Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

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Schneehuhn
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Registriert: 14. Dez 2009, 16:33

Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

Beitrag von Schneehuhn »

Hallo,

erstmal möchte ich sagen, dass ich mich sehr gefreut habe dieses Forum zu finden. Das lesen anderer Beiträge hilft auf jeden Fall weiter. Mein Freund leidet seit Jahren an einer Depression. Nach außen ist es kaum sichtbar, die Freunde wissen von nichts, die Arbeit auch nicht. Er lebt ein stabiles Leben mit Job, Wohnung, Freundin und einem Freundeskreis. Die Familie ist weiß bescheid aber ist keine große Unterstützung. 2003 habe ich erst Anzeichen gemerkt sie aber natürlich damals nicht so gedeutet. Plötzlich brachen aus dem sonst so netten Menschen die Aggressionen heraus. Rückblickend denke ich das seit 2004 er auf jeden Fall unter einer Form der Depression leidet. Damals waren wir auch bei einer Beratungsstelle wegen der Probleme die Psychologin dort schien sehr inkompetent zu sein(er solle halt mal Dinge genießen dann würde es besser gehen,als ob er das einfach so könnte).
Seine "Symptome" laufen auf zwei Schienen ab was mir eine Einordnung erschwert. Auf der einen Seite sind die Dinge die immer sind, die aber soweit ich mich erinnere sich eher so über die Jahre eingeschlichen haben bzw als wir uns 2000 kennenlernten so noch nicht sichtbar waren. Er hat zu keiner Zeit ein gesundes Selbstbewusstsein, er hasst sich geradezu selber und verachtet sich für seine "Schwächen". Er neigt dazu seinen Erfolg mit anderen zu vergleichen und sich dann damit fertig zu machen.Komplimente nimmt er in keiner Form an, meine Liebe zu ihm ist ihm ein Rätsel, er hält sich für komplett unattraktiv. Wenn ich da wiederspreche, hat das für ihn keinen Wert schließlich "müsste" ich als Freundin das ja sagen. Er hat Panik vor der Zukunft und Phantasien davon obdachlos zu werden oder einsam in der Wohnung zu verrotten. Er übernimmt keine Verantwortung für die Beziehung, kann keine Wünsche für die Zukunft formulieren ohne zu sagen das klappt sowieso nicht. Er geht fest davon aus das ich ihn früher oder später sowieso verlassen werde. All diese Dinge treffen eigentlich immer zu ohne Phasen an denen er da groß positiv drüber denken würde. Trotzdem habe ich das Gefühl er steht an guten Tagen oft kurz davor ein solchen positiven Zukunftswunsch als mögliche Realität zu sehen aber traut es sich nicht ganz. Wenn ich mich zu den genannten Dingen positiv äußere, will er einerseits die aufmunternden Worte hören sieht es aber andererseits auch als Angriff auf seine Einschätzung, als nicht ernst nehmen.

Dann gibt es noch die aktuten Phasen. Die laufen vom Zeitraum her allerdings nicht über Wochen oder Monate sondern eher über Stunden oder Tage. Dies scheint ja eher untypisch für eine Depression zu sein. Also machnchmal ist es ein auslösendes großes oder kleines Problem, manchmal kommt es einfach so. Er selber kann es nicht erklären. Er weiß wann er drin ist kann aber dann nicht anders.Er nennt es das Loch. Ein Problem taucht auf oder er denkt einfach nur an ein x beliebiges. Das Problem führt in seinen Gedanken zu neuen größeren Problemen die unausweichlich sind und ganz sicher in einer Katastrophe enden. Lösungen sind grundsätzlich nicht möglich. Lösungsvorschläge gelten als Kritik. Die Situation sieht er als hoffnungslos auch wenn die "Probleme" für aussenstehende oft sehr banal sind. Seine Gedanken gehen dann immer im Kreis. Oft geht es nach einer Weile gar nicht mehr um das auslösende Problem oder es gab gar keins sondern manchmal fühlt er sich einfach diffus scheiße und das ganze Leben ist einfach so bescheuert. Alle Zukunftsängste kommen hoch. In solchen Phasen lässte er seine ganzen Aggressionen an mir aus, nicht körperlich aber Worte können auch ganzschön weh tun. Ich bin wahrscheinlich manchmal auch Teil des Problems, denn wenn er sich an einem kleinem lösbaren Problem so aufhängt dann verlier ich früher oder später die Geduld ( wenn ein Mensch den man liebt so verzweifelt ist über so triviale Dinge und auch einen da durch "lamentieren" immer reinzieht ist es schwer das zu ignorieren)und löse es größtenteils einfach eigenmächtig. Was dann natürlich bei ihm dazu führt, dass sein Selbstbewusstsein weiter sinkt weil ich das Problem schnell löse an dem er verzweifelt ist. Das gilt natürlich nur dann wenn es Kleinigkeiten sind wie den Weg nicht finden, der Computer bockt, ein Schalter klemmt, ein Telefonat muss geführt werden etc

Jedenfalls vor einiger Zeit, das war Ende 2006/Anfang 2007 da hat er die Möglichkeit in Betracht gezogen er könnte Hilfe brauchen (ein großer Schritt für jemanden der Hilfe grundsätzlich misstrauisch gegenübersteht)und er hat einen Therapieplatz bei einer Psychotherapeutin gekriegt. Ich weiß nichts genaues nur das er da 3 Blöcke an Stunden hatte die vor einigen Monaten ausgelaufen sind. Medikamente hat er nicht genommen und die Diagnose war eine posttraumatische Depression. Laut seiner Aussage endete die Therapie dann einfach so ohne Besprechung wie es weitergeht. Jetzt frag ich mich natürlich wie geht es weiter? Die akuten Tage gibt es immer noch wenn auch weniger häufig, ich kann beim besten Willen nicht sagen wie viele genau sie gehören zum Alltag regelmäßig dazu. Das ist ja anders als diese klassischen Phasen von denen ich immer lese die man ja zählen kann und die sicher nicht so kurz und häufig sind. Oder ist das eine einzige akute Phase seit 2004? Bei meinen Internetrecherchen bin ich dann bei längeranhaltenden Depressionen auf den Begriff Dysthemie gestoßen und frage mich ob der hier evtl zutrifft oder ob es wirklich eine klassische posttraumatische Depression ist, wie diagnostiziert. Am grundlegenden Problem des mangelnden Selbstbewusstseins hat sich wenig verändert. Jetzt ist die Frage welche Hilfsmöglichkeiten gibt es noch? Medikamente sieht er eher kritisch was ich nachvollziehen kann. Die Psychaterin die ihn an die Psychologin weitervermittelt hat hat sowas auch nicht empfohlen und es handelt sich ja vermutlich um eine "leichtere" Form der Depression. Er lebt sein Leben und auch unsere Beziehung ist größtenteils gut.An vielen Tagen können wir beide die Zeit zusammen genießen. Trotzdem würde ich mir natürlich wünschen das er mehr Verantwortung für die Beziehung übernimmt, Probleme unkompliziert löst, zufriedener und selbstbewusster wird (das ist er überhaupt nicht) und eine positive Zukunftssicht für unser gemeinsames Leben entwickelt. Natürlich ist dies eine Krankenheit und da sind Forderungen von meiner Seite schwierig aber es sollte ja auch Ziel sein irgendwann Verantwortung zu übernehmen es zieht sich ja auch schon einige Jahre. Es ist für mich manchmal wahnsinnig schwer Krankheit und Persönlichkeit klar abzugrenzen. Ich weiß gar nicht mehr wie viel pessimistisch/mißtrauisch jetzt zur Persönlickeit gehört und welche Teile von der Krankheit bedingt sind.
Also welche Optionen gibt es jetzt? Wäre evtl ein Termin bei der Psychaterin sinnvoll die die Therapeutin vermittelt hat, wie ist dies mit den 3 Stunden pro Quartal die die Krankenkassen evtl zahlen und was können die Ambulanzen der Kliniken oder die Beratungsstellen helfen? Sind evtl Selbsthilfegruppen etc sinnvoll? Der Ort ist Großraum München wenn jemand Empfehlungen hat. Ich habe schon das Gefühl dass er weiterhin Gesprächsbedarf hat und er es auch annehmen würde aber die regulären Verlängerungen der Therapie wurden alle genommen und es gibt ja diese 2 Jahres Sperrfrist. Also ich würde mich über Antworten, Kommentare, Hinweise jeder Art freuen!
sinus
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Re: Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

Beitrag von sinus »

Liebes Schneehuhn,

in der Beschreibung Deines Freundes habe ich mich wiedererkannt. Genau wie Dir ging es meiner Partnerin. Nur diese hatte den entscheiden Vorteil, dass sie selbst Erfahrungen mit Depressionen hatte.
In den 80ern verlor sie plötzlich ihr gewohnte Fröhlichkeit und zeigte immer mehr depressive Züge. Sie landete schließlich beim Nervenarzt, der sie zum Psychologen überwies. Dort sollte ihr mit Psychotherapie geholfen werden. Es war eine lange Quälerei ohne Besserung.
Als sie eines Tages vollkommen außer sich aus der Psychotherapie kam, traf sie einen guten Bekannten, der Leiter eines Medizinischen Labors war. Dieser sprach sie auf Grund ihres Zustandes an und bot dann sofort an, alle ihm möglichen Untersuchungen zu machen. Es stellte sich heraus, dass ihre Mineral- und Elektrolytwerte vollkommen außerhalb der Norm waren. Sie bekam eine Magnesiummedikament, dass sie noch heute nehmen muss und sie ist seitdem stabil.
Jetzt kommt der große Irrtum, dem ich unterlag. Für mich stand fest, dass Depressionen schell bekämpft werden können, wenn man nur ausführliche Blutuntersuchungen durchführt und dann dass richtige Medikament verschrieben bekommt.
Als ich dann aufgrund Arbeitsüberlastung, genetischer Veranlagung, Mobbing u.s.w. eine leicht Depression bekam, war ich bockig zu meiner Hausärztin. Verlangte genaue Untersuchungen. Sie überwies mich aber zu einem sehr guten Facharzt, der sowohl Neurologe als auch Psychiater ist.
Zu meinem großen Glück machte meine Partnerin einen Termin mit dem Facharzt. Und ich ging halt meiner Partnerin zu Liebe hin. Die Diagnose lautete „Leichte Depression“ und ich bekam Neuroplant – ein hochdosiertes Johanniskraut verschrieben.
Damit kam ich längere Zeit klar. Als ich mich dann selbständig machte, kamen in relativ kurzer Zeit neue Symptome hinzu:

- Verlust des Selbstvertrauens
- Extreme Konzentrationsstörungen
- Starker Gewichtsverlust
- Und auch, wie Du beschreibst, Wutausbrüche wegen Kleinigkeiten, ich wollte von meiner Partnerin nicht mehr angefasst ja noch nicht einmal angesprochen werden.

Die Veränderung meiner Persönlichkeit war so stark, dass ich einen Tumor in meinem Kopf vermutete und es mir fast wünschte dass es so ist.

Dann zu Glück in kurzer Zeit (3 Wochen) einen Termin bei meinen Facharzt. Die Diagnose lautete „Schwere Depression“

Aus meiner Erfahrung und zum Teil als Zitat der Aussagen meines wundervollen Facharztes möchte ich Dir und Deinem Freund sagen:
- Depressionen haben vielfältige sowohl psychologische als auch organische Gründe, die sich gegenseitig beeinflussen. Deshalb sollte man diese nicht trennen.
- In der Regel geht es nicht ohne Medikamente. Leider ist das Wissen unserer Zeit noch so, dass zum Teil vom Arzt erst probiert werden muss, welches Medikament für den speziellen Fall das richtige ist. Und damit sind nicht Stimmungsaufheller oder Beruhigungsmedikamente gemeint, sondern viel mehr Medikamente, die die gestörten hochkomplexen Gleichgewichte im Organismus wieder herstellen (bei mir ist es ein zu schneller Seretoninabbau)

Mein Arzt hat Depressionen mit Diabetes verglichen:

"Stellen Sie sich vor, Sie sind zuckerkrank. Sie brauchen dann einfach ihr Insulin. Und sie leben so wie ihre Bauchspeicheldrüse es ihnen auferlegt.

Bei der Depression ist es genauso.

Nur das die Ursachen der Depression und die Stellen im Körper, die dabei aus dem Gleichgewicht geraten, bedeutend vielfältiger und viel weniger erforscht sind."

Der Diabetiker bekommt Insulin, wird aber auch geschult, wie er sich entsprechend seiner Krankheit zu verhalten hat.

Der Depressive bekommt auch Medikamente. Die Psychotherapie sollte ihn schulen, wie er sich entsprechend seiner Krankheit verhält.
Das Pech bei der Depression ist, dass es sehr lange dauern kann, bis das richtige Medikament gefunden ist und bis dieses dann endlich wirkt.

Ganz liebe Grüße auch an Deinen Freund

von Uni Liebe

Siehe auch http://balance-cs.de
sinus
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Re: Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

Beitrag von sinus »

Ergänzung

Die Störung der Mineral- und Elektrolytwerte meiner Partnerin, die zur Depression führte, wurden durch eine verschleppte Leberentzündung ausgelöst.
Die Gründe für die Störung der komplexen Gleichgewichte in unserem Körper, die zur Depression führen, sind sehr vielfältig:
- Belastungen durch die Narkosen
- Operationen
- Chemotherapie
- Grippeerkrankungen
- natürlich auch Traumata
Mein Arzt sprach von über 20 bekannten möglichen Auslösern für Depressionen.

Liebe Grüsse von

uni-liebe
Schneehuhn
Beiträge: 2
Registriert: 14. Dez 2009, 16:33

Re: Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

Beitrag von Schneehuhn »

Liebe Uni-Liebe,

vielen Dank erstmal für deine Antwort. Ich finde es wirklich sehr hilfreich die eigenen Probleme in anderen Erzählungen wiederzuentdecken. Es macht Mut wenn man liest das andere mitlerweile gut leben können und ihren Weg gefunden haben auch wenn es wahrscheinlich sehr schwer war.

Ich mache mir momentan vorallem Gedanken inwieweit die Behandlung meines Freundes verbessert werden könnte und was ich dafür tun könnte. Momentan versuche ich seine Symptome mit den Diagnosen abzugleichen aber weder die Dysthymie noch die klassische mittelschwere Depression passen wirklich. Ich denke es ist schon wichtig die Diagnose richtig einzuordnen um dann auch sich informieren zu können inwieweit medikamentöse Behandlung auch sinnvoll sein kann. Diese akuten Phasen in denen alles komplett hoffnungslos wirkt und kein Antrieb für z.B. Verabredungen etc besteht sind meist nur wenige Stunden bis Tage kurz (also 2 der typischen Depressionshinweise dep. Stimmung und Verlust von Interessen) Von den zusätzlichen Symptomen sind 3 eigentlich dauerhaft seit Jahren vorhanden(Gefühl der Werlosigkeit/Schuld, Reduktion Selbstwertgefühl, pessimistische Zukunftsperspektiven/Grübeln über Vergangenes)und zwei weitere sind in den schlimmen Phasen da ( Schlafstörung und verminderter Appetit). Also entspricht das Krankheitsbild in allem außer der Dauer der Phasen von mindestens 14 Tagen den rezidivierenden mittelschweren Depressionen (mit 2 Haupt- und 5 Nebensymptomen).
In vielen Diagnoseerklärungen ist dann alles was nicht in dieses 14 Tage Raster passt eine Dysthymie. Aber bei der steht sie sei weder so schwer noch so anhaltend wie eine majore Depression. Und in der Schwere sind die depressiven Phasen nicht leicht sondern mittelschwer. Gerade in Bezug auf die negativen Gedanken, das Gefühl der Schuld und Wertlosigkeit. Da bin ich heute auf den Begriff der "Rezidivierende kurze depressive Episoden" oder "Recurrent Brief Depression" gestossen was ja passen würde. Hier wird von einer in Schwere und Symptomen der majore Depression vergleichbaren, mit Phasen zwischen 2 und 4 Tagen ca 1 mal im Monat über mindestens 1 Jahr gesprochen was ich so direkt bei meinem Freund beobachte. Das Diagnosekürzel ist 38.10. Eine gute Beschreibung finde ich ist dies hier :
http://www.emco-klinik.at/news/psychoso ... r06-11.pdf
http://www.kup.at/kup/pdf/685.pdf
( wenn man keine Links einfügen darf bitte löschen)

Ich denke ich werde auf jeden Fall einen Termin bei der Psychaterin anregen. Da war er ja urspünglich nur für eine Weitervermittlung an die Therapeutin. Aber ich denke es wäre vielleicht sinnvoll wenn mein Freund sich da weiter über Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten informieren lässt. Vielleicht sind ja Medikamenta und/oder eine andere Therapieform (zum Umgehen der 2 Jahre Regel) sinnvoll. Oder wäre es vielleicht gut sich an die Uniklinik Ambulanz zu wenden da diese rezidivierenden kurzen Depressionen ja augenscheinlich in Deutschland noch sehr unbekannt sind?
sinus
Beiträge: 65
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Re: Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

Beitrag von sinus »

Liebes Schneehuhn.

es ist wirklich super wie Du recherchierst, um Symptome und Diagnose für Deinen Freund abzugleichen.
Ich denke aber , dass das Leben nicht immer in die Lehrbuchweisheit passt und die Übergänge zwischen den Diagnosen sowieso fließend sind.
Nach meiner Erfahrung sollte Deinen Freund eine fundierte medikamentöse Behandlung akzeptieren.

Ich selbst habe nie eine Psychotherapie gemacht, da ich Schwierigkeiten habe mich fremden Menschen anzuvertrauen. Für mich sind die Psychologen/Therapeuten halt auch nur Menschen mit Ihren eigenen Problemen. Ich kann nicht erwarten, dass diese sich in mein Problem so vertiefen, wie Du es zum Beispiel für Deinen Freund tust.
Irgendwie habe ich jetzt Schwierigkeiten Dir dass zu vermitteln, was ich sagen will.
Es ist schon spät und ich versuche es morgen noch mal.

Liebe Grüss und alles Liebe

von uni-liebe
sinus
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Re: Einordnung der Erkrankung, Hilfe nach Therapie

Beitrag von sinus »

... also ich versuche es noch einmal:
Dass ich keine Psychotherapie gemacht habe, liegt auch daran, dass ich damals bei meiner Partnerin erlebt habe, auf was für einem eingefahrenen Gleis eine Behandlung stattfinden kann.
Die erste Diagnose hieß eben Depression und die zugehörige Therapie waren die Gespräche beim Psychologen.
Wir hatten dann vom Hörensagen erfahren, dass es in Berlin einen Spezialisten gab, der festgestellt hatte, dass auch Störungen im Mineralstoffwechsel zu Depressionen führen können. Leider konnten wir den Namen dieses Spezialisten nicht herausfinden.
Wir haben dann dem Arzt und dem Psychologen davon erzählt. Unsere laienhafte Meinung wurde aber total ignoriert und überhaupt nicht in die Richtung recherchiert. Meiner Partnerin hat das 3 Jahre Ungewissheit und sinnlose Therapie bedeutet. Damit war mein Vorurteil gegen Psychologen fertig.
Ich hatte bei meiner Erkrankung Dank der Empfehlung meiner Hausärztin das große Glück, von einem Arzt behandelt zu werden, der sowohl Facharzt für Psychiatrie als auch Facharzt für Neurologie ist. Weiterhin eine Professur hatte und umfangreich als Gutachter tätig war. (leider geht er Ende diesen Jahres in den Ruhestand)
Dieser Arzt hat mit mir als Patient als Partner auf gleicher Augenhöhe (wie man heute so schön sagt) gearbeitet und mir damit sehr sehr geholfen. Er hat auch erkannt, dass für mich Arbeit mit Psycholgen nicht sinnvoll ist, da bei mir zu Hause optimale Bedingungen herrschen. In der akuten Phase hat er dann in Abstimmung mit mir und meiner Partnerin auch auf eine stationäre Einweisung verzichtet. Ich konnte ihn aber jederzeit anrufen und wurde sofort zu ihm durch gestellt. Auch eine von der Rentenversicherung geforderte Rehamassnahme haben wir zusammen als nicht zielfüherend eingeschätzt und ich habe die Rehaklinik zusammen mit meiner Partnerin nur einmal betreten und nach 4 Stunden wieder verlassen, da wir auch dort wieder schon bei der Aufnahme auf Oberflächlichkeit und Ignoranz gestoßen sind.

Meine Erfahrung sagt mir erstens:
Ein solcher Arzt wie mein Professor ist die Ausnahme.
Die meisten Ärzte akzeptieren Diagnosevermutungen, die von ihren Patienten und deren Angehörigen kommen nicht!!!
Mir kommt es so vor, als ob sie sich in ihrer Berufsehre verletzt fühlen und dann genau dass was der Patient/Angehörige vermutet nicht akzeptieren.

Mein Ratschlag:
Sei ganz vorsichtig damit, bei Medizinern Deine eigenen Recherchen darzustellen. (Ich gehe davon aus, dass Du mit Deinen Freund zusammen zu wichtigen Arztterminen gehst).

Zweitens kommt es mir so vor, als ob es bei der Behandlung von Depressionen zwei Fraktionen bei den "Nervenspezialisten" gibt !?

Für die eine Fraktion ist der psychische Aspekt bei der Depression der vorrangige und der physische Aspekt wird als untergeordnet angesehen. Dass heißt, die Medikamente werden nur als Hilfsmittel angesehen. So kann es sein, dass eine fundierte medikamentöse Einstellung, die ja sehr lange dauern kann, eventuell unterbleibt.

Für die andere Fraktion ist der physische Aspekt der vorrangige. Daher wird sehr intensiv an der medikamenttösen Einstellung gearbeitet. Mit dem Ziel dem Organismus zu helfen, sein Gleichgewicht, wo auch immer es gestört ist, wieder zu finden. Der psychische Aspekt, die Gespräche beim Psychologen sind eine begleitende Hilfsmassnahme, um die Verhaltensweisen, die die Störung der physischen Gleichgewichte fördern, abzubauen.

Mein Ratschlag:
Interdisziplinäre Diagnoseerstellung und Behandlung.
Also wenn man nicht das Glück hat wie ich, dies in einer Person - meinen Professor - zu finden: Eine zweite oder auch dritte Meinung einholen.

Ich wünsche Euch beiden viele Glück
Eure uni-liebe

PS: Auch den Gedankengang "Meine Partnerin muss !! mir ja die hilfreichen unterstützenden Worte sagen, weil sie ja meine Partnerin ist, kenne ich. Meine Partnerin hatte jahrelange Geduld und Verständnis mit mir.
Im Rückblick hat dies unsere Ehe (wir sind seit 36 Jahren verheiratet) sehr gefestigt.
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