werden wir nun endlich ernst genommen?

Narr-zisse
Beiträge: 56
Registriert: 28. Okt 2007, 13:05

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von Narr-zisse »

..."Das nur falls ich euren Einwand mit den armseligen Menschen richtig verstanden habe"...

Arm an SEELE, liebe Heike, da ist´s wurscht wieviel Geld Du hast!
Beati pauperes spiritu.
schwazrmaler
Beiträge: 17
Registriert: 30. Okt 2009, 15:16

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von schwazrmaler »

Andreas schrieb
>ja sogar überdurchschnittlich, aber die Krankheit raubt sie ihnen wieder.

Ich bin depressiv, aber davon leider noch nicht doof genug geworden, dass ichs nicht mehr so arg merke. Da muss ich wohl noch warten auf andere Krankheiten...
Harry_Haller
Beiträge: 143
Registriert: 13. Nov 2009, 14:09

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von Harry_Haller »

Hallo zusammen!

Endlich kann/darf ich auch was dazu sagen, heute kamen meine Zugangsdaten! Ich lese hier schon `ne ganze Weile mit, bin leider auch erst durch den Tod von R. Enke auf dieses Forum gestossen. Ich quäle mich seit 11/2008 durch meine zweite heftige Depression (laut Arzt/Psychotherapeut ist sie rezidivierend). Bin 43, verheiratet, keine Kinder, zwei Hunde, öffentlicher Dienst, Personalrat und war bis vor kurzem völlig am Ende. Heute geht es mir gottseidank nur noch übel, aber ich kämpfe. Ich BIN stärker als das schwarze Loch. jawohl! Ich habe heute abend meinem Kollegen, mit dem eng ich zusammenarbeite, ganz klar geschildert was mit mir los ist, ungeschminkt und hässlich, wie es ist. Ich denke, wir werden nur ernstgenommen, wenn wir uns nicht länger verstecken, sondern ganz klar äussern, woran wir erkrankt sind. Wo ist der Unterschied zu einer Diabetes-Erkrankung? Ich leide an einer Stoffwechselerkrankung des Hirns, die mich Dinge tun lässt, die ein an einer anderen Erkrankung leidender Mensch nicht tun würde. OK. Und? Ja, ich bin krank, aber nicht bescheuert oder anderweitig minderbemittelt.

Lasst uns zu uns stehen, so wie wir sind! Wir sind anders, aber nicht schlechter oder weniger ernst zu nehmen! Und wer meint, wir wären nur zu schwach oder zu weinerlich, soll erst mal durch die Hölle gehen, die wir bereits hnter uns haben!

Damit die, die sich für normal halten, uns ernst nehmen, müssen wir uns erstmal selbst ernst nehmen! Ich habe keinen Grund, mich zu verstecken! Ihr? Nein, habt Ihr nicht! Ja, wir sind krank an der Seele. Aber sind wir schuld daran? NEIN, sind wir nicht! Wir sind auch keine Versager, keine Mimosen, die wegen jeder Kleinigkeit zusammenbrechen. Wir sind Menschen wie alle anderen auch. Nur sehen wir die Welt mit anderen Augen. Vielleicht fehlt uns einfach der kompromisslose Egoismus der "Normalen", die sich nie (zumindest nicht öffentlich) selbst in Frage stellen.

Verdammt, ich habe diesmal geschlagene 12 Monate gebraucht, bis mein Trotz zurück gekommen ist! Ich brauche mich nicht zu schämen oder zu verstecken, ich habe mich nicht freiwillig in diese Situation gebracht!

Und Ihr alle auch nicht! Steht zu Eurer Krankheit, steht zu EUCH! Dann werden wir auch ernstgenommen!

Ich wünsche Euch viel Mut, viel Kraft, und eine gute Rest-Nacht!

Liebe Grüße
Frank
Lilalaunebär
Beiträge: 114
Registriert: 7. Jan 2009, 12:31

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von Lilalaunebär »

Moinsen,
ich hoffe niemanden gekränkt zu haben, Andreas ? Ich habe so laut lachen müssen, weil ich mich an Zeiten erinnere in denen ich mich ständig frage, warum ich? Warum bin ich so beschränkt? Wie ein 1. Klässler lernen müssen aus solchen Situationen zu kommen und es DAUERT bis ich merke, dass ich in einer Schleife stecke ...
Schönen Tag Euch!
LG, Marlene
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo Narr-zisse, hallo liebe Gemeinde!

Die Sache mit Robert Enke ist einerseits etwas, das uns nützt, keine Frage. Auch wenn der Hype spätestens nächste Woche abgeebbt sein und wieder eine neue Sau durchs Dorf gejagt wird. Es wird uns helfen, zu unserer Krankheit zu stehen, stolz darauf zu sein, dass wir sie meistern, bewältigen, weiter leben. Es wird dazu führen, dass uns Nichtbetroffene besser zuhören und weniger stigamtisieren.

Andererseits bleibt die Frage, warum der Hype überhaupt entstanden ist, warum es nicht lediglich eine verschämte kleine Meldung gegeben hat. Irgendjemand hat darauf hingewiesen, dass es an jenem Abend, an dem Robert Enke starb, rund ein Dutzend (!) andere Robert Enkes gegeben haben dürfte, die sich auch auf unterschiedlichste Art und Weise und aus unterschiedlichsten Gründen das Leben genommen haben.

Und dann sehe ich zwei Erklärungen, warum die kollektive Trauer so um sich gegriffen hat:

Die eine: Die Menschen suchen Gemeinsamkeit, suchen die Geborgenheit in der Trauer, suchen in einer Welt der Kälte, des Leistungsfetischismus und Hedonismus die Erlaubnis, auch mal Heulen zu dürfen, Schwächen zu zeigen, zu Gefühlen zu stehen. Auch vor laufenden Fernsehkameras. Wenn das sogar der kühle Powerman Bierhoff zulässt, dann darf ich das auch. Schade natürlich, dass man das nur dann darf - und nicht, wenn man in der Arbeit vom Chef übel eins reingewürgt bekommen hat oder einen der Sachbearbeiter im Jobcenter fertig macht.

Die andere (und die erschreckt mich eher): Enke wird nahezu märtyrergleich verehrt. Das strahlende Bild von ihm als "guten Menschen", das überall gezeichnet wurde, lässt mich eine kollektive Depressivität und eine große unerfüllte Sehnsucht in der Seele der Menschen vermuten. Diese Depressivität ist keine Krankheit, sondern Teil des menschlichen Daseins. Sie wird deshalb im Alltag verdrängt (während die "echten" Depressiven diesen Filter nicht haben). Aber sie ist da - und führt deshalb zu einer kollektiven Identifikation mit der Person Robert Enke, wie sie in den Medien dargestellt wird. Zugleich führt die Identifikation mit Robert Enke zu einer Distanzierung: Die "Normalos" merken erleichtert, dass sie nicht Robert Enke sind und deshalb nicht auf die Gleise gehen müssen. Unbewusst denken sie vielleicht: Glück gehabt. Davon gekommen. Enke ist für uns gestorben. Das reicht.

Daraus kann dann auch wieder eine Abwehrhaltung resultieren. Sie kommt dann wieder zum Tragen, wenn der Hype und die Erlaubnis Gefühle zu zeigen, abgeklungen sind. Aus Identifikation wird Distanz. Das eigene schwarze Loch wird wieder zugedeckt.

Meine Mutter war Mitte der 1970er Jahre wegen Depressionen drei Monate in einer Klinik. Das war damals noch eine ganz andere Zeit als heute, damals war man "nervenkrank". Dritte sprachen davon mit einer Mischung aus Abscheu und Entsetzen. Darin eingeschlossen war auch das "Versagen" des Erkrankten, die "Charakterschwäche", da war jemand einfach nicht diszipliniert genug, hatte zu viele Flausen im Kopf, war faul, hysterisch, egoistisch usw.

Heute ist es eine Krankheit, das hat die breite Bevölkerung begriffen, Arbeitgeber erkundigen sich, wie mit Betroffenen am Besten umgegangen werden soll, Zeitschriften und TV berichten wie selbstverständlich darüber. Depressionen sind keine "Schwäche" und keine "Geisteskrankheit" mehr. Aber vielen noch immer peinlich, wenn sie unmittelbar damit konfrontiert werden.

Die Aufmerksamkeit im Fall Enke führt zu mehr Offenheit. Aber die Offenheit bleibt nur offen, wenn wir Betroffenen auch in diesen Raum vorstoßen. Und das bedeutet Selbsthilfe - und Selbsthilfe bedeutet Organisation.

d.
desertrose

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von desertrose »

Hallo frank66,

Du hast mir mit Deinen Zeilen sehr viel Mut gemacht. Ich leide seit 16 Jahren an Depressionen und habe immer versucht, diese so gut es geht zu verstecken. Gerade im Berufsleben. Ich habe mich schlichtweg geschämt. Jetzt habe ich die Karten auf den Tisch gelegt und ich habe immer noch eine Menge Schiß, aber ich will mich auch nicht mehr verstecken müssen und mit einer Maske rumrennen. Das ist ein Druck, den ich nicht mehr ertragen möchte.

Lieben Gruß,
desertrose
Andreas01

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von Andreas01 »

Hallo dolittle909,
gratuliere ! Du hast einiges auf den Punkt gebracht.
Wie war noch die Werbung im Stadion:
"Mehr Tore, mehr Geld, mehr Netto"

Gruß
Andreas
bahn

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von bahn »

erstmal liebe dolittle 99,

erstmal möchte ich mich für meinen kollegen

im jobcenter entschuldigen. ich war als beamter

auch mal dort ausgeliehen. es ist kein ein

facher job, sehr sachorientiert, muss

immer schnell gehen, wenig zeit für

menschliches.


und das ist auch der springende punkt.

wer macht den stars zu stars, wer verehrt

die denn. wir menschen, die wir an wochenenden

und sonst zu den "Stars" pilgern, sie mehr

oder weniger sogar anbeten................

Und wir Depris.......................

Also es gibt auch noch andere Menschen

gruppen, körperlich oder geistig Behinderte,

die interessiert in der Regel auch kein

Mensch, vielleicht mal an Weihnachten

eine Spende..............................

Und es tut weh, so was mit anzusehen......

und ich frage mich aber, ob ich oft nicht

genau so bin, mich nur noch um mich und

meine Depri drehe?

Ich muss aus meiner persönlichen Erfahrung

sagen, dass ich von Menschen nicht mehr

so viel erwarte, und auch nicht erwarten

kann. Manchmal werde ich überrascht, und

dann freue ich mich doch, oder hier das

Forum ist doch auch sehr gut.


Ansonsten, in dieser Welt, "Leistung Sex

und Geld. Das hört sich jetzt ganz arg hart

an, aber das ist das, um das sich unsere

Erde dreht.............................

und ich....................

ich bin nicht besser......................

und das kratzt mich schon..........


ein ganz nachdenklicher seebär
Elsa08
Beiträge: 140
Registriert: 22. Mai 2009, 18:45

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von Elsa08 »

Hallo Thomas,
Hallo Zusammen,

ich habe auch in meinen schlimmsten Zeiten bei der Telefonseelsorge angerufen, deren Nrn. in jeder Tageszeitung zu finden sind. Es hat mir zeitweiling, wenn vielleicht auch nur über die nächste Nacht, geholfen, nicht irgendeinen Scheiss zu machen. Es ist mir sehr wichtig, einmal die Qualität dieser Einrichtungen herauszustellen.

Ob man nun prominent ist oder nicht, wenn man nicht gelernt hat, Schwächen auch mal zeigen zu dürfen, wenn man immer geachtet wurde ob seiner Leistung, wenn Jemand ganz persönlich für sich die Schwäche hat, schwer Vertrauen zu anderen Menschen zu haben, unter grossen Verlustängsten leidet, sich einfach nicht öffnen kann, dann ist und wird es auch für Ärzte und Psychologen sehr schwer sein. Und an dieser Stelle sollte man vielleicht auch einfach den Entschluss von Robert Enke respektieren.

Ich kann seinen Entschluss sehr gut verstehen und bin heute dankbarer als sonst, dass ich gute Behandler hatte oder vielmehr, dass es MIR gelungen ist, zu sprechen und mich selbst über ganz viele Hürden hinweg zu kämpfen. Ich hatte auch diese Ängste, alles zu verlieren wenn ich mich öffne.

Wer kennt das noch? Wer hat es noch geschafft?

Lasst uns doch Namen mit Geschichten füllen, das ist viel wichtiger. Und kann viel mehr helfen.
elsa
bahn

Re: werden wir nun endlich ernst genommen?

Beitrag von bahn »

liebe elsa,

natürlich gibt es auch Menschen die bereit

sind, uns zu helfen. Das hatte ich fast

vergessen, wie dumm von mir.

Ja, Telefonseelsorgen ist eine ganz tolle

Sache, und die Menschen machen es soviel

ich weiss, sogar ehrenamtlich, und sind

immer erreichbar.

Meine Frau, meine Kinder, mein Hund, ......

da kann ich gar nichts vorspielen,.....

da darf ich so sein, wie ich wirklich bin.

Und trotz allem, meine Kinder sind schon fast

erwachsen, starke persönlichkeiten, die

ihren weg gehen, trotz ihrem depressiven

vater. gott sei dank!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Freunde............ich will mal so sagen,

wenn du einen guten freund hast, das ist

etwas ganz wertvolles....................

ja, von der grossen masse dürfen wir nichts

erwarten, aber von einzelnen menschen

schon.

und die ganzen kliniken, therapeutische

hilfe, menschen, die persönlich auf uns

eingehen, uns ein stück unseres weges

begleiten,.......................


ein dankbarer seebär
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