mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

kormoran
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mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von kormoran »

Liebe Foris,

ich mach mal einen neuen Thread auf, weil ich mit meinen Gedanken in Waldsees Faden geplatzt war und dort nicht Raum rauben möchte.

Ich bin auch ein bisschen unsicher, weil ich mich frage, wie weit meine aktuelle Verkorksung noch wirklich depri-bezogen ist, oder wie weit das einfach nur mehr neurotisch ist .

Nun, zum Thema, und damit aber doch auch ganz klar zur Depression: Selbstüberforderung ist ein Faktor, der Depression begünstigen kann
- sich selbst nicht wahrnehmen können, seine eigenen Bedürfnisse und ganz allgemein Gefühle nicht kennen oder aber nicht zulassen;
- von sich fordern, ohne diese Gefühle überleben zu müssen, ohne Bedürftigkeit (und ohne Gefährdung vor Verlassenwerden und Verletzung!).

Solche Ansprüche sind unmenschlich.

Andererseits ist es aber gerade in der Auseinandersetzung mit der Depression und am Weg der Heilung so wichtig, auch eine gewisse Unabhängigkeit von Gefühlen zu erlangen, zu erkennen, dass man diese Gefühle hat und nicht das Gefühl ist. Sie zwar zuzulassen und anzunehmen, dann aber auch wieder loslassen zu können, nicht darin zu versinken.

In Beziehungen ist Abhängigkeit schädlich - doch das Bedürfnis nach Nähe und Wärme zu haben, ist ganz gesund.

Wie kann mensch diese Unterscheidung hinkriegen?

konkret: ich ringe mit meinem Ziel der Selbstannahme, dem Wissen, dass Liebe und Beziehung nur gelingen kann, wenn die Liebe eigentlich in mir ist, wenn ich sie nicht von einem anderen "kriegen" will. Ich möchte glücklich leben können, auch wenn ich viel allein bin (nicht zuletzt wegen meiner Müdigkeit, Resten sozialer Angst und anderen Faktoren, von denen ich immer wieder indirekt vermittelt bekomme, dass meine physische Präsenz für andere Menschen eigentlich eine Zumutung ist); ich möchte aber mein Bedürfnis nach Austausch nicht verdrängen. Ich möchte in dem Maß, in dem es sich dann doch realisieren lässt, in Beziehung treten (Beziehung im allgemeinen Sinn), dabei aber nicht abhängig sein sondern in einem fließenden Austausch.

Die Pole dieses Ringens sind irgendwo das total "Gefühlige", das schon an Unmündigkeit grenzt, ein Ausgeliefertsein an uralte Verletzungen und Muster (z.B. ganz früher Verlassenheitserfahrungen oder der Botschaft gegenüber dem kleinen Kind, nicht ok zu sein, so wie es ist) einerseits;
und andererseits so eine ganz vergeistigte Existenz.

Wenn jemand von Euch mit diesen Ausführungen etwas anfangen kann, bin ich dankbar für Eure Gedanken dazu.

Liebe Grüße
Kormoranin
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*** zurück ins leben!
Rosenkranz
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Kormoranin!

Musste manche Zeilen zweimal lesen, um zu verstehen wie du das meinst. Ich denke aber ich habe in Inhalt erfaßt. Ich glaube es ist ein ganz normales Gefühl, sich mit anderen Menschen auszutauschen, ohne abhängig zu sein, eben auch gefühlsmäßig. Aber ich denke dass gerade unsere Krankheit oder vielleicht auch unsere Lebensgeschichte, die ich nicht unbedingt als Krankheit bezeichnen will, uns in Schranken verweisen, der depressive Teil ist davon die Angst, die uns oft nicht so leben läßt, wie wir es gerne möchten. Du hast sehr wohl recht, daß man nur Liebe geben kann, wenn Liebe in einem ist. Vor allem müssen wir lernen uns selber zu lieben, wie wir sind. Die Menschen die dich als Zumutung empfinden kannst du gerne meiden, das ist reine Zeitverschwendung, gib nur nicht dir die Schuld daran, du bist eben wie du bist.

Wenn es mir am schlechtesten geht bin ich in der Lage zu fühlen und auch Gefühle zuzulassen, es ist irgendwie verrückt, aber da denke ich hat die Depression auch einen positiven Sinn. Ansonsten habe ich eine dicke Mauer um mich aufgebaut, um die harte kalte Welt zu ertragen, ich glaube sonst wäre ich schon lange daran zerbrochen. Aber das negative ist ich bin dann auch nicht inder Lage Gefühle zu geben und anzunehmen und meistens merke ich es nicht einmal Ich war vor Jahren in einer anderen Stadt arbeiten, wo es mir von Tag zu Tag schlechter ging, als ich dann sehr lange krank war haben mir meine Kollegen gesagt, wir haben alle versucht mir dir zu reden, aber es ist keiner mehr an dich herangekommen, das sagt glaube ich alles. Da konnte ich später auch mit ihnen reden. Bei meinen jetzigen Kollegen ist das leider nicht mehr möglich mit offenen Karten zu spielen, ganz im Gegenteil.

Zur meiner letzten Reha wurde dieses Problem auch angesprochen und die meisten die dort waren hatten auch Probleme mit der jetzigen Zeit umzugehen, es ist nicht nur ein Problem von uns depressiven, sondern schon ein gesellschaftliches Problem, aber die Welt verändert sich laufend und wir müssen lernen mit den Veränderungen zurechtzukommen und unseren eigen Weg finden, wie wir damit umgehen, wenn wir es nicht können, wird es sehr schwer und die Menschen die das betrifft, werden immer mehr, leider. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, es gibt aber auch noch viele, die anders denken, die müssen wir aber nur herausfinden und dafür müssen wir auch etwas selber beitragen, ins Schneckenhaus verkrieschen ist die schlechteste Lösung, ich denke wenn es uns gut geht kriegen wir das auch einigermaßen hin.

Viel Kraft und liebe Grüße Rosalie
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

Hey liebe Komoranin, alle

konkret: ich ringe mit meinem Ziel der Selbstannahme, dem Wissen, dass Liebe und Beziehung nur gelingen kann, wenn die Liebe eigentlich in mir ist, wenn ich sie nicht von einem anderen "kriegen" will.

Hmm, weiß jetzt nicht, wie sich das bei Dir dann gestaltet, und wie ich das grad umfangreicher beschreiben könnte *mal probier*.

Also, ich empfinds eigentlich schon als sehr wichtig, in ner engeren Beziehung größtenteils so angenommen zu werden, wie man eben ist. Sich entwickeln können, ohne sich ständig nach den Wünschen, die der Partner daran hätte zu richten, kurz, ich möcht ich sein können, und geh da auch keine so größeren Kompromisse @ Benehmen mir gegenüber mehr ein wie früher.
Sicherlich weiß ich, dass man es eben mit meinem hyperaktiven manchmal nicht sooo irre leicht mit mir hat...und ist wohl meine "Wahl", wie jemand mal meinte, wenn ich depri bin, bin ich diesbezüglich gut zum aushalten. Es muss mich keiner aushalten, weil: "dort ist die Türe "...und, es gibt ja auch sehr viele, die gut mit mir können, damit kein Problem haben.

Ich seh mich ja auch eher als für meine Gefühle verantwortlich, und mecker nicht ständig an allen (allem) rum.

Worauf ich hinaus möchte, also, ich lass mir derart "lieblose" Behandlungen wie früher oft nicht mehr in dem Ausmaß gefallen, seh nicht mehr aus Verständnis über so vieles hinweg.

Z.B. letzen Sommer in der Firma, und auch jetzt noch...Kollege meint, der Unterschied zwischen uns beiden wäre, dass er sich alles ewig merkt, und ich würde eher schnell wieder vergessen.
Ich seh schon den Vorteil aus meinem Verhalten daraus, aber , ich denk mittlerweile auch eher daran meine Grenzen aufzuzeigen, und nicht mehr für so manches Verständnis zu haben...Weiß nicht, kommts mir nur so vor (???) also, dass so manche einfach schwierig sind, der Umgang mit so mancem - wie im Dienst heut wieder, dass eine total sauer war und ne Stunde rumgemeckert hat, weil der Tisch den sie bei Kollegen reserviert hätte dann doch nicht frei war, und der Ersatztisch den sie bekommen hat für sie (um 4 freie Plätze) zu groß war.
Früher hätte sowas wohl fette Schuldgefühle in mir ausgelöst, und Vorwürfe, des Versagens, nicht perfekt sein, und mich wohl fett demotiviert. Jetzt geh ich nimma recht drauf ein, lass es ihr "Problem" sein, und frag da eher nach *siehe oben*, und ob ichs (Verhalten) für gerechtfertigt find.

Lieben Abendgruß einstweilen!
manu
tomroerich
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von tomroerich »

Liebe Kormoranin,

Andererseits ist es aber gerade in der Auseinandersetzung mit der Depression und am Weg der Heilung so wichtig, auch eine gewisse Unabhängigkeit von Gefühlen zu erlangen, zu erkennen, dass man diese Gefühle hat und nicht das Gefühl ist. Sie zwar zuzulassen und anzunehmen, dann aber auch wieder loslassen zu können, nicht darin zu versinken.

In Beziehungen ist Abhängigkeit schädlich - doch das Bedürfnis nach Nähe und Wärme zu haben, ist ganz gesund.

Wie kann mensch diese Unterscheidung hinkriegen?

... dass man diese Gefühle hat, aber nicht das Gefühl ist. Genau.

Wenn man nicht das Gefühl ist, wer ist man dann? Man ist einfach der, der es hat. Und je mehr man das versteht, umso geringer wird die Abhängigkeit von den Gefühlen.

Das heißt überhaupt nicht, dass sie dann verschwinden, unwichtig werden oder ...

Es heißt nur, dass du dir deiner selbst bewusst wirst und verstehst, dass alles, was so zu dir gehören scheint, wandelbar und vergänglich ist. Du aber bleibst. Du warst da, als du geboren wurdest, als du zur Schule gekommen bist. Bei deiner ersten Liebe warst DU da und DU hast eine Depression gehabt. Du und nur DU bist konstant. Alles andere ändert sich. Und wenn man das weiß, dann darf sich alles andere auch ändern. Denn was ändert es daran, dass DU da bist?


In Beziehungen ist Abhängigkeit schädlich - doch das Bedürfnis nach Nähe und Wärme zu haben, ist ganz gesund.

Wie kann mensch diese Unterscheidung hinkriegen?

Selbst das Bedürfnis nach Nähe und Wärme ist nicht wirklich gesund.

Gesund ist es, nah und warm zu sein. Dein Bedürfnis danach zeigt, dass dir etwas fehlt. Und wenn etwas fehlt, ist man nicht gesund.

Wenn du entdeckst, dass alle Wärme und Nähe von dir ausgeht, dann weißt du auch, wie reich du bist. Und dann ist Abhängigkeit nicht mehr möglich.



Thomas
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Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

In Beziehungen ist Abhängigkeit schädlich - doch das Bedürfnis nach Nähe und Wärme zu haben, ist ganz gesund.

Hmm , das Bedürfnis nach Nähe und Wärme ist ganz gesund.

Also , ich genieß das im Moment recht, dass mein Bedürfnis (auch das anderer) nach Nähe und Wärme nicht sofort wieder u.a. die "alten" Schuldgefühle (Mutter) in mir auslöst...ich weiß jetzt nicht recht, wie ichs beschreiben könnte @ "loveshy" , Also, dass mir das Panix bereitet hat, wenn jemand da mir gegenüber recht angetan ist, sofort mit der Türe ins Haus fällt. Ich die Krise volle bekomm...
Hat auch was mit dem Vertrauen darauf zu tun, dass sich das dann nicht wieder so schnell wandelt, und wenn, dass ich damit "leben" kann.
Also, das eher als natürlich empfinden kann...

Zu "Abhängigkeit" in Beziehung, nun, ich arbeit eher daran keine Schuldgefühle zu haben, wenn ich auch mal ein Bedürfnis hab, und das auch zum Ausdruck bringe. Mir gegenüber erbrachte "Gefallen" auch annehmen kann, ohne mich da überfordert zu fühlen. Fragen, wenn ich Hilfe brauch, nicht immer alles alleine auf die Reihe kriegen möcht, oder meine, das zu müssen. Wirkt(e) sich auch ganz gut z.B. auf meine Gesundheit (Bauchnabelbruch) aus . Ok, in letzter Zeit hab ichs wieder etwas "übertrieben", nicht so sehr auf meine körperliche Belastbarkeit geachtet, aber, im Großen und Ganzen schaff ich das. "Kannst Du mir bitte mal helfen" - ohne weiteren Erklärungen dazu.

Gute Nacht,
manu
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

Hat bestimmt auch was mit dem besseren Selbstwertgefühl zu tun , dass mir dann, wenn jemand recht von mir angetan ist und das auch zum Ausdruck bringt "Hey jo, hast ne gute, hübsche Schwester - ich geb Dir one-hundred-thousand chicken dafür" mir nicht sofort alle meine von mir als "neg." bewerteten Eigenschaften einfallen , wirst Du vielleicht ganz gut nachempfinden können?

So , aber jetzt wirklich "Gute Nacht",
manu
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

Hmm, und doch (@ Nähe suchen) schick ich noch Kollegin statt mir an einen Tisch, wenn mir das ständige "angeschleime" (womöglich auch noch mit den Blicken genauest verfolgt und angestarrt werden) echt zuviel wird. Hab ich den Umgang damit wohl noch immer nicht so gut drauf.
Hab auch letztens beim Ausgehn, jemand einfach gesagt, dass ich nicht möcht, wenn er sich zu mir setzt...obwohl er eigentlich ganz nett ausgschaut hätte, aber, es hat halt an dem Abend nicht gepasst...und, meine manchmal "Überforderung" dazu, war ja auch Mitauslöser meines fetten Burn-outs.

Naja ,
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

Nen wunderschönen guten Morgen!

Dein Thema beschäftigt mich wohl etwas mehr

>Gefährdung vor Verlassenwerden und Verletzung!

Naja, dadurch, dass ichs eben meistens so erfahren hab, dass ich immer ne Weile brauch bis ich mich auf wohl mehr Nähe, engere Beziehungen eingestellt hab, und , bei demjenigen dann oft die 1. Verliebtheit, Beziehungslust dann gar nimma so da war...

Hab ich mich dann auch letztens, als einer meinte : "Bin seit gestern geschieden, magst es nicht mal probiern mit mir" eher dagegen (Zeit und Energie in ne Beziehung zu stecken) entschieden...

Obwohl d´"Guru"-Elfi letztens meinte, ich solle da mal schaun, was mir da so gut tun würde...

Also, ich komm mir schon auch etwas "verkorkst" vor , aber, vielleicht ändert sich das ja noch, mal sehen.

Lieben Gruß und nen schönen Tag Dir!
manu
himmelskörper
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von himmelskörper »

Hallo Kormoranin,

dein Beitrag lässt mich sehr viel nachdenken, über mich nachdenken und sehe auch viele parallen zu Gedanken die ich auch immer wieder habe.

Andererseits ist es aber gerade in der Auseinandersetzung mit der Depression und am Weg der Heilung so wichtig, auch eine gewisse Unabhängigkeit von Gefühlen zu erlangen, zu erkennen, dass man diese Gefühle hat und nicht das Gefühl ist. Sie zwar zuzulassen und anzunehmen, dann aber auch wieder loslassen zu können, nicht darin zu versinken.

Gefühle erkennen, wahrnehmen, zulassen und wieder abgeben, vorallem belastende Gefühle.
Das ist das was ich letztes Jahr in der Klinik gelernt habe.
Schlechte Gefühle wahrnehmen, das konnte ich schon immer, hab sie als meins gesehen, gepflegt und gehegt, mich dadurch ausgeliefert an andere, die diese Situation ausgenützt haben.
Die mir ein zusätzliches schlechtes Gewissen eingeredet haben, das ich widerrum annahm und dann aber unendlich dankbar war, das sie mich doch so nahmen wie ich bin.
Aus dieser Dankbarkeit herraus, nahm ich noch mehr auf mich, weil ich ja nicht so war, wie ich sein sollte.
Es entstand ein Kreislauf, der mich in eine Abhängigkeit versetzte, vorallem in privaten Beziehungen und die Gegenseite nütze meine Schwäche zu seinem Gunsten aus.
Dass ich die Fähigkeit besaß mehr schlechte Gefühle wahrzunehmen, liegt wie du auch schon schreibst, an meiner Kindheit, das Gefühl zu haben, einfach nie so zu sein, wie man sein sollte.
Dies auch regelmäßig bestätigt wurde, daher habe ich auch nie gelernt, diese schlechten Gefühle wieder abzugeben, ich hab sie als meins gesehen, es wurde bestätigt, dadurch gefestigt.

Dieser Kreislauf wurde unterbrochen, dadurch das ich in der Klinik gelernt habe mich anzunehmen, mich zu lieben, mich zu akzeptieren, den jetzt war ich fähig auch gute, positive Gefühle wahrzunehmen, die mich gleichzeitig, ins Zweifeln brachten, ob diese schlechten Gefühle wirklich berechtigt sind, in dem Maße, wie ich sie hatte.

Ich habe so langsam gelernt, diese schlechten Gefühle wieder abzugeben, ich habe sie wahrgenommen, gelernt zuzuordnen, aber gelernt sie wieder loszulassen.

Ich kann jetzt positive wie schlechte Gefühle wahrnehmen, kann an schwierigen Dingen, auch was positives sehen.

Den eingespielten Kreislauf der Abhängigkeit, den ich in meiner Partnerschaft hatte, habe ich durchbrochen.
Bei mir ist dadurch die Ehe zerbrochen, weil mein Gegenüber nicht bereit war, diese Veränderung mitzugehen und zu akzeptieren.

Aber ich sah dennoch in dieser schwierigen Phase meine Chance, zu einer positiven Veränderung.

In Beziehungen ist Abhängigkeit schädlich - doch das Bedürfnis nach Nähe und Wärme zu haben, ist ganz gesund.


Ja, ich habe eine Chance, daran zu arbeiten, an einer Beziehung ohne Abhängigkeit. Egal jetzt in welchen Bereichen.
Dabei dennoch mein Bedürfniss, nach Nähe und Wärme zu erfüllen.

Aber meine Angst ist da, wieder in das alte Muster reinzufallen, die Angst dies nicht rechtzeitig zu erkennen. Dieses eingefahrene Muster das schon vierzig Jahre besteht, es erfordert doch tägliche Arbeit an mir.

Aber wie ich auch schon in anderen Beiträgen geschrieben habe, durch meine Selbstannahme, mein Selbstvertrauen, habe ich den Grundstein für das gelingen gelegt.

konkret: ich ringe mit meinem Ziel der Selbstannahme, dem Wissen, dass Liebe und Beziehung nur gelingen kann, wenn die Liebe eigentlich in mir ist, wenn ich sie nicht von einem anderen "kriegen" will. Ich möchte glücklich leben können, auch wenn ich viel allein bin

Ich bin auch der Meinung das eine gute Beziehung in der Partnerschaft oder auch allgemein, nur gelingen kann, wenn man sich selbst liebt. Wenn man sich selbst liebt, ist man nicht darauf angewiesen von anderen geliebt zu werden.
Man kann die positiven Gefühle wahrnehmen und auch annehmen, man freut sich daran, blüht auf und wächst daran.

Man gerät in keine Abhängigkeit hinein, nur etwas zu tun um geliebt zu werden, dann aus Dankbarkeit des geliebt werdens wieder etwas auf mich zu laden, der Kreislauf wäre wieder perfekt.


Wenn ich jetzt alleine bin, fühlt sich das auch gut an, ich bin glücklich alles um mich herum bewusst wahrzunehmen, ich freue mich wieder, wenn die Sonne früh morgens durch das Fenster scheint. Mein Leben fühlt sich gut an, es ist so in Ordnung wie es jetzt ist. Ich komme mir nicht alleine und einsam vor.
Früher habe ich mich nie wohl gefühlt wenn ich alleine war, es hat was gefehlt, ich fühlte mich unvollständig, ich habe dies aber falsch interpretiert, ich dachte es fehlt eine Partnerschaft, die Abhängigkeit begang.

Jetzt habe ich gelernt was gefehlt hat, was unvollständig war, ich habe mich damals nicht geliebt, die Liebe zu mir selbst hat gefehlt, daher habe ich mich so einsam gefühlt.
Aber damals war ich nicht fähig, dies zu erkennen.

Das schöne an meiner ganzen Veränderung ist auch das ich meine neue Beziehung, ganz anderst erleben kann, es ist ein nehmen und geben, wie du schreibst, im fließendem Austausch.
Dies habe ich noch nie erlebt, aber es fühlt sich wunderbar an.


Alles liebe sedna


Liber
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Liber »

Liebe Kormoranin,

ich glaube, ich kann aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen, was du meinst.

Ich kenne das innere Schwanken zwischen den beiden extremen Polen: Den Wunsch nach vollkommenem Aufgehen bis zum Eins-Sein in einer Beziehung einerseits und der Vorstellung einer völligen Autonomie, die keinerlei Bedürfnisse oder Abhängigkeiten mehr beinhalten darf andererseits.

Beides ist wie jedes Extrem auf Dauer unvollständig und ungesund, meine ich.

Und darüber hinaus wurde mir in letzter Zeit klar: jede Beziehung beinhaltet eine ständige Bewegung, ein Hin und Her zwischen den Polen. Wie Ebbe und Flut erscheint es mir manchmal.

Der Wunsch nach Nähe und Harmonie wechselt mit dem Wunsch nach Distanz und Rückzug ab. Immer wieder. Den statischen Zustand gibt es nicht.

Für mich war und ist ein ganz wichtiger Schritt, DIES erst mal zu akzeptieren, nämlich dass meine Bedürfnisse sich ändern dürfen. An einem Tag darf mir nach Nähe zumute sein, am nächsten aber darf ich Distanzwünsche haben.

Alles ist in Ordnung. Es gibt nicht dieses Entweder-Oder, so wie ich lange Zeit gedacht hatte. Ich glaubte, wenn Distanz eintritt, bedeute es sofort das endgültige Aus einer Beziehung. Also dürfe ich mich nicht distanzieren, wenn ich die Beziehung erhalten wollte. Ich gestand mir dieses völlig legitime Bedürfnis in mir also nicht zu, verdrängte es - fühlte mich statt dessen abhängig von Tun und Lassen des anderen, wurde bei Trennungen depressiv, die ganze Palette.

Heute sehe ich allmählich: Ich darf Nähe UND ich darf Autonomie-Wünsche haben, beides! Beides ist vollkommen in Ordnung, menschlich und natürlich. Und auch mein Gegenüber in Beziehungen darf die haben, ganz genauso wie ich.

Ich muss weder völlig autark sein und ganz allein zurechtkommen - noch muss ich mich an jemanden in völliger Abhängigkeit binden. Ich darf kommen und gehen - wie mein Gegenüber auch.

Und um diese inneren Bedürfnisse in mir überhaupt mal wahrnehmen, akzeptieren und annehmen zu können, dazu brauchte ich Therapien.

Dieses Anerkennen nahm ihnen gleichzeitig auch ihre extreme Gefährlichkeit. Früher bedeutete ein Distanzwunsch in meiner Vorstellung gleich Todesgefahr für die Beziehung, ein Nähewunsch bedeutete Gefahr der Aufgabe meiner selbst.

Beides mit höchster Angst verbunden.

Heute möchte ich lernen, dass meine Gefühle und Bedürfnisse zum Leben gehören, dass es gut ist, sie alle zu akzeptieren und sie kommen und gehen zu lassen. Ich muss keine Extrem ansteuern.

Liebe Kormoranin, habe ich damit auf deine Frage geantwortet ? Bin mir im Moment nicht ganz sicher .... auf einen Aspekt vielleicht.

Weiteres gerne noch in der weiteren Diskussion.

Liebe Grüße

Brittka
Regenwolke
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Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Regenwolke »

>jede Beziehung beinhaltet eine ständige Bewegung, ein Hin und Her zwischen den Polen

Ja, da stimme ich Brittka vollkommen zu.

"Gesund" (wobei ich den Begriff schon problematisch finde) ist in meinen Augen, dass man diese Pendelbewegung machen kann, Pendeln zwischen Nähe und Distanz, zwischen Bindung und Freiheit, zwischen Autonomie und Abhängigkeit.

Wir sind doch soziale Wesen, sind darauf angelegt, Bindungen einzugehen.
kormoran
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von kormoran »

liebe ihr,

danke für eure beiträge auf den nicht gut leserlichen eingangsbeitrag!

die gefühle überhaupt mal wahrnehmen können - und dann, wenn man's kann, zu wissen, was man wie nahe an sich heranlässt - zwischen mauer und totaler offenheit: rosalie , an dem thema mit den grenzen habe ich auch ziemlich geknabbert. ja, das schaffen wir immer besser!

danke, thomas. ja, ja, das ist es, was mir als ideal im kopf herumspukt:

ich bin, die gefühle ziehen vorüber.
die wärme und nähe, die liebe ist in mir - und fließt im idealfall einfach über ...

keine abhängigkeit, keine bedürftigkeit.

aber ist das nicht auch der idalzustand der "heiligen"?
erreichen wir menschen das jemals, oder ist es eher ein ständiges streben in diese richtung?

ein anderer gedanke, nach weiterer lektüre zum thema gestern abend: bedürftig sind wir als säuglinge, als kinder; wir sind darauf angewiesen und völlig abhängig davon, dass die mutter füttert, die bezugsperson kleidet und wärmt und trägt.

ich würde meinen: wenn wir das bekommen haben, wie es uns zusteht, nahrung und liebe, dann können wir laufen lernen und von den eltern weggehen und erwachsen werden und den oben geschilderten idealzustand anstreben;
wenn aber ein mangel geblieben ist, dann füllen wir den ein leben lang (oder erkennen, was wir tun und können es auflösen?).

ist also die bedürftigkeit das zeichen dafür, das ein mangel/eine verlassenheit da war, oder dass man nicht losgelassen wurde von den eltern, nicht erwachsen werden konnte?

dann wäre das "erwachsenwerden" der übergang vom abhängigen säugling zum unabhängigen wesen, das die liebe in sich selbst spürt und ggf. einem eigenen kind wieder diese zuwendung geben kann;
zwischen erwachsenen aber ist es ein fließen, kein erfüllen gegenseitiger mängel.

guinevere, sedna!
ja, sedna, so geht es mir auch: ich meine, dass das in der kindheit wurzelt, dass ich negative gefühle und auch kritik, die geäußert wird, mit mir selbst identifiziert habe (ich bin die schlechtigkeit, statt: etwas ist schlecht und ich nehme es wahr).
auch für mich war das ein sehr erhellender und enorm befreiender lernprozess in den vergangenen jahren, das auseinanderhalten zu lernen!

brittka,
danke für deine schilderungen. du gehst auf deine eigenen beziehungs-erfahrungen ein - erst dachte ich mir: ach, betrifft mich jetzt nicht so, in der beziehung selbst ist abhängigkeit kein thema für mich.
ich erinnere mich aber, welch riesiger unterschied zwischen meiner ersten beziehung und der jetzt vergangenen bestand. als ich meiner therapeutin damals die gescheiterte beziehung schilderte, meinte sie: wenn sich einer von beiden selbst so ablehnt, dann kann das ja nur schiefgehen. ich bin fast eingebrochen vor lauter entsetzen und schuldgefühl. aber lange später habe ich begriffen, dass da viel dran war; ich hatte es zunächst gar nicht wahrnehmen können, wie wenig ich mich annahm und wie sehr ich die annahme vom anderen wünschte.

in der letzten beziehung habe ich dies bewusst als sehr befreiend und schön erlebt, mit dieser neuen voraussetzung auf einander zuzugehen - zwei menschen, die das mit der selbstannahme zwar noch nicht 100%ig "draufhaben", aber bewusst sind und fest dran arbeiten. es fühlte sich einfach so viel leichter und mehr "auf augenhöhe" an, einfach miteinander zu sein, und kein gefälle von bedürftigkeit zu spüren.

was autonomie/nähe innerhalb einer paarbeziehung betrifft, so hast du ganz andere efahrungen gemacht. ich wünsche dir, dass dir das immer besser gelingt, dass beides sein darf - einfach als unterschiedliche zustandsformen ein und derselben beziehung.

soooo.... ich möchte gerne noch anmerken: das ist für mich nicht der rückblick in eine problematik der vergangenen beziehung! (diese habe ich positiv und in vielem als wunderbares lernfeld erfahren dürfen) sondern meine auseinandersetzung mit dem wieder alleinsein jetzt.

ich empfinde jetzt eine bedürftigkeit - und als erstes ist es wahrscheinlich die völlig normal-menschliche reaktion der verarbeitung.
vielleicht hätte ich mir noch mehr zeit lassen sollen, die gefühle erst mal vorüberziehen zu lassen; die frage, wie das mit mir weitergehen soll, hat mich aber so intensiv erfasst, dass ich es mit euch diskutieren wollte.

- nun bleibt für mich noch das ganze feld außerhalb des themas paarbeziehung offen ...
aber im grunde gelten dieselben aussagen.

dabei gilt aber unbedingt, was wolke schreibt:
wir sind soziale wesen.
wir sind nicht nur als kinder auf die emotionale und materielle versorgung durch die eltern und bezugspersonen angewiesen; wir sind auch als erwachsene zwar im oben beschriebenen sinn nicht von "gefühls-gaben" der anderen abhängig.
aber wir sind abhängig vom austausch mit anderen. wir würden geistig und emotional ganz schlimm verarmen ohne diesen austausch.

fazit: wenn sich nun jemand entschlösse, in eine einsiedelei zu gehen, weil er/sie im direkten umfeld der menschen nicht ankommt - dann wäre zwar die belästigung der mitmenschen beendet und das leiden dieser person an der ablehnung/am sich zumuten-müssen, aber dafür würde der mensch geistig/emotional verdorren.

die innere fülle kann sich nicht auf ewig von selbst füllen, oder?!

ok, ok, ich gebe zu, das ist ziemlich verstiegen und entstammt einer ganz tiefen angst von mir.
ich möchte mich den gedanken stellen.

liebe grüße
kormoranin
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*** zurück ins leben!
BD
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von BD »

Hallo Kormoranin,

deine GEdanken sind sehr tiefgreifend und ehrlich gesagt hab ich mir etwas schwer getan alles gut zu verstehen, aber ich denke ees ist mir gelungen.

Ich wünsche mir auch weniger Abhängigkeit von Beziehungen, aber es ist ganz sicher so, dass wir Beziehungen brauchen. Ich stimme dir zu, dass wenn wir ganz früh nicht genug Liebe und Angenommensein erfahren haben, wir diesen Mangel -vielleicht wirklich lebenslang?- spüren werden.

Ich merke, dass es mir immer wieder schwerfällt mich selbst anzunehmen und ich noch ganz schön abhängig von der Meinung und Zuwendung anderer bin. Aber es ist sicher auch ein Stück ein Weg auf dem wir uns befinden.

Bin auf weiteren Austausch gespannt.

Grüße
Waldsee
Liber
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Liber »

Liebe Kormoranin,

anscheinend habe ich doch etwas an deinem Posting vorbeigeschrieben.

Ich habe zwar von meinen Beziehungserfahrungen geschrieben, aber das exemplarisch gemeint. Die ganze Problematik zwischen Bedürfnis nach Nähe und Wunsch nach Autonomie zeigt sich mir darin am allerdeutlichsten.

Und aus deinem Posting glaubte ich auch diesen Konflikt herauszulesen.

Anscheindend geht es dir aber noch um etwas anderes, nicht?

Was es genau ist, habe ich aber dann doch noch nicht so ganz verstanden. Vor allem ist mir im Moment noch nicht nachvollziehbar, weshalb du deine letzte Beziehung letztendlich beendet hast, wenn sie eine befreiende Erfahrung auf Augenhöhe war? Was hat "gefehlt"? Aber entschuldige, das gehört sicherlich nicht hierher.


>fazit: wenn sich nun jemand entschlösse, in eine einsiedelei zu gehen, weil er/sie im direkten umfeld der menschen nicht ankommt - dann wäre zwar die belästigung der mitmenschen beendet und das leiden dieser person an der ablehnung/am sich zumuten-müssen, aber dafür würde der mensch geistig/emotional verdorren.


Wenn jemand in eine Einsiedelei geht, um den Mitmenschen auszuweichen, wird er dort wohl eher nicht die innere Fülle erleben. Er geht ja, um vermeintliches Leid zu vermeiden, das er mit der Begegnung mit den Mitmenschen in Verbindung bringt. Aber da ist etwas in ihm, das ihn an den Mitmenschen leiden lässt, das noch nicht geheilt ist und das der Heilung bedarf. Schon aus diesem Grund ist das Leben in einer Einsiedelei für einen solchen Menschen aus meiner Sicht nicht der richtige Weg.


Liebe Grüße
Brittka
himmelskörper
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Registriert: 10. Jul 2009, 14:13

Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von himmelskörper »

Hallo kormoranin,

die innere fülle kann sich nicht auf ewig von selbst füllen, oder?!

eine Zeit lang könnte ich mir vorstellen würde das funktionieren, solange bis wir den alltäglichen Stress, die Überbelastung, psychosozialen Stress abgelegt haben.

Wir würden auftanken, die Ruhe geniessen, neue Pläne schmieden....................und dann?

Dann würden wir wahrscheinlich merken, wie wir doch auf andere angewiesen sind, ohne das eine Abhängigkeit bestanden hat/ bestehen würde.

Ja, ich denke wir würden geistig verdorren, ich glaube wir wären auch nicht mehr in der Lage, positive Gefühle wahrzunehmen.
Positive Gefühle entstehen doch oft nur im Zusammenhang mit dem Zusammenleben/Zusammen arbeiten anderer.
Indem wir soziale Kontakte eingehen, für andere da sind, miteinander was erreichen wollen, gemeinsam für etwas kämpfen.

Wir sind nicht als Einzelgänger geboren, das habe ich selbst festgestellt, das Leben wird um soviel reicher, wenn wir Kontakte eingehen, mit anderen uns befassen und unsere Gedanken gegenseitig austauschen.

alles Liebe sedna


kormoran
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von kormoran »

hallo brittka, hallo waldsee

ja, ein bisschen, gebe ich zu, bin ich wohl selbst im unklaren, was ich eigentlich erfahren will ... es fällt mir dementsprechend schwer, mich klar auszudrücken.

also mehr zur beziehung gehört wirklich nicht hierher

ok, ich versuch's für mich nochmal aufzurollen:
ich merke in dieser phase des wieder-einstellens aufs single-leben, wie sehr mir ein "du" fehlt. wie schön ich das fände, doch in beziehung zu sein, das leben zu teilen.
und ich finde schon mal positiv, dass ich dieses gefühl zulasse und nicht abdränge, weil es ungehörig ist ("ich habe autonom zu sein").

ich möchte aber gerne für mich klären: ist das jetzt bedürftigkeit/abhängigkeit?
jedenfalls: ich möchte erst wieder zur ruhe kommen und wieder stärker diese selbstannahme spüren.
wenn ich das schaffe, dann darf ich es zwar weiterhin als wünschenswert empfinden, mit jemand das leben zu teilen, aber dann bin ich nicht leidend-unvollständig-abhängig vom zustandekommen einer beziehung.

dann fühle ich nicht einen mangel, wie thomas sagt.

vorerst, denke ich, ist es für mich wichtig, dieses gefühl von verlust und bedürftigkeit einfach anzusehen ... bis ich mich davon lösen kann.

vielleicht kann ich etwas daraus lernen, über alte verlassenheitsängste zum beispiel.

waldsee, ich denke auch, dass wir hier ein wenig hin- und herwandern können auf diesem weg: dass wir sehr wohl auch positive, stärkende kontakte anstreben und erleben können, die es uns erleichtern, uns selbst anzunehmen (auch wenn es im prinzip von innen kommen muss). und je mehr wir uns annehmen können, desto weniger abhängig sind wir - und umso bereichernder und gegenseitiger werden unsere kontakte draußen.

dann wird auch das problem mit dem rückzug und dem wahrnehmen von kontakten trotz müdigkeit oder anderer "defizite" weniger schwer werden.

eigentlich ist alles ganz einfach

tja, brittka, und so würde ich es auch gerne mit dem einsiedlerthema sehen. wenn ich bei mir bin, dann kann ich es bei den menschen aushalten. dann kann ich auch aushalten, wenn sie manches an mir nicht mögen.
ich meine, dass es an mir etwas gibt, das für andere sehr störend ist. wer mich kennt, wird es verstehen - oder aber nicht, weil es vielleicht nur in meiner einbildung existiert, wie mir meine therapeutin versichtert hat. meine wahrnehmung ist immer wieder eine andere.
ich kann es schwer ertragen, für andere so störend zu sein, selbst wenn ich mich als person inzwischen teils ganz ok angenommen fühle und mich immer besser in sozialen zusammenhängen bewegen kann. ich bin viel mehr bei mir selbst, nehme mich besser an, aber was nützt all das draußen, wenn mein äußeres so abstößt? dann müsste ich doch wieder in die einsiedelei ...

liebe grüße
kormoranin
EDIT: sorry, sedna, wollte dich nicht übergehen! zustimmung - habe ja auch von dir abgeschrieben ... bereichernd sind die kontakte draußen, auch wenn wir nicht abhängig sind!
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Clown
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Clown »

Liebe Kormoranin,

ohne jetzt unseren vorigen Austausch noch präsent zu haben, wieder ist mir von deinem neuesten Posting etwas aufgefallen:

>dieses gefühl von verlust und bedürftigkeit einfach anzusehen
Ich denke, das ist zu wenig. Ich denke, es ist wichtig und heilend, das mit Liebe anzusehen, mit einem 'Ja, du brauchst das und ja, es ist in Ordnung, dass du es brauchst und ja, du sollst es bekommen dürfen!' Und dann auch eventuelle Entscheidungen treffen und durchführen, die sich daraus ergeben.

Bin ich zu radikal?

Lieben Gruß,

Clown
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kormoran
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von kormoran »

nachtrag:

letztere frage geht allerdings stark am thema vom forum vorbei. lassen wir das also außen vor.

gedanken zu anspruch und überforderung, wahrnehmen vs. abhängig sein von gefühlen passen aber nach wie vor, denke ich.

gute nacht!
kormoranin
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kormoran
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von kormoran »

liebe clown,

unsere postings haben sich überschnitten.

hm. mit liebe sollte ich mich selbst betrachten, nä? die, die das gefühl/das bedürfnis hat. ja, das sollte ich!

du hast recht. wie ich das jetzt ansehe und schildere, es hat so ein bisschen was herumkrittelndes herabsetzendes.

*mir schauderts*

das ist der blick meiner mutter, das herablassende auf jenen teil der familie, der "gefühlig" veranlagt ist.

*schluck*.

danke, clown. ja, jetzt habe ich begriffen.
ganz lieber gruß
kormoranin
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Rosenkranz
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Kormoranin!

Ich denke es nicht dein äußeres, daß wie du denkst die ändren abstößt. Sondern die Art wie man rüberkommt. Ich war mal auf einen Lehrgang, da war ein Mann dabei, der sah aus wie der Teufel persönlich, er hatte aber eine Art mit Menschen umzugehen, die seinesgleichen sucht, es war ein so liebenswerter Mensch mit den man sich gern und gut unterhalten konnte, verstehst du was ich meine.

Mit dem Einsiederleben kann man auch positiv sehen, man muss die Gründe kennen warum sich ein Mensch dafür entscheidet, will er sich verkrichen, verstecken oder flüchten oder aber eine andere Version sich selber erkennen. Habe da mal eine Reportage gesehen von einer sehr intelligenten Frau, die keinesfalls verkümmert ist (seelisch), sie hat die ganze Kraft aus ihren festen glauben und Gebet genommen, hat mit wenig und den allernötigsten gelebt. Das war meiner Meinung nach die absolute Selbstbeherrschung, sich selber annehmen, mit sich selber auseinandersetzen mit sich selber im reinen sein, einen strukturierten Tagesablauf haben ohne das er von irgendjemanden vordiktiert ist, also selbst bestimmt ist und dennoch ein Mensch voller Liebe und güte ist. Meiner Meinung nach durch Verzicht sich selber erkennen, vergleiche ich in etwa mit den Shaolinmönchen. Ich weiß nicht, ob das die Ausnahme war, war jedenfalls aus Deutschland. Ich weiß nicht wie viele davon in Deutschland leben, aber ich könnte mir auch vorstellen das es für mansche auch eine Flucht vor der Menschheit ist, da mus man nicht unbedingt ein siedler sein, sind wir nicht gewissermasen auch welche, wenn wir depressiv sind.

Für mich selber sehe ich es so, nach heutiger Sicht wäre es für mich besser gewesen nach dem Auszug bei meinen Eltern erst einmal alleine zu wohnen, um herauszufinden wer ich wirklich bin, was ich vom leben will, meine Stärken auszubauen und mein eigenes leben zu führen . Ich habe aber sofort in einer Beziehung gelebt, gewissermaßen auch in einer Abhängigkeit und dann Kinder bekommen die wiederum von mir abhängig waren. Dann wäre sicher auch einiges besser gelaufen und ich hätte alles bewußter angehen können.

Ich denke wir haben trotz allem den nichtdepressiven auch etwas voraus, wir leben nicht nur oberflächlich, sondern machen uns eben auch diese tiefgründigen Gedanken, wenn uns das auch das Leben erschwert.

Viele liebe Grüße Rosalie
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

Hey liebe Kormoranin,

ich bin viel mehr bei mir selbst, nehme mich besser an, aber was nützt all das draußen, wenn mein äußeres so abstößt?

Hab jetzt nicht alles gelesen, aber ? Ja ? Wirds denn als so empfunden? Ich fand Dein Äußeres nicht abstoßend, eher Gegenteil..."ungepflegt" würde ich z.B. an jemand als abstoßend empfinden...

hmm , ich find mein Äusseres auch manchmal abstoßend, nämlich dann, wenn ich mich selber nicht so recht akzeptieren, annehmen mag...

Lieben Gruß Dir!
manu
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

naja , ähnlich z.B. wie die Liebe zu meinen Kindern sie zu den "schönsten" Kindern im Universum "gezaubert" hat, nur eben umgekehrt
Guinevere
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Guinevere »

Vielleicht bin ich da auch ne Ausnahmeerscheinung ? Meint, ich empfind meine Partner auch oft (so gefühlseingefärbt) als "schön", wenn andere meinen, der wäre eher häßlich . Naja, und wenn ich z.B. meinen Partner vom Aussehen her dann mal als nicht so "schön" empfind, dann sagt mir das gerne was über meine Gefühle zu ihm aus.
lt.cable
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von lt.cable »

Hallo kormoranin!

Von mir nur folgender kleiner Einwurf, den ich aus meiner Erfahrung berichten kann:

Ich habe lange Zeit auch gedacht, dass ich einfach nicht anziehend auf andere Menschen wirke, sie vielleicht abstoße. Zug um Zug habe ich allerdings lernen müssen, das andersrum ein Schuh daraus wird. Ich lasse andere Menschen nämlich nicht an mich heran.

Es grüßt
lt.cable
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Clown
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Re: mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung

Beitrag von Clown »

Liebe Kormoranin,

>das ist der blick meiner mutter, das herablassende auf jenen teil der familie, der "gefühlig" veranlagt ist. *schluck*.
"Ich liebe und akzeptiere mich von ganzem Herzen, auch wenn ich mit dem Blick meiner Mutter auf mich und andere Menschen schaue"

Das z.B. sprechen (ist nur ein Formulierungsvorschlag, du findest für dich vielleicht passendere Worte) und dabei den 'Wunderpunkt'

(Punkt der Selbstakzeptanz, siehe S. 4: http://docs.google.com/viewer?a=v&q=cac ... 7NUEHEvmEw )

mit der flachen Hand kreisförmig leicht reiben, so dass es sich angenehm anfühlt. Mindestens dreimal hintereinander sagen, und am Tag öfters wiederholen, besonders dann, wenn das Thema dich irgendwie beschäftigt.



Clown
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