Absolut ratlos

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blueray

Absolut ratlos

Beitrag von blueray »

Hallo,
ich kenne das Forum schon länger und lese mit. Bisher habe ich nicht recht die Worte gefunden um mal mit meinen Problemen herauszurücken.

Zur Zeit habe ich ein ziemliches Tief. Bei mir wurden schon vor gut 7 Jahren Depressionen festgestellt von meinem Psychiater. Ich kam mit meinem Leben nicht mehr zurecht und ein Freund der mir eine große Hilfe war und heute auch teilweise noch ist, hat mich an den Arzt verwiesen.

Es folgten Medikamente, einige wirkten gut, manche weniger. Angefangen mit Citalopram, wechsel zu Trevilor dann nochmal umgestellt auf Cymbalta. Natürlich blieb auch die Gewichtszunahme nicht aus, aber es hielt sich in Grenzen. So vor 5 Jahren lernte ich meinen jetzigen Partner kennen. Da mir die Gleichgültigkeit der Gefühle zunehmend auf den Geist gingen, habe ich Cymbalta vor ca. 2 Jahren langsam abgesetzt.

Das ging auch eine Weile gut, man mogelt sich halt so durchs Leben. Nur habe ich das Gefühl es ging dann langsam bergab. Zu schaffen machen mir meine Antriebslosigkeit und mein fehlender Ehrgeiz. Am schlimmsten wurde es aber als ich mich entschloss mit dem Führerschein anzufangen. Dazu muss ich erwähnen das ich mittlerweile 39 bin. Da hat sich wieder gezeigt wie wenig Ehrgeiz und Freude bei mir im Spiel ist. Es klappt was nicht und ich schmeiße hin, alles negativ. Ich schaffe es nicht mal was durchzuhalten. So habe ich den F-Schein ziemlich schleifen lassen, meine Fahrschule hat zwischenzeitlich dicht gemacht und mich an einen anderen verwiesen. Ich bin in die andere Fahrschule und habe lange rumlaboriert und letztendlich bei der 4.! Prüfung den Schein bekommen. Die Prüfungsangst war so groß das nichts ging. Zwischenzeitlich habe ich schon gemerkt wie sich beim Fahren bei mir immer mehr die Angst einstellt. Ich bekam vor den Fahrstunden Angstgefühle, habe angefangen zu schwitzen und zu frieren, bekam fast Durchfall. Die Angst schlug erbarmungslos zu. Es lag garantiert nicht an meinem Fahrlehrer, der war sehr nett und geduldig. Ich schob es auch viel darauf das mir die Kosten im Nacken saßen und mein Freund langsam anfing zu nerven wann ich denn endlich mal ein Ergebnis hätte.

Gut bei der letzten Prüfung schaffte ich es schließlich. Ich hatte Wochen vorher wieder mit Citalopram angefangen um wenigstens etwas ruhiger zu werden. Vielleicht hat es etwas beigetragen, keine Ahnung.
Jedenfalls habe ich es nicht so lange genommen, ich hatte den Schein ja, dachte jetzt ist alles klar. Aber weit gefehlt. Ich schaffe es nicht zu fahren. Schon gar nicht alleine. Ich bin am Anfang zweimal mit meinem Freund gefahren und das war ein Fiasko. Dann hab ich das gelassen. Ich wollte nicht mehr. Natürlich bekam ich ständig was zu hören, "Du willst ja nicht, du fährst nicht, das war alles für die Katz, ich sag bald gar nichts mehr etc. "
Ich fühlte bloß noch Druck. Das geht jetzt seit einem Jahr so. Zwischenzeitlich wollte er mir einige male ein Auto aufschwatzen, aber ich habe immer eine Ausrede gefunden. Im Internet habe ich einen Fahrschule gefunden die sich mit Leuten ohne Fahrpraxis befasst, Frauen die lange nicht gefahren sind etc. Ich bin dahin und habe wieder angefangen zu fahren, die Fahrlehrerin ist sehr nett und versucht zu helfen auch psychisch. Aber die Angst kommt schon wieder hoch, genau wie damals, Angstgefühle die inzwischen sehr stark werden, die üblichen Beschwerden vor den Stunden, aber alles noch heftiger wie damals. Habe jetzt wieder mit Citalopram angefangen, die hatte ich noch im Haus. Ich weiß das man das auf eigene Faust alles nicht soll, aber ich wusste nicht weiter. Einen Termin bei meinem Arzt war erst am 26.April zu bekommen und meine Therapeutin hat erst am 27.April was frei. Ich hielt es ja nicht mehr aus vor Unruhe, schlechten Gefühlen, Angst etc.

Diesmal hatte ich auch mit Nebenwirkungen zu kämpfen, aber die lassen jetzt nach.
Ich weiß bloß keinen Rat mit der Fahrerei, ich will doch nicht als Looser da stehen der nichts in seinem Leben packt weil er sich immer in die Hosen macht. Mein Freund hat ja indirekt auch recht, er will das ich nicht angewiesen bin, endlich ein Stück Freiheit mehr habe. Aber dieses Thema steht inzwischen wie ein großer Fels zwischen uns weil er überhaupt nicht kapiert wie ich mich fühle, er reagiert eher nach dem Motto "Wie kann man sich nur so anstellen".
Ich hätte vor allem Angst und das würde mich behindern, ich solle einfach nur "machen" und nicht nachdenken.
Das stimmt ja auch irgendwie, aber ich kann das nicht so einfach abstellen.
Ich fühle mich nicht verstanden sondern nur unter Druck gesetzt. Klar muss ich mir in den Hintern treten, aber ich habe eigentlich gar keine Kraft mehr. Am liebsten würde ich mich verkriechen, der einzige Ort an dem ich mich wohl fühle ist mein Bett, wirklich wahr.

So langsam habe ich den Verdacht das sich zu meinen Depressionen eine Angststörung eingestellt hat. Ich hoffe ich habe jetzt mit meinem langen Beitrag nicht so den Bogen überspannt und nicht zu viel in Selbstmitleid gebadet, aber ich musste das mal los werden.

Viele Grüße
brrr
Beiträge: 262
Registriert: 3. Mär 2010, 13:31

Re: Absolut ratlos

Beitrag von brrr »

hej, blueray

als ich das erste mal mit (m)einer depression konfrontiert wurde, da war die total mit angst verbunden, und zwar angst vor menschen. ich bekam damals cipralex (nehme es auch heute noch) und durfte in eine klinik. als ich da raus kam, da war beides weg. die angst ist nie wieder gekommen - leider die depri. na ja....

ist das autofahren für dich so unbedingt wichtig? falls nicht (du hast es ja früher auch ohne geschafft), dann pfeif doch drauf - so lange bis du wieder lust, kraft und mut hast. niemand kann dich zwingen (oder von dir verlangen), wenn du es nicht zuläßt!

ich habe die erfahrung gemacht, dass unser wichtigstes heilmittel ist "mich zu mögen und zu mir nett zu sein". und das nicht-autofahren-können, -wollen, -sich-trauen, das wird dir von anderen, vor allen von dir selbst aufgeschwatzt. lieb dich ohne auto HEUTE und fahr auto irgendwann später

liebe grüße - brit
cocorosie
Beiträge: 84
Registriert: 8. Apr 2008, 13:22

Re: Absolut ratlos

Beitrag von cocorosie »

Liebe Blueray,
gut, dass Du geschrieben hast! Und gut, dass Du Termine bei Deinem Arzt und Therapeutin ausgemacht hast. Und beides ist in meinen Augen alles andere als "durchs Leben mogeln".

Ich möchte jetzt gar nicht soviel über's Autofahren schreiben ... obwohl, ganz kurz: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal gefahren bin und Deine Erfahrungen damit, hätten aus meinem Tagebuch stammen können.

Wichtig scheint mir zu sein, die eigene Erwartungshaltung zu betrachten, auch was den Ehrgeiz betrifft, das "am Ball bleiben", etwas schaffen zu müssen, Looser ... undsoweiter. Nimm' die Luft da raus, sie schnürrt Dich zu. Ich denke, Du weißt, dass das genau die Muster sind, die in eine Depression führen bzw. sie wieder auslösen können.

Und wenn es so ist, dann ist es jetzt so. Leg' Dich ins Bett, wenn Du Dich da wohl fühlst, verkriech Dich, wenn das Deine Batterien wieder füllt. Versuch' Dir das zu gestatten. Und vielleicht würde ich an Deiner Stelle mit Deinem Freund ein "Stillhalteabkommen" abschließen. Kein Wort mehr, dass mit A anfängt und mit fahren aufhört. Denn was Dein Freund mit Freiheit meint, ist vielleicht seine und anscheinend wirklich und im Moment nicht Deine.


Vielleicht wirst Du mit 50 Rennfahrerin, wie ich , aber das wichtigste ist, dass Du gesund bleibst!

Liebe Grüße, Claudia
blueray

Re: Absolut ratlos

Beitrag von blueray »

Hallo Brit und Claudia,
danke für die aufbauenden Worte. Ich hatte heute ein Gespräch mit einer Bekannten die mir das gleiche geraten hat, nimm die Luft raus, mach dein Ding, bestimme wann du willst und nicht wann andere wollen. Ich denke das trifft es auch sehr genau.
Ich werde mir jetzt Zeit nehmen und mich nicht drängen lassen. Zumindest versuche ich das.
Mit meinem Freund hatte ich schon ein Gespräch und er meinte er sage jetzt nichts mehr zu mir. Ich spüre aber das er innerlich alles andere als angetan ist. Aber sei es drum, wenn er damit ein Problem hat dann kann ich ihm auch nicht helfen. Hört sich vielleicht jetzt egoistisch an, aber irgendwo hört es auch auf.

Euch vielen lieben Dank nochmals.
Grüße
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
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Re: Absolut ratlos

Beitrag von Salvatore »

Hallo Blueray!
Ich kann daran nichts egoistisches finden...
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Absolut ratlos

Beitrag von wennfrid »

Hi blueray
Ich denke mal, daß du bei dem kleinsten Tief, wenn mal eine Sache nicht sofort klappt, sofort Angst ausgelöst wird. Angst, keinen Erfolg zu haben. Dadurch gibst du sehr schnell auf. Mit der Grund-Denkweise, "ich bin nicht in Ordnung" müssen zwangsläufig Minderwertigkeitsgefühle gefühlt werden. Dazu wirst du dich permanent schlecht und schuldig zu fühlen. Durch dein "vorsichtiges" Verhalten wirst du von deiner Umgebung unter Druck gesetzt. Ein Teufelskreis, den du nur mit Unterstützung der anderen durchbrechen kannst. Außerdem ist mir sofort aufgefallen, als dir jemand ein Auto aufschwatzen wollte, konntest du dich mit einer Ausrede aus dieser Situation retten. Ein klares - nein - hätte auch genügt. Vermutlich denkst du von dir selber, du bist nicht berechtigt, eigene Bedürfnisse anzumelden und auszuleben. (nein sagen) Dieses Verhalten funktioniert in erster Linie, weil deine Denkstruktur anderen die Macht dazu gibt. Wenn es dir gelingt, deine Denkstruktur zu ändern, ändert sich das Verhalten der anderen auch und eine Zufriedenheit mit dir selber stellt sich ein.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
blueray

Re: Absolut ratlos

Beitrag von blueray »

Jetzt ist eine Woche vergangen und ich merke das die Citalopram anschlagen, bin etwas ruhiger geworden aber so richtig gut geht es mir nicht.
Ganz schlimm ist im Moment das sich mein Neffe im Alter von 29 Jahren am 15.Apr. das Leben genommen hat. Das hat mir jetzt noch den Rest gegeben. Zur Zeit verstehe ich echt die Welt nicht mehr, mir ist inzwischen alles egal geworden, bin dauermüde und zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich bin echt froh wenn ich am kommenden Montag meinen Termin beim Arzt habe....
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