Ein alter Bekannter

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tallgirl
Beiträge: 340
Registriert: 25. Jul 2005, 07:46

Ein alter Bekannter

Beitrag von tallgirl »

Ein alter Bekannter ist wieder zu Besuch. Auch wenn er so richtig nie verschwunden war, immer im Hintergrund darauf gelauert hat, dass er einen Weg findet wieder mit mir zu interagieren, hatte ich doch auch meine kleinen lichten Momente gehabt. Diese Momente taten so gut sind aber schon seit geraumer Zeit wieder verschwunden.

Ich habe mich lange nicht mehr hier im Forum gemeldet, nicht, weil es mir so gut ging, sondern einfach weil ich Abends viel zu platt bin, um mich auf die Dinge, die hier passieren auch nur im geringsten Einlassen zu können. Ich habe oft mitgelesen, aber nach dem 3ten Satz wusste ich nicht mehr, was im ersten Stand und untern diesen Voraussetzungen hat es nicht wirklich Sinn, etwas zu antworten. So habe ich es gelassen, immer in der Hoffnung, dass es mir wieder besser geht und ich wieder aktiv am Leben teilnehmen kann. Frei nach dem Satz…Mittendrin statt nur dabei.

Ich lebe, ja aber schön ist das nicht.

Ich befinde mich zurzeit in einem Zustand, den ich nicht einmal wirklich erklären kann. Ich bin müde, kann aber nicht schlafen. Ich bin ruhig, und trotzdem innerlich total aufgewühlt und aggressiv. Ich bin nicht belastbar und gehe trotzdem arbeiten. Ich fühle mich schlecht und meister meinen Alltag trotzdem irgendwie. Ich weiß, dass ich eine Thera machen sollte, ich habe auch schon 2x damit angefangen, diese bringen mir aber überhaupt nichts. Ich kann damit nichts anfangen und sehe die Theras, die ich bis jetzt gemacht habe, eigentlich nur als reine Zeitverschwendung an.

Eine Kur? Ja, vielleicht aber was bringt mir das, wenn ich meinen Job verliere? Die Zeiten werden immer schwieriger und ich bin kein Mensch der glücklich ist, wenn er zu Hause sein kann. Ich muss arbeiten gehen um mich zu beschäftigen.

Ich habe in den letzten Wochen zusätzlich zu meinen Medikamenten noch Spritzen bekommen, damit die Aggressivität unter Kontrolle ist. Diese haben mir auch geholfen, haben aber zeitgleich auch wieder meinen Appetit angeregt, so dass ich wieder fleißig zugenommen habe.
Ich habe meinem Arzt gesagt, dass ich die Spritzen nicht mehr will, dass ich nicht mehr zunehmen will aber ich merke, dass meine Entscheidung nicht gerade gut für mich ist. Ich habe auf diesen unendlichen Kreislauf keine Lust mehr. Es ist so frustrierend zu sehen, dass man kämpft und immer schwimmt um nicht unter zu gehen, dass aber alle Anstrengung nichts hilft und der Körper und die Seele ja doch machen, was sie wollen. Wozu also kämpfen?

Ich könnte mich doch einfach meinem Schicksal ergeben, nicht mehr für ein besseres Leben kämpfen. Vielleicht geht es mir dann besser. Besser, weil ich nicht permanent versuche, mein Leben zu ändern sondern es versuche zu akzeptieren. Aber ist das einfacher?

Sollte mir jemand antworten, so sage ich schon jetzt danke. Ich reskiere gerade meinen Job weil ich das jetzt online stelle. Wir dürfen privat nicht ins Internet. Ich kann also auch erst heute Abend zu Hause reagieren, wenn ich dann die Kraft dazu noch habe.

Danke an alle.
Liebe Grüße



Angie



Du kannst die Wellen nicht stoppen. Du kannst nur lernen, auf ihnen zu reiten.
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Ein alter Bekannter

Beitrag von wennfrid »

Hi Angelika
Deine Symptome kommen mir sehr bekannt vor. Ich schreibe mal, wie's bei mir ist/war.
Vielleicht erkennst du dadurch das Eine oder Andere Problem und kannst es leichter überwinden.
Ich leide mein ganzes Leben an einer endogenen Depression. Eine Depression mit ihrer vielen, lebenseinschränkenden, Promlematik. Sie kommt ohne erkennbaren Anlaß und verschwindet wieder auf die gleiche Weise.
Die Depression zeigt sich in vielen Gesichtern. (Existenzangst, Zukunftsangst, Angst, in unserer Leistungsgesellschaft nicht zu genügen, Angst nicht gut genug zu sein, Angst vor der Angst, Hoffnungslosigkeit, zu wenig Vertrauen in sich selbst und in die Umwelt. usw.)Die Depression raubt dem Menschen sehr viel Energie, Energie, die im Alltag abgeht.
Wenn dieser Zustand sich längere Zeit einstellt, kommt auch noch Burn-Out dazu. Man fühlst sich nur noch kaputt, zieht sich durch den Tag und ist abends total erschöpft. Ein Teufelskreis, aus dem man nicht so leicht rauskommt. Ich habe mir eine
eine Auszeit genommen, bzw. nehmen müssen. Ich war in einer psychsomatischen Klinik und habe viel über die Depression und auch über den Menschen gelernt. Dieses Wissen hilft mir, besch.. Tage zu überwinden.
Mit dem Willen allein erreicht man gar nicht's.Keine einfache Sache.
Ich wünsche dir, daß du aus deinem Loch rauskommst. Mir ist auch klar, daß "das Rauskommen" nicht einfach ist, aber Gott sei dank, auch nicht unmöglich.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
rm
Beiträge: 2209
Registriert: 5. Nov 2006, 15:46

Re: Ein alter Bekannter

Beitrag von rm »

Angie,

einfach nur schön, mal wieder was von Dir zu lesen, auch wenn es sich nicht so wirklich gut anfühlt, was Du da schreibst! Würde Dir gern mehr sagen, aber ich bringe momentan selbst nichts auf die Reihe, was Dich aufmuntern könnte. Bis bald einmal.

Liebe Grüße und viel Gelassenheit für Dich,
Reinhart
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Ein alter Bekannter

Beitrag von kormoran »

liebe angie,

es ist dreist und auch ein bisschen provokativ von mir, aber sei's drum. bevor ein faden mit einer zustandsbeschreibung zum aus-der-haut-fahren einfach so in der versenkung verschwindet, lege ich doch eine frage nach:

weil ich mich wundere, wieso hier kein echo kommt.

ich lese den titel nochmal und dein posting und es taucht ganz leise die assoziation auf:

hat sich dieser "alte bekannte" so breit und dominant an den tisch mit dir gesetzt, dass sich einfach niemand traut oder lust hat, sich dazuzusetzen?

achtung: nicht, weil du nicht einladend wärst, sondern weil der "alte bekannte" an deiner seite auf herannahende interessierte ca. so reagiert: nö, wir haben keine fragen, es ist alles fix eingerichtet so wie es ist. sagen wir doch, kämpfen wozu, thera für die fisch', job lässt keine anderen maßnahmen zu. war da was mit spritzen, aggression? ooch, das geht so nebenbei ganz lapidar unter.

liebe angie, liebe foris, der frust und die wut, die ich da gerade heraustippe, richtet sich gegen diesen alten bekannten, der da so breit neben angie hockt, als hätte er die welt gepachtet, an angie, die ihn lässt, und auch an alle, die hier lesen und an diesem tisch einfach vorbeigehen und nicht mal nachfragen ob der kerl nicht mal rüberrücken oder ein bier holen könnte, oder ob angie nicht mal alleine mitkommt an die bar für ein paar fragen, die hier doch aufkommen.

und irgendwie fehlt dieses: verdammt, ich will diesen scheißkerl nicht, wie schaff ich ihn hier raus?

ich empfinde da einen schmerzhaften stillstand und ergreife erstmal die flucht
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
mia1973
Beiträge: 12
Registriert: 27. Jan 2010, 16:17

Re: Ein alter Bekannter

Beitrag von mia1973 »

Hallo Angelika,

ich fühle genau dasselbe hin- und hergerissen-Sein wie Du:
Kämpfen oder Akzeptieren? Was bringt mich weiter?
Die Hoffnung auf eine bessere Phase oder zumindest einen klitzekleinen nicht ganz so perspektivlosen Moment am Tag habe ich fast immer in mir. Aber da der "alte Bekannte" seit 14 Jahren immer wieder bei mir reinschneit und sich breit macht, bezweifle ich mittlerweile, ob Kämpfen und Hoffen die richtige / heilende Strategie ist.
Möglicherweise ist an dem Akzeptieren doch was dran?! Ich bin mir aber sicher, dass ich das nicht ohne Hilfe schaffe, deshalb: neue Therapie angefangen und zusätzlich auch noch in die Klinik. Wenn schon, denn schon! In ca. 3 Wochen geht's los und klar sind da viele Grübeleien, Zweifel und zwischendurch auch der sichere Gedanke, dass das sowieso alles nichts bringt. Aber so weitermachen wie bisher und immer mehr und mehr Lebensqualität einbüßen will ich auch nicht. Also mein neues Motto: Statt "ran den den Feind und treten, brüllen, vertreiben" jetzt "rein in mein Innerstes selbst und erkennen, verstehen, akzeptieren". Hilfe, das hört sich sehr theoretisch, therapeutisch und soooo schwer an...aber vielleicht schaffe ich einen ersten Schritt in die Richtung. Und vielleicht ist die Richtung ja ein bisschen besser als die, die ich vorher eingeschlagen habe. Und das wäre dann schon schön.

Lieber Gruß von Mia
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