Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

FönX
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Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo, Ihr Lieben,

das Thema deutet schon mal an, worum es mir geht. Im letzten Jahr, drittes Quartal entschloss ich mich, meine nebenberufliche Tätigkeit (Webhosting, Webdesign usw.), die das einzige ist, was ich leisten kann, in die Hauptberuflichkeit zu steigern. Der Bewilligungszeitraum für ALGII sollte Ende Januar 2010 auslaufen, und meine Frau und ich wollten keinen Folgeantrag stellen. Eigentlich haben wir mit dem Einkommen meiner Frau einen Anspruch auf 200-300 Euro ergänzendes ALGII (HartzIV). Meine Vorstellung war, dieses Geld durch meine Arbeit zu verdienen. Die Vorstellung ist realistisch und ich könnte leicht noch mehr verdienen. Aber warum es nicht klappt, erzähle ich später.

Zusätzlich hatten wir noch weitere Pläne, z.B. wieder ein kleines Auto zu kaufen, um mobil zu sein und damit ich auch mal spontan einen Kundenbesuch machen kann, anstatt ihn ins Büro (zuhause) einzuladen. Also, um einfach guten Service zu bieten. Mitte Dezember wurde alles greifbar. Während ich aus der Distanz der Ereignisse (im August) die Klappe groß aufreißen kann, merke ich, wenn’s näher kommt, die Angst in mir hochkriechen. So war es dann auch gegen Ende des Jahres. Ich rutschte ab Mitte Dezember emotional tiefer und tiefer. Bis ich irgendwo merkte, mir wächst es über den Kopf. Ohne real etwas getan zu haben. Habe einfach weiter an meinen Kundenprojekten gearbeitet. Aber die Angst wuchs und wuchs. Gut, den Entschluss, keinen Folgeantrag an die ARGE zu stellen, haben wir geschafft. Irgendwie ein gutes Gefühl, frei zu sein, sich nicht mehr als HartzIV-Empfänger zu fühlen. Auch haben wir den Autokauf bis auf weiteres verschoben, was mich ziemlich erleichterte. Auch die Krankenkassen-Frage konnte ich mit eurer Hilfe klären (Danke, Chimera!). Zudem kamen einige aufgeschobene Kundenzahlungen, die ich ja nun nicht mehr bei der ARGE angeben musste. Ist schon toll. Mittlerweile war aber die Angst wieder da. Zeitgleich mit der Unentschlossenheit meiner potenziellen Kunden. Die Anweisungen für die in Auftrag gegebenen Webseiten kamen nicht. Es ging nicht weiter. Ich war im Zugzwang, die Kunden anzurufen, was mir wieder neue Angst machte. Wie einige wissen, ist das Thema Kundenansprache oder Kundenakquise bei mir negativ belegt, ja traumatisch behaftet. Letztlich ist daran meine Depression ausgebrochen.

Während der ganzen Zeit überlege ich mir, ob es nicht sinnvoll sei, neben Trimipramin in Minimaldosierung wieder ein Antrieb steigerndes „richtiges“ AD zu nehmen, oder gar eine weitere ambulante Therapie zu machen. Vielleicht sogar beides. Auf jeden Fall merke ich, dass ich einfach nicht die Kraft habe, den Stein ins Rollen zu bringen, oder, wie mein Thema sagt, ins Fahrwasser zu kommen. Dieses Erleben deprimiert mich zusätzlich, ich fühle mich wieder mal als Versager. Ich reagiere auf meine Umwelt hypersensibel, katastrophisiere Kleinigkeiten. Misstöne, die vermutlich nur ich höre, werden in meinem Kopf zum Monster (gerade im Arbeitsforum der DDL erlebt. Meine dortigen Mitstreiter mögen mir verzeihen). Und so rutsche ich wie im Treibsand immer tiefer, habe mittlerweile Angst vor einer weiteren schweren Episode.

Heute habe ich dann beim Psychiater angerufen. Es war schwer genug, durchzukommen und eine lebende Person an den Hörer zu holen. Der nächste Schock kam schnell. Der früheste Termin: 28.5., einen Tag vor unserem geplanten Urlaub. Im Urlaub wollte ich eigentlich kein neues AD einschleichen, sondern mich einfach auf Urlaub und Nordseeluft einlassen. Andererseits will ich nicht nochmal zwei Wochen ohne AD sein.

Es gibt noch mehrere Alternativen:
- Wir könnten noch diesen Monat einen vereinfachten Folgeantrag auf ALGII stellen. Dann ist die finanzielle Situation gemildert. Aber etwas in mir sperrt sich dagegen, wieder als Bittsteller aufzutreten.

- Ich habe noch 24 Kapseln Trevilor, so dass ich sofort anfangen könnte (75mg pro Tag). Mein Hausarzt würde mir auch sofort ein Folgerezept ausstellen. Trevilor kenne ich. Alles „Gute“, aber auch alles „Böse“ (NW). Habe ja hier viel drüber geschrieben.

- Mein HA würde mir auch Fluoxetin aufschreiben, damit ich sofort damit anfangen kann. Aber das hatte ich nur in Bad Bramstedt in der Klinik einige Tage und sofort wieder abgesetzt, weil eine latente Erkrankung dadurch zum Ausbruch kam.

- Nach dem, was ich gelesen habe, könnte Elontril (Bupropion) für mich geeignet sein. Mein HA will das aber nicht verschreiben, ohne vorher ein EEG zu sehen (Krampfgefahr). Und da muss wieder ein Neurologe wochenlang auf sich warten lassen.

Auch weiß ich nicht, ob ich neben der Medikation eine weitere Psychotherapie machen soll. Ich meine, mir fehlt nur der Antrieb, das in der KVT in Bad Bramstedt Erlernte umzusetzen.

Und so stehe ich auf dem berühmten dicken Schlauch und weiß nicht was ich tun soll. Ich weiß, dass mir niemand die Last der Entscheidung abnehmen wird. Aber vielleicht kommt von euch dieser oder jener Impuls.

Sorry, wenn jetzt der Eindruck aufkommt, den Beitrag hier deplatziert zu haben. Aber ich fand, das Problem war nicht so eindeutig Pharmakologisch oder Therapeutisch. Deshalb habe ich hier in "Umgang" geschrieben.

Danke fürs Lesen und
lieben Gruß
FönX

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Liber
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von Liber »

Hallo FönX,

ich möchte dir mal mein spontanes Gefühl rückmelden:

Ich weiß nicht recht, ob dir wirklich nur der Antrieb fehlt, oder ob es nicht doch eine Chance wäre, dir in einer Psychotherapie anzuschauen, womit du dich bzw. deine Fortschritte quasi selbst boykottierst.

Ein antriebssteigerndes AD einzunehmen, wäre sicher eine gute zusätzliche Möglichkeit. Ich selbst fahre gut mit Fluoxetin, aber die Sache mit der Krankheit, die bei dir durch die Einnahme aufgetreten ist, klingt nicht gut.

Zu den anderen Medis kann ich leider nichts sagen.

Jetzt erst für einen Monat Trevilor einnehmen und dann nach dem EEG-Untersuchung eventuell auf Elontril umsteigen ist aber sicherlich nicht so sinnvoll.

Vielleicht ist es einen Versuch wert, für das EEG noch weitere Neurologen anzurufen, ob es nicht doch schon früher geht?

Mehr fällt mir erst mal nicht ein...

Liebe Grüße
Brittka
FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo Brittka,

ich lasse deinen Beitrag mal so stehen, um die weiteren Wortmeldungen nicht zu beeinflussen. Nur zu der Erkrankung schreibe ich noch ein paar Worte:
Schon am Beginn meiner stationären Behandlung entdeckte man in den Blutwerten, dass eine Entzündung vorliegen musste. Die wurde dort aber nicht erkannt. In der Woche 6 bekam ich hohes Fieber, das auf eine Prostataentzündung zurückzuführen war. Damit kam ich in ein benachbartes Krankenhaus, das ich aber auf eigene Verantwortung verließ. Ich hab's dort schlichtweg nicht ausgehalten. Die Behandlung wurde zuhause durch einen Urologen fortgesetzt und abgeschlossen. Ich denke, die harnverhaltende Nebenwirkung von Fluoxetin hatte die Keime zurückgehalten und die Entzündung zum Ausbruch gebracht.
FönX

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bradforhelp
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von bradforhelp »

Hallo FönX,

ich möchte dich ermutigen, die finanzielle Unterstützung zu beanspruchen, um in dieser Hinsicht eine Entlastung zu erfahren. Du solltest dich, sag ich so einfach, auch nicht als Bittsteller fühlen. Unser Sozialsystem ist als Solidargemeinschaft gedacht und was Menschen in Notsituationen als Unterstützung erhalten ist ohnehin sehr wenig. Du bist unverschuldet in eine solche Notsituation geraten und dir steht die Hilfe zu.
Zu deinem Krankheitsbild kann ich nur sehr wenig sagen und nur von mir ausgehen. Die Einnahme von einem antriebssteigerndem und angstlösendem Medikament hilft mir persönlich sehr.

brad
"In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt."

Albert Camus
Harry_Haller
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von Harry_Haller »

... da kann ich mich Brad nur anschließen. Dir steht diese Hilfe zu, also nimm sie in Anspruch! Es gibt nichts , weswegen Du Dich schämen müsstest, oder hast Du DIr diese verfluchte Krankheit selbst ausgesucht?

Die Idee mit der Psychotherapie halte ich für gut. Mir selbst ist in der Therapie erst klar geworden, woher meine Probleme wirklich stammen, was einen völlig neuen Ansatzpunkt für deren Lösung ergab.

Hey, FönX, meine Emailadresse hast Du, wir können uns gern auch ..., öh, unter zwei Monitoren dazu austauschen, wenn Du magst!

Liebe Grüße und "Toi-Toi-Toi"
Der Steppenwolf
FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hi Steppenwolf,

mir geht es im Eigentlichen darum, dass ich mich, wie Brittka schon andeutete, selbst sabotiere. Das beobachte ich schon viele Jahre bei mir. Sehr viel länger als ich an Depressionen leide. Die Diagnose wurde vor gut fünf Jahren gestellt, Januar 2005. Nie vorher habe ich mal auf einer Erfolgswelle schwimmen können. Zu jedem Erfolg musste ich mir in den A**ch treten. Bis das irgendwann nicht mehr ging. Ich vermute, dass hinter dieser Selbstsabotage die permanente Unzufriedenheit meines Vaters steckt, die ich als Kind spürte. Das erzeugt "unbewusste Schuldgefühle". So heißt ein Buch, dass ich gelesen habe. Wenn man seinen Bruder, seinen Vater oder seine Mutter übertrifft, können leicht unbewusste Schuldgefühle auftreten. Von denen weiß ich nichts. Nicht bewusst, jedenfalls. Ich vermute sie nur. Das "Übertreffen" muss nicht das Einkommen angehen. Die Freude an der Arbeit kann es auch sein, wenn z.B. der Vater immer griesgrämig von der Arbeit kam. Mit dieser Erkenntnis bin ich schon ganz schön weit. Aber ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich davon loskomme, wenn die Vermutung überhaupt stimmt.
FönX

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adorno78
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von adorno78 »

Hallo Fönx,

deine Verhaltensmuster kenne ich nur zu gut.Es geht um Prokrastination,das ewige Aufschieben und "nicht in die Pötte kommen".

Aber nicht nur das,auch das Akquisetrauma haben wir gemeinsam.Ich kann mittlerweile kaum mehr wen anrufen und nehme so gut wie keine Anrufe entgegen,bin total isoliert deshalb.
Interessant finde ich:
"Wenn man seinen Bruder, seinen Vater oder seine Mutter übertrifft, können leicht unbewusste Schuldgefühle auftreten."
Das passt bei mir wie die Faust aufs Auge,mein Bruder war zB "nur" Hauptschüler,ich auf dem Gymnasium.Die SChuldgefühle waren nicht mal unbewusst...
Auch bei Vater oder Mutter würde mir da viel einfallen.

Glaubst du man kann diese "Erkenntnis" irgendwie nutzen um wieder in Gang zu kommen?
Ich schiebe seit 20Jahren alles vor mir her,alles kostet soviel Kraft.Vor einigen Wochen habe ich mich dann einfach aufgegeben,sitze in meiner Wohnung und warte quasi auf den großen Knall.Keine Uni,kein Job,kein Geld mehr.Selbst Zähneputzen fällt mir schwer.Die meiste Zeit verbringe ich fast völlig emotionslos,aber ich spüre wie alles in mir brodelt...

Entschuldige,dass ich dir nicht helfen kann,aber ich habe mich so in dir wiedergefunden.

Gute Besserung,

Arno
FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo Arno,

nein, ich habe keine Ahnung, wie ich das nutzen kann. Bei meinem Bruder und mir ist es wie bei dir. Auch er hat die Hauptschule besucht. Ich wäre gern aufs Gymnasium gegangen, hatte auch eine eindeutige Empfehlung. Aber meine Eltern meinten, Realschule müsse reichen. Ich habe nach der Schule den Beruf erlernt, den mein Bruder sehr gern gehabt hätte, heute heißt es "Informationselektroniker", den ich nur 10 Jahre ausgeübt hatte, weil ich dann eine noch interessantere und lukrativere Position übernahm. Er dagegen hasst(e) seinen Job. Diese beiden Dinge, Neid und Frust, habe ich ihn oft klagen hören.

Auch die privaten Dinge laufen bei mir viel besser als die meiner Eltern oder meines Bruders.[*] Ich erkenne darin schon deutlich das Muster, das die Herren Lewis Engel und Tom Ferguson in ihrem Buch beschreiben. Aber ich verstehe nicht, wieso ich mich deshalb sabotiere, und vor allem nicht, wie ich aus diesem Verhalten rauskomme. ([*]Einfügung: "Komischer"weise habe aber ich die Depressionen. Ist geradezu grotesk.)

Ich hatte das mit den unbewussten Schuldgefühlen oft angesprochen: in den stationären Therapien, in der zweijährigen ambulanten Gruppentherapie, bei meiner Psychologin, die ich fallweise konsultiere. Alle reagierten nicht wirklich darauf. Da waren immer andere "Baustellen", die für die Theras im Vordergrund standen. Und so kam ich in diesem Thema nie weiter, als bis zur Erkenntnis, die ich weiter oben schon beschrieb.

Liebe Grüße
FönX

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adorno78
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von adorno78 »

Hallo FönX,

mir ist nochetwas zum dem Thema eingefallen.
Ich erinnere mich bereits in jungen Jahren gute Leistungen immer unter den Scheffel gestellt zu haben, es war mir geradezu peinlich,oft habe ich mich sogar geschämt.Das ist immer so geblieben nur dass ich mittlerweile keine gute Leistungen mehr erbringen kann.Andererseits fühle ich mich in letzter Zeit selbst schlecht, wenn Bekannte oder Familienmitglieder etwas in ihrem Leben erreichen.Ich bin geradezu neidisch und es wird immer schlimmer je mehr ich mich selbst als Versager empfinden muss.Wie du es ausdrückst sobotiere ich mich selbst und merke wie mir die Zeit davon läuft und alle anderen mir davonziehn.

Ich weiß nicht in wie weit das mit der Theorie aus dem Buch zusammenhängen könnte,wäre aber durchaus denkbar.
was ist eigentlich das Anliegen dieses Buches,wenn es eine gewagte Theorie aufwirft,diese aber weder beweist noch Wege aus der Zwickmühle heraus aufzeigt?

Liebe Grüße

Arno
FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo,

in dem Buch steht schon eine mögliche Lösung. Die ist aber zu komplex, um sie hier darzulegen.

Ich hatte heute das Glück, einen kurzfristig ausgefallenen Termin bei meiner Psychologin zu belegen. Da habe ich das Thema angesprochen. Sie hat mir von einer puren Verhaltenstherapie abgeraten. Ich solle eher lernen, meine positiven Merkmale zu verinnerlichen, damit ich sie nicht nur weiß, sondern auch fühle. Meine Idee, wieder ein Antrieb steigerndes AD zu nehmen, hat sie eindeutig begrüßt.

Leider musste ich zugunsten dieses Gespräches den HA-Termin stornieren, der zeitgleich war. Nachher sagte mir meine Frau, er hätte sich extra Zeit für mich genommen. Schade. Aber man kann nicht alles haben.

Lieben Gruß
FönX

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bradforhelp
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von bradforhelp »

Hallo Fönx,

ich durfte auch nur auf die Realschule, weil mein Vater auf dem Standpunkt stand, das würde für mich als Mädchen ausreichen. Ohne Worte, dass so was im 20igsten Jahrhundert erlaubt ist! Meine Mutter plante für mich eine Karriere als Directrice mit vorherigem Besuch der "Frauenfachschule", so hieß das damals. Einer erfolgreichen Heirat stand nichts im Weg. Mein Vater war Berufssoldat, meine Mutter Hausfrau. Was ich wollte, hat nicht so richtig interessiert. Auf der Realschule hatte ich das Glück an Lehrer zu geraten, die es gut mit mir meinten. Ich wurde eine sehr gute Schülerin und sollte aufs Aufbaugymansium, von der 9. Realschulklasse in die 10. des Gymnasiums und habe mein Abitur problemlos geschafft. Allerdings klappte das nur, weil mein Klassenlehrer aus der 9ten Klasse zu Hause bei meinen Eltern auflief. Da waren meine Eltern stolz auf mich. Ein Studium wollten sie mir nicht bezahlen. Eine endlose Geschichte und erst über einige Umwege bin ich zu dem gekommen, was ich jetzt mache. Meine Mutter konnte sich nie vorstellen oder wollte es nicht, dass ich das kann, was ich mache. Ich habe eine ganz komplizierte Beziehung zu meiner Mutter, die mich mein Leben lang begleitet und mindestens drei Jahre Therapie gekostet hat.
Mein ganzes Leben wollte ich es meiner Mutter Recht machen und hatte Schuldgefühle, wenn ich meinte, versagt zu haben.
Ich habe eine tiefenpsychologische Therapie gemacht, die mich wirklich weiter gebracht hat. Ich kann jetzt vieles besser verstehen und einordnen. Das Thema werde ich nicht los, es mich aber nicht mehr so fertig.

brad
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Albert Camus
mystery60
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von mystery60 »

Hallo,

nur so eine spontane Idee zu Deinem threa, FönX:

Ich lese daraus, dass Du Dich selbständig gemacht hast und das was Du tust eigentlich gerne machst und die Arbeit als solche aus funktioniert.

Andererseits weißt Du aber, dass Du ein Problem mit Kundenaquise hast.

??? Wie soll das aber gehen, wenn man als Selbständiger an Aufträge heran kommen muss und nicht weiß, wie man auf Kunden zugehen und diese gewinnen kann?

Ich sehe es so, dass da wirklich ein größeres Problem dahinter steckt. Man fährt sich ja nicht bewußt in so eine "Sackgasse" - da steckt was dahinter. Da würde ich jetzt nicht einfach nur ADs schlucken in der Hoffnung man kommt damit über die aktuelle Hürde weg, ich glaube nicht, dass das funktionieren wird. Ich habe das Gefühl, du solltest das Problem wirklich mit Therapie mal gründlich angehen - vielleicht kommt es am Ende dazu, dass Du einen anderen Weg findest als die Selbständigkeit oder das Problem mit den Kundenkontatken ist dann keines mehr - würd´ ich Dir wünschen.

Und nebenbei: ggf. muss eben jemand anders die Kunden heranschaffen und Du machst dann eben nur noch die "eigentliche" Arbeit. Also eine "Directrice" suchen

Nur so ein Gedanke - weiß nicht, ob ich da richtig liege.....

Gruß
TG
FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo Tiefgrund,

man könnte sogar meine Entscheidung für die Selbstständigkeit infrage stellen. Dazu kann ich folgendes sagen:

Beispiel "Szenario Angestellter":

Meine Kräfte reichen nicht aus, dass ich jeden Morgen zur gleichen Zeit an einer Arbeitsstelle bin. Außerdem ist man nach 10 Jahren Selbstständigkeit und fünf Jahren Krankheit aus Sicht des künftigen Arbeitgebers nicht unbedingt erste Wahl, was durch den nächsten Punkt noch prekärer wird.

Als 55jähriger chronisch Kranker, 50%ig Schwerbehinderter, der aktuell ohne aktiven Beruf ist, kriege ich in der Provinz keine Arbeit. Ich weiß auch nicht, wo ich suchen sollte.

Zeig mir einen selbstständigen Beruf, der ohne Akquise auskommt. Sich verkaufen muss man immer. Sogar als Angestellter.

Mittlerweile tendiere ich sogar, mich hängen zu lassen, wieder ergänzendes HartzIV zu beantragen und in den Tag hineinzulegen, meine Depression zu pflegen. Bin schon wieder kurz vor der Resignation. Aber das will ich nicht. Daher kommt für mich nur eine Arbeit infrage, die ich dann ausüben kann, wenn es mir gut geht, und die ich auch mal an grauen Tagen liegen lassen kann. Diesen Freiraum gibt mir nur eine selbstständige Tätigkeit. Oder habe ich was übersehen?
FönX

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elas
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von elas »

Lieber FönX,

ganz kurz nur liebe Grüße von mir. Poste aus einem Internetcafe.
Gibt Ärger mit meinem Laptop.Und ich muss mich mit dem "Verkäufer" herumärgern...wie ich das liebe....

Bitte, bitte lass Dich nicht hängen.
Und die Vorschläge von tiefgrund finde ich gut.
Vorallem den mit einer intensivierten Einzeltherapie.

Herzlich elas
________________________________

Der Weg ist das Ziel



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FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo nochmal,

die Idee mit dem von mir eingesetzten Akquisiteur ("dem ist nix zu schwör") hatte ich schon lange. Ich habe mit vier erfolgreichen Verkäufern gesprochen, die in ihren Gesprächen meine Dienstleistungen mit ansprechen können. Nur hat das bis jetzt zu nichts geführt, obwohl die in Aussicht gestellte Provision recht interessant ist. Einen Verkäufer fest anstellen kann ich nicht. Dafür reicht es nicht.

Die Idee mit der gezielten Therapie werde ich Ende Mai beim Psychiater ansprechen. Auch schon beim Hausarzt. Leider hat mein HA erst wieder nächsten Dienstag einen Termin für mich frei, bei dem ich etwas ausführlich mit ihm reden kann. Nun muss ich eben warten. Leider haben alle Behandler immer auf eine Gruppentherapie gedrängt.

Liebe elas, den Kampf mit dem Verkäufer gewinnst du. Befohlen!

Liebe Grüße
FönX

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mystery60
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von mystery60 »

Hallo FönX,

ich sehe, Du hast schon einiges unternommen und meine Vorschläge waren nicht neu für Dich - hilft aber auch nicht weiter...
Also, wenn du schon "Verkäufer" organisiert hast, die ggf. auf Provisionsbasis tätig werden und es bislang noch nicht zum Erfolg geführt hat, dann könnte man daran ja arbeiten, d.h. entweder andere Verkäufer "einkaufen" - ggf. zusätzlich - oder das Konzept irgendwie anders organisieren/aufstellen, wenn das sicher auch alles nicht so einfach ist und aus dem Hut gezaubert werden kann.
Käme denn schriftliche Werbung besser in Frage, also Werbung durchs Internet, über Mails, Fachzeitschriften und ggf. dort einen - der bisherigen - Verkäufer als Ansprechpartner?
Vielleicht hilft es wenn über das Problem einfach ein paar Leute nachdenken, vielleicht auch solche, die nicht unmittelbar involviert sind.

Mehr kann ich da momentan leider auch nicht beitragen.
Ansonsten drück ich Dir die Daumen, dass Du die Phase gut überstehst und vielleicht kommt der Aufschwung demnächst auch bei Dir an.

Schönen Gruß
TG
FönX
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Im Gegensatz zur Akquise von Kunden für Finanzdienstleistungen habe ich bei der aktuellen Arbeit eine ungleich höhere Erfolgsquote. Spreche ich einen Unternehmer an, komme ich mit 90%iger Wahrscheinlichkeit an den Tisch und rede mit ihm. Damals musste ich 29 mal Frust schieben, um beim 30sten ein geringes Interesse vorzufinden. Der Rest war noch viel beschwerlicher. Für mich jedenfalls, weil ich in keiner Weise vom Produkt begeistert war. Heute bin ich begeistert. Vom Produkt, von meiner Arbeitsweise und von meiner Philosophie, jeden Kunden persönlich zu betreuen. Demzufolge müsste ich eigentlich im Monat nur zwei, drei Leute ansprechen, um dann einen oder zwei Aufträge zu kriegen. Leider habe ich mir in den letzten Wochen zuviel Zeit gelassen, so dass leider die Frust- und Hemmschwelle zu hoch geworden ist.

Auf jeden Fall werde ich nach den jahrelangen Gruppentherapien mal eine Einzeltherapie anstreben, in der ich meine Selbstdemontage mal entlarve und Auswege entwickeln werde. Für diesen Tipp danke ich euch. Ein Fluoxetin oder Venlafaxin oder oder oder muss dann auch sein.

Lieben Gruß
FönX

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adorno78
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von adorno78 »

Hallo FönX und alle Leser,

was mich ein wenig erschreckt hat,ist deine Aussage "...nach jahrelanger Gruppentherapie..."
Ich war jetzt bei 3 Ärzten und alle haben mir ausschließlich zur Gruppentherapie geraten.Schon beim 2.Arzt/Therapeut hatte ich das Gefühl,dass es sich hierbei um eine Art Pauschallösung handelt,sobald man sagt dass man Probleme bein Ansprechen von Fremden Menschen hat. 2 von 3 Haben sich die anderen Probleme auch kaum mehr angehört,oder darauf verwiesen,dass man das Aufschieben durch nen geregelten Tagesablauf schon wieder hinbekommt(auch in der Gruppenthera zu erreichen).Habe ich dann erwähnt,dass genau der "geregelte Tagesablauf" ein Problem darstellt und ich nach wenigen Wochen keine Kraft mehr dazu habe und dann richtig abrutsche - dazu hatten sie dann nichts mehr zu sagen.
Was hast du denn aus den Gruppentherapien mitgenommen(positiv wie negativ)?

Gruß

Arno
FönX
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Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hi Arno,

die erste stationäre Therapie war GT: Zwölfeinhalb Wochen. Danach bei der Psychologin der Klinik in der Gruppe: Zwei Jahre. Einige Wochen SHG über ADHS, was mir nichts brachte. Oktober-November 2008 stationär in der Klinik Bad Bramstedt.

Bevor ich auf deine Frage eingehe:
Wenn ich in eine Gruppe komme, ist schon ein gewisses Beziehungsgeflecht da. Wir sind eine Gruppe. Damit ist eine entscheidende Hürde schon genommen. Dann kann ich auch reden, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Auch kann ich problemlos einen Verkäufer ansprechen, von dem ich dies oder das wissen will. Mir ist nur alles "Ansprechen", das wie Akquise aussieht, ein Gräuel.

Was ich aus den Gruppentherapien herausgezogen habe? Da fällt mir vor Bad Bramstedt 2008 nur ein: das ewige Gelaber über die Beziehungsprobleme mit dem Ex der aktuellen Lebensabschnittspartnerin, mit der Ex, die die Kinder des Gruppenmitglieds beeinflusst, die Sorgen über die Kinder, die dem Drogenkonsum anheim gefallen sind und und und. Wenn man eigentlich "nur an Depressionen" leidet und der eigene Beziehungsbereich gut läuft (stabile Ehe, erwachsene Kinder, die zu einem halten) und die Depressionen durch chronischen Stress (Sch...Arbeit) ausgelöst wurden und vermutlich durch ein dysfunktionales Elternhaus begründet zu sein scheinen, dann gehen einem die Probleme der anderen ziemlich am verlängerten Rücken vorbei und nerven mich nur noch. Und wenn ich denn mal mein Thema anrührte, hatte ich oft Skrupel den anderen die Therapiestunde zu rauben. Und oft musste ich mir dann auch noch irgendwelche unausgegorenen Küchentischpsychologie-Thesen der Mitpatienten anhören. Zu sowas habe ich einfach keine Lust mehr.

Sorry, wenn mein Statement ziemlich negativ wirkt. Das musste mal raus.

In Bad Bramstedt wurden die Gruppensitzungen von fähigen PsychologInnen geleitet. Und die sorgten auch dafür, dass jeder etwas mitnimmt und das Gelernte auf seine eigene Situation beziehen kann. Da war meine Mitnahmequote etwas höher.

Die Einzelgespräche mit der Psychologin, die ich jetzt fallweise konsultiere und selbst zahle, geben mir ein Vielfaches. Da kann ich mich auf mich allein konzentrieren.

Alles in allem bin ich nach diesem Thread (und nach der Kurzschluss im DDL-Arbeitsforum) entschlossen, eine weitere Psychotherapie zu machen. Aber nur noch Einzel! Leider sind die Therapeuten bei uns am Ende der Republik ziemlich dünn gesät, so dass ich mich auf eine ziemliche Wartezeit einstellen muss. Zumal ich kein Auto habe. Mein Aktionsradius ist denkbar klein.

Liebe Grüße
FönX

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mystery60
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von mystery60 »

Hi FönX,

kauf Dir einfach ein Moped oder ein Fahrrad, damit kommt man zum Thera oder zum Bahnhof und dann steht einem die Welt offen

Wenn Du Doch von Deiner Arbeit und Deiner Philosophie überzeugt bist, dann ist das doch der beste Werbe-Einsteiger überhaupt. Vielleicht musst Du das nicht als Werbegespräch für Dich vorab buchen, sondern sag Dir einfach, ich erzähl dem mal was darüber, was ich so mache und über meine Philosophie, als wäres eine Zufallsbekanntschaft in der Kneipe und man braucht ein Thema, weil zu Fußball schon alles gesagt ist ( ).
In die Richtung würd´ ich mal denken - machen.
Daumendrück.

Gruß
TG
FönX
Beiträge: 3373
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Genau das habe ich jetzt gebraucht. Vielen Dank für deinen tiefgründigen Rat.
FönX

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ego57
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Registriert: 15. Sep 2009, 21:56

Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von ego57 »

Hallo Fönx,
schau mal bei:

http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1269258175
Hilfe annehmen "können" ist wichtig.
Ich lasse mir helfen.
VLG ego57

„Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag.“ Charlie Chaplin

הַלְּלוּיָהּ

adorno78
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Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von adorno78 »

Guten Morgen Fönx,

Vielen Dank für deinen Erfahungsbericht.Er hilft mir sehr mich auf die Therapie einzustellen und nun weiß ich worauf ich mich einzustellen habe!

Am meisten Angst habe ich vor: "Und oft musste ich mir dann auch noch irgendwelche unausgegorenen Küchentischpsychologie-Thesen der Mitpatienten anhören."

Sowas in der Art dachte ich mir schon und ich reagiere unlängst recht unentspannt auf solche "Ratschläge" aus der Brieftasche.99,9% der Menschen können einfach nichts mit der Problematik
anfangen,bzw. was es noch schlimmer macht ist,dass alle das grundsätzliche Gefühl des innerern Widerstands kennen und daraus sofort schließen dass es ja nicht so schlimm sein kann!
Man hört dann immer zwischen den Zeilen heraus:"Kenn ich,hatte ich auch schon oft bei unangenehmen Dingen,aber da muss man nur...blabla..dann geht das."Die Intensität und brutale Konsequenz des Gefühls
und die damit verbundenen inneren Qualen bleiben ihnen verborgen.

"Wenn man eigentlich "nur an Depressionen" leidet und der eigene Beziehungsbereich gut läuft...dann gehen einem die Probleme der anderen ziemlich am verlängerten Rücken vorbei und nerven mich nur noch."

Auch hier gehts mir ganz genauso,aber wie gesagt,zu dem 99,9% scheinen auch ein guter Teil der Therapeuten zu zählen. Auch die gute Frau bei der ich gestern war fragte zB nach 10min Gespräch,ob ich denn Drogen nähme.
Mehr ist ihr nicht eingefallen,aber wie kann man auch solche Probleme haben wenn doch sonst eigentlich alles gut läuft???
Wenn es in der Thera so läuft wie bei dir(und davon gehe ich aus)werde ich mich dort wohl ziemlich fehl am Platz fühlen.
Wäre es in dem Fall vielleicht besser das Ganze abzubrechen und einen Einzeltherapieplatz zu suchen oder wirklich 12Wochen durchstehen?
Es macht mich nämlich noch eine weitere deiner Aussagen stutzig:

"...ist schon ein gewisses Beziehungsgeflecht da. Wir sind eine Gruppe. Damit ist eine entscheidende Hürde schon genommen."

Auch hier triffst du den Kern des Problems haargenau.Ich habe ganz genauso kein Problem mit Menschen zu sprechen,es geht um die Initiative,das "Ansprechen".
Und auch das ist nicht in jedem Fall schwierig.Es ist ein ganz bestimmtes Szenario das die Blockade erzeugt.
Bei mir scheinen es "emphatische" Störungen zu sein.Bin ich selbst der Werbende, antizipiere ich sofort automatisch,was ich selbst davon halten und empfinden würde,wenn mir jemand sein Produkt "andrehen" möchte.
Wenn ich zB auf der Straße schon in der Ferne einen Stand mit Werbenden für was auch immer sehe,versuche ich schon einen großen Bogen darum zu machen.
Und genau das fühle ich auch wenn ich selbst der "Werbende bin".Ich bekomme es irgendwie nicht hin,auch emotional die Rolle zu tauschen!Sofort steigt in mir das Gefühl auf genötigt zu werden,obwohl dies höchstens meinem Gegenüber so gehen sollte,wenn überhaupt...
Ich fühle sozusagen mit dem Anderen mit und mein Inneres möchte meinem Gesprächspartner -und damit auch mir selbst- die negativen Gefühle ersparen.

Mit logisch-rationalem Gegenreden ist dem Gefühl leider kaum beizukommen,und wenn die Überwindung mal klappt ist die Hürde beim nächsten Mal trotzdem wieder da.Es geht wieder von vorne los...


Vielleicht geht es dir ja ähnlich in diesen Situationen.

Gruß Arno
FönX
Beiträge: 3373
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von FönX »

Hallo Arno,

das Problem in der Gruppe, wo es für mich nicht gut lief, war, dass die Therapeutin den Mitgliedern zuviel freien Lauf ließ. In Bad Bramstedt kam von der Thera ein Korrektiv, wenn jemand Dünnsinn erzählte. Insofern kann Gruppenarbeit schon vorteilhaft sein. Aber ich wäre jetzt bei einer weiteren GT nicht in der Lage, die Konzentration auf mich zu richten, wie ich es muss, um meine Mechanismen zu entlarven.

@ego57
"Hilfe annehmen" ist auch ein Thema. Mir ist es am liebsten, wenn ich alles allein schaffe. Das erkenne ich bei meinen Enkeln wieder, die bei einem Hilfsversuch störrisch darauf beharren, es allein ("LEINE!") hinzukriegen. Aber die sagen es in der ersten halben Dekade ihres Lebens. Ich sollte eigentlich weiter sein.
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Regenwolke
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Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Ich komme einfach nicht ins Fahrwasser

Beitrag von Regenwolke »

Hallo FönX,

durch einen Forenbekannten wurde ich auf eine Methode aufmerksam gemacht, die sich "wingwave" nennt, da werden drei Verfahren (EMDR, neurolinguistisches Programmieren und der Muskeltest aus der Kinesiologie) kombiniert, um effektiv Probleme zu lösen.

Ich habe kürzlich einen Vortrag über diese Methode besucht und fand es sehr ansprechend. Habe auch selber mit EMDR schon gute Erfahrungen beim Lösen ganz konkreter Blockaden gemacht.

Ich kann mir vorstellen, dass sich diese Methode gut eignet, um die Schwierigkeiten, die Du bei der Kundenaquise hast, zu bearbeiten. Muß leider aus eigener Tasche bezahlt werden. Aber falls Du offen für solche "Außenseiterverfahren" bist, gute Infos und auch Adressen von Behandlern gibts hier: http://www.wingwave.com/

Dass ewige Gruppentherapie nervt, kann ich gut verstehen. Gruppen können gut sein, um etwas über sein Kontaktverhalten zu lernen und zu üben (bzw. sich abgrenzen, sich Raum schaffen, usw.). Dass eine Gruppe einen wirklich inhaltlich in Bezug auf ein persönliches Thema weiterbringt, habe ich nur selten erlebt, denn das hängt leider stark von der Zusammensetzung ab und auch davon, wie gut ein Therapeut das Potential genau dieser Gruppe zu nutzen weiß. Die Leute einfach zusammensitzen und Ratschläge austauschen lassen ist meist wenig hilfreich.

LG, Wolke
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