Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

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Mottek
Beiträge: 35
Registriert: 27. Sep 2006, 12:16

Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Mottek »

Hallo,
ich bin hier nach ca. 2,5 Jahren lesen, einmal aufgetaucht. Bisher fand ich hier sehr viele interessante und treffende Beiträge.

Nochmal kurz zu mir, bin fast 42, verheiratet, Patchworkfamilie mit 2 Söhnen (je 1er), mit 17 und 19.
Hauptdiagnosen: Angststörungen u. Bipolar II.

Ich bewundere es so sehr wie ihr mit eurer Erkrankung umgehen könnt!! Es immer wieder schafft - denn Alltag, den Job.

Ich verzweifle daran, ich hasse meine Krankheit und ich hasse mich dafür das ich es nicht in den Griff bekomme.

Ich schaffe es nicht eine Struktur in meinen Alltag zu bekommen, mein Stimmungskalender verwaist auf dem Schreibtisch, meinen Haushalt schaffe ich nicht mal in Ansätzen und mein Mann und ich... sind irgendwie zwei Menschen die in einem Haus leben. Er kann überhaupt nicht mit der Erkrankung bzw. dann mit mir umgehen, er ignoriert es einfach.
Es liegt vermutlich auch daran, weil ICH nicht damit umgehen kann.

Ich bin so leer, aus meinem Körper gerutscht, ohne Gefühle mit tausenden wirren Gedanken. Getrieben von immer wieder anderen Ideen.
Zur Zeit wenn es mir schlecht geht, suche ich verzweifelt nach einem Weg wie ich meine Hunde gut unterbringen kann.
Geht es mir gut, möchte ich anfangen so kleine Racker zu züchten. (Ein Beispiel von vielen)
Ich bin immer sooo weit weg vom Gegenpol oder der Normalität. Wobei.. was ist "normal"?
All meine Bemühungen zumindest einigermaßen zu funktionieren scheitern.

Dazu kommen meine Ängste. Ich kann nicht mit den Hunden Gassi gehen. Jemanden besuchen (wobei ich nicht einmal mehr wüsste wen) geht auch nicht. Die Angst hemmt mich in allen Lebenslagen.

Wie bekommt, bzw. habt ihr dieses Chaos ansatzweise in den Griff bekommen? Könnt ihr mir Tipps geben?
Wie könnt ihr es ertragen? Wenn ich lese, das manche ihre bipolarität schätzen, frage ich mich einmal mehr, was ich falsch mache.

Wenn dieser Eintrag zu lange oder deplaziert ist, bitte verzeiht mir.

Viele Grüße
Mottek
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von dolittle909 »

Liebe Mottek!

Weder zu lange noch deplatziert - nein genau richtig! Mische Dich auch mit Deinen Erfahrungen auch an anderen Stellen ein, nur Mut!

Von mir noch ein herzliches Willkommen und alles Gute!

dolittle
Mottek
Beiträge: 35
Registriert: 27. Sep 2006, 12:16

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Mottek »

Hallo Dolittle,

lieben Dank für deine Worte, ich dachte schon es wäre in der Tat irgendwie daneben.

Jetzt bin ich erleichtert, da du geschrieben hast.

Ich werde versuchen mich einzubringen, es fällt mir jedoch sehr schwer mich so auszudrücken das es auch richtig ankommt.

Liebe Grüße
Mottek
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von dolittle909 »

Ganz einfach,

Du drückst Dich aus, wie Du Dich ausdrücken kannst! Du beschreibst Deine Erfahrungen, Deine Sorgen und Ängste, Deine Hoffnungen, wie Du es kannst. Und ich bin sicher, dass Du verstanden wirst! Denn schließlich haben hier ja alles das gleiche Problem, das erleichtert vieles.

So kenne ich die Probleme (Unstrukturiertheit usw.), die Du nennst, auch wenn ich damit gerade nicht kämpfe. Aber ich habe sie schon erlebt. Von den Stimmungen, Zweifeln, Ängsten mal abgesehen. Die kenne ich auch, auch wenn ich sie gerade (zum Glück) etwas an die Seite gelegt habe. Ich habe dutzende depressive Episoden durchgestanden. Milde und kurze, heftige und lange, lästige und existenzbedrohende. Und es werden noch dutzende sein.

Und viele hier kämpfen den gleichen Kampf und haben gute Aussichten, ihn nicht zu verlieren...

dolittle
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Babi »

Hi mottek,

du kannst mit dem Chaos nur umgehen, wenn du deine Krankheit akzeptieren lernst.
Ich habe auch lange gegen meine Krankheit angekämpft, bin davor weggelaufen, hab gedacht, das kann doch nicht sein, daß ich nicht so bin wie andere usw.
Erst dieses Jahr - ich habe die Probleme seit méiner Jugend - konnte ich die Krankheit richtig bei mir akzeptieren und seitdem kann ich besser damit umgehen und mein Chaos ist kleiner geworden.
Du hast ganz richtig erkannt, du mußt lernen, mit deiner Krankheit umzugehen und das kannst du nur, wenn du sie auch als einen Teil von dir akzeptierst.
Das hat mir meine Therapeutin gesagt.
Ganz weg kriegt man Chaosphasen nie sie können immer wieder auftauchen, doch wenn du damit umgehen lernst, werden sie immer weniger zu einem Problem, glaub mir.
Ist dir mal die Idee gekommen, daß gerade durch die Krankheit auch manche gute Seite von dir vielleicht stärker hervortritt?
Bei mir ist es z.B. so, daß ich durch meine Krankheit mehr Verständnis für Menschen und deren Probleme habe und besser zuhören gelernt habe.
Ich weiß, das klingt komisch, aber denk auch mal in diese Richtung.
Alles Liebe Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
Mottek
Beiträge: 35
Registriert: 27. Sep 2006, 12:16

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Mottek »

Hallo Babi,

danke für deine Antwort.

Ich weiß, es kann erst besser werden wenn ich es akzeptieren kann.
Es ist so, dass ich ein sehr leistungsorientierter Mensch bin. Vor meiner Krankheit war ich stellvertretende Geschäftsführung in Deutschland, für einen europaweiten Konzern.
"Vor meiner Krankheit" stimmt natürlich auch nicht so richtig, denn ich bin, im Nachhinein betrachtet seit meiner Jugend krank.
Heute ist es so, dass ich seit über drei Jahren berentet bin und noch immer nicht in der Lage zumindest meinen Haushalt zu bewältigen.
Der ganze Alltag ist für mich fast nicht zu schaffen. Das macht mich fertig, .. zusätzlich.
Ob die Erkrankung eine "guteSeite" in bzw. an mir zum schwingen bringt; ich weiß es nicht. Wenn ich hypomanisch bin, dann lerne ich schnell wie der Teufel.
Vom Prinzip eine tolle Sache, nur in der Depression ist es wieder weg.

Mit diesen Extremen, damit komme ich einfach nicht klar. Entweder geht alles, oder gar nichts.
Dazwischen gibt es bei mir nichts.

Kann das jemand nachvollziehen, geht es jemandem trotz Medis ähnlich?

Liebe Grüße
Mottek
Mottek
Beiträge: 35
Registriert: 27. Sep 2006, 12:16

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Mottek »

sorry war doppelt gepostet
Reve
Beiträge: 754
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Reve »

Hallo Mottek,

ich erlebe das alles ähnlich wie du, auch bei uns innerhalb der vier Wände, im Freundeskreis, der sehr geschrumpft ist und innerhalb der nächst reichenden Verwandtschaft stößt man ja nicht unbedingt auf Verstehen, was eine solche Krankheit betrifft. Darum strebte ich an, nicht die anderen verändern zu wollen - insbesondere auch nicht meinen Mann - sondern mich. Mich und meine Reaktionen, die immer wieder aufgrund der aktuellen Situation überschießen und mir zusätzlich schaden. Mir und daraus resultierend meinem Umfeld.

Aber ganz ehrlich, wäre es denn bei Krebs anders oder bei einem Herzinfarkt in jungen Jahren? Auch dann müsste man sein Leben gravierend ändern und eigenverantwortlich das „Problem“ angehen, um nach Möglichkeiten suchen, die wieder lebenswerte Perspektiven bieten. Und dazu gehört meiner Ansicht nach weit mehr als Tabletten zu schlucken und 1 x in der Woche zur Therapie zu gehen. Dazu zählen eine Struktur, durchaus eine Art Tagebuch, um am Abend das Erlebte zu resumieren und die Vergangenheit festzuhalten – vielleicht auch ein paar Glücksgefühle – ach, es zählt einfach so viel dazu…

Was die überschießenden Gefühle und Reaktionen betrifft, hab ich mich mit Hilfe meiner Therapeutin ein wenig mit den Achtsamkeitsregeln beschäftig und versuche selbst immer wieder, regulierend und besänftigend auf mich einzuwirken, was bis zu einem gewissen Grad auch geht.

>Mit diesen Extremen, damit komme ich einfach nicht klar. Entweder geht alles, oder gar nichts. Dazwischen gibt es bei mir nichts.

Ich habe es zwischenzeitlich gelernt, hoffentlich rechtzeitig Stopp sagen zu können, wenn die Euphorie oder Besessenheit in Bezug auf Tätigkeiten oder weltverbessernden Ansichten überhand nimmt, einen Themenwechsel vorzunehmen, rauszugehen, nicht mehr zu telefonieren, Möglichkeiten zu finden, die wieder Ruhe reinbringen.
Und genauso bei einer plötzlichen Verschlechterung, die ja ununterbrochen stattfindet, hineinzuhören, was der Grund sein könnte. Ist ja meistens verbunden mit zuviel Druck und Pflichten.

Hoffe, es wirkt jetzt nicht belehrend, aber man kann eine ganze Menge tun, um die Stimmungen zu verbessern und auch zu verschlechtern.

lG Carin

(Nachtrag: Wenn ichs mir so durchlese, wirkst doch wieder belehrend, was ich nicht wollte. Ich wollte ausdrücken, dadurch dass ich mich "mäßige" im hypomanen Zustand und beim Abrutschen in das Tief reagiere, (also täglich gesehen) gelingt es die Spanne dazwischen im Normalbereich zu vergrößern.)
Mottek
Beiträge: 35
Registriert: 27. Sep 2006, 12:16

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Mottek »

Liebe Carin,

ich habe es nicht als belehrend empfunden, nein.
Vielmehr bin ich froh zu lesen, wie du damit umgehst.
An diversen Achtsamkeitsübungen bin ich auch dran, es ist nur so, dass ich mich selbst und meinen Körper nicht spüren kann. Dadurch ist es sehr schwer, aber ich übe und übe.

Das ich mein Umfeld nicht ändern kann ist richtig, die Änderung muss in mir selbst geschehen. Da spielt wieder "das nicht spüren können" mit rein.

Meinen Körper kann ich nur fühlen, durch Berührung. Mittlerweile (nach ca. 3 Jahren Übung) gelingt es mir schon das Wasser auf meiner Haut zu spüren - beim duschen.
Liege ich in der Wanne, merke ich "nur" die Wärme.

Irgendetwas wollte ich noch schreiben.. es wird mir wieder einfallen, kommt dann als Nachzügler.

Liebe Grüße
Mottek
Reve
Beiträge: 754
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Reve »

Liebe Mottek

>An diversen Achtsamkeitsübungen bin ich auch dran, es ist nur so, dass ich mich selbst und meinen Körper nicht spüren kann. Dadurch ist es sehr schwer, aber ich übe und übe.

Mir gehts auch gar nicht so um meinen Körper, mir gehts vielmehr um meine Gefühle, die ich so stark spüre, ich das bei dir dann nicht so? Du sagst ja selbst wie "zwei Fremde" im Haus oder so ähnlich - genauso empfinde und spüre ich es auch, wobei ich allerdings auch von einem ungeheuren Drang nach Selbständigkeit gesteuert werde. In Kombination mit gewissen Kommunikationsschwierigkeiten bleibt eine leichte Entfremdung natürlich dann auch nicht aus, was wiederum normal sein kann, wenn man es nicht so übertrieben sieht wie ich.

Vielleicht solltest du es "langsamer" angehen lassen, nicht gar so viel üben, nicht gar so viel Druck ausüben. Dir nur ein paar Dinge pro Tage vornehmen, gerade jetzt wo du auch das neue Medi einschleichst, ein bisschen Ordnung im Haushalt,Rhythmus hättest du doch eh schon vorgegeben durch deine Hunde - und natürlich auch durch den Rest der Familie

Du spürt schon das Wasser, dann wirst du auch die Kälte jetzt draussen spüren, die frische Luft, den Nebelhauch, ein bisschen Zuversicht,.. gäbe ja auch noch die Möglichkeit der körperorientierten Therapie, die ich selbst allerdings nicht kenne. Du könntest auch joggen, dann spürst du wie du vielleicht schwitzt, geht das eigentlich nicht mit einem deiner Hunde, ein kleiner Waldlauf?

lG Carin
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Wie könnt ihr es ertragen? Was macht ihr, damit ihr damit klar kommt?

Beitrag von Babi »

Hi Mottek,
diese zwei Extreme kenn ich auch. Ich hatte lange auch ein Problem damit, bekomme das auch heute nur langsam in den Griff.
Bin auch leistungsorientiert.
Weißt du, ich glaube, diese zwei Extreme haben einen Grund. Wenn man viel leistet, ist das für einen Selbstbestätigung und auch ein Ausgleich für die Zeiten, wo gar nix geht. d.h. wenn ich Energieschübe habe leiste ich viel, dann gleiche ich das schlechte Gewissen wieder aus, daß ich während der Zeit bekommen habe, als nix ging.
Deswegen die Extreme.
Vielleicht entdeckst du dich da auch wieder.
Aber ich werde weiter dagegen angehen und versuchen, immer mehr die Bremse zu ziehen, wenn ich merke, es ist zu viel.
Das geht nicht einfach so, das muß man trainieren.
Ich tue das mittlerweile.
Ich wünsche dir viel Kraft, daß du das auch in den Griff bekommst.
Lieber Gruß Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
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