Umgang von "Gesunden" mit Depris

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ylva
Beiträge: 26
Registriert: 22. Sep 2009, 01:35

Umgang von "Gesunden" mit Depris

Beitrag von ylva »

Dieses Problem liegt mir immer schwerer auf der Seele. Mein Freund, nicht Depri, versteht meiner Ansicht nach nicht die Beeinträchtigungen, die eine Depression mit sich bringt. Er kann es nicht verstehen, dass meine Leistungsfähigkeit absolut im Keller ist. Dass ich einfach nicht aufstehen kann, um den Haushalt weitgehend alleine zu führen, obwohl ich doch den ganzen Tag Zeit dazu habe. Er versteht es als Worcoholic nicht, dass mich bereits 2 Stunden Arbeit am Rechner so fertig machen, dass meine Konzentration im Keller ist und ich einfach Ruhe brauche. Er versteht einfach nicht, dass ich irgendwann nicht mehr kann und mich einfach aufs Sofa lege und schlafe. An und für sich bin ich auch ein Worcoholic in gesunden Phasen, brauche wenig Schlaf, bin agil, erfasse schnell jeden Sachverhalt, kann vieles dazu lernen und bewältige halt alles was erforderlich ist. In meiner inzwischen sehr lang anhaltenden Depression kriege ich jedoch kaum etwas auf die Reihe, habe aber immer ein schlechtes Gewissen, nicht so leistungsfähig zu sein, wie ich es im "gesunden" Zustand bin. Ich setze mich dann unter Druck und breche wieder zusammen, was mir ebenfalls extrem unangenehm ist und große Selbstzweifel, ein Gefühl des Scheiterns und ein Gefühl der Nutzlosigkeit auslöst.

Wie gehen Eure Freunde, Partner mit Euren Tiefphasen um? Können diese sie hinnehmen, verlangen in dieser Zeit nichts von Euch? Lassen sie Euch auf die Beine kommen, so lange dies nötig ist?
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Umgang von "Gesunden" mit Depris

Beitrag von FönX »

Liebe ylva,

meine Frau trägt meine Depressionen schon lange mit. Sie weiß, dass solche Tage dazugehören und hat es sich abgewöhnt, sich Sorgen zu machen. Auch, etwas von mir zu fordern oder mich zu drängen. Sie lässt mich einfach und nimmt mich, wenn ich es brauche, in den Arm.

Bei Freunden hat es länger gedauert. Da kam ncoh einige Male Unverständnis, dass ich dies oder das nicht konnte/wollte. Das hat dann zur Folge gehabt, dass sie mich lassen, oder dass die Freundschaft abgekühlt ist.
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
sinus
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Re: Umgang von "Gesunden" mit Depris

Beitrag von sinus »

Liebe ylvia,

ich kopiere Dir einfach mal etwas hierher, was ich gerade geschrieben habe:

- Verwandten, Bekannten oder Freunden tiefes Verständnis für depressive Erkrankung zu vermitteln ist äußerst schwierig. Ich glaube fast, dass nur Betroffene, die selbst Erfahrungen mit Depressionen haben, tiefes Verständnis für unsere Nöte aufbringen können.
- Wir selbst haben, besonders bei der Diagnose bipolar, große Schwierigkeiten die Grenzen unserer Belastbarkeit zu erkennen und zum entscheidenden Zeitpunkt einzuhalten. Ich habe hier das große Glück, dass mir meine Partnerin zur Seite stehen kann, da sie selbst Erfahrungen mit der Krankheit hat. Sie bremst mich in Phasen wo die Gefahr besteht, dass ich meine Grenzen überschreite. Denn der Rücksturz nach so einer Grenzüberschreitung ist um so tiefer, je mehr man seine Grenzen überschritten hat.

Ich habe den Eindruck, dass es für Dich wichtig wäre, dass Du auch in den Phasen wo es Dir gut geht, sehr achtsam mit Dir umgehst und dabei Hilfe bekommst.

Ich kenne das wunderbare Gefühl, wenn die Gedanken schnell sind, wenn man alles in den Griff bekommt. Du nennst es Deine gesunden Phasen. Es können aber auch Euphoriephasen sein. In diesen Phasen brennst Du aus.

Es gibt hier im Forum eine wunderbare Zusammenfassung zu dieser Thematik. Ich schiebe sie Dir anschliessend hoch.

Mit Deinem Freund mußt Du viel Geduld haben. Versuch ihn ganz sacht zu informieren. Hier im Forum und im Internet gibt es genügend Material wohin Du ihm mal mittels Link schicken kannst.
Ich selbst bin nach 2 Stunden Computerarbeit übrigens auch platt und muss mich hinlegen und kann nur noch schlafen.
Der Kommentar meiner Partnerin und meines Arztes dazu. "Dein Körper braucht dass!"

Den Kontext meiner oben kopierten Zeilen findest Du über http://balance-ce.de

Liebe Grüsse von uni-liebe
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Umgang von "Gesunden" mit Depris

Beitrag von Babi »

Hi Ylva,
für Gesunde ist es schwer, unsere Krankheit zu begreifen und richtig einzuschätzen.
Wichtig ist immer, daß man offen darüber redet, ganz offen.
Nur so kann ein Gesunder verstehen lernen.
Ich habe auch viel Unverständnis erfahren, merke aber, seit ich offener darüber rede, daß ich mehr verstanden werde, wie ich gedacht habe.
Gruß Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
ylva
Beiträge: 26
Registriert: 22. Sep 2009, 01:35

Re: Umgang von "Gesunden" mit Depris

Beitrag von ylva »

Danke für Eure Antworten!
Es beruhigt mich doch sehr, dass es nicht nur mir so geht.
Mein Hauptproblem ist, dass ich es mir selbst nicht zugestehen kann, nicht mehr zu können, weil ich ständig das Gefühl habe, dass meine Depression als Krankheit nicht akzeptiert wird. Ich habe dann dauerhaft ein schlechtes Gewissen.

Bedauerliche Weise ist es noch immer so, dass ein Nichtbetroffener nicht nachvollziehen kann, wie sehr die Depression einen schwächt. Häufig ist die Ansicht da, man selbst hätte ja schon Durchhängephasen gehabt und sich am Schopf selbst herausgezogen, dies müsse der Depri doch auch schaffen.

Herzliche Grüße
ylva
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Umgang von "Gesunden" mit Depris

Beitrag von Babi »

Hi Ylva,
ja von Gesunden wird eine Depression nicht richtig wahrgenommen. Viele denken eher, man ist einfach nur faul, das habe ich schon oft erlebt.
Wünsch dir nen schönen Abend!
Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
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