Ich bräuchte mal ein paar Infos...

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Alma21
Beiträge: 57
Registriert: 11. Aug 2010, 15:07

Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von Alma21 »

Hallo Zusammen,
bin ein Neuling hier und auf der Suche nach Antworten.
Nach jahrelangen Vermutungen meinerseits hat es sich jetzt bestätigt: mein Mann leidet an Depressionen - und mit ihm das gesamte Umfeld, die Arbeit, das Familienleben, die Finanzen - einfach alles. Nachdem er vor 2 Wochen einen (zum Glück gescheiterten) Versuch unternommen hat, ist er im Augenblick selbst zu der Erkenntnis gekommen, daß er Hilfe braucht und es alleine nicht schafft.
Da auch mein Nerven-/Seelenkostüm in den letzten Jahren durch die kontinuierlichen Auf's und Ab's sehr gelitten hat und ich im Moment ziemlich auf dem Zahnfleisch gehe, kann ich wahrscheinlich nicht viel für ihn tun, zumindest weiß ich nicht, was das Richtige wäre.
Deshalb hier ein paar Fragen, zu der mir vielleicht jemand Antworten geben kann:

Wie wirken Antidepressiva bzw. "verändern" sie das Wesen eines Menschen? Fühlt man sich "zugedröhnt" oder stabilisiert sich das Wohlbefinden in eine Art "Normalzustand", d. h., keine finstere Wolken mehr im Kopf?
In welcher Form kann ich meinen Mann auf seinem Weg unterstützen?

Es wäre schön, wenn ich Antworten, auch von Betroffenen und/oder Angehörigen bekäme.

Vielen Dank im voraus dafür.
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von Denker »

Hallo Alma,
willkommen im Forum.

Ich antworte dann mal aus der Betroffenensicht.

Antidepressiva verändern nicht die Persönlichkeit, sie bringen eher die normale Persönlichkeit wieder zum Vorschein. Die Depression ist es, die die Persönlichkeit verändert!

Antidepressiva können insbesondere in der Anfangsphase sehr erleichternd wirken und die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit wieder deutlich verbessern. Aber Antidepressiva heilen keine Depression; sie sind eher so etwas wie Schmerzmittel für die Seele. An den Ursachen der Depression ändern Antidepressiva nichts! Daher sollte die medikamentöse Behandlung auf jeden Fall durch eine Psychotherapie ergänzt werden. Ich sehe die Depression für mich als eine Krankheit an, die einen Sinn bzw. eine Botschaft hat, z.B. ein deutliches Stoppschild: Halt, so geht es nicht weiter! Ändere etwas in deinem Leben, oder du wirst vor die Hunde gehen! Es wäre also verkehrt, sich nur mit Tabletten wieder fit zu machen und dann so weiter zu machen wie bisher...

Du hilfst deinem Mann am besten dadurch, dass du ihn dazu bewegst, zum Arzt oder zum Psychologen zu gehen. Und dadurch, dass du für ihn da bist, ohne ihn zu bedrängen. Und natürlich dadurch, dass du dich gründlich über die Krankheit informierst.

Zu guter Letzt solltest du nicht vergessen, auch auf dich selbst zu achten, damit du nicht vor lauter Sorge um deinen Mann selber unter die Räder kommst.

Liebe Grüße
Denker
FönX
Beiträge: 3373
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von FönX »

Hallo Alma,

von mir auch ein herzliches Willkommen!

Die Wirkung von AD habe ich so empfunden:

- stressige Situationen kommen nicht so richtig an mich ran

- der Automatismus der negativen Denkmuster macht sich nicht so leicht selbstständig. Im Idealfall gar nicht

- ich habe durch AD die Kraft, Anregungen aus einer Psychotherapie - z.B. Änderungen der Denkmuster - zu ändern

Denker schrieb:
> Daher sollte die medikamentöse Behandlung auf jeden Fall durch eine Psychotherapie ergänzt werden.
Sehe ich ähnlich, wobei die Kausalität auch vertauscht werden kann. I.S.v.: die Psychotherapie wird durch AD unterstützt. Ich sehe die Psychotherapie eher im Vordergrund.

1. der Betroffene muss verstehen, was mit und in ihm passiert ist

2. erst wenn er verstanden hat, erkennt er die notwenigen Schritte aus der Depression heraus

Viel Erfolg!
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von wennfrid »

Hi Alma
AD verändern die Persönlichkeit nicht.
Ich sehe es wie Denker. Durch AD kommt die individuelle Persönlichkeit wieder zum Vorschein, die Ängste oder Depressionen immer mehr in den Hintergrund gestellt haben. Allerdings bleibt die Ursachen der Depression vorhanden, sie kann nur "erarbeitet, bzw. verarbeitet" werden. (Meist mit Hilfe einer Therapie),
Deinem Mann kannst du am Besten helfen, indem du sehr gut für dich sorgst und deinem Mann auf seinem Weg unterstützt.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
LaraMaria
Beiträge: 244
Registriert: 7. Apr 2010, 22:06

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von LaraMaria »

Ich halte ADs für keine gute Lösung.
Nicht selten täuschen sie eine Heilung vor und beim Absetzen/Reduzieren stehen dann die "alten Gespenster" wieder vor der Tür. Habe es gerade wieder bei einer Mitpatientin in der Gruppentherapie miterlebt.
Die Probleme kann man wirksam und nachhaltig nur mit Psychotherapie bekämpfen. Ist ein langer, schwerer Weg.
Gut ist, wenn man einen Doc hat, der einen aus der Arbeitswelt rausnimmt für eine Zeit, damit die Konzentration (die ist idR ja eh schon schlecht) voll in die Therapie geht. Alles andere muss dann eben mal warten.
Und man muss die richtige Therapieform finden. Viele machen Verhaltenstherapie - ich auch, bin in einer Einrichtung, die darauf spezialisiert ist - aber mitunter sind auch andere Therapieformen angebracht. Das sollte sich ein Psychiater ansehen.

Wünsche euch Glück bei der Therapeutensuche!
Lieben Gruß
LaraMaria
Alma21
Beiträge: 57
Registriert: 11. Aug 2010, 15:07

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von Alma21 »

Vielen Dank für Eure Antworten. Er hat gestern Medikamente verschrieben bekommen (zumindest für die Nacht) und ich hoffe, daß die dann in den nächsten 1 - 2 Wochen ihre Wirkung zeigen und entfalten. Ich fühle im Moment nicht mehr viel - es ist eher ein funktionieren. Würde gerne mal so richtig heulen - aber nix geht. Kein wirklich schöner Zustand.
hubsia
Beiträge: 639
Registriert: 19. Mär 2003, 16:33

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von hubsia »

Hallo Alma, bitte kümmere dich um einen Therapieplatz, und paralel um eine SHG, damit er reden kann. Denn reden ist das A und O der ganzen Therapie, je mehr je lieber.
Ich schicke Euch beiden viel Kraft.
Alles liebe Hubert.
Alma21
Beiträge: 57
Registriert: 11. Aug 2010, 15:07

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von Alma21 »

Hallo erst mal,
es sind nunmehr zwei Wochen seines gescheiterten Versuches vergangen, die äußerliche Wunde ist so gut wie verheilt, aber wie sieht es in ihm selbst aus?
Ich merke, daß ich unglaublich mißtrauisch geworden bin und vieles Anzweifel. Wenn er redet, höre ich ihm zu - aber ich stelle fest, daß ich einiges von seinem Gesagten mit gedanklichen Kommentaren versehe. Im Moment ist es so, daß es mir schwer fällt, ihm etwas zu glauben, was sich auf die "Jetzt-Zeit" bezieht. Kindheitserzählungen bewerte ich gar nicht - eher erinnern sie mich auch an meine eigene Kindheit. Er nimmt jetzt seit 6 Tagen Valdoxan und wacht nur noch 1 - 2 mal pro Nacht auf. Er sagt, daß er sich schon etwas besser fühle. Ist dem wirklich so oder macht er sich was vor? Gedanklich befinde ich mich in einer Zwickmühle und komme im Moment nicht mehr heraus. Zu viele Gedanken sind in meinem Kopf seit seinem gescheiterten Versuch und ich habe das Gefühl, die Bleiplatte, die auf mir liegt, wird immer schwerer. Habe jetzt zwei Wochen Urlaub und werde versuchen, in diesen zwei Wochen eine prof. Hilfe für mich zu finden, weil ich dringend jemanden brauche, mit dem ich reden kann, der mir vielleicht eine Hilfestellung geben kann, mit der gesamten häuslichen Situation einschl. des folgenden Rattenschwanzes umzugehen. Mein Mann selbst hat in drei Wochen ein erstes Gespräch mit einem Therapeuten.
Vielen Dank nochmals für die bisherigen Antworten und die zum Teil aufmunternden Worte. Ich habe das Gefühl, daß ich nicht alleine bin. Vielen Dank.
Zen
Beiträge: 201
Registriert: 5. Jul 2010, 11:31

Re: Ich bräuchte mal ein paar Infos...

Beitrag von Zen »

Hallo Alma,

schreibe dir hier als Angehörige.

Ich kann Deine Hilflosigkeit gut verstehen und in diesem Zustand sollst du jetzt einen klaren Kopf bewahren. Was sehr schwierig ist.
Dir wird jetzt viel abverlangt.

Ich möchte Dir gerne 2 Bücher empfehlen, die Dir in Deinem Umgang mit deinem Mann und der Situation viele Infos geben.
Denke jetzt bitte nicht, zum lesen habe ich jetzt ja garkeine Zeit. Nimm sie Dir bitte.
Viele Fragen die Auftauchen werden, werden verständlich erklärt und helfen Dir, mit dieser schwierige Situation besser umzugehen.

Denn dein Mann braucht jetzt deine Unterstützung und diese Unterstützung kannst Du Dir aus den Büchern holen.

1 Buch .....und wo bleib ich ? Ein Leitfaden für Angehörige.
Geschrieben von Dr. Dorothea Blum und Matthias Dauenhauer
Klar und verständlich geschrieben mit vielen Fallbeispielen.

2 Buch ...... So nah und doch so fern. Geschrieben von Dr. Jeannette Bischkopf.

Hole Dir das 1 Buch zuerst.

Viele wichtige Infos hast Du kompakt und sofort zur Hand, das schöne ist, Du kannst jederzeit nachlesen.
Glaube es mir, es ist ein sehr wichtiger Ratgeber, gerade für uns als Angehörige und du kannst deinem Mann besser verstehen lernen und manche Situation besser einschätzen.

Wünsche Dir und deinem Mann alles gute und wenn du Lust hast klinkt dich mal auf der Angehörigenseite ein

Gruß
Sammie
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