Neue Therapie angefangen

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Susanna1985
Beiträge: 55
Registriert: 10. Mai 2010, 18:15

Neue Therapie angefangen

Beitrag von Susanna1985 »

Hallo alle zusammen,

ich wollte heute mit meinem "Problem" mal die Therapie-Erfahrenen fragen, ob Ihr meine Erlebnisse in der Therapie normal findet.

Und zwar habe ich seit kurzem eine Gesprächstherapie angefangen. Hatte bis jetzt erst 3 Stunden beim Therapeuten.
Bin etwas unsicher wie so eine Psychotherapie abläuft, da es meine erste ist.
Also die ersten beiden Sitzungen musste ich fast durchgehend weinen - zum teil so heftig, das ich kaum dabei reden konnte.
(Habe ein Burn-out, mittelschwere Depression und soziale Ängste).
War also total fertig, und natürlich auch erleichtert, dass ich endlich jemanden gefunden habe der mir helfen möchte.
Aber ich kam mir auch so blöd vor. Ich sitze dort vor einem fremden Menschen und kann mich kaum beherrschen.
Und er starrt mich nur an während ich vor ihm rumheule.
Ich hätte mir so gewünscht dass er mir in so einer Situation Mut machen würde, oder mich einfach mal in den Arm nehmen und mir dadurch ein Gefühl der Sicherheit und Akzeptanz zu vermitteln, Mir gut zuredet dass alles nur besser werden kann. Irgendeine Geste, dass ihn mein Schicksal nicht völlig kalt lässt, dass auch er (mit)-fühlt.

Ist das, was ich mir wünsche zuviel verlangt? Hat soetwas keinen Platz in einer Therapie? Oder ist dies gerade schon eine therapeutische "Lektion" gewesen, die ich erfahren habe?

Bin froh über jeden Gedanken darüber!
Liebe Grüße,
Susanna
Sister-Act

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Sister-Act »

Hallo Susanna,

es ist doch gut, dass du jetzt deinen Druck durch weinen loswerden kannst. Deswegen musst du dir keine Gedanken machen. Es hat sich wahrscheinlich einiges bei dir angesammelt, das jetzt herausbrechen kann.

Für deinen Therapeuten ist das was ganz alltägliches. Bestimmt nimmt er sich absichtlich zurück, damit erhältst du die Möglichkeit deinen Frust loszuwerden. Er wird sich erst mal einen Eindruck von dir machen und dir zuhören, um ein klares Bild über deinen momentanen Gesundheitszustand zu bekommen.

Körperliche Gesten (Umarmung) sind jedoch tabu.
Auch ein Therapeut (Arzt) muss sich selber schützen und professionelle Distanz wahren, damit er nicht mit all den Problemen seiner Patienten irgendwann selbst überfordert ist.

Positiven Zuspruch und angenommen werden wünscht sich jeder Patient. Sprich doch deinen Therapeuten darauf an warum er dir bisher nicht Mut zugesprochen hat. Teile ihm doch ruhig mit, dass dir das in deiner Situation helfen würde.
Abraxas
Beiträge: 77
Registriert: 5. Aug 2009, 20:22

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Abraxas »

Susanna1985
Beiträge: 55
Registriert: 10. Mai 2010, 18:15

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Susanna1985 »

Danke Euch für die Antworten!

Kam mir einfach ein wenig hilflos vor in der Situation. Jetzt im Nachhinein denke ich mir, dass er vielleicht noch nicht so recht wusste wie er reagieren sollte da er mich ja kaum kennt und noch nicht genau wusste welche Probleme ich überhaupt hab.
Dass Berührungen in so einer Therapie sozusagen tabu sind, hab ich mir schon fast gedacht. Das ist einfach mein Bedürfnis, mein Wunsch nach Umarmung. Wenn ich mehr Vertrauen zu ihm aufgebaut habe werde ich das mal ansprechen.
Danke für Eure Gedanken!
Liebe Grüße,
Susanna
florentine
Beiträge: 6
Registriert: 24. Mai 2010, 04:02

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von florentine »

Hallo Susanna,

hat Dich das Weinen erleichtert?

In meiner ersten Therapiestunde bin ich über die Kindheit ausgefragt worden, Fragen gefragt worden, die ich nicht beantworten konnte, total verunsichert worden... danach war ich (zu der Zeit eigentlich wegen der Medikamente schon einigermassen stabil) wieder total durcheinander und habe anschliessend lange und viel geweint. Ich habe aber erkannt, dass es an der Unfähigkeit der Therapeutin lag. Sie habe ich nie wieder besucht.
Erstmal sollte eine Therapie doch nicht alles Alte ausgraben, sondern dafür sorgen, dass Du das Neue bewältigen kannst?
Seit 10 Monaten bin ich bei einer Therapeutin, die mich versteht, mir hilft, Ratschläge gibt oder mich Rat finden lässt, deren Fragen ich meistens beantworten kann und mit der ich immer weiter komme. Ich fühle mich wohl mit ihr.
Das Wohlfühlen ist sehr sehr wichtig. Das war auch die erste und einzige Frage meiner Psychaterin: Fühlst Du Dich mit der Therapeutin wohl, kommst Du mit ihr klar?
Therapiestunden sind sicher nicht immer schön und entspannt. Und Weinen kann ganz natürlich sein, befreien und gut tun. Doch sollte der / die Therapeut/in auf Deiner Wellenlänge sein (was nicht unbedingt heisst, Deiner Meinung zu sein!); es ist wichtig, dass Du Dich dort (endlich einmal) wohl fühlst.

Alles Gute!
Florentine
Susanna1985
Beiträge: 55
Registriert: 10. Mai 2010, 18:15

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Susanna1985 »

Hallo Florentine!

Danke für deine Antwort!
Ja, das Weinen hat mich schon erleichtert, wenngleich es auch genauso "beschämend" für mich war...weil der Therapeut noch so fremd für mich ist.

Da hattest du ja Pech mit der ersten Therapeutin. Das ist doch klar, dass man nicht gleich anfängt die ganze (zum Teil vielleicht schlimme) Vergangenheit aufzugraben wenn man noch nicht wieder richtig dafür gewappnet ist.
Mein Therapeut hat mir das auch gesagt, dass wenn wir jetzt schon damit anfangen würden, er mich in Zukunft in der Psychiatrie therapieren müsste. Allerdings hat mir die Aussage ein wenig Angst gemacht...
Fühle mich von ihm irgendwie etwas unter Druck gesetzt, dass ich möglichst schnell stabil werden muss, um dann richtig loszulegen...(und es hapert an der Höherdosierung vom AD).

Schön, dass du dich bei deiner jetztigen Therapeutin wohl fühlst. Ja, die Wellenlänge muss stimmen, aber woran merkt man das?
Ab wann wusstest du das sie die "Richtige" für dich ist? Sorry wenn ich so blöd frage, aber bin mir bei meinem Thera einfach nicht richtig sicher.

Liebe Grüße an dich!
Susanna
Sister-Act

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Sister-Act »

Hallo Susanna,

bei mir gab es zur Kindheit nicht so viele Fragen, weil mein Therapeut mir vorab Fragebögen zum Ausfüllen gab. Das war zwar jede Menge Arbeit, hat jedoch die Therapiesitzungen erleichtert.

Was machst du für eine Therapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsych.)?
Geht es bei dir noch um probatorische Sitzungen?

Wenn es noch um Probesitzungen geht, könnte ich auch verstehen, dass sich dein Therapeut nicht so hundertprozentig einsetzt. Er weiß ja nicht sicher, ob du auch bei ihm bleibst.

Als es mir am Anfang schwer fiel, den richtigen Therapeuten auszuwählen, habe ich mir eine Für- und Widertabelle erstellt.

Fühle ich mich beim Th. wohl?
Kann ich ihm ALLES sagen? (Sich für nichts schämen müssen!)
Hört er mir zu? Hab ich das Gefühl Vertrauen aufbauen zu können, und kann ich mich auf die Therapie einlassen?
Werde ich stabiler?
Weitere Punkte: Sympathie, ungestörte Sitzungen (Telefon und Glocke läuten nicht, Sprechstundenhilfe unterbricht die Therapiestunde nicht), angenehme Atmosphäre, sich auf Termine verlassen können usw..
Sittich
Beiträge: 44
Registriert: 9. Sep 2008, 20:59

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Sittich »

Ich würde dir auch raten deine Irritation bezüglich der fehlenden Reaktion vielleicht anzusprechen, in dem Wunsch nach Nähe stecken sicherlich auch Informationen über dein Seelenleben. Wenn meine Therapeutin etwas tut das bei mir Irritation auslöst, spreche ich es an. Meistens erklärt sie mir dann die Hintergründe ihrer Reaktion und danach ist alles deutlich besser/klarer.

Ich könnte mir denken das es für die meisten Patienten der sinnvollste Mittelweg ist, sich erstmal auszuweinen. Manche wären von Berührungen irritiert, andere würden sie sich wünschen - das auszuprobieren wäre für den Therapeuten problematisch, er muss auch die Balance in der Beziehung zum Patienten im Auge behalten.
mbm22
Beiträge: 381
Registriert: 25. Mai 2010, 22:48

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von mbm22 »

Hallo Susanna,
ich habe Deine Gefühle in der Therapiesituation aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen können.
Wenn man sich einem fremden Menschen gegenüber so weit öffnet, so viel von sich preis gibt, so wünscht man sich von ihm Annahme, Akzeptanz und Mitgefühl.
Auch ich habe dieses von meinem Therapeuten oft nicht in der gewünschten Weise erfahren.
Es fällt mir daher oft sehr schwer, mich ihm anzuvertrauen und über Dinge zu berichten, die mich sehr belasten. Ich merke immer wieder, wie ich mich zusammenreiße, um bloß nicht vor ihm zu weinen. Dabei denke ich, dass eine kurze körperliche Berührung, etwa eine Berührung am Arm, schon diese Blockade bei mir lösen könnte. Es müsste gar kein In-den-Arm-nehmen sein, was in der Patienten-Therapeuten-Beziehung wohl auch eher nicht angebracht wäre. Aber mein Therapeut ist da sehr distanziert und sorgt immer für einen großen, auch räumlichen Abstand.
In meiner eigenen therapeutischen Arbeit gehe ich selber damit anders um. Mittlerweile kann ich relativ gut einschätzen, ob kurze Berührungsimpulse es einem Kind leichter machen, sich zu öffnen und über belastende schmerzvolle Dinge zu berichten, bzw. auch weinen zu können. Mit einer Kurzberührung, z.B. signalisiere ich dem Kind auch, ich bin für dich da, du bist nicht allein. Manchmal reichen die verbalen Botschaften nicht aus und man muss diese spürbar machen.
Ich habe hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht und es hat unsere therapeutische Arbeit ein erhebliches Stück weitergebracht. Sicherlich muss man dabei auch als Therapeut aufpassen, dass man nicht zuviel Nähe zulässt, die schon wieder unprofessionell wäre.

Liebe Grüße

Lernfee
Zorra
Beiträge: 300
Registriert: 20. Nov 2005, 13:37

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Zorra »

Hallo zusammen,

ich möchte mal nur einen kleinen Aspekt reinbringen, der mir gerade so aufgefallen ist zu der Frage Nähe - Distanz.

In meiner Anfangszeit vor vielen Jahren bei der Therapie war in den Stunden durchaus auch gefühltes ewiglanges, mir wehtuendes Schweigen - warum hilft sie mir nicht mit den richtigen Fragen??? Ich bin zu, ich kann nicht ...

Ich bin immer mal wieder, mit Abständen, bei der selben Therapeutin (auch jetzt) und die Stunden laufen ganz anders. Es hat Zeit gebraucht, bis wir uns kennenlernen und aufeinander einstellen konnten. Und ich mußte lernen, mich zu erklären, auch mal zu widersprechen, zu fragen. Ein langer Prozess. Aber er lohnt sich, weil mir das für mein Leben hilft.

Am Anfang hatte ich auch so eine Sehnsucht nach Nähe - die war aber aufgehoben durch eine gleichzeitige Angst vor einer "Abhängigkeit" von der Therapeutin. Also so in dem Sinn, nur dort fühle ich mich aufgehoben und geborgen, nur dort kann ich zeigen, wer ich bin.

Ich wollte gestärkt in mein Leben zurück. Also musste ich mich mit ihrer Unterstützung auf den Weg machen, mir die Liebe, die Zuneigung, die wärmenden Beziehungen (egal ob Freundschaft oder Liebe) dort zu suchen, wo sie eigentlich auch hingehören - in meinem realen Leben.

Insofern passt für mich die nicht zu große Nähe zu der Therapeutin. Allerdings wachse ich in kuscheliger Atmosphäre auch nicht so, da richte ich mich lieber gemütlich ein - für die Therapie wäre das gar nicht gut für mich.

LG von der Maskentänzerin


Wir sind nicht die Masken, die wir tragen ... doch wenn wir sie zu lange aufhaben, werden wir dann nicht wie sie?

© Aya Yven

Susanna1985
Beiträge: 55
Registriert: 10. Mai 2010, 18:15

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Susanna1985 »

Danke für eure Berichte!!


@ Sister-Act

Mache eine Gesprächstherapie, also der Therapeut hat als Schwerpunkt die Systemische Familientherapie und die klinische Hypnose.
Da ich in der Schweiz lebe, gibt es hier keine Probatorischen Sitzungen. Ich werde bei dem Therapeuten bleiben, da ich in meiner Verfassung momentan nicht auf einen Therapieplatz längere zeit warten könnte.

Die Für und Wider-Liste gefällt mir gut. Habe leider nur das Problem dabei, dass ich durch meine Sozialen Ängste, mich fast immer bei fremden bzw. wenig bekannten Menschen unwohl fühle und mich schäme wenn ich soviel von mir preisgeben muss im Gespräch.
Und so ist es kein Wunder, dass es auch erstmal in der Therapie so zugeht.

@ Sittich

Ja, du hast recht. Das Ansprechen des Wunsches nach Nähe wäre sicher angebracht. Tue mich da noch etwas schwer, da ich noch nicht so viel Vertrauen aufbauen konnte. Werde mir noch ein wenig Zeit lassen.

@ lernfee_22

Ich finde mich in deinen Aussagen z.T. stark wieder. Hätte das Gefühl, dass eine einfache Berührung bei mir auch so eine Art Blockade lösen könnte.
Versuche sogar öfters den räumlichen Abstand zu verringern, in dem ich meinen Stuhl weiter vorrücke
Finde auch interessant was du von deiner therapeutischen Arbeit mit Kindern erzählst. Ich kann mir vorstellen, dass so eine einfache Geste enormen Einfluss haben kann auf das Vertrauenverhältnis.

@ Maskentanz

Du sagts es, die Sehnsucht nach Nähe und die gleichzeitige Angst vor einer "Abhängigkeit" durch den Therapeuten.
Bei mir ist das sehr paradox - habe einerseits Angst abhängig zu werden, aber nur weil ich es von mir so kenne, dass ich Abhängigkeit auch genieße und mich da richtig hineinsteigern kann...

Liebe Grüße an alle,
Susanna
florentine
Beiträge: 6
Registriert: 24. Mai 2010, 04:02

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von florentine »

Liebe Susanna,

schön, dass Du hier so viele Antworten finden kannst! Du bist nicht allein mit der Frage, und jeder ist anders im Ungang mit Menschen. Wenn es etwas länger braucht, bis das wechselseitige Vertrauen da ist, dann bedeutet das nichts Schlechtes.

Du fragst, was "auf einer Wellenlänge" ausmacht, und wie ich das herausgefunden habe.

Für mich war es nach der zweiten Sitzung klar: Vielleicht ist es nicht die ideale Therapie, vielleicht gäbe es auch noch bessere Therapeutinnen, die noch passender für mich wären - aber ich spürte, dass die Sitzungen mich weiter brachten. Nicht in riesigen Schritten, aber jedes Mal ein bisschen.
Auf einer Wellenlänge heißt hier für mich, dass ich merke, wie die Therapeutin versteht, was ich meine, dass sie Fragen stellt, die ich beantworten mag und kann, und dass diese Antworten für mich Schritte sind - alleine hätte ich sie nicht gefunden. Die Sitzungen machen mich froh und erfüllen mich mit Zuversicht. Sie gibt mir Leitfäden und neue "Patterns", mit denen ich meinen Alltag besser meistern kann und auf die es sich immer wieder lohnt, sich zu besinnen. Sie ist mir sympathisch, aber ich sehe auch ihre Schwächen - das macht mir das Wahren einer Distanz einfacher.
Anfänglich haben wir uns jede Woche gesehen, nach ca. zwei Monaten dann alle zwei Wochen. Selbst das ist nach 10 Monaten Therapie manchmal zu häufig - weil es mir schon so gut geht.
Zusätzlich hilft, dass sie wie ich zwischen zwei Kulturen hin- und hergerissen ist - sie war als Chinesin 20 JAhre in den USA (und hat ihre Ausbildung komplett dort gemacht), ich lebe als Deutsche in Shanghai.

In welcher Weise setzt Dein Therapeut Dich unter Druck, so dass Du meinst, Du müsstest nun besonders schnell stabil werden? Spürst Du das oder sagt er etwas diesbezüglich?
Was meinst Du mit „und es hapert an der Höherdosierung vom AD“?

Ich wünsche Dir, dass Du ein gutes Verhältnis zu Deinem Therapeuten aufbauen wirst und hoffe, dass Ihr eine gute Basis findet, so dass die Therapie Früchte trägt.

Liebe Grüsse, Florentine
rispe
Beiträge: 17
Registriert: 7. Jun 2010, 12:02

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von rispe »

Ich weine auch immer sehr viel in diesen Gesprächen, das ist bei mir aber allgemein so, wenn ich über meine Depression rede. Oft ist mir das unangenehm, da ich einfach nur sachlich berichten und nicht durch das Weinen eine emotionale Reaktion hervorrufen möchte. Beim Therapeuten ist mir das aber egal. Ich habe vor zehn Jahren schon eine Therapie gemacht, und immer, wenn ich weinen musste, sagte meine Therapeutin: "Ich sehe, dass Sie das jetzt emotional sehr berührt." Und dann war ich auch froh, denn plötzlich hatte das Weinen einen Sinn, es sagte ihr was.

Dass ein Therapeut dann erst mal nichts sagt und abwartet, würde ich so interpretieren, dass er Dir Raum geben will, deine Gefühle zu äußern und wieder unter Kontrolle zu bringen. Berührung ist bestimmt ein schwieriges Thema. Ich würde es als unangenehm empfinden, brauche den Abstand.

Dass meine Therapeutin damals für mich passte, habe ich daran gemerkt, dass sie mir die richtigen Fragen stellen und damit die Lösung aus mir selbst herauslocken konnte. So eine hätte ich jetzt auch gerne wieder...
Susanna1985
Beiträge: 55
Registriert: 10. Mai 2010, 18:15

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Susanna1985 »

@ Florentine

Ja, ich habe auch oft das Gefühl, dass es sicher noch "bessere" Therapeuten für mich geben würde. Aber bevor ich die nächsten Monate damit verbringe nur nach dem "Besten" zu suchen, gebe ich mich lieber mit einem guten zufrieden, zumal ich glaube das ich nicht mehr länger warten dürfte mit einer Therapie.
Es freut mich, dass es dir mittlerweile so gut geht! Nimmst du denn noch ein Antidepressivum?

Ich hab einfach das Gefühl, dass mein Therapeut sehnsüchtig darauf wartet, dass ich stabil genug bin um richtig loszulegen (u.a. auch mit Hypnose). Er hat auch gesagt, dass ich diese psychologische Arbeit in meiner Verfassung nicht verarbeiten könnte.
Leider vertrage ich mein medikament nicht so gut, nehme nur die geringste menge die möglich ist. Ich hoffe ich kann auch stabiler werden ohne die Dosierung erhöhen zu müssen. Aber das setzt mich einfach unter Druck. Zumal ich momentan noch solche Magenprobleme hab, und teilweise tagelang nichts essen kann.

Du lebst in Shanghai? Wow, da würde ich so gerne einmal hin. Wie hat es dich dahin verschlagen? Aus beruflichen Grüden?


@ Milktea

ich finde, dass ist ein wichtiger Gedanke, den du da angesprochen hast: Das Weinen hat plötzlich einen Sinn bekommen.
So versuche ich das jetzt auch mal zu sehen. Ich sehe es sonst als etwas sehr lästiges. Weil es auch kaum möglich ist, es zu unterdrücken. Mein Therapeut sagt nie etwas dazu, vermutlich will er mir so wirklich den Raum für meine Grfühle geben.
Ich hoffe, du findest schnell wieder eine/einen gute Therapeutin/Therapeut!

Liebe Grüße,
Susanna
florentine
Beiträge: 6
Registriert: 24. Mai 2010, 04:02

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von florentine »

Liebe Susanna,

Genau, ich lebe in Shanghai. Hoffe, dass ich bald zurück nach Deutschland kann (hängt am Job), aber fühle mich hier sehr wohl.
Es ist gar nicht so schwer, herzukommen. Und sehr spannend. Viele Freunde und auch meine Eltern haben mich schon besucht – wirklich eine irre Stadt!

Es ist gut, dass Du etwas tust! Ich wünsche Dir, dass Du schnell stabiler wirst. Wie lange nimmst Du die Antidepressiva denn schon?
Ich nehme Sertralin. In den ersten Wochen ging es mir auch nicht so toll mit Medikament. Wenig Hunger, Magenschmerzen, Nachtschweiss, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Angstzustände, ...
Nach ca. 1-2 Monaten war es dann OK, aber die Dosis noch nicht ausreichend, so habe ich langsam erhöht. Zwischendurch habe ich mal ein anderes Medikament ausprobiert. Das half gar nicht! Die Ärztin meinte zwar, dass das auf jeden Fall genauso und voraussichtlich stärker und besser wirken würde, aber ich habe gar keine Reaktion darauf gezeigt – das waren die schlimmsten zwei Wochen im letzten Jahr, habe unendlich gelitten unter der Krankheit – doch war mir danach, als ich weiter Sertralin genommen habe, sicher, dass ich damit auf dem richtigen Weg bin!
Seit diesem Jahr März (ein Jahr nach Beginn der Medikation) nehme ich nun die Höchstdosierung (200mg Sertalin). Zusammen mit der Therapie ist es nun wirklich erstaunlich gut. Klar, noch immer muss ich viel tun und gut auf mich aufpassen, brauche die Stunden mit der Therapeutin und erlebe immer wieder kleinere oder größere Rückfälle. Aber insgesamt bin ich stabil und so unendlich froh! Erst jetzt sehe ich, was ich davor alles durchgemacht habe und wie wertvoll ein Leben mit gezähmter Depression sein kann! Wie gut es ist, den Mut zu haben, die Diagnose machen zu lassen, zu akzeptieren und gegen die Krankheit zu kämpfen.
Das Medikament soll ich, nachdem ich mich richtig stabil fühle, mindestens noch ein halbes Jahr in der gleichen Dosis weiter nehmen. Dann kann man über eine Reduzierung nachdenken. Und das will ich dann auch, weil ich eine Familie haben und Kinder bekommen möchte - ganz deutlich Gedanken und Wünsche, die vorher in der Depression niemals so stark empfunden habe.

Was genau meint Dein Therapeut mit "psychologischer Arbeit"? Macht er keine Verhaltenstherapie?
Wie kommst Du zu einem Therapeuten, der Hypnose anwendet? Ist das häufig? Was genau soll damit erreicht werden? Das finde ich sehr spannend, damit kenne ich mich gar nicht aus.

Bei mir geht es als allererstes darum, dass ich jetzt und in der Zukunft mein Leben leben kann (und nicht von der Depression bestimmt werde, sondern mein Leben gestalte - alte Verhaltensmuster ablegen, neue aneignen). Wie wichtig das Aufarbeiten der Vergangenheit für mich sein kann, weiss ich nicht. Fast meine ich, dass ich mit jedem neuen Verhaltensmuster, jeder angegangenen Schwierigkeit in der Gegenwart meine Vergangenheit klarer sehe - und dann ist da gar nichts mehr, was aufgearbeitet werden müsste.

Herzliche Grüsse aus Shanghai
Florentine
Susanna1985
Beiträge: 55
Registriert: 10. Mai 2010, 18:15

Re: Neue Therapie angefangen

Beitrag von Susanna1985 »

Liebe Florentine,

klingt echt spannend wie du über Shanghai schreibst. Wie verständigst du dich denn dort? Mit Englisch? Klappt das gut?

Schön dass du mit dem Sertralin mittlerweile so gut zurecht kommst. Das ist sehr viel Wert!
Ich nehme mein Medi jetzt seit knapp 3 Monaten, aber in einer "homöopathischen Dosis", wie mein Arzt dazu sagt. Fühle mich etwas stabiler als ohne, aber Antrieb, Tatendrang und Freude sind noch nicht wieder da. Glaube, dazu müsste ich wirklich mehr nehmen.
War wieder beim Arzt wegen plötzlichen starken Magenschmerzen, und er meinte dass es evt, vom Medi kommen könnte. Soll jetzt wieder absetzten und dann schauen ob die körperlichen Symptome verschwinden...
Hab jetzt natürlich etwas Bammel vor dem absetzten. Will nicht wieder zurückfallen und der Depression wieder so ausgesetzt sein.
Mache mir drum grad einen "Notfall-Plan".

Es ist bei mir so ein ständiges hin und her. Habe schon einige AD´s ausprobiert und vertrage keines halbwegs gut. Mein Therapeut sagt dazu nur dass ich halt ein Sensibelchen wäre. Dabei bin ich das normal nicht. Hatte einfach sehr schlechte Erfahrungen mit einem AD gemacht und jetzt starke Angst wieder was neues auszuprobieren.

Es freut mich sehr für dich, dass du wieder genau spürst was du willst. Grade solche Wünsche wie eine eigene Familie zugründen sind einfach wunderbar und grundlegend!
Ich hoffe, das Ausschleichen des Medis klappt bei dir dann ohne weitere Probleme wenn es denn soweit ist.

Zu meiner Therapie: Der Therapeut macht mit mir eine Gesprächstherapie. Er hat eine Ausbildung als systemischer Familientherapeut und in klinischer Hypnose.
Weil es mir damals so schlecht ging, war die Therapieform zweitrangig für mich. Es ging darum, jemanden zu finden der sofort Zeit hat und einfach zuhört. Ich hatte Angst sonst in einer Klinik zu landen.
Bis jetzt hat er noch keine Hypnose angewendet, weil er meinte dass ich dazu stabiler sein muss...hmmm, und nun auch noch ohne Medi. Aber ich muss es irgendwie schaffen.

Entschuldige, jetzt hab ich nen halben Roman geschrieben. Aber es tut gut, ich sehe alles etwas klarer.

Herzliche Grüße an dich!
Susanna
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