Nichts gemacht...

Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von Salvatore »

Hallo uhe,
habe ganz lange darüber nachgedacht, was ich dir zur Aufmunterung schreiben könnte und mir ist nichts eingefallen.

Zu allem Unglück habe ich gerade ganz viel an dich geschrieben und mich dann 'verklickt', so dass das jetzt alles im Nirvana verschwunden ist.

In Kurzform:
Wie Kormoranin schon sagt, Depressionen sind als Krankheit akzeptiert. Immerhin kommt die Krankenkasse für die Unkosten auf und es wurde aufgenommen in die ICD-10 (Klassifikation der Krankheiten). So viele Menschen können sich nicht irren, schon gar nicht wenn es um bares Geld geht.

Ich habe nicht ganz verstanden, warum du unterscheidest unter Depressionen zu 'leiden' oder sie zu 'leben'.
Ich meine, du leiest doch, oder? Und es ist ja nicht so, dass du dich dafür entscheidest, antriebs- und kraftlos zu sein oder eben nicht!
Einer mit Grippe entscheidet sich ja auch nicht dafür oder dagegen zu husten...?

Und Depressionen sind ja häufig auch eine Stoffwechselerkrankung. Auch wenn nicht klar ist, ob du dich schlecht fühlst weil der Stoffwechsel nicht stimmt oder ober der SW nicht stimmt, weil du dich schlecht fühlst.
Wenn die Medis nicht anschlagen, kannst du nicht deinen HA um eine Akutüberweisung zum Neurologen bitten, damit du ein anders Medi probieren kannst? Kommt ja sehr oft vor, dass man da herumprobieren muss bis es passt.

So, uhe, jetzt kann ich nicht mehr!

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von Salvatore »

Hm, eine Sache noch:

mir fiel gerade ein Zitat ein, dass ich irgendwo hier im Forum gelesen habe:
Wenn du das tust, was du immer getan hast, bekommst du das, was du immer bekommen hast.

(oder so ähnlich)

Wenn du sagst, dich mit dir selbst zu beschäftigen tut einfach weh... Dann heißt das doch aber auch, dass da was ist, das dringend raus will.
Und wenn es dir zunehmend schlechter geht, dann finde ich, ist das auch ein Zeichen, dass deine Strategie einfach nicht funktioniert.

Ich kann verstehen, dass du nichts neues ausprobieren willst/kannst/solltest, solange du keinen Rückhalt hast von Therapeutin und Freundin, um dich aufzufangen.
Aber wenn beide wieder da sind?
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
ultrahocherhitzt
Beiträge: 19
Registriert: 18. Jun 2010, 19:30

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von ultrahocherhitzt »

Liebe Kormoranin... Vielen Dank! Ich habe es versucht, mir vorzustellen, aber für so etwas bin ich nicht so gut empfänglich... Ständig stehe ich unter Strom, halte mich unter Strom! Aus irgendwelchen Gründen habe ich Angst, zur Ruhe gekommen... Aber wie hier schon geschrieben wurde, wäre es vielleicht mal ganz gut! Ich kann das alles auch einfach nicht mehr so leisten, mache Fehler, wünsche mir, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen, aus Angst zu versagen. Aber jeden Tag versage ich wieder, weil ich mein angestrebtes Pensum nicht schaffe und bei den Dingen, die ich wenigstens schaffe, Fehler begehe... Es ist wirklich frustran. Ich weiß auch nicht, ob ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, weil Fahrrad fahren gut tun soll, oder ich fahre, in der Hoffnung, dass mein Verstand wenigstens an der Stelle, an der ich über die Brücke fahre, einfach mal aussetzt... Ich weiß es nicht... Ich denke, dass ich an den Punkt angekommen bin, dass ich mir nicht sicher bin, welche meine Gedanken sind, oder die, die mir von außen eingegeben werden, nicht eingegeben, aber die ich von anderen übernommen habe... Es fällt mir wirklich schwer zu unterscheiden, und deswegen sage ich so oft, "ich weiß es nicht". Wenn sich meine Therapeutin doch mal dazu erbarmt, mir Fragen zu stellen und ich dieses "Ich weiß es nicht" über die Lippen bringe , sagt sie, dass sie das Gefühl habe, ich halte sie hin. Aber wohin? Ich verstehe das nicht... Ich weiß es wirklich nicht, es ist alles so dumpf und schwammig... Ich hoffe dann einfach nur, dass mein Unterbewusstsein irgendetwas aufnimmt, weil ich momentan nicht in der Lage dazu bin.

Wahrscheinlich verschwende ich zu viel Energie darauf, nicht wahrhaben zu wollen, vielleicht wirklich krank zu sein, anstatt sie für meine Genesung zu verwenden. Ich kann schlecht Hilfe annehmen, mache den Menschen deutlich, dass ich wunderbar alleine zurechtkomme! Solange, bis sie mir es abkaufen und nur noch meine Hilfe in Anspruch nehmen... Zwischendurch kommt auch bei mir mal der Gedanke auf, "und wo bleibe ich?", aber der wird schnell wieder verscheucht, ich bin es nicht wert. Meine Umgebung hat sich daran gewöhnt. Jetzt brauch ich auch nicht mehr anfangen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, obwohl ich sie vielleicht wirklich gebrauchen könne, wenn ich es zugeben würde. Aber ich verschwende zuviel darauf, stark zu sein...
Es hört sich wahrscheinlich echt doof an, aber ich denke, dass man Menschen schon irgendwie in Kategorien einteilen kann: Es gibt Menschen, die immer kämpfen müssen, es gibt Menschen, denen vieles zufliegt, die Glück haben, es gibt Menschen, die immer eine bestimmte Kategorie Mensch anziehen, usw.... Ich denke, dass es von der Einstellung einfach abhängt, von dem, was man ausstrahlt! Und das würde ich gerne bei mir ändern, weiß aber nicht wie... Ich kann ja nicht auf einmal anders sein! Wahrscheinlich hab ich irgendwann mal eine Abbiegung verpasst und laufe nun im Kreis, doch mein Gehweg hat sich schon so tief eingegraben, sodass mir keine Abbiegung mehr begegnet, um es mal ein wenig metaphorisch auszudrücken... Das Schlimme an dem Ganzen ist, dass ich meine, es zu durch-/überschauen und mir manchesmal wünsche, dumm zu sein. Wenigstens so dumm, diesen Blick von Oben nicht zu haben. Das würde mir vieles einfacher machen, ist aber vielleicht auch mein Überlebenselixier.

Es ist einfach so, dass es mich, glaube ich, seit meinem 11. Lebensjahr verfolgt, immer wiederkommt... Und nur die guten Zeiten dazwischen lassen mich hoffen!!! Ich möchte aber nicht so in der Schwebe leben... Ich habe Angst, dass es mein Leben lang so weitergeht... Ich kann nicht mehr... Es hat doch keinen Sinn... Zu dem Schluss komme ich, weil ich zum Ersten Mal wirklich etwas dagegen unternehme, es mir aber nicht hilft...

Liebe Salvatore, gerade erreicht mich deine Nachricht... Vielen Dank!
Ich schreibe "Depressionen leben" weil es vielleicht so ist, dass ich möchte, dass es mir schlecht geht? Ich mich daran gewöhnt habe, mich darin eingemummelt habe, und "gut gehen" vielleicht ungewohnt wäre, ich auch Angst davor habe? Ich denke einfach, dass ich mehr tun sollte, müsste, aber einfach nicht kann... Selbst da lasse ich mich hängen, enttäusche mich selber! Oh man, das klingt alles so paradox... Ich leide... Aber wie gesagt, weiß ich noch nicht einmal meine Diagnose. Habe ich eine? Ich will keine!!! Ich wünsche mir, dass alles "normal" ist, ich nicht so denke!
Ich vertraue keinen Ärzten, letztlich wollen die "sowas" auch nur schnell loswerden, weil es einfach schwierig ist, so auch mein Hausarzt! Und wäre ich bei einem Neurologen wirklich an der richtigen Adresse?

Und ja, vielleicht will da etwas raus, aber ich weiß leider selber nicht was es ist, aber es könnte sein... Warum meine Freundin noch mit mir zu tun haben will, erscheint mir ein Rätsel... Eigentlich müsste sie mich hassen! Und die Therapeutin tut mir Leid, weil sie ihre Zeit totschlägt, mit jemanden, der sie nicht zu nutzen weiß, nicht weiß, was zu tun ist, was erzählenswert ist...
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von Salvatore »

Hallo!
Mir geht das auch oft so, dass ich verwirrt bin wenn mich Leute mögen und große Stücke auf mich halten. Ich denke dann, sehen die denn nicht was für eine Katastrophe ich bin?
Aber die Selbsteinschätzung ist eben häufig etwas anders als die Fremdeinschätzung.
Dir geht es ja sicherlich auch so wie mir, dass du vor aller Welt eine Person darstellst, die alles im Griff hat und kompetent schwierige Situationen meisterst...
Die Zweifel, die Anstrengung, die Hoffnungslosigkeit und Überforderung kriegen die wenigsten mit.
Ich denke oft, dass Depris die besten Schauspieler sind...

Aber vielleicht haben die anderen ja Recht und wir selber Unrecht? Vielleicht sind wir ja wirklich ganz tolle Typen...

Neurologe meine ich übrigens nur, damit er sich das mit den Medis bei dir mal anguckt und dir vielleicht was anderes aufschreibt oder was ergänzendes.
Psychiater wäre natürlich noch besser, meiner ist Neurologe und Psychiater, das ist optimal.
Wenigstens bis zu deiner nächsten Therapiestunde. Ist ja noch was hin.

Übrigens ist es nie zu spät um Hilfe anzunehmen und darum zu bitten. Fällt mir auch schwer und einige reagieren auch überrascht. Aber eigentlich sind die meisten hilfsbereit und einige freuen sich auch, wenn sie mal was zurückgeben können.

Ich glaube auch, dass du sehr viel Energie verschwendest, um ein Leben aufrechtzuerhalten das das eines Gesunden ist. Du machst dich kaputt, du hast diese Energie nicht und bist schon im 'Schuldenkonto', das muss aber irgendwann auch mal ausgeglichen werden. Möglichst bevor die 'Energiebank' dir den Kredit kündigt... Hoffe du verstehst was ich meine.

Ob dumm sein so erstrebenswert ist? Weiß ich nicht. Dann müsste man schon dumm genug sein, dass man selber nicht erkennt, dass man dumm ist und auch nicht kapiert, wenn andere einem das sagen.
Sonst wäre man ja auch wieder unglücklich...

Und das glaube ich auch nicht, dass du dich quasi häuslich eingerichtet hast in deiner Depression.
Denn du kämpfst doch wie irre an dagegen. Gehst zur Therapie, nimmst AD, schreibst hier im Forum, reflektierst, grübelst über dein Leben und Strategien zur Bewältigung, versuchst unter höchsten Anstrengungen Arbeit und Alltag zu meistern...
Das klingt für mich so gar nicht danach, in der Depri zu versinken.
Das wäre dann ja eher, alles liegen zu lassen und gar nichts mehr zu machen. Nicht aufstehen, keine Körperpflege mehr, nicht aufräumen, schon gar nicht arbeiten, nichts versuchen. Kann man ja auch machen, wenn man sich denkt, hilft doch eh nichts, wird nie besser, was soll's.

Das mit den Ärzten ist immer schwierig, finde ich. Aber ich denke mal, dein HA will dich nicht 'loswerden', weil es ihm mit dir 'zu schwierig' ist. Der ist einfach nur nicht der Richtige, um deine Probleme zu behandeln. Er ist mehr der Mittelsmann, der dich an die richtigen Stellen überweist. Die wenigsten HÄ kennen sich richtig aus mit Depris und dann wäre es auch unangemessen zu versuchen, das zu behandeln. Können sie auch gar nicht.

Vertrauen kann/muss man lernen und das muss sich auch entwickeln. Mir fällt das superschwer und es behindert mich tierisch in meiner Therapie. Ich arbeite ja daran, aber es geht unglaublich langsam.
Immerhin muss ich nicht arbeiten gehen (bin krankgeschrieben), anders würde es auch nicht gehen, da ich kaum genügend Kraft für die Therapie aufbringen kann und es mich auslastet.

Weiter oben wurde ja schon mal gesagt, dass Therapeuten, Ärzte etc. dir eine Dienstleistung anbieten und froh sein können, dass du kommst. Es sichert Ihnen den Lebensunterhalt und du zahlst eine Menge Geld dafür, dass sie sich alles anhören, was du zu sagen hast. Das ist dein gutes Recht und es kann keine Rede davon sein, dass du der armen Frau ihre Zeit stiehlst.
Und SOLLTE es sie TATSÄCHLICH langweilen, dann hat sie einfach ihre Profession verfehlt. Aber ich glaube nicht, dass es so ist. Ist eher die Frage, warum du das so empfindest... Bisschen Egoismus ist manchmal ganz gut!

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
ultrahocherhitzt
Beiträge: 19
Registriert: 18. Jun 2010, 19:30

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von ultrahocherhitzt »

Nach langer Zeit....

Man, ich war in letzter Zeit nicht in der Lage überhaupt irgendetwas zu schreiben, war wie gelähmt...

Die drei Wochen sind nun so gut wie um. Heute war ich wieder bei meiner Therapeutin, sie hat mir eine Verlängerung angeboten... Aber ich bin nicht in der Lage diesen Fragebogen auszufüllen, den ich bereits am Anfang bekommen habe. Sie sagte, dass sie ihn für den Bericht braucht. Und jetzt? Ich kann das nicht... Sitze davor mit 'nem Stift in meiner linken Hand. Was schreibt man da? Oder eher: Was schreib ich da? Es fällt mir so schwer... Ich weiß es einfach nicht...

Mein Körper ist wirklich interessant... Anscheinend gibt es doch ein sehr enges Zusammenspiel zwischen Seele und Körper... Immer dann, wenn ich mir mal wieder zuviel aufhalse, schickt mein Körper mir etwas, womit er mich zu Boden strecken kann. Bin momentan krank geschrieben und mir graust es vor dem "wieder gesund sein". Mal abgesehen denkt der Arzt mit Sicherheit, dass ich eine komplette Idiotin bin, weil er leider nichts feststellen konnte. Aber mir gings wirklich richtig mies. Und dass es keinen Namen dafür gab, macht mich echt verrückt.... Kann man sich so etwas einbilden? Was ist nur los?

Morgen kommt auch meine eine Freundin wieder, die sich für drei Wochen verabschiedet hat. So, wieder alle beisammen.... Aber ich glaube, ich will das gar nicht mehr! Sie fängt auch schon an, so einen Mist von sich zu geben, wie ich! Bin ich ansteckend? Ich möchte das nicht, verkrafte das nicht, fühle mich verantwortlich...

Ich habe die drei Wochen überlebt... Sie sind vorbei...
JJ
Beiträge: 14
Registriert: 19. Jul 2010, 14:42

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von JJ »

Hi ultrahocherhitzt,

ich habe gerade alles durchgelesen. Mir sind die Tränen gekommen. Da ist so viel, so unglaublich viel dabei, das ich 1 zu 1 nachvollziehen kann. Auch gerade, ob ich mir nicht alles einbilde? Und ob es nicht so ist, dass man sich gerne auf dem schlechten Gefühl ausruht? Ist es nicht Selbstmitleid und suhlt man sich nicht irgendwo gerne darin?
Ich merke, dass es echt anstrengend ist, gut drauf zu sein. Ich habs völlig verlernt, auch wie ich es verlernt habe, mich zu freuen.
Und noch tausend Sachen mehr, die ich in deinen Texten wiedergefunden habe.

Ich wollte dir sagen, dass du nicht alleine bist. Und es ist auch kein Mitleid, keine Sorge. Aber es hat mich wirklich berührt. Ich finde es übrigens ganz großartig, dass du hier trotz allem so ausführlich schreibst. Ich kanns (wills?) nicht, aber ich finde hier fast alles wieder, was mich selbst betrifft, das tut sowohl weh als auch gut. (Sorry für den konfusen Text, mein Kopf ist grad nicht klar genug für was besseres.)

Ich wollte dir zwei Sachen vorschlagen. Zum einen grübelst du nach. Das kann man nicht abstellen, das ist klar. Aber mach dich doch nicht zusätzlich noch fertig, weil du grübelst. Versuch, es hinzunehmen. Völlig egal, was für Gedanken es sind, es sind DEINE und keiner kann dir vorschreiben, was du zu denken hast. Wenn du was effektives hast, was dich ablenkt, klar, nur zu, aber ich würde an deiner Stelle nicht versuchen, es mit Gewalt abzustellen. Das kostet noch mehr Kraft. Und vielleicht kommt bei der Grübelei genug klares heraus, dass du in der Therapie ansprechen kannst. Verstehst du, wie ich meine? Nicht noch selbst den Dolche weiter in die Wunde stoßen, als er ohnehin schon ist.

Der zweite Vorschlag wäre (weiss nicht, ob der schon kam?), dass du Beiträge aus dem Thread hier von dir mitnimmst in die Therapie. In jedem längeren schreibst du unglaublich viel von dir und was in die vorgeht. Du hast es geschafft, dich zu öffnen. Und das sind doch genau die Probleme, die dich betreffen. Oder wie siehst du das?
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von otterchen »

Hallo!

auch gerade, ob ich mir nicht alles einbilde?

Darum geht es: zu lernen, seinen Gefühlen zu vertrauen. Sie haben ihre Berechtigung, aber sie sind vergänglich. Wir können sie steuern und beeinflussen. Gedanken -> Gefühle -> Handlungen können wir verändern.

Und ob es nicht so ist, dass man sich gerne auf dem schlechten Gefühl ausruht? Ist es nicht Selbstmitleid und suhlt man sich nicht irgendwo gerne darin?

Das wäre eine negative Bewertung - und die gilt es sich abzugewöhnen. Nicht streng mit sich zu sein, sondern nachsichtig, geduldig und verständnisvoll.
Allerdings auf dem schmalen Grat, nicht in der Depression zu verbleiben, sondern aktiv zu werden. Pro-aktiv statt passiv.

Es gibt viel zu lernen, es gibt viel zu tun.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
JJ
Beiträge: 14
Registriert: 19. Jul 2010, 14:42

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von JJ »

Hi otterchen,

das geht jetzt schon ziemlich am Ursprungsthema vorbei, aber weil es mich schon länger beschäftigt, möchte ich da trotzdem drauf eingehen.

Das mit dem Selbstmitleid ist so ein Sache. Jeder suhlt sich mal in Selbstmitleid nach einem schlechten Tag, ich denke, das ist normal. Dieses Verhalten wird aber auch niemand als sinnvoll betiteln, denn Selbstmitleid bringt einfach nichts. Was unterscheidet jetzt aber mein Verhalten groß von "normalem" Selbstmitleid? Ich kann da nicht viel unterschied erkennen. Meine Gedanken sind größtenteils egozentrisch, und kreisen um mich und was ich alles nicht mag an mir und schaffe, ohne aber was zu verändern. Und manchmal "tut es gut", sich völlig in diese Gedanken versinken zu lassen. Was vielleicht anders ist, dass ich diese Gedanken nicht abstellen kann, aber vielleicht ist das auch nur so, weil ich es im Grunde nicht will, weil es trotz allem Schmerzes der leichtere Weg ist? Klar, es tut weh, aber ich kann mir ja einbilden, dass ich machtlos bin, und es einfach so mit mir passiert? Und sind wir da nicht wieder ganz klar beim Selbstmitleid angelangt?

Du schreibst:
> Das wäre eine negative Bewertung - und die gilt es sich abzugewöhnen. Nicht streng mit sich zu sein, sondern nachsichtig, geduldig und verständnisvoll.

Wenn mich jemand offensichtlich triefend vor Selbstmitleid vollheult, braucht der meistens eher einen kräftigen metaphorischen Tritt in den Allerwertesten, keine Nachsicht (das klingt bissl hart jetzt, haben mir aber auch schon "Betroffene" bestätigt). Also warum sollte ich mich selbst in Watte packen?
ultrahocherhitzt
Beiträge: 19
Registriert: 18. Jun 2010, 19:30

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von ultrahocherhitzt »

Hallo JJ,

es ist manchmal wirklich sehr hilfreich zu wissen, dass man nicht allein ist mit seinen Gedanken und dass es anderen Menschen ähnlich ergeht. Aber wie du schon sagst, manchmal tut es auch weh...

Gerade in schlechten Momenten fällt es mir schwer, mich abzugrenzen, meine Gedanken gehen über meine Empathiefähigkeit hinaus. Ich habe in solchen Momenten das Gefühl, dass ich andere Sichtperspektiven übernehme und dann selber gar nicht mehr weiß, was eigentlich noch meine Gedanken sind. Das ist auch der Grund, warum ich solchen Foren auch äußerst kritisch gegenüberstehe. Ich habe es teilweise als gegenseitiges Anheizen empfunden, was letztlich dazu führen kann, sich in diesem Loch, in dem man sich befindet, noch weitervorzugraben.
Ich weiß nicht, ob das so hilfreich ist, es an dem eigentlichen Ziel vorbeigeht...
Das ist der Grund, warum ich irgendwann einfach mal angefangen habe, hier zu schreiben... Und da kann ich von mir behaupten, dass ich es mal für mich genutzt habe, natürlich auch wieder mit den Gedanken, anderen Menschen hier mit meinem Selbstmitleid auf die Nerven zu gehen. Aber die Menschen müssen es ja nicht lesen: Ein klick und es ist weg. Jeder kann es sich selbst aussuchen!
Wenn ich zur Therapie gehe, setze ich die Frau gezielt mit mir auseinander, was ich leider immer noch sehr schlecht kann und das mit einer der Gründe ist, mich ihr nicht so öffnen zu können. Leider ist dieses Gefühl der Wertlosigkeit sehr stark ausgeprägt...
Die Dinge, die ich hier angesprochen habe, bilden, glaube ich, den Rahmen... Was dazwischen ist, kann ich selbst noch gar nicht sagen, ist so schwammig, so dumpf, nicht greifbar...

Das, was otterchen vielleicht meint, ist dem ähnlich, was du mir zum Thema Grübeln geschrieben hast. Dieses Selbstmitleid, welches wir als solches erkennen und äußerst abschätzig betrachten, sollte man einfach als ein Teil dieser Krankheit anerkennen. Man sollte es nicht vehement versuchen, loszuwerden, sich noch mehr Grund geben, schlecht zu sich zu sein, sondern es zulassen, etwas vielleicht für sich Brauchbares rausziehen und umzulernen. Wenigstens lernen, es anders zu deuten. Nicht den Dolch noch tiefer in die Wunde hineinstoßen, um es mit deinen Worten auszudrücken... Etwas Brauchbares kann in diesem Fall sein, dass man sich vielleicht endlich mal mit sich auseinandersetzt, sich um sich selber sorgt. Das ist etwas, was ich nie in einer angemessenen Form getan habe... Und nun schäme ich mich für mein Selbstmitleid, weil ich so ein geringes Selbstwertgefühl habe, dass ich mich gar nicht um mich kümmern darf. Sorry, ist wahrscheinlich alles ein wenig verwirrend...
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von otterchen »

Hallo JJ,

unter diesem Aspekt hast Du natürlich Recht.
Aber es muss nicht gleich ein metaphorischer Tritt sein

Was ich auch eigentlich meinte, ist zu lernen, positiv von sich zu denken. So können diese selbstmitleidigen und überkritischen Gedanken gar nicht erst entstehen.
"Liebevoll" also in dem Sinne, NICHT die schlechte Meinung zu bestätigen und zu sagen "die ganze Welt ist schlecht und du hast es ja sooo schwer", sondern die negative Bewertung aufspüren und schauen, ob man das nicht auch anders sehen kann.

Und @ ultrahocherhitzt:
und natürlich kann man auch mal in Selbstmitleid versinken. Das ist mir gerade letztens noch passiert, das war so dunkel...
aber das ist die Depression. Man sollte sich dafür nicht auch noch kritisieren und fertigmachen ("alter Jammerlappen") sondern sich solche Tiefs auch mal erlauben.

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von kormoran »

hallo ultrahocherhitzt,

so richtig schön ausformuliert kriege ich das jetzt wohl nicht mehr hin, aber mir wäre wichtig, dass man das auseinanderhält (lernt, auseinanderzuhalten):

selbstmitleid ist ja ganz was anderes als die notwendige realistische und mitfühlende sicht auf sich selbst als kranken menschen.

ich finde, es klappt ganz gut, wenn man sich selbst in der jeweiligen situation mal als seine besten freundin oder gar als ein kind vorstellt. mit anderen menschen geht man meist (gilt natürlich auch nicht immer und überall) ganz realistisch, vernünftig und auch liebevoll um.

so wie du dich beschreibst, geht es für dich schon sehr stark darum, mal wirklich klar zu erkennen, was sache ist: dass du krank bist, dass du zur ruhe kommen musst. dass du nicht an deiner situation schuld oder unfähig bist. dass du dich erst mal wieder richtig wahrnehmen und deine bedürfnisse kennen lernen musst.

natürlich kann parallel zu deiner selbstüberforderung auch mal das totale selbstmitleid (alles scheiße, warum ich, es soll bitte sofort aufhören) ausbrechen - aber wenn du dich selbst ein bisschen wach beobachtest, kannst du sicher ganz gut unterscheiden.

liebe grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
ultrahocherhitzt
Beiträge: 19
Registriert: 18. Jun 2010, 19:30

Re: Nichts gemacht...

Beitrag von ultrahocherhitzt »

Liebe Kormoranin,

was soll ich sagen? Du hast recht was das Selbstmitleid betrifft. Ich habe von diesem Begriff eine ganz andere Auffassung: Für mich zerfließe ich bereits in Selbstmitleid, wenn ich vor mir selbst zugebe, dass es mir nicht gut geht, ich nicht weiß, wer ich bin, was eigentlich meine Meinung ist. In dem selben Atemzug mache ich mich sofort selbst fertig. Ich denke, ich lasse mich zu sehr hängen, muss mich ablenken, damit das ja vorbeigeht. Ich muss, ich muss, ich muss... Ansonsten gerate ich da noch mehr hinein. Aber inzwischen muss ich auch leider selbst feststellen, dass es nicht mehr greift, mich nichts ablenkt und ich immer mehr versage, Fehler mache. Das macht mir unwahrscheinliche Angst. Es geht schon wieder seit über einem Jahr so, es muss doch endlich mal Schluss sein! Es muss doch endlich weitergehen!
Aber ohne Einsicht und ohne mich als lebensberechtigten Menschen wahrzunehmen wird es wohl nicht weitergehen...
Antworten