offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

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mumi
Beiträge: 10
Registriert: 17. Okt 2009, 21:14

offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von mumi »

Hallo zusammen,
probiere das Forum mit diesem Beitrag das erste Mal aus. Vielleicht könnt Ihr mir ja die einen oder anderen Tipps geben.

Kernfrage ist, ob und wie weit man sein Befinden (depressiv, freudlos bzw. traurig, immer grübelnd) seinem Partner kommuniziert?

Ich funktioniere im normalen Leben vollständig, sprich, mein Innenleben erkennt mir keiner an, auch nicht mein Mann. Äußerlich ist mir nichts anzumerken, innerlich fühle ich mich wie oben in Klammern beschrieben.

Mein Mann weiß, dass ich eine depressive Phase im August 2009 "hatte" und auch noch Tabletten nehme. Er weiß nicht, wie es derzeit leider noch in mir aussieht.

Ich habe immer Schuldgefühle, weil ich das Gefühl habe, ihn total zu verarschen, wenn ich ihn nicht in meine echte Gedanken- und Gefühlswelt einbeziehe. Ich zumindestens käme mir verarscht vor, wenn ich schöne Sachen unternehme und mein Partner nur so tut als ob und sich eigentlich in depressiven Gedanken bzw. Gefühlen befindet. Auf der anderen Seite denke ich, dass es an der Sache an sich nichts ändert, ein tägliches depressives Klagen nicht zielführend ist und die Lage "entspannter" ist, wenn alles normal weitergeht.

Was denkt Ihr darüber?

Freue mich über Anregungen!
maki

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von maki »

Herzlich Willkommen Mumi,

Naja, ich will mal den Anfang machen, wahrscheinlich kommen noch andere hinzu die das gleiche durchgemacht haben wie du.

Diese "Maske" tragen, äusserlich funktionnieren, innerlich diese Freudlosigkeit, die wirren Gedankengänge, teilweise sinnlosen Grübeleien, und Hoffnungslosigkeit (was bei dir jetzt nicht erwähnt wird und ich hoffe es ist auch noch nicht vorhanden)

Bei mir war das jahrelang so. Meine Diagnose liegt ca.15 Jahre zurück. Verschiedene AD's, verschiedene Therapeuten, Neurologen (um die körperlichen Ursachen auszuschliessen), eben das Prozedere wie bei vielen Depressiven.

Ich trug diese Maske andauernd. Schlechte Tage zeigte ich nur teilweise nach aussen, vermittelte weder meinem Mann und schon gar nicht meinen Kindern wie es wirklich in MIR DRIN aussah.

Dann hatte ich letzten Winter/Frühjahr die umwälzende Phase. Nach Absetzen der AD's (war zusammen mit meinem Mann und der damaligen Psychiaterin zu dem Schluss gekommen, dass ich "GESIEGT" hatte), fiel ich in eine schwere Depression-langsam aber unaufhaltsam. Plötzlich konnte ich meine Maske nicht mehr anlegen, sie war mir zuwieder. Ich wollte dass ich selber und auch mein Umfeld mich so akzeptieren wie ich bin, ich hatte einfach keine Kraft mehr mich zu verstellen. Meine Kinder waren auch in einem Alter, wo ich mich ihnen mitteilen konnte, deshalb fiel es mir auch nicht so schwer mit ihnen darüber zu reden.

Es tat mir gut. Fühlte mich zwar körperlich und seelisch als Wrack, aber andererseits war eine Last von mir gefallen.

Ich kann meinem Mann jetzt konkret sagen, wie ich mich fühle, warum es mir grade heute schlecht geht, aber auch die Freude an einem guten Tag mitteilen. Weisst du, eigentlich wollte ich ihn immer nur "verschonen", ihn nicht mit meinen Problemen belästigen. Ich sagte immer nur: Ach, es ist das Uebliche, halt so depressive Gedanken. Nie habe ich richtig offen darüber gesprochen, immer gesagt, morgen wirds halt wieder besser.

Soweit für den Augenblick, wenn du Fragen hast, stell sie ruhig, ich antworte dir gerne und helfe wenn ich kann.

Bis dann

Milly
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von FönX »

Hallo Mumi,

erstmal ein herzliches Willkommen hier im Forum.

Das Zusammenreißen oder "Fassade aufrechterhalten" ist gerade das, was die Depression begünstigen kann. Ist also kontraproduktiv. Meine Frau weiß, wie es mir geht. Und das finde ich gut so. Sie weiß, dass es nichts mit ihr zu tun hat und dass sie mich entweder in den Arm nehmen oder mich einfach in Ruhe lassen muss, wenn mir danach ist. Ich finde es überaus wichtig, dass wir in der Partnerschaft offen miteinander sind. Wir waren schon vor meinen Depressionen offen miteinander, und nachher ist es noch besser geworden. Vielleicht sind wir deshalb schon ein drittel Jahrhundert einander treu?...
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
quarktasche
Beiträge: 299
Registriert: 9. Nov 2009, 12:18

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von quarktasche »

Hallo Mumi,

eigentlich kann ich dir nichts anderes sagen als FönX und Milly, aber ich möchte dir Mut machen, gegenüber deinem Mann vielleicht offener zu sein. Meistens tut es mir gut, wenn ich meinem Mann sage,wie es mir geht. Oft merkt er sowieso, dass es mir schlecht geht und meine Maske brökelt. Nur meine allerschwärzesten (was'n Wort...) Gedanken behalte ich in ihrem ganzem Ausmaß mich. Aus Angst ihn zu überfordern.
Du findest sicher die für dich (!) beste Art.

Alles Gute
Bohne
sinaronja
Beiträge: 39
Registriert: 11. Jan 2010, 15:05

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von sinaronja »

Hi Mumi
ehrlich sein auch wenns schwer fällt.
mein freund weiß wie es mir geht. und mein fels in bradnung will ich auch nicht missen.

zumal er auch merkt das was nicht stimmt selbst wenn ich nichts sage. aber es fällt ihm leichter mit mir umzugehen wenn er weiß dass ich wieder einen "scheiß Tag" habe und gereizt oder zickig oder einfach nur traurig bin.
manchmal wird ein mieser Tag nach kuscheln auch wieder schön oder zumindest erträglich.

liebes grüßle Sina
DYS-
Beiträge: 1838
Registriert: 19. Mär 2003, 17:28
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Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von DYS- »

Hallo Mumi

Willkommen!

Dein Thema hätte auch von mir sein können!

Es liegt wohl auch daran, welche Erfahrungen du bisher gemacht hast. Mit deinem Partner und auch mit der weiteren Umwelt.

Die Schuldgefühle kenne ich auch.

Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten. Die ideale Lösung ist das aber nicht!

Mein Mann würde mir bei einer körperlichen Erkrankung sehr zur Seite stehen.
Mit meinen psychischen Problemen kommt er aber einfach nicht klar. Er ignoriert da alles. Gespräche über meine Depressionen oder meine Gefühle sind obsolet. Er sucht sich dann andere Aktivitäten, möglichst ausser Haus. Ich glaube, das meint er nicht böse, sondern er ist einfach überfordert.
In ganz bescheidenen Situationen habe ich schon versucht ihm meine Gefühle mitzuteilen. Wenn man dann nur eisige Kälte zurück bekommt, ist es als würde man zusätzlich von einer Dampfwalze überfahren.

Auch ich denke, möglichst wenig herumjammern. Es ändert nichts. Belastet nur die Partnerschaft.

Bist du in Therapie? Hast du evtl. dort die Möglichkeit mal zu „jammern“?
Aber das schafft auch nicht jeder.
Meine Therapeutin ist zwar diesbezüglich nicht meiner Meinung. Sie verlangt diesbezüglich mehr Offenheit gegenüber meinem Mann und dem Rest der Familie. Aber sie muss auch nicht mit den Konsequenzen leben.

Jedenfalls wünsche ich Dir, das du aus all den verschiedenen Meinungen etwas für DICH Richtiges herausfiltern kannst!

Alles Gute Dir
dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
mumi
Beiträge: 10
Registriert: 17. Okt 2009, 21:14

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von mumi »

Hallo zusammen,
lieben Dank für Eure schnellen Antworten, das ist ja super
Werde mir Eure Antworten durch den Kopf gehen lassen und, wie sagt man so schön, auf mich wirken lassen!
@dys: ich glaube, da haben wir ähnliche Ehemänner. Ich bin immer ganz froh, wenn er sich um sich kümmert, denn dann weiß ich, dass er sich wegen mir nicht einschränkt und sein Leben trotzdem genießt!Ist für mich ein befreiendes Gefühl.In Therapie bin ich auch, meine Therapeutin meinte sogar, sie aktzeptiert meine Entscheidung, meinem Mann nicht so viel zu sagen, solange ich dennoch das von meinem Mann bekomme, was mir in dem Moment dann gut tut. Und für Kuscheleien ist er immer zu haben!

Danke nochmal an alle!
mystery60
Beiträge: 344
Registriert: 13. Nov 2009, 11:12

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von mystery60 »

Hallo,

also vom Kopf her würde ich sagen, kommunizieren ist gut und Offenheit, denn wie soll der/die Partner/in auf einen eingehen können, wenn ich ihm nicht sage, was los ist. Wenn beide offen sind, kann er/sie mir ja auch sagen, dass er/sie nicht damit zu recht kommt, dass es nicht verstanden wird, dass man nicht in der Lage ist darauf einzugehen. Vielleicht findet man gemeinsam einen Weg, damit umzugehen oder einfach auch Absprachen, dass man bestimmte Signale gibt, wenn es einem so oder anders geht.

Da es sich hier aber immer um zwei Individuen handelt ist es sicher schwer was allgemein Gültiges zu sagen, das muss man in der Partnerschaft, wie so vieles andere aushandeln, vereinbaren, abstimmen. Klar, hat man für das ein oder andere Thema vielleicht nicht den Mut es offen anzusprechen oder man wartet lieber auf eine günstige Gelegenheit, geht ja nicht nur darum, wer die Brötchen vom Bäcker holt....
Ich bin froh, dass ich über meine Probleme und auch meine seelische Not einigermaßen offen mit meiner Frau reden kann. Sie hört einfach oft nur zu und gibt keine Ratschläge, versucht vielleicht mal einen Blick aus einer anderen Perspektive auf das Thema zu werfen, das finde ich schon gut.
TG
Minze
Beiträge: 72
Registriert: 2. Jan 2010, 10:20

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von Minze »

Als ich meinen Mann kennen gelernt habe, hab ich ihm das recht schnell gesagt, dass ich unter Depressionen leide und deshalb Medikamente nehme und schon lange Therapie mache.

Man merkt es mir so kaum an, ich kann fröhlich sein und lebendig.

Doch sehr schnell merkte er auch, dass ich tief fallen kann, wenn bestimmte Umstände eintreffen. Und er hat mich von Anfang an so angenommen, wie ich bin, mit unendlich viel Verständnis.

Er kennt mich am allerbesten. Der offene Umgang mit der Krankheit tut mir sehr gut und ist erleichternd, nimmt viel Druck und das Vertrauen hat große heilsame Wirkung.

Meine Familie weiß es ebenfalls, so recht einordnen können sie allerdings nicht, was es heißt, depressiv zu sein und warum man einfach nicht kann.

Sonst niemand. Ich wäge sehr genau ab, wem ich "außerhalb" von der Depression erzähle, da es manche gibt, die dafür kein Verständnis aufbringen möchten (können?) und das sehr von sich weisen.
Anna38
Beiträge: 24
Registriert: 14. Jan 2010, 08:25

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von Anna38 »

Hallo Mumi!
Mensch, der Beitrag spricht mir aus der Seele! Ich hatte auch riesige Probleme, mit anderen über meine Depression zu sprechen. Vor allem Menschen, die mir nahe stehen, wollte ich nicht damit belasten.
Als ich letztes Jahr meinen tiefsten Punkt hatte, wusste mein Partner zwar, dass ich Tabletten nehme und in Therapie bin, allerdings wurde das Wort Depression nicht in den Mund genommen. Richtig aufgearbeitet hatte ich danach meine Depression auch nicht, mich nicht damit beschäftigt.
Seit ich weiß, dass nicht die einzige bin, die darunter leidet und nicht die einzige bin, die so viel grübelt hab ich mich entschlossen, mich meiner Krankheit zu stellen. Und wollte eben auch, dass mein Partner Bescheid weiß.
Ich hab also 2 Bücher über Depressionen bestellt und sie demonstrativ auf dem Tisch liegen lassen, ich hätte meinen Partner nicht direkt ansprechen können und wollte ihm die Entscheidung überlassen, ob wir darüber reden.
Und siehe da: wir hatten ein super Gespräch, nicht zu lang, nicht zu kurz, und er ist im Bilde. Ich hab ihm gesagt, dass die beschriebenen Symptome genau zu mir passen und nun ist er im Bilde. Er nimmt jetzt wesentlich mehr Rücksicht auf mich (konnte er ja vorher kaum, wo ich nicht gesagt hab, wie es mir geht) und mir gehts seitdem viel besser. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass er es mir nicht übel nimmt, wenn ich manchmal so in mich gekehrt bin und nun weiß er auch, warum.
Also nur als Denkanstoß: es kommt ja auch dem Partner an, wie er damit umgeht, aber es gibt ja auch Bücher extra für Familienangehörige von Erkrankten, vielleicht legst du ihm das einfach mal hin und bittest ihn, darin zu lesen. Dann bleibt es ihm überlassen, mit dir darüber zu reden.
Lexon56
Beiträge: 18
Registriert: 23. Jan 2010, 15:25

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von Lexon56 »

hallo
nein erster anlauf ging schief schreibe später noch mal was.

Mfg
geheim
bradforhelp
Beiträge: 344
Registriert: 11. Nov 2009, 13:55

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von bradforhelp »

Hallo,

mittlerweile teile ich meiner Familie mit, wenn es mir schlecht geht. Dazu muss ich mich regelrecht zwingen, denn in depressiven Phasen bin ich sehr wortkarg.

brad
"In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt."

Albert Camus
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von MadMax »

N'abend zusammen!

Hab hier nicht alles gelesen, aber was du, Anna, geschrieben hast, ist mir aufgefallen:

>... wusste mein Partner zwar, dass ich Tabletten nehme und in Therapie bin, allerdings wurde das Wort Depression nicht in den Mund genommen.>

und weiter:

>hab ich mich entschlossen, mich meiner Krankheit zu stellen.>

Ich denke, es hat ganz viel damit zu tun, selbst die Krankheit anzunehmen und zu akzeptieren und dann auch selber das Wort "Depression" zu gebrauchen. Solange es für einen selbst zu befremdlich und zu angsterfüllend klingt, spricht man es gegenüber anderen auch nicht oder nur mit grösster Überwindung aus.

Bei mir ist es so, dass ich gegenüber Freunden eher und offener von Depressionen sprechen kann als gegenüber Familie. Aber ich vermute, das hat bei mir eher spezielle Gründe. So in die Richtung gehend, dass ich selber mit meiner Erkrankung klar kommen will und nicht die Familie diese "managt".

Viele Grüße
MadMax
Anna38
Beiträge: 24
Registriert: 14. Jan 2010, 08:25

Re: offener Umgang mit Krankheit oder "gute Miene zu bösem Spiel"

Beitrag von Anna38 »

Hallo MadMax!
Das ist bei mir das gleiche. Ich denke, bei mir/uns ist es die Angst vor dem Kontrollverlust. Ich bin es immer gewohnt gewesen, alles zu managen, Haushalt, Kinder, Job, Bankangelegenheiten, einfach alles. ICH hab mich immer um alles gekümmert, da fällt es unendlich schwer zuzugeben, dass man auch mal selber Hilfe braucht bzw. verwundbar ist. Ich versuche nach wie vor, die Depression runter zu spielen, aber wenigstens weiß mein Partner jetzt im Ansatz, was los ist.
Ich bin froh, dass es mir zur Zeit besser geht, auch wenn ich weiß, dass das nächste Tief kommen wird.
Sich zu outen fällt unendlich schwer und ich kann mich gut in die Lage anderer versetzen, die auch Probleme damit haben. Ich hab schon als Kind gedacht, ich könnte Schauspielerin werden, weil ich da schon merkte, dass ich gute Mine zum bösen Spiel machte.
Also, hoffentlich schaffen alle, die den Schritt wagen wollen, es auch wirklich durchzuziehen.
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