Gedanke.

Gestern in der Warteschleife bei der Telekom ist mir zum ersten Mal deutlich aufgefallen, dass ich böse Absichten dahinter sehe, dass ich glaube, die machen das absichtlich,um mich zu ärgern. Das ist es, was mir zu schaffen macht. Warum vermute ich gleich
sowas? Und dann macht es für mich auch Sinn, dass ich mich ohnmächtig fühle.

Wie so vieles fällt mir auch das schwer, hier öffentlich zuzugeben.

Gruss von
Ibis
FönX
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von FönX »

> dass mein Partner mit den gleichen Situationen viel gelassener umgeht
Gelassenheit ist für einen depressiven Menschen das, was er sich mit am meisten wünscht und das, was er mit am schwersten erreicht. Werf mal die Suchmaschine des Forums an und gibt "Gelassenheit" ein. Das Wort steht in den Top 10.

Was das Zugeben angeht - hier kannst du alles zugeben. Wir sitzen alle im selben Boot.
FönX

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tomroerich
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ibis,

Grundlage für solche Annahmen, man wolle dich ärgern, ist doch sicherlich deine Verletzbarkeit?

Die Alternative zu deinem Stress ist Gelassenheit und Gelassenheit lässt sich nicht erlangen wenn man glaubt, die Welt sei gemacht, um einen anzugreifen.

Ein weiterer Punkt ist sicherlich auch, dass man glaubt, wenn dieses oder jenes nicht eintritt, sei das schlimm. Also: Der Handwerker muss her, sonst.....

Bei den allermeisten Vorstellungen dieser Art kann man durch ehrliche Prüfung herausfinden, dass es garnicht schlimm wäre. Das Anliegen bei der Telekom ließe sich verschieben oder ganz aufgeben. Aber nein, man hat entschieden, das muss jetzt sein. Und dann kollidiert die Realität mit deinen Vostellungen und deren Nichterfüllung nimmst du als Ablehnung deiner selbst wahr.

Versuche zu erkennen, dass eine starre Fixierung darauf, dass etwas zu geschehen hat, Schmerz verursacht. Wünsche darf man haben, aber es sollte einen nicht tangieren, ob sie sich auch erfüllen.

Du sagst es schon richtig, dass du Ohnmacht erlebst. Du kannst die Realität nicht zwingen, sich deinen Wünschen zu beugen. Da bist du ohne Macht.

Ich habe diese Gefühle erlebt wie du, erlebe sie teilweise auch heute noch. Z.B. wenn ein Kunde einen dringend benötigten Auftrag erteilt, man plant dann mit dem Geld, muss ja Waren einkaufen und dann zahlt der Kunde nicht. Da keine Ohnmacht zu empfinden ist schwer aber sogar das ist möglich. Meine Strategie ist, meinen Seelenfrieden an oberster Stelle zu sehen. Das hat für mich absolute Priorität. Jemand drängelt sich vor? Jemand versetzt mich? Jemand beleidigt mich? Jemand betrügt mich? Die Welt ist voll davon und ich habe keine Lust, darauf einzugehen. Ich will nicht davon abhängen, wie die Telekom ihre Telefonschleifen programmiert und auch nicht davon, ob sich jemand benehmen kann oder nicht, oder ob meine Partnerin schlechte Laune hat oder gute. Ich will nur, dass ich im Frieden sein kann. Und man kann sogar etwas anstreben und trotzdem im Frieden sein, wenns nicht klappt. Das alles heißt nicht, dass ich mich nun vor der Welt verstecken muss - es geht um eine Änderung der Einstellung, um Loslassen.

Mach den "Und dann?"-Check. Das ist das beste Mittel um herauszufinden, was dich wirklich bewegt. Handwerker kommt nicht. Und dann? Dann werde ich im Schlafzimmer keinen Strom haben. Und dann? Kann ich nicht im Bett lesen. Und dann?

Das ist es meist garnicht. Du fühlst dich angegriffen, weil man nicht tut, was man dir zugesagt hat. Nimm doch diese Ereignisse als Gelegenheiten, dich für einen freundlichen Umgang mit dir selbst zu entscheiden indem du darüber zu lächeln lernst.

Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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lucya
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lucya »

Hallo!!
Total kenne ich das... Manchmal fahr ich aus der Stadt nach Hause, obwohl ich dringend noch ein Teil brauche; weil es einfach nicht geht! Meist fahre ich mit dem Bus und dann werde ich fast wahnsinnig und probiere nur irgendwie ruhig zu bleiben!! Schlangen in Supermärkten sind auch schrecklich, nicht immer, aber immer wieder.Gestern bin ich stehen geblieben, weil ich eis für meinen Sohn kaufen wollte. Das hätte ich unmöglich zurücklegen können. Ich kriege zu viel, wenn ich an einen fremden EC Automaten muß oder unbekannte Strecken, Parkhäuser und und und... Es klappt aber auch immer mal besser. Im Moment bin ich ja eh total im Umbruch. Eigentlich müßte ich schon wieder unterwegs sein, aber ich genehmige mir eine Asse Kaffee und ein bichen surfen... Ich werde zu spät kommen, das übe ich jetzt auch mal, denn dort wo ich hin muß, ist es egal, ob ich 10 Minuten eher oder später komme...

Gelassenheit? Was ist das???


Gruß!
Die lucya

_________________________________________

Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwierig!
lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Vielen Dank für eure Zeilen.

Thomas, das mit dem Kunden hilft mir sehr.
Vor allem die Erkenntnis, dass der mit anderen genauso umgeht. Wie so oft auch hier: ich bin gar gemeint.

Dieses Übungsfeld ist für mich riesig. Da habe ich ja dauernd zu tun.

Lieben Gruss
Ibis
lens
Beiträge: 132
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Es muss natürlich heissen: ich bar NICHT gemeint.

Gruss
Ibis
lens
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Registriert: 27. Okt 2009, 18:43

Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Also...

Ich bin gar nicht gemeint.

Ja, so ist das.
Ibis
FönX
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Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von FönX »

Hallo ibis,

wenn du angemeldet bist, siehst du oben in jedem deiner Beiträge dies hier:
Wenn du darauf klickst, kannst du deinen Beitrag ändern.
FönX

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lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Lieber FönX,
vielen Dank für den Hinweis.

Gruss
Ibis
lens
Beiträge: 132
Registriert: 27. Okt 2009, 18:43

Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Guten Abend,

ich habe jetzt mehr Ruhe und Zeit zum Schreiben als heute nachmittag.

@Brittka,
du hast mich daran erinnert: es ist für mich ganz wichtig mir zu versichern, dass ich eine Situation verlassen kann, wenn ich das unbedingt will. Leider fällt mir das nicht immer gleich ein. Danke für die Tipps.

@FönX,
ja, manchmal gelingt es mir, "das Machbare zu versuchen", wie du sagst, und das nimmt mir zumindest zeitweise das Gefühl ohnmächtig zu sein. Gelassenheit ist ein fernes Ziel für mich.

@Thomas,
ich fühle mich tatsächlich angegriffen/verletzt, wenn man mir etwas zusagt und das nicht einhält ohne Erklärung. Eine Nichtachtung meiner Person.
Dass ICH in dem Sinne gar nicht gemeint bin, muss ich mir immer wieder sagen. Danke für das Aufzeigen der Wege aus dieser Falle.

Wieder einmal sehe ich, wie sehr ich vom Handeln anderer abhänge, dass ich meinen Wert von aussen beziehe, und wie rasend schnell ich bereit bin, mich runterdrücken zu lassen. Weil ich mich selber runterdrücke.

Das ist ein immer wiederkehrendes Thema für mich, und ich bin dem Forum dankbar für die Hilfestellung bei meinen Problemen.

Nachdenkend
Ibis
Kampfgemuese
Beiträge: 129
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Ibis,

oh ja, das kenne ich auch! Ich hab mich früher wahnsinnig aufgeregt, wenn mir sowas passiert ist. (Passiert mir heute ab und an auch noch). Ich glaube, der Grund bei mir war der, dass ich mich respektlos behandelt fühlte. Und ich vermutete auch hinter allem eine böse Absicht – eben weil ich so etwas, also böse Absichten, schon so oft erlebt habe.

Ich finde den Ansatz von Thomas, die Situation zu prüfen, super. Sich fragen „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das wirklich so ist, wie ich es vermute?“.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Telekom einen absichtlich in der Warteschleife hängen lässt? Wie wahrscheinlich ist es, dass die nix zu tun haben? Meiner Meinung nach sehr gering, die werden einfach überlastet sein.

Wenn ich im Supermarkt in einer langen Schlange stehe und beim Kunden ganz vorne im schlimmsten Fall der Barcode eines Produktes nicht lesbar ist und die Mitarbeiterin dann lang rumtelefonieren muss – das nervt mich auch tierisch. Aber dann denke ich mir: Wie ist das wohl für die Kassiererin? Oft schaue ich mir auch einfach nur den Inhalt der anderen Einkaufswagen an und überlege, was die Leute wohl daraus kochen. Meine Strategie lautet: ablenken.

Mich hat letztens auch ein Handwerker versetzt, der es auch nicht für nötig ansah, sich zu melden um zu sagen, dass er später kommt. Er kam zum Schluss eineinhalb Stunden zu spät, obwohl es laut seinen Angaben am Telefon (als ich ihn angerufen hab) nur eine Stunde sein sollte.
Tja, wenn der gute Mann meint, der Auftrag sei ihm so unwichtig und er brauch das Geld nicht – Pech gehabt! Den Auftrag hat er nicht bekommen.
Ich versuche zu unterscheiden, was tatsächlich respektlos mir gegenüber ist, und wann ich mich selbst einfach zu ernst nehme.

Manchmal glaube ich, dass es einfach zu schade ist, dass wir im Zuge des Erwachsen-Werdens unsere kindliche Phantasie verloren haben. Man kann sich so unglaublich witzige Dinge vorstellen, die einem ein Lächeln auf´s Gesicht zaubern, auch wenn die Situation das normalerweise nicht hergibt.

Beispiel: Teamleiter in meiner Firma bespricht mit mir die Bearbeitung einer Datei, deren Ergänzung nochmal nachträglich von der Zentrale geändert wurde.
Man sollte auf einmal alles ganz anders eintragen als ursprünglich. Ich musste so lachen, dass mir fast die Tränen kamen. Mein Gedanke war „Schön, es hat sich nix geändert, es ist alles beim Alten, immer noch das gleiche Chaos – herrlich! Die lernen einfach nix dazu!“ (Was man kennt, davor hat man ja keine Angst).

Uff, ich glaub, ich hab total konfus geschrieben… ich hoffe, man versteht es trotzdem ;o)

Liebe Grüße
Kampfgemuese
lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Hallo Kampfgemüse,

natürlich verstehe ich was du schreibst. Es sind herrliche Anregungen.
Ich warte jetzt regelrecht auf eine Gelegenheit, in der wieder so ein Gefühl in mir hochkommt.

Ich bin froh, dass ich mein Problem hier vorgebracht habe, obwohl es mir jetzt gar nicht mehr so ernst vorkommt. Wie konnte ich nur annehmen, dass die bei der Telekom mich ärgern wollen. Richtig verkrampft habe ich mich!

Manchmal denke ich, keiner hat so viele Baustellen wie ich. Aber im Moment ist es mir völlig egal.

Lieben Gruss
Ibis
eligeo71
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von eligeo71 »

Hallo Ibis,

Ohnmachtsgefühle kenne ich ganz gut.
Ich denke, so gut wie alle hier haben schon als Kind des öfteren dieses Gefühl durchleben müssen.
Situationen wie du sie schilderst, können dieses alte Gefühl reaktivieren und es scheint so, als ob mit diesem Gefühl auch die kindliche Unbeholfenheit von uns Besitz ergreift. Die Möglichkeiten unseres erwachsenen, rationalen Verstandes stehen uns vorübergehend nicht zur Verfügung, wir bleiben in den kindlichen Mustern hängen - das, immer und immer wieder. So lange, bis wir das Kind in uns geheilt haben. Ich denke, erst dann kann das was Thomas vorschlägt, greifen.

LG, Rainer
Ich bin der Mensch, welcher mein Leben entscheidet!
tomroerich
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von tomroerich »

Ich bin froh, dass ich mein Problem hier vorgebracht habe, obwohl es mir jetzt gar nicht mehr so ernst vorkommt. Wie konnte ich nur annehmen, dass die bei der Telekom mich ärgern wollen. Richtig verkrampft habe ich mich!

Manchmal denke ich, keiner hat so viele Baustellen wie ich. Aber im Moment ist es mir völlig egal.

Das habe ich auch mal gedacht, Ibis. keiner hat so viele Baustellen wie ich. Und wie lange wird das dauern, bis da alles repariert ist? Jede einzelne Baustelle...uaaaarrrgggghh!.

Jetzt sage ich dir ein Geheimnis: Diese vielen Baustellen haben nur einige wenige Ursachen. Es sieht nur so aus, als müsse man die alle einzeln reparieren.

Wenn du z.B. die Überzeugung aufgibst, dass du ein Opfer der Angriffe anderer bist und statt dessen erkennst, dass alle diese Angriffe auf deiner eigenen Verletzbarkeit beruhen, dann bist du der Ursache dieser Baustellen bereits ganz nahe.

Denn du kannst nichts daran ändern, wie die Telekom oder der Handwerker ist. Aber an deiner Verletzbarkeit kannst du etwas ändern - nur musst du dazu aufhören, die Ursache deiner schlechten Gefühle bei der Telekom zu sehen.



Thomas
Betroffene für Betroffene

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lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

danke Rainer und Thomas,

ja, es muss etwas Altes sein, das da in bestimmten Situationen hochkommt, das Gefühl von damals. Denn es ist der heutigen Situation gar nicht angemessen. Das hat mich ja so beunruhigt.

Nur, wie heile ich das Kind in mir? Ich habe den Eindruck, dass die alten Gefühle überall lauern und mich aus dem Hinterhalt überfallen. Es muss noch was kommen zu dem Erkennen.

Thomas,
du sagst, dass ich die Überzeugung aufgeben muss, ein Opfer der Angriffe anderer zu sein. Das klingt wie die Lösung der meisten meiner Probleme, ist aber so schwer. Wegen dem Hinterhalt, in dem meine negativen Gefühle lauern. Fange ich jetzt an zu spinnen?

Habe eben begonnen, noch einmal deine Zeilen zur Selbstverurteilung zu lesen.
Vielleicht hilft mir das jetzt weiter.

LG
Ibis
Kampfgemuese
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Ibis,

mir ist noch was eingefallen zum Thema Warteschleifen…. Alle größeren Unternehmen haben eine Telefonanlage, die genau registriert, wie lange Anrufer in der Warteschleife warten müssen, bis sie dran kommen, und wie lange diese Telefonate dann gehen.
Die Mitarbeiter haben eine Zielvereinbarung, in der sie pro Jahr einen bestimmten Prozentsatz (meistens sehr nahe an der 100%-Grenze) an Anrufannahmen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erfüllen müssen. Zum Beispiel 98% Anrufannahme aller Anrufe innerhalb von den ersten zehn Sekunden.
Die Mitarbeiter würden sich also selbst schaden, wenn sie jemanden absichtlich in der Warteschleife hängen ließen. :o)

Liebe Grüße
Kampfgemuese
lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Hallo Kampfgemuese,

das wusste ich nicht. Und es zeigt mehr als deutlich, dass der Grund für meine Gefühle in mir selbst liegt.

Danke für den Hinweis
Ibis
tomroerich
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von tomroerich »

du sagst, dass ich die Überzeugung aufgeben muss, ein Opfer der Angriffe anderer zu sein. Das klingt wie die Lösung der meisten meiner Probleme, ist aber so schwer. Wegen dem Hinterhalt, in dem meine negativen Gefühle lauern. Fange ich jetzt an zu spinnen?

Hallo Ibis,

nein, denn ich glaube, so ist es wirklich. Es ist wirklich schwer, aber nicht so schwer, wie du vielleicht glauben magst. Wie auch bei einer Depression, sind diese Gefühle mit einer Art Haftkleber versehen der den Eindruck macht, als bekäme man den nie weg. Das mag jetzt merkwürdig für dich klingen, aber der Haftkleber bezieht - so war es bei mir - seine Wirkung aus einer inneren Weigerung, etwas anderes zu wählen als die negativen Gefühle. Sie sind so schön vertraut und.... ich habs ja auch so verdient, gell? Kannst du dir ohne Befremden eine Ibis vorstellen, die keine negativen Gefühle hat, eine glückliche Ibis, die sich von einer Warteschleife einfach nicht aus dem Konzept bringen lässt?


Ich will versuchen, dir den Weg aufzuzeigen, den ich dafür gegangen bin, um diese Mechanismen zu durchbrechen.

1. Schritt: (Der Entschluss)
Ich will diese Gefühle nicht mehr. Sie tun mir weh und sind nutzlos. Etwas Anderes ist möglich, ich kann auch anders reagieren.

(Wenn du dies bedenkst, wie geht es dir damit? Nicht wenige Menschen bleiben hier schon hängen, weil sie denken, diese negativen Gefühle seien notwendig und müssten sein. Das kommt dem Entschluss gleich, sie zu behalten.)

2. Schritt (Auf der Hut sein)

Ich beobachte mich und stelle fest, dass sich negative Gefühle zu entwickeln drohen - ich achte auf die typischen Situationen, die ich von mir kenne und von denen ich weiß, dass sie ein Potenzial für neg. Gefühle bergen. Ich erinnere mich bei genau diesen Gelegenheiten für neg. Gefühle an meinen Entschluss, anders zu reagieren und aktiviere mein Potenzial an Geduld und Gelassenheit.

Im Wesentlichen besteht dieser Schritt also aus Achtsamkeit für die Situationen, über die du gerne stolperst und darin, selbst die Verantwortung dafür zu tragen, wie man reagiert und es nicht auf die Warteschleife zu verschieben.

3. Schritt (Bestätigen)

Wenn mir Schritt 2 gelingt, habe ich bei einem Teil dieser Situationen schon keine neg. Gefühle mehr haben und das nehme ich bewusst als Beleg dafür, dass eine andere Entscheidung möglich ist und auch funktioniert.

3a (Anerkennen)

Wenn es mir nicht gelingt und negative Gefühle sich trotzdem einstellen, verurteile ich mich nicht dafür! Ich lasse das Gefühl zu, sage mir aber, dass es mein Gefühl ist und NICHT von einer Warteschleife verursacht wurde. Wenn ich glauben würde, dass es die Warteschleife war, bestätige ich meine Opferposition und sage damit, dass es außerhalb meiner Macht liegt, mich anders zu entscheiden. Ich war es selbst, der die Verletzung erlitten hat und die Gründe dafür liegen in mir selbst.

Es ist etwas Anderes, ob man sich von den Verletzungen der Nichtbeachtung in einer Warteschleife distanziert oder von verletzenden Worten des Partners. Letzteres geht einfach tiefer und erfordert mehr. Wenn man aber einmal die Möglichkeit wirklich entdeckt hat, sich anders zu entscheiden, kann man sie allmählich auf alles ausweiten, was verletzt. Ich habe erst während dieses Prozesses erkannt, dass verletzte Gefühle nicht mit Lebendigkeit, Echtheit, Authentizität etc. zu tun haben, sondern dass sie verzichtbar sind und in jedem Fall ihr Fehlen ein Gewinn ist.



Thomas
Betroffene für Betroffene

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lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Hallo Thomas,

"aber der Haftkleber bezieht seine Wirkung aus einer inneren Weigerung, etwas anderes zu wählen als die negativen Gefühle. Sie sind so schön vertraut und .. ich hab`s ja auch so verdient"

Das trifft es, genau so erlebe ich es. Manchmal ist es direkt unheimlich, wie automatisch sich negative Gefühle bei mir einstellen. Sie sind allzu vertraut.
Ich habe es satt, mich so handlungsunfähig zu fühlen, und abhängig von der Reaktion anderer.

Die von dir genannten Schritte sind eine grosse Hilfe, vielen Dank. Nur mein Potential an Geduld und Gelassenheit...
Im Moment kommt mir der Weg sehr lang vor.
Aber ich fange einfach mal an. Bin richtig begierig auf die nächste Gelegenheit.

Viele liebe Grüsse
Ibis
eligeo71
Beiträge: 270
Registriert: 25. Aug 2006, 01:01

Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von eligeo71 »

Hallo Ibis,

du fragst: Nur, wie heile ich das Kind in mir?

Gegenfrage: Was tust du, wenn dein Kind krank ist?

Des weiteren schreibst du: Ich habe den Eindruck, dass die alten Gefühle überall lauern und mich aus dem Hinterhalt überfallen. Es muss noch was kommen zu dem Erkennen.

Das hört sich an, als ob du die Überzeugung hegst, diese alten Gefühle seien dir feindlich gesonnen. Ist dem so?

Ich finde, was sich noch zu dem Erkennen gesellen sollte, ist Bewusstsein und Glaube.
Bewusstsein, dass meine Gefühle meine "Helferlein" und keineswegs dazu da sind, um mich zu peinigen.
Glaube, dass Veränderung nicht nur möglich ist, sondern tagtäglich passiert. Nichts bleibt, wie es ist!

LG, Rainer
Ich bin der Mensch, welcher mein Leben entscheidet!
lens
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Re: Ohnmachtsgefühle

Beitrag von lens »

Hallo Rainer,

schön, dass du noch mal schreibst.
Ich glaube fest daran, dass Veränderung möglich ist. Allerdings bedeutet das einiges an Arbeit für mich.
Ich muss immer noch lernen, mich zu spüren.
Für jeden ist der Weg anders.

LG
Ibis
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