den Boden unter den Füßen verloren

Antworten
Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von Papillon »

Ich weiß nichts mit der Zeit anzufangen.
Ich weiß, das ich etwas tun müsste, das ich etwas ändern müsste und ich kann nicht.

Ich bin noch immer krank geschrieben, noch zwei wochen ... wie konnte ich nur da hinein rutschen wo ich jetzt bin? Mir ist plötzlich alles zuviel geworden und es hat mich umgehauen, aus der Bahn geworfen und ich will es immer noch nicht so wirklich wahr haben.

Ich war heute im Keller beim Wäsche waschen und die zwei Stockwerke hoch und runter war Anstrengung pur, ich hatte kaum noch Atem... alles strengt mich an.

Mein Freund sagte, ich soll für ein paar Tage zu ihm kommen, aber ich schaffe es nicht mich aufzuraffen und zu ihm zu fahren obwohl ich weiß das es eine gute Idee ist.

Ich schaffe es nicht meinen Therapeuten anzurufen, der mir auf den AB gesprochen hat... ich weiß nicht warum. Ich weiß ich brauche einen Termin aber ich weiß auch, dass er mir nicht helfen kann, dass ich da allein durch muss...

Es versteht mich niemand, denke ich.
Eine Freundin von mir vertritt die radikale Meinung man wird gesund wenn man nur ganz fest daran glaubt und positiv denkt... ich hab nicht die Kraft mit ihr zu diskutieren und ihr zu erklären, dass positiv denken bei einer Depression nicht viel nützt wenn sie einmal voll zugeschlagen hat.

Ich bin in etwas hinein geschlittert...
meine Ärztin vermutet auch ein Angststörung. Dabei hatte ich nie wirklich Probleme damit ausser Dysmorphophobie, die ich mittlerweile im Griff habe und das schlägt eigentlich nicht mehr ins Gewicht.

Aber wenn ich in einem Café sitze oder Restaurant egal ob drinnen oder draußen, dann überkommt mich eine Übelkeit und das Gefühl als würde der Kreislauf absacken und mein Gesicht fühlt sich taub an und mein Hals wird kribbelig und schnürt sich zu... Ich hatte das noch nie! Warum kommt das jetzt und wovor hab ich Angst?

Die Ärztin meinte, es hängt alles zusammen, die Trennung, meine neue und aufgrund der baldigen Entfernung nicht einfache Beziehung, meine lange Erkrankungs-Geschichte...
Ich hab so viel verdrängt und jetzt stürzt es auf mich ein und ich weiß nicht was ich tun soll...



Draußen ist schönes Wetter und ich sitze drinnen...

Ich hab Angst nicht mehr auf die Füße zu kommen.
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von ben1 »

Hallo Papillon

ich denke, viele hier verstehen Dich sehr gut! Schön wäre es natürlich, wenn Du selber verstehen könntest, was da gerade abläuft, denn das macht natürlich Angst, Verunsichert und "zieht runter", obwohl man sowieso schon unten ist.

Häufig ist ein Zusammenbruch gleichzeitig Ende und Anfang. Das Ende des Lebens, das man bisher führte - und der Anfang des Lebens, das man zukünftig führt. Erst brechen mal alle Werte, Normen, Selbsteinschätzungen, Lebensphilosophien usw. weg - mit dem Ergebnis, das man eine Zeit lang da steht "wie nackt". Man weis, das da was grundsätzlich falsch läuft, hat aber keine Ahnung, was das sein könnte und wie der Alternativentwurf aussehen könnte ("was will ich eigentlich?").

Diesen "Nullpunkt" als solchen zu sehen und zu akzeptieren, ist meiner Meinung nach der erste (und wichtigste) Schritt zur Neuorientierung. Wenn ich mich mit dem Status Quo erst mal einverstanden erklären kann (nicht als Dauerzustand, sondern als derzeit gegeben), kann Veränderung starten. Du bist in Therapie - mach genau das zum Thema!

Du must da nicht alleine durch - ja, Du kannst (wenn oder besser weil! Du ein Mensch bist) das häufig gar nicht alleine mit Dir ausmachen. Der Mensch ist so konstruiert, das er bekannte Gedanken wieder und wieder denkt - mal neue Gedanken, neue Bewertungen der Situation zu erhalten (jenseit vom "positiven Denken" das sicherlich seinen Sinn in vielen Fällen hat, hier eher nicht) kann dich wirklich weiterbringen - also mach das zum Thema in der Therapie.

Die Glühbirne ist NICHT durch konsequente Weiterentwicklung der Kerze erfunden worden - da waren neue Gedanken dabei, neue Ideen. Daher musst Du da nicht alleine durch - viel Arbeit wird bei Dir bleiben (bspw. Trauerarbeit über das bisherige Leben, über bisherige Fehler usw. usf.) aber es ist mehr als sinnvoll, einen erfahrenen Begleiter bei der Arbeit zu haben, der Deine Arbeits- oder Lebensweise mal von außen betrachtet und die eine oder andere Anregung geben kann.

Daher mein Rat ganz konkret - sprich in der Therapie auch mal über diese "Meta-Ebene" (Ich glaube, alles alleine schaffen zu müssen) - das halte ich für sehr sinnvoll.

Alles Gute

Ben
momadome
Beiträge: 610
Registriert: 2. Aug 2009, 15:03

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von momadome »

Hallo Papillion,

ich verstehe dich sehr gut und kenne diesen Zustand aus eigenem Erleben.

Wenn der Weg in die Küche um sich ein Brot zu machen schon zu weit ist und die Entscheidung , ob ich Salami oder Schinken drauf legen soll so schwer fällt, als hinge ein Leben davon ab.

Wenn der Verstand einem sagt, jetzt müßtest du dir Hilfe holen, ruf deinen Therapeuten an, aber der Körper sich einfach weigert den Telefonhörer in die Hand zu nehmen. Es ist doch viel zu anstrengend und außerdem ist man den anderen doch wieder nur lästig.

Wenn ich wieder in so einen Zustand komme, was mir immer wieder passiert, ERLAUBE ich mir krank und kraftlos, traurig und trostlos zu sein. Ich erlaube es mir wortwörtlich, denn wenn ich versuche dagegen zu arbeiten, setze ich mich damit unter Druck und die Phase verlängert sich dadurch.

Ich weiß, es hört sich so einfach an und es ist so schwer zu akzeptieren, ich muß es mir auch jedes Mal wieder neu klar machen, obwohl ich es doch schon oft erlebt habe und weiß, daß es immer wieder besser wird.

Versuche deinen Zustand zu akteptieren und dich nicht unter Druck zu setzen mit "ich müßte, ich sollte usw.". Wenn es etwas besser wird sprich sobald als möglich mit deinem Therapeuten.

Ich wünsche dir Zuversicht, es geht immer wieder bergauf.

jojoma
Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von Papillon »

Danke für eure lieben Antworten!
Es bedeutet mir immer sehr viel in dieses Forum zu kommen und zu wissen: ich bin nicht allein. Für "Aussenstehende" ist das nicht immer nachvollziehbar.

Gestern war der schwärzeste Tag den ich hatte... Es ging mir nicht gut, ich konnte nicht mal richtig sprechen und mein Freund war da und es war mir so unangenehm dass er mich so sieht. Ich hab gesagt es ist besser wenn er nach Hause fährt.
In mir drin hat alles geschrieen, eigentlich wollte ich dass er bleibt, aber aus meinem Mund kamen andere Worte.
Ich sehne mich nach Nähe und gleichzeitig kann ich sie nicht haben wenn ich in diesem Loch sitze... ich fühle dann auch nichts mehr...
Er ist dann tatsächlich gegangen und er sagte zu mir, dass ich unverantwortlich handle... Ich! Dabei konnte ich nicht anders handeln in der Situation...
Zehn Minuten später hab ich es bereut, mich hat die Einsamkeit so gefangen genommen und alles in mir hat weh getan und ich hab ihm geschrieben, er soll bitte zurück kommen. Und da war es zu spät... er hatte bereits mt seiner Tochter telefoniert und war auf dem Weg um sie abzuholen um mit ihr das Wochenende zu verbringen.

Es hat mir weh getan... Es war eine Mischung aus Verzweiflung und Einsamkeit und im Stich gelassen werden obwohl ich es ja selbst so wollte...

Es war meine Schuld, ich habe ihn weggeschickt.
Aber dann denke ich mir, wie konnte er so "einfach" gehen? Und wenn er doch weiß, dass es irgendwann besser wird, hätte er dann nicht zehn, zwanzig Minuten warten können? Mir eine SMS schicken, mich anrufen ob ich es tatsächlich so meine?
So komme ich mir ausgetauscht vor... ich kann nicht, also springt seine Tochter ein... er hat ein schönes Wochenende mit ihr (was ich ihm auch gönne!) aber ich liege in meiner Wohnung und bin ein heulendes Elend und niemand ist da der mich hält...

Ich habe ihn gestern Abend noch angerufen und konnte vor Tränen kaum sprechen und er war gerade unterwegs auf Shoppingtour... nebenzu hat er sich mit seiner Tochter unterhalten welches Top ihr am Besten steht... ich kam mir blöd vor.

Meine Ehe ist nach 9 Jahren in die Brüche gegangen und ich gebe mir die Schuld, ich gebe der Depression die Schuld... weil er zu mir sagte: ich konnte dir nie helfen. Du bist mit mir nicht glücklich und ohne mich auch nicht.
Mein Ex-Mann war immer da... er ist nie von meiner Seite gewichen wenn es mir nicht gut ging... ich konnte ihm noch so grausame Dinge an den Kopf werfen... er hat es ausgehalten, er hat das durchgestanden mit mir, er wäre nie auf die Idee gekommen zu gehen und mich in so einer Situation allein zu lassen.
Aber ich merke, dass das auch nicht der richtige Weg ist. Er hat sich zurück genommen für mich... er hat sein eigenes Leben hintenangestellt...

Jetzt habe ich seit 8 Monaten eine Beziehung und ich liebe diesen Mann, ich hatte noch nie solche Verlustängste, ich dachte es wäre gestern alles vorbei zwischen uns...
Ich habe Angst, dass auch er sein Leben nach mir richtet, sein Leben hintenanstellt... ich habe Angst, dass auch er irgendwann sagt: ich kann dich nicht glücklich machen...
Deshalb ertrage ich es auch kaum, dass er mich in dem Zustand erlebt, weil ich das nicht zum Bestandteil unserer Beziehung machen möchte.

Aber wie ist es richtig?
Ich wünsche mir dass er bei mir bleibt, selbst wenn ich sage er soll gehen...

Er hätte doch gestern warten können, nachfragen... stattdessen sucht er nach Ersatz und findet ihn auch.

Ich bin böse auf mich selbst und irgendwo auch "böse" auf ihn... obwohl ich es selbst so wollte.

Meine Stimmung ändert sich seit ca. zwei Wochen stündlich... das kenne ich so gar nicht.

Ich hab Angst.
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von Chiron »

Hallo Papillon (schöner Nick),

<<Meine Stimmung ändert sich seit ca. zwei Wochen stündlich... das kenne ich so gar nicht.>>

wurdest Du mal auf eine bipolare Störung hin untersucht?
Bei mir dauerte die Diagnostizierung ab der ersten schweren Depression bis zur Feststellung der Bipolaren Störung rund 1,5 J.
Dabei hat der Arzt es nur bemerkt, weil ich während der ganzen Zeit bei ihm in Behandlung war.

Diese fast stündlichen Stimmungswechsel kosten sehr viel Kraft. Bei mir dauert dieser Zustand bereits seit ca. 3 Monaten an und darum bin ich momentan in der Tagesklinik um wieder stabil zu werden und die Medikamente neu einzustellen.

War nur so ein Denkansatz für Dich von mir.
Gib nicht auf, auch ultra ultra rapid cycler haben eine Chance auf Linderung der Beschwerden.

Liebe Grüße,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von Papillon »

Hallo Chiron,

bei mir ist es so, dass ich zwischendurch mal Tage habe an denen es mir nicht so gut geht. Meistens geht es mir tagsüber gut und zum Nachmittag/Abend hin schlägt es dann um. "Normalerweise" ist das an 1, 2 Tagen so und dann (seit meiner Therapie) vergehen wieder Tage oder Wochen in denen es mir gut geht und ich mich normal fühle.
Aber seit zwei Wochen geht es mir jeden Tag ein paar Stunden nicht gut.
Manisch bin ich nicht, denke ich... meine Ärztin hat dies auch nicht bemerkt bei mir.
Ich habe aber vor ein paar Wochen in einer wie ich denke "manischen" Phase meine Tabletten abgesetzt, weil ich dachte, ich bin quasi unverwundbar, ich brauche sie nie wieder, ich hab´s geschafft.
Ich wurde eines besseren belehrt und nehme auch regelmäßig meine Medikamente, aber es braucht wohl eine Weile bis alles wieder normal läuft.

Im Augenblick hab ich wieder Hoffnung und weiß auch, dass es wieder besser wird, dass ich da jetzt durch muss und am Ende des Tunnels Licht ist... so war es bisher noch immer, aber man vergisst das so leicht
PurpleRain
Beiträge: 213
Registriert: 29. Mär 2010, 22:02

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von PurpleRain »

"Wozu ist das?" "Das ist blaues Licht." "Und was macht es?" "Es leuchtet blau."
Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

Re: den Boden unter den Füßen verloren

Beitrag von Papillon »

Ich bin immer noch zuhause...
Es ist trügerisch, denn seit ein paar Tagen merke ich, dass es wieder aufwärts geht, dass ich mich besser fühle... ich bilde mir ein, ich fühle mich besser. Aber wenn ich draußen unterwegs bin merke ich, dass mir vieles zuviel wird. Dann ist die Übelkeit wieder da, die Angst dass es mir die Füße wegzieht.
Ich hab ein schlechtes Gewissen meinen Kollegen in der Arbeit gegenüber... gerade jetzt wäre so viel zu tun! Aber ich weiß, wenn ich jetzt im größten Stress zurück käme, dann wäre ich nach zwei, drei Wochen wieder dort wo ich jetzt bin... Wie soll das weitergehen?

Meine Ärztin hat in der Tagesklinik nachgefragt... dort wäre ein Termin frei ab September!

Wenn ich zuhause bin habe ich das Gefühl die Decke fällt mir auf den Kopf... ich hab ein unruhiges Gefühl im Bauch.
Wenn ich draußen bin, wird mir früher oder später mulmig und übel...
Mein Therapeut vermutet eine Anpassungsstörung, vermutlich auch Angstzustände die ich entwickelt hab. Ich drücke mich nicht vor solchen Situationen, ich versuche immer mal wieder im Café zu sitzen, dorthin zu gehen wo viele Leute sind. Es hat mir doch vor ein paar Monaten noch nichts ausgemacht, warum jetzt?! Weil ich immer noch erschöpft bin? Weil mir alles irgendwie zuviel ist?
Und wann wird das wieder besser?
Wann hört es auf?
Wann wird es wieder "normal"?
Antworten