Borderline versus Depression

Speranza
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Speranza »

dolittle909
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von dolittle909 »

Hallo noch mal,

ich kann nicht entdecken, dass Herr Dr. Niedermeier hier Ferndiagnosen gestellt hat! Er hat bestimmte Symptome bestimmten Krankheitsbildern zugeordnet. So wie auch jeder Arzt feststellt, dass plötzliches Fieber zumeist auf eine Grippe hinweist. Die Ausnahme bestätigt die Regel, darauf hat er auch hingewiesen.

Die Regel bestätigt mein eigenes Erleben: Selbstverletzungen würden bei mir ("echte" unipolare Depression) keine Anspannung lösen, sondern würden das depressive Empfinden zur Verzweiflung verstärken. Damit will ich keineswegs den Eindruck erwecken, Borderline sei schlechter oder besser als Depressionen. In der Klinik hätte ich gerne getauscht. Während ich wie ein geprügelter Hund wochenlang durch die Gänge schlich, waren die Borderliner immer wieder mal verdammt gut drauf. Aber ich tat mich schwer zu verstehen, was in ihnen abging, wenn plötzlich eine Stimmung kippte, vermutlich ähnlich schwer, wie ein Gesunder einen Depressiven nicht wirklich verstehen kann.

Sicherlich gibt es Grenzbereiche, wo z.B. beide Störungen vorliegen und der Schwerpunkt mehr in die eine oder in die andere Richtung neigt und man nicht sagen kann, die Borderline-Störung habe zur Depression geführt.

Flora hat gezeigt, wie differenziert in einem Einzelfall die Diagnosen gestellt werden können (sorry Flora, ich habe nix kapiert... ). Aber vor allem bei Menschen, die hier im Forum um Rat fragen und nicht schon länger in ärztlicher Behandlung stehen, ist bei Ratschlägen Vorsicht angebracht.

Deshalb fand ich die Diskussion hier notwendig und sehr erhellend.

dolittle
Dendrit
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Dendrit »

@ Dr. Niedermeier:


Und auch wenn Ihnen das schon alles klar ist (Jolanda) wird das für all die neu Hinzugekommenen nicht so klar sein und ich fürchte auch, dass Sie das so jedes Jahr einmal aushalten werden müssen. Ich selbst habe übrigens meine alten (langen ) Beiträge zu Borderline versus Depression schon gar nicht mehr gefunden, so lange ist die letzte diesbezügliche Diskussion schon her:-)

Was meinten Sie mit "lang"? Die Postings oder die Wiedergabe einer Diskussion eines Forumstreffen in Leipzig (gestartet von Lioness)? Meinten Sie die? Und wg. "alle Jahre wieder":

2007:

Doc Niedermeiers Erläuterungen zum Thema "Borderline PS & Depressionen" (31/07/2007)
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1185901622

Nochmal Depression vs. Borderline (22/09/2007)
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1190496468

2008:

Frage auch an den Doc: Depression versus Borderline (langer Thread, aber keine Hinweise von Ihnen) (23/11/2008)
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1227461947


Naja, und einige im Archiv wurden ja gelöscht. Aber in den o.g. Threads immerhin genügend Stoff ...

Schönen Feierabend!

Manuela
Clown
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Clown »

Hallo an alle,

durch die Beiträge sind mir die Unterschiede zwischen Borderline und Depression gut klar geworden.

Ich habe nun eine Frage in Bezug auf Wut. Ich konnte sie - nachdem mir das jahrzehntelang nicht möglich war - inzwischen in Zusammenhang mit bestimmten Themen deutlich empfinden. Für mich ist das ein Zeichen, dass ich meine depressiven Zustände weitgehendst überwunden habe - oder muss ich, weil meine Wut sehr heftig war (ich hatte sie aber immer im Griff), mich nun zu den Borderline-Erkrankten zählen?

Ich weiß, Ferndiagnosen sind nicht möglich und eigentlich läuft meine Frage ein bisschen darauf hinaus... Aber vielleicht gibt es etwas Generelles zum Erleben von und Umgang mit Wut bei Borderline-Erkrankungen zu sagen?

Viele Grüße,

Clown
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Eckhart Tolle
freebird
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von freebird »

Sehr geehrter Herr Dr. Niedermeier,

ich leide an schweren Depressionen und habe keine selbstverletzenden Tendenzen - Gott sei Dank .

Dennoch eine Frage.
Können die Grenzen den nicht fließend sein? Kann sich nicht hinter einer Depression auch eine Borderlein Störung verbergen?

Ich meine es gibt doch auch verschiedene depressive Störungen, sogar mit Tendenzen zur Psychose. Kann es mit einer Borderlein Störung nicht ähnlich sind?

Ich frag mal ganz doof

Gruß
Corinna
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Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
HelH3
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von HelH3 »

*schon mal wegduck*

Jetzt sitze ich hier schon eine ganze Weile und ringe mit mir, ob ich das nun schreiben soll... Ich tue es einfach mal.

F32 war und ist meine einzige psychiatrische Diagnose - und doch habe ich mich, wenn auch nur selten, schon selbst verletzt. Dolittle schreibt über Autoaggression "Ich wollte am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand rennen" - genau das habe ich wirklich getan. Das kam bereits im Kindes- und Jugendalter in Momenten höchster Anspannung und Verzweiflung bei mir vor - selten, wie gesagt, aber es kam eben vor.

Ich habe das auch in meiner Psychotherapie angesprochen, ziemlich am Anfang sogar, und meinen Therapeuten gefragt, ob ich deswegen womöglich als Borderlinerin zu betrachten sei. Das hat er ausdrücklich ausgeschlossen - es handele sich bei SVV um ein Symptom, welches zwar am häufigsten bei der Borderline-Störung vorkäme, aber auch bei Depressiven auftreten könne, und zwar ganz überwiegend bei Frauen...

Danke auch an Xenia und Flora für die Erläuterungen. Besonders in Floras Beitrag finde ich mich recht gut wieder. Die seltenen Momente, in denen ich zu diesem drastischen Mittel griff, sehe ich als extreme Ausnahmesituationen innerhalb der Depression, denen immer eine tiefsitzende, nicht physische Verletzung von außen vorausging - idR durch einen mir nahestehenden Menschen, zB Mutter oder Beziehungspartner.

Gruß Helena
ANOVA
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von ANOVA »

Es wurde ja jetzt eigentlich alles Wichtige gesagt, daher von mir nur noch kurz was zur Affektregulationsstörung.

Die Affektregulationsstörung ist nicht mit Stimmungsschwankungen gleichzusetzen. Affektregulationsstörung heißt im Rahmen einer Borderline-Störung, dass Gefühle (insbesondere aversive)schneller ausgelöst werden, länger anhalten und die Betroffenen länger brauchen, um wieder zum emotionalen "Ausgangspunkt" zurückzukommen als Nicht-Borderliner. Daher können auch sog. Kleinigkeiten (die den meisten Leuten nichts ausmachen) heftige Wut auslösen, von der die Betroffenen längere Zeit nicht mehr runterkommen.

Und dann noch: Wölfin

Schöne Abendgrüße

Xenia

Edit: gerade fällt mir ein, dass ich mich seit bald sechs Jahren nicht mehr selbst verletze. Wer hätte das gedacht... (ich jedenfalls nicht). Naja, ist jetzt nicht wirklich interessant.
Regenwolke
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Regenwolke »

Hallo,

aus meiner Sicht ist die Unterscheidung zwischen BL und Depression in der Praxis nicht immer so leicht zu ziehen, wie "diagnostische Schubladen" das vorsehen, gerade auch, wenn jemand nicht so glatt in eines der Bilder paßt oder diverse Komorbiditäten die Einordnung erschweren. Meine Erfahrung ist z. B., dass nicht immer klar deskriptiv diagnostiziert wird, sondern gerade bei tiefenpsychologisch/analytisch arbeitenden Therapeuten auch deren eigene - von den Diagnosemanualen abweichende - Diagnosegewohnheiten mit hinein spielen, während bei Verhaltenstherapeuten offensichtlich das deskriptive Diagnostizieren eine größere Nähe zum eigenen Denkansatz hat.

Die Entwicklung von Klassifikationen für psychische Erkrankungen ist eine spannende Sache, aber die "Eindeutigkeit", die Diagnosemanuale vorgaukeln, gibt es m. E. nicht. Diagnostizieren ist immer auch Moden unterworfen, hat etwas mit dem Zeitgeist zu tun, mit fachlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Ich finde es wichtig, das im Blick zu behalten.

Andererseits finde ich es notwendig, eine möglichst obektive Beschreibung von Störungsbildern zu versuchen und daran zu arbeiten, einen fachlich allgemein akzeptierten Konsens darüber zu erreichen, was unter einem bestimmten Krankheitsbild zu verstehen ist. Auch für dieses Forum ist es sicher sinnvoll, Anhaltspunkte zu haben, um die beiden Störungsbilder zu unterscheiden, und da sind die von Xenia genannten die zur Zeit gültigen.

Persönlich hatte ich beide Diagnosen schon. Ich finde mich in beiden nicht vollständig wieder, verbinde aber jeweils etwas damit.
Depressive Episoden habe ich so erlebt, wie es hier z. B. von Flora beschrieben wurde. Die Gefühle gehen weg, ich bin wie hinter einem Schirm, nichts erreicht mich. Das bleibt für einen längeren Zeitraum (einige Monate) so.
BL hat für mich (ganz subjektiv!) viel mehr mit innerer Zerissenheit, Haltlosigkeit und einer grundsätzlichen Suche zu tun: Wer bin ich? Wohin gehöre ich? Wo ist mein Ort, was macht mich aus? Wie kann ich stabil sein? Wie kann ich vertrauen, dass ich das, was heute ist und was ich heute denke und fühle, morgen noch da sein wird? Wie kann ich sortieren, was innen ist und was außen? Wie kann ich anderen nahe sein, und trotzdem mich noch spüren? Wo bin ich, wenn kein anderer da ist? Und wie kann ich zwischen diesen vielen verschiedenen Stimmen und Seiten in mir vermitteln?

LG, Wolke
Clown
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Clown »

Hallo Xenia,

wenn ich mal für mich übersetze:

>Affektregulationsstörung heißt im Rahmen einer Borderline-Störung, dass Gefühle (insbesondere aversive) schneller ausgelöst werden, länger anhalten und die Betroffenen länger brauchen, um wieder zum emotionalen "Ausgangspunkt" zurückzukommen als Nicht-Borderliner.
Wut ist eine "Affektregulationsstörung" ?
Borderliner werden schneller, durch 'geringere' Anlässe wütend, ihre Wut hält länger an, sie brauchen länger, bis ihre Wut 'verraucht' ist - richtig?

Ok, dann kann ich meine Wut einordnen, danke.

Grüße,

Clown
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Eckhart Tolle
Majuha10
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Majuha10 »

Moin Moin,

was bin ich froh, dass ich heute hier ins Forum schaue, denn bisher habe ich nie so klar den Unterschied zwischen den beiden Krankheitsbildern verstehen können.

Danke für die großartige Beschreibung des unterschiedlichen Zustandes Flora .

Auch mir erging es so, dass ich monatelang glaubte hinter einer Nebelwand zu vegetieren, denn Leben, nein das war es nicht. Die Gedanken an Suizid, der sicher eine unbestreitbare Form von autoagressiven Verhalten darstellt, sollte nicht Spannungen beseitigen sondern einfach diesem Einheitsbrei von Antriebs- und Hoffnungslosigkeit ein Ende bereiten.

Als die Welt für mich wieder farbig wurde, da war mir der eigene Zustand völlig fern. Mir gelang es nicht nach zu vollziehen,wie ich mich auf diese Gedanken einlassen konnte.


Liebe Grüße an Xenia


LG Maruschka
Zillah
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Registriert: 28. Aug 2008, 16:49

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Zillah »

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Die Musik drückt aus was nicht gesagt werden kann, worüber zu schweigen aber unmöglich ist.

Victor Hugo
ANOVA
Beiträge: 1137
Registriert: 22. Jul 2006, 21:27

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von ANOVA »

Hallo Clown,

naja, Wut für sich genommen ist natürlich keine Affektregulationsstörung, vor allem nicht wenn sie angemessen ist.

Aber im großen und ganzen hast Du es richtig übersetzt. Wobei ich das mit den "Kleinigkeiten" von mir nicht ganz richtig finde. Allerdings fällt mir keine bessere Umschreibung ein. Die Wut ist im Rahmen der Borderline-Störung oftmals dem Auslöser nicht angemessen.


Gruß
Xenia
Maruschka

mal wieder edit: das mit der Affektregulationsstörung kenne ich persönlich an mir jedoch nicht so. Bei mir war das depressive Gefühl der Gefühllosigkeit bzw. die emotionale Betäubtheit an der Tagesordnung. Eigentlich denke ich heute auch, dass die Borderline-Störung bei mir nicht wirklich eine gute Diagnose war. Aber das ist ein anderes Thema.
ichunddu
Beiträge: 104
Registriert: 29. Jul 2009, 22:05

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von ichunddu »

Hallo liebe Forianer,

mir brennen zwei Themenkomplexe rund ums Thema auf der Seele.

Der erste betrifft die DIAGNOSE und dazu möchte ich zunächst einmal
Dr. med. Manfred Lütz, Psychiater, Psychotherapeut und Theologe für sich und für mich sprechen lassen:

>>"Nach dem oben gesagten [er erläuterte oben die Anfänge einer Klassifikation psychischer Störungen bis hin zu ICD-10] muss nun klar wein, dass es Diagnosen und Klassifikationen in Wirklichkeit gar nicht gibt. Es gibt natürlich keine Schizophrenie, es gibt keine Depression, es gibt keine Sucht. Es gibt Menschen, die unter verschiedenen Phänomenen leiden. Und Diagnosen sind Worte, die Psychiater erfunden haben, um leidenden Menschen kompetent zu helfen. Diagnosen sind Hinweise auf die richtige Therapie. Man kann die Diagnosen also getrost vergessen, wenn man mit den Menschen zu tun hat, die unter psychischen Störungen leiden. Es gibt nämlich auch nicht den Schizophrenen, den Depressiven, den Süchtigen. Es sind vielmehr alles ganz unterschiedliche beeindruckende Menschen, die zeitweilig unter bestimmten außergewöhnlichen Erscheinungen leiden. Und jeder auf eine ganz andere, sehr persönliche Weise. Diagnosen können also nicht beanspruchen, Wahrheiten zu sein. Es sind mehr oder weniger nützliche Beschreibungen von Phänomenen - und so sollen sie hier auch vorgestellt werden. [...]Die Identifikation mit Diagnosen ist eine Perversion. "
[...]
"Gesund ist ein Mensch, der nicht ausreichend untersucht wurde", hat ein renommierter Internist einmal gesagt und Karl Kraus unkte: "Die häufigste Krankheit ist die Diagnose." <<

[aus] Der Titel trifft im übrigen absolut nicht den Kern des Buches...

Was das Thema SVV und Depressionen betrifft, werfe ich die wilde These in den Raum, dass die Depression an sich selbstverletzend ist: Depressive Gedanken SIND eine Form von Selbstverletzung, die nur nicht als solche erkannt/ definiert wird - nicht zuletzt, weil sie sich sehr von der typischen SVV zur Spannungsreduktion des Borderliners unterscheiden. Aber was tue ich in der Depression anderes als mit (gedanklicher) Gewalt gegen mein mögliches Leben vorzugehen und es zu verhindern? Das nenne ich Selbstverletzung in bester Form! Ich verfolge den Gedanken konsequent weiter und sage, auch Rauchen zum Beispiel ist eine Form der Selbstverletzung (meiner Ansicht rührt auch der Zusammenhang zwischen depressiven Episoden und Raucherentwöhnung eben von dort her - die sichtbare Verschiebung der Hirnchemie ist lediglich ein Abbild!); eigentlich ist jede Form von "Zuviel von Irgendwas" Selbstverletzung, was aber immer schnell aus dem Blick verloren wird, weil dafür haben wir ja dann die Schublade "Sucht", bzw. die Sucht hat sich flugs in den Vordergrund gedrängelt und natürlich kann ich keinen Abhängigen – von was auch immer - .auf "Selbstverletzung behandeln", solange er massiv körperlich/psychisch abhängig ist.
Es gibt eben sehr verschieden MITTEL, mit denen ich zum Angriff auf mich selbst übergehen kann: Schwarze Gedanken gehören dazu, aber eben auch Suchtmittel aller Art, meine eigenen Hände, Essensverweigerung etc... to be continued.
Ich glaube schlicht, dass unsere Idee davon, was wir als selbstverletzend bewerten, sehr beschränkend und vor allem wenig zielführend ist.

Ich selbst (offizielle Diagnose: mittelschwere rezidivierende Depression) leide an einer Form von SVV, die ich im Alltag einigermaßen verbergen kann und für die es mir bis heute nicht gelungen ist, irgendeinen Arzt zu interessieren, nicht mit vorzeigen, nicht mit beschreiben: ich kann keine Kruste auf meiner Haut lassen, was in Kombination mit Pickelausdrückzwang manchmal zu unschönen Ansichten führt. Darüber hinaus bekommen meine Finger oft den Zorn auf mich selbst zu spüren; erst vor zwei Jahren kapierte ich dank Internet, dass das keine Privatmacke ist – in psychologischer Behandlung war ich das erste Mal im Übrigen vor ca. 32 Jahren...
Selbst als ich versuchte dieses "Problem" mit vorzuzeigen kam ich nicht weit: Es hieß immer "ach, da habe ich schon Schlimmeres gesehen" oder "ach Gott, ein Zwängchen vielleicht". Auch bei einem stationären Aufenthalt wegen Depressionen wurde dem schlicht überhaupt keine Beachtung geschenkt.
Sicher hat es Zwangscharakter angenommen, wie ich damit lebe, der Kern aber ist definitiv Autoaggression und damit SVV!

Ist es am Ende nicht egal, ob ich mir einen Krebs anrauche oder mich vor den Zug werfe...? Entschuldigt die provokative Formulierung – inhaltlich meine ich es sehr ernst und ich finde zum Nutzen aller Beteiligten wird es Zeit, dass wir ZUSAMMMENHÄNGE und VERBINDENDES erkennen, statt das Verteidigen von seperatistischen Diagnosen Wissenschaft zu nennen!

Liebe Grüße an Alle,

Goetthin
otterchen
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von otterchen »

Hallo,

und vielen Dank für die guten Erklärungen.

Ich bin jetzt ratlos
Was trifft bei mir zu? Depression und/oder Borderline, PTBS und ein vielleicht auch ein wenig ADS?

Ich denke schon, dass die Diagnose wichtig ist, weil die Behandlung ja darauf ausgerichtet wird. Und wenn das bei Borderline und Depression so arg auseinandergehen kann...

*seufz*
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Guinevere
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Guinevere »

Da werfe ich noch mal ganz frech mein ADS in den Raum, das mir so viele Niederlagen beschert hat, dass ich in der Depression gelandet bin.
Depression ist eine häufige Folgeerkrankung bei ADS, und ADSler haben erhebliche Probleme mit Impulsivität und meist auch mit labiler Stimmung.

Und nun?

Hey Nienor,

durch Dein frech einwerfen - so als ADHSler - besonders bei dem Wort "labil" auch kurz was einwerfen möcht.

Wie äussert sich denn das "labil" bei Dir? Ists nicht eher eine Art Hochsensibilität?

Kenn diese nicht nur von mir, sondern auch an meinem Sohn (ADHS) ganz gut. Schreibaby (6 Monate jeden Abend so um die 6 Std. lang) , weil er soviel zuverarbeiten hatte. Badewasser-, Sonnenlichtempfindlich, ...

Hmm, Impulsivität, ja, kenn ich auch von Tochter (ADS) sehr gut, aber, die ist eher - bis auf ein paar Krisen, u.a. wegen dem ADS in der Pubertät weniger "labil". Dem "Hochsensiblen" komm ich z.B. ganz gut bei mit ständiger Energieanreicherung, sie verschwindet dadurch zwar nicht, aber, es berührt einem so manches dann nicht mehr, kann nicht an einen ran...

Depression - so als ADHSler...es fehlt mir halt in dieser an sehr Wichtigem wie allgemeinen Interesse an igendwas, und bei mir folgt Konzentration immer dem Interesse.

Es ist für mich als ADHSler halt gut, dass ich kein "normales" Leben leben muss , ich glaub das würde ich nicht schaffen...

Danke allen für die interessante Diskussion und nen schönen Abend noch,
manu

Nachtrag @ ADHS - mein Sohn hat ab so ca 8 Jahre von Hyperaktiv auf Hypoaktiv gewechselt. Er braucht jetzt weniger die körperliche Bewegung, sondern eher ne dauerhafte visuelle Bewegung vor seinen Augen... (ich weiß jetzt leider gerade nicht, wie man die beiden unterschiedlichen Typen genau benennt)
jolanda
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von jolanda »

Hi!

endlich wird hier ne interessante und konstruktive Diskussion draus. Vielleicht habe ich persönlich einfach vorher nicht die richtigen Worte gefunden. Oder ich war zu empfindlich. Ich (ich ganz persönlich) hatte anfangs den Eindruck, es solle hier nicht um die Diskussion gehen, sondern darum Neue vor den Borderlinern hier zu warnen und die Borderliner am besten los zu werden. Ich verstehe aber durchaus, dass das meine Wahrnehmung ist, die bestimmt auf einer individuellen Empfindlichkeit gewachsen ist. Vielleicht gerade weil dieses Thema hier mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf taucht.JA, werde mich wohl damit abfinden müssen

Vielleicht ist auch der Titel unglücklich gewählt. Depression vs. Borderline. Also Depression GEGEN Borderline. besser wäre es doch was sind die Unterschiede? aber das kommt in den letzen Beiträgen sehr schön heraus.
auch dass eben die Grenzen fließend sind.

Vielen vielen Dank flora, du hast es sooo gut beschrieben. Genau so fühle ich auch, wenn ich depressiv bin, auch das diese ganzen anderen Sachen (ich nenne es mal BL-Probleme bei mir) dann weg sind.

Auch das Postings von Wolke und und goetthin finde ich einfach nur klasse.

Ehrlich gesagt bin ich aber auch in diesem Forum, um mich über Depressionen aus zu tauschen. Für Borderline gibt es da in der Tat geeignetere Plattformen (mag da jetzt keine Eigenwerbung machen)
Für mich ist es regelrecht ein Frühwarnzeichen, wenn ich mich wieder vermehrt hier wieder finde.

LG, jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
Guinevere
Beiträge: 4779
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Guinevere »

Nachtag @ "labil" ,

es ist aber so, dass Tochter ADS und ich ADHS leider gleichermaßen stark PMS haben. Wo die AD´s zwar bei mir augesprochen gut wirken würden, wenn nicht die extremen Nebenwirkungen wären (nach ein paar Monaten oft Dauerblutung bis zu 10 Wochen ) und Tochter nimmt ohnehin keine - ihre Aussage - "Drogen" (Medikamente)...und, irgenwann weiß man ja, dass diese paar Tage auch wieder vergehn...
kartoffelsalat
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von kartoffelsalat »

Hallo jolanda,

bin zwar nicht betroffen (soviel ich bis jetzt weiß und selbst verstehe) möchte dich aber ermutigen doch (Eigen)werbung zu machen, wenn du ein gutes Forum kennst.

Ob es dann wirklich gut ist kann dann doch jede/r selbst beurteilen, oder?

Es ist doch nicht so einfach (finde ich) gute Foren zu finden und da dann auch Vertrauen zu haben.

Gruß kasa
jolanda
Beiträge: 1147
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von jolanda »

Wenns nicht ok ist bitte wieder löschen


www.borderline-plattform.de

das Forum dazu ist
www.blpl.de

Allerdings muss man sich dazu dort registrieren und auch einen Beitrag schreiben, in dem man sich vor stellt. Erst dann kann man sich aktiv im Forum beteiligen und auch lesen.


LG, jolanda


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ghana
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von ghana »

Hallo,

ich habe mit Interesse die Beispiele hier gelesen und bin wie andere der Meinung, dass sich Depression (à la F32/33) und Borderline schon voneinander abgrenzen lassen, auch wenn sie z. T. nebeneinander bestehen KÖNNEN.

Durch mehrere Umzüge hatte ich Kontakt mit verschiedenen Psychiatern und Psychotherapeuten. Den Verdacht auf eine Borderline-Störung bei mir hat keiner geäußert, die meisten waren sich einig, dass F32/33 vorliegt. Das ist auch die Diagnose, in der ich mich wiederfinde.

Irgendjemand (sorry, ich weiß gerade nicht mehr wer), hat aber geschrieben, dass bei einer offensichtlichen "normalen" Depression die Ärzte aber gar nicht nach SVV fragen.
Die Erfahrung habe ich auch gemacht. So eine Frage wurde mir bisher NIE gestellt.

Dabei hätte ich sie bejahen müssen. Flora beschreibt die Depression als einen Zustand der Leere, des Nicht-Fühlens. Die Lähmung, das Mich-strengt-alles-an, was sie zusätzlich beschreibt, kenne ich auch. Allerdings fühle ich nicht nichts, sondern eine tiefe Traurigkeit und Verzweiflung darüber, was ich (in meinem depressiven Empfinden) alles nicht kann, bin und schaffe. Nun ist es schon vorgekommen, dass ich diese depressiven Gedanken, diesen inneren Schmerz stoppen wollte und mir gegen den Kopf geschlagen habe bzw. den Kopf gegen etwas Hartes. Gebracht hat es nichts (also keine Erleichterung, kein Gedankenstopp). Autoaggresives Verhalten war dies doch aber trotzdem?!

ghana
"Am dunkelsten ist es immer vor der Dämmerung." (Eoin Colfer)
flora80
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Re: Borderline versus Depression

Beitrag von flora80 »

Hallo Ghana,

ja, diese tiefe Verzweiflung (und bei mir auch die Überzeugung, dass es nie mehr besser werden kann) kenne ich auch. Es ist sehr schwer, diesen Zustand zu beschreiben, weil er eben NICHT mit der tiefen Verzweiflung einer Borderlinestörung zu vergleichen ist. Es ist eigentlich die Verzweiflung darüber, dass das Leben zum Stillstand kommt (das meine ich mit Leere) und man gefühlsmäßig nichts entgegenzusetzen hat. Was du beschreibst ist sicherlich autoaggressiv, aber du hast ja selbst gemerkt: Es bringt einem nichts. Keinerleich Gefühl von Erleichterung, von "sich wieder besser spüren" oder von Veränderung der Situation. Genau hier liegt meines Erachtens eben der große Unterschied. Autoaggressives Verhalten hilft in der Depression nicht, auch wenn sicherlich schon viele darüber nachgedacht haben, mit dem Kopf vor die Wand zu schlagen, damit endlich, endlich, endlich etwas passiert. Aber auch dadurch passiert eben nichts, außer, dass man zusätzlich Kopfschmerzen kriegt. Deshalb kann das auch bei einer "normalen" Depression keinen Suchtcharakter bekommen, denn es hilft ja nicht, es beendet keinen Zustand.

LG, Flora
ANOVA
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Registriert: 22. Jul 2006, 21:27

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von ANOVA »

Hallo Otterchen,

>Was trifft bei mir zu? Depression und/oder Borderline, PTBS und ein vielleicht auch ein wenig ADS?

Tja, da wendest Du Dich am besten vertrauensvoll an Deinen Behandler... Nein, im Ernst, sich selbst eine Borderline-Störung (bei ADS dürfte es ähnlich sein) zu diagnostizieren ist schlicht unmöglich. Denn man hat selbst einfach nicht die nötige Objektivität, um abzugrenzen, ob man eben "nur" ein paar Macken oder eine akzentuierte Persönlichkeit hat, oder ob die Symptome Krankheitswert haben. Denn das, was in der Diagnose angesprochen wird, kennt eigentlich jeder Mensch von sich, bloß halt nicht in dem Ausmaß wie ein Borderliner. Jeder Mensch ist mal impulsiv oder ist über seine eigene Persönlichkeit unsicher und auch jeder Mensch kennt selbstschädigende Verhaltensweisen in einem gewissen Ausmaß. Ob wirklich eine Störung vorliegt, muss von einem Profi abgeklärt werden. Und selbst der kann es in den meisten Fällen nicht mal eben so, sondern braucht eine gewisse Zeit, um den Patienten einzuschätzen. Und sowieso ist die Abgrenzung zwischen ADS, Borderline und (komplexer) PTSD häufig sehr schwer bzw. noch nicht endgültig klar. Manche nehmen z.B. an, dass ADS eine Art Grunderkrankung für Persönlichkeitsstörungen und Traumafolgestörungen sei*.

>Ich denke schon, dass die Diagnose wichtig ist, weil die Behandlung ja darauf ausgerichtet wird. Und wenn das bei Borderline und Depression so arg auseinandergehen kann...

Hmm, ich glaube, in der Praxis ist die Unterscheidung zwischen ADS, Borderline und komplexer PTSD gar nicht so wahnsinnig entscheidend. Denn die empfohlenen Therapiemaßnahmen ähneln sich (zumindest die moderneren) und heutzutage wird sowieso auch nicht mehr streng nach Therapiemanual gearbeitet, sondern die Therapie dem jeweiligen Patienten angepasst (so sollte es zumindest sein und so habe ich es auch erlebt). Die Abgrenzung zur Depression ist jedoch schon sehr wichtig, weil das Vorgehen z.T. halt völlig anders ist.

Schönen Tag wünscht

Xenia

* In dem Sinne, dass ADS'ler störungsbedingt eher Gefahr laufen, ein Trauma zu erleben.
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von chrigu »

Hallo zusammen!

Ich möchte auch noch mal bestätigen, was Ghana und Flora geschildert haben: Für mich war damals dieser Zustand der Gefühllosigkeit so unerträglich, dass ich autoagressives Handeln als Möglichkeit gesehen habe, überhaupt irgendetwas zu spüren. Allerdings hat es - und da sehe auch ich den Unterschied - keinerlei Erleichterung oder gar Verbesserung hinsichtlich der Gefühllosigkeit gebracht. Im Gegenteil: Hinzu kam das Gefühl der Scham.

Was die Diskussion über Borderliner in diesem Forum angeht: Da Depressionen und Borderline oft miteinander einhergehen (wenn die Depression etwa Symptom der Borderline-Erkrankung ist) fände ich es sinnvoll, die Bedingungen anders zu formulieren. Zum Beispiel darauf hinzuweisen, dass SVV hier kein Thema sein kann. Und auch darauf hinzuweisen, was der Doc am Anfang des Threads formuliert hat: Dass Ratschläge an Depressive für Borderliner kontraproduktiv sein können. So könnte man sich auch sparen, jemandem eine Ferndiagnose zu stellen, sondern erstens ein bestimmtes Thema ausklammern und zweitens auf etwas Generelles aufmerksam machen - das wäre also nicht auf einzelne Personen bezogen, sondern ein allgemeiner Hinweis.

Viele Grüße
Chrigu

PS: offtopic @Ghana: Antwort kommt noch!
Guinevere
Beiträge: 4779
Registriert: 8. Nov 2007, 22:08

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von Guinevere »

Hallo Zusammen

Zitat Xenia:
Manche nehmen z.B. an, dass ADS eine Art Grunderkrankung für Persönlichkeitsstörungen und Traumafolgestörungen sei*.
* In dem Sinne, dass ADS'ler störungsbedingt eher Gefahr laufen, ein Trauma zu erleben.

Würde ich auch so sehen .

Es ist auch bei meiner Tochter ähnlich wie bei mir gegeben, ab und an etwas sehr traumaähnlich erstarrt u. "sprachlos" zu sein, indem man dann eigentlich nur mehr "Abstand" benötigen würde...was dann oft (allermeistens) in Bezug auf ihre Partnerschaft "Streitauslöser" ist (weil er das nicht akzeptieren kann, dass sie nicht sagen kann, was los ist, desorientiert ist...)

Liebe Grüße,
manu
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Borderline versus Depression

Beitrag von otterchen »

Hallo,

für mich ergibt sich irgendwie ein immer runderes Bild...

Danke an Xenia ( ) für die guten Erklärungen.
Manche nehmen z.B. an, dass ADS eine Art Grunderkrankung für Persönlichkeitsstörungen und Traumafolgestörungen sei.
In dem Sinne, dass ADS'ler störungsbedingt eher Gefahr laufen, ein Trauma zu erleben.

Hier kommt ergänzend Guinevieres Posting hinzu:
Es ist auch bei meiner Tochter ähnlich wie bei mir gegeben, ab und an etwas sehr traumaähnlich erstarrt u. "sprachlos" zu sein, indem man dann eigentlich nur mehr "Abstand" benötigen würde...

An diese Sprachlosigkeit aus frühen Kindertagen erinnere ich mich auch noch...



Nochmal @ Xenia:
Die Abgrenzung zur Depression ist jedoch schon sehr wichtig, weil das Vorgehen z.T. halt völlig anders ist.

Darf ich da mal nach Beispielen fragen?
Was ist angeraten für einen Depressiven, aber nicht für einen Borderliner? Oder umgekehrt?
Einfach interessehalber...

Weil... so eine typische Depressive scheine ich nicht zu sein. Aber was dann?
Borderliner? Ich glaube nicht - aber was weiß ich schon?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
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