nicht vergeben/verzeihen/vergessen können... und andere Gedanken

AiméeSophie
Beiträge: 60
Registriert: 12. Nov 2009, 18:19

Re: nicht vergeben/verzeihen/vergessen können... und andere Gedanken

Beitrag von AiméeSophie »

Hallo Forum,
hallo unknown,

das mit der Kontrolle kann ich gut nachvollziehn. Ich kenne es von mir, mir die Kontrolle der Situation nehmen zu lassen oder die Kontrolle selber abzugeben.Da möchte ich aufpassen. Aber selbst wenn es passiert, dann is es eben so, dann möcht ich zu mir stehn. Und vielleicht ist es besser anstatt Kontrolle lieber Fürsorge zu sagen. Denn kontrollierend zu sein, ist wieder unfrei. Frei ist, wer sich in jeder Situation neu entscheiden kann, wie er handeln möchte. Als ergänzung zu dir so zu sagen Amy
mystery60
Beiträge: 344
Registriert: 13. Nov 2009, 11:12

Re: nicht vergeben/verzeihen/vergessen können... und andere Gedanken

Beitrag von mystery60 »

Hallo Höhlentier,

hoffe dass Dir Dein Name alsbald nicht mehr passt. Vielleicht vom Höhlentier zum Murmeltier und von der Höhlenfrau irgendwann mal zum Sonnenanbeterin ....

>"Wer nicht hören will, muss fühlen"
- da musste ich schmunzeln, denn den Spruch gabs öfter, bevors bei uns Kindern was anderes gab - nämlich was hinten d´rauf. Aber ja, so habe ich den Spruch noch nicht gesehen aber er trifft: wenn ich nicht auf mich selbst höre, werde ich mich schon irgendwann mal spüren, wenn ich auf eine Wand knalle oder irgendwo runter falle - gemäß dem alten Bergsteigerwitz:
Einer fällt. Ruft der andere die Felswand hinab; "hast Du Dir weh getan?"
Antwort: "Nein!...... - ...... ich falle noch"

>Ich kann mich zwar nicht gut leiden ...aber andere kann ich noch weniger leiden..

Das find ich wirklich gut. Zeigt es doch, dass Du Dich relativ zu anderen eben doch gut leiden kannst. Ist jetzt die Frage, in Relation zu wem kannst Du Dich nicht so gut leiden, also wen kannst Du besser leiden als Dich selbst. Ich will mich auch nicht leiden können, lieber mögen und noch besser lieben - große Worte für so ein kleines Fastnichts im Weltall.

Aber darum geht es - sich selbst zu akzeptieren. Die Vergangenheit annehmen, sie sein lassen, wie sie war - weil man sie eh nicht mehr ändern kann und damit auch sich annehmen wie man (geworden) ist, weil es keine Alternative dazu gab. Nichts bedauern, denn man könnte auch sagen, alles zu etwas gut - vielleicht habe ich es gerade so getroffen, weil es so kommen musste.
Wenn ich mich so annehmen kann wie ich bin, bin ich bei mir und so kann ich ohne Verdrängung, ohne Verrücken (ver-rückt-werden) aus mir heraus mein Leben leben und insoweit auch meine Zukunft gestalten.

Es ist nie zu spät dafür, dass man im hohen Alter sagen kann, ich habe ein gutes Leben geführt.

Tja imagine,
da ist guter Rat teuer ...
Ich denke, man muss ich vorher über die Kindheitssituation bewußt gerworden sein und erkennen, dass man da wenig eigene Anteile hatte, also dass man so wie es kam nichts ändern konnte - Kernaussage dazu: Du bist nicht Schuld!
Bei mir ist es auch so, dass bestimmte Auslöser nicht nur die alten Geschichten wieder hochkommen lassen, sondern vor allem auch die Gefühle. Das kann man akzeptieren - was soll man auch sonst machen. Wichtig ist mir nur, dass ich erkenne, warum ich diese Gefühle wieder habe und damit auch eine Chance habe, mir zu sagen, die Situation ist heute aber anders, Du bist kein hilfloses Kind mehr, es ist eine andere Situation und Du kannst jetzt reagieren und Dir selbst helfen - dann habe ich auch die Chance, zu anderen Gefühlen zu kommen.


Schönen Gruß an alle
TG
tomroerich
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Re: nicht vergeben/verzeihen/vergessen können... und andere Gedanken

Beitrag von tomroerich »

Hallo Höhlentier,

Man sollte annehmen, dass wir in der Gegenwart leben, aber oft hängen wir in Gedanken irgendwo in der Zukunft oder der Vergangenheit. Was nimmt man dann von der Gegenwart noch wahr?

wenn man sich beobachtet kann man leicht feststellen, dass man permanent mit Gedanken beschäftigt ist, die versuchen, die gegenwärtige Sitution mit den Mitteln der Vergangenheit zu erfassen und die Zukunft so auszumalen, dass sie wie die Vergangenheit wird.
Wie du sagst, nimmt man dann Gegenwart überhaupt nicht wahr. Was stattdessen wahrgenommen wird ist ein vergangenes Muster. Es mag fantastisch erscheinen, dass es überhaupt gehen soll, Gegenwart uninterpretiert zu erleben, aber es ist nur eine Gewohnheit (allerdings eine sehr mächtige), sich die Gegenwart ständig selbst zu erklären. Was nötig ist, um das zu ändern, ist, den Gedankenstrom zu unterbrechen, der als ständig plappernder Radiosender im Kopf vorherrscht. Erreicht werden kann das, indem man ihn beobachtet.

Ein kleiner Ausflug ins Gehirn.....
Die Verarbeitung äußerer Reize kann 2 Wege nehmen:

Weg 1 führt direkt von den Auswertungsarealen der Sinne in die Musterwelt des limbischen Sytems, wo Interpratationen als feste Muster abgespeichert sind. Was du dann noch mitbekommst ist einfach das Ablaufen eines Automatismus. In dem Moment, wo dir etwas zu Bewusstsein kommt, fühlst du bereits die Arbeit des Musters in Form von Gedanken und Gefühlen. Dann ist es zu spät und das hier


Wenn ich mit mir und meinem Leben unzufrieden bin bezieht sich das auf meine gegenwärtige Verfassung. Ich nehme momentan wahr, dass ich mich nicht wohlfühle.

passiert. Dieser Zustand ist vorherrschend bei den meisten Menschen und ähnelt einem Traum mehr als einem wirklichen Wachsein.

Weg 2 geht von den Auswertungsarealen über den Neokortex zum limbischen System. Er wird nur dann geschaltet, wenn du deine Aufmerksamkeit auf die Vorgänge in dir selbst richtest - das ist sozusagen der Selbstbeobachtungsmodus.

Dieser Weg ermöglicht eine Neubewertung und Kontrolle, weil du jetzt bewusst erfährst: Hier ist ein Reiz, der erfahrungsgemäß dies und das auslösen wird. Und du kannst innerhalb einer winzigen Zeitspanne entscheiden, dass du die automatische Reaktion verwirfst. Praktisches Beispiel:

Wenn du dich über jemanden ärgerst, der was Blödes zu dir sagt, ist der Ärger plötzlich einfach da. Du bekommst garnicht mit, dass er entsteht. Er wird dir als fertiges Produkt geliefert. Wenn du Beobachterin deiner inneren Vorgänge wärst, würdest du mitbekommen, dass sich Ärger anbahnt. Das geschieht vollkommen intuitiv und enorm schnell. Ebenso schnell kannst du dann entscheiden, dass du dich nicht ärgern willst.

Das erfordert, dass du ständig "bei dir" bist und dir der Vorgänge in deinem Inneren bewusst bleibst. Es ist eine reine Übungssache. Hast du das Prinzip erst einmal erfasst, wird sich dir eine völlig neue Möglichkeit eröffnen: Du bist deinen Mustern nicht ausgeliefert. Und dann lebst du in der Gegenwart. Und erst dann wirst du frei von dir selbst und hörst auf, ein ewig reagierender Robot zu sein.



Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
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