Suche Überstandene

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Nadalien
Beiträge: 112
Registriert: 7. Okt 2008, 17:33

Suche Überstandene

Beitrag von Nadalien »

Hallo an Alle!

Also, sicher gehöre ich auch zu denen, die hier ihre Problematik ausbreiten, denn ja, mir geht es sehr oft mieserabel und ich bin deswegen auch in Behandlung.

Was ich nur schön fände, wäre wenn Menschen, die eine Depression überstanden haben, hier posten würden. Das würde mir persönlich Mut machen.

Vielleicht gibt es ein paar Leute, die über ihren persönlichen Weg schreiben könnten, wie sie es "raus" geschafft haben?

Das ist also eine Aufforderung, Mut zu machen. Vielleicht findet sich hier im Netz jemand. Ich bin noch nicht geheilt, oder nicht gesund genug dazu.

Danke und Grüße an alle die Mut geben und Mut brauchen!
Nadalien
DYS-
Beiträge: 1838
Registriert: 19. Mär 2003, 17:28
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Re: Suche Überstandene

Beitrag von DYS- »

Hallo Nadalien

Oft ist es leider so, dass Foristen nach ihrer Gesundung nur noch selten dieses Forum besuchen. Aber es gibt hier einige Beiträge von Forumsmitgliedern die die Depressionen überstanden haben. Z.b. dieser: http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1248086631

Aber such mal in älteren Threads, du wirst mehr finden und es werden sich vielleicht auch noch einige melden.

Nächtle
dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Suche Überstandene

Beitrag von ben1 »

Hallo

da mach ich doch mal gerne den Anfang

Rückblickend kann ich folgendes zu meiner Depression sagen (und ich nehme vorweg, dass das mein Weg war, der nicht 1zu1 gegangen werden muss oder sollte).

Mich hat die Depression in einer Lebensphase erwischt, in der ich "angekommen" war - Job, Familie, Haus, alles war da - ich hatte mein "Lebenskonzept" vollendet und genau da war das Problem - ich war eigentlich "wunschlos", aber keinesfalls glücklich. Alle Ziele erreicht und weiter weg vom Zufriedensein als je zuvor. Das war eine große Erschütterung!

Langsam, mühsam und schmerzhaft musste ich lernen, das es im Prinzip 2 Bens im meinem Leben gab - einen Ben, der bisher die Richtung vorgab, der sich an äußeren Ansprüchen (die scheinbar! existierten) orientierte und einen zweiten Ben, der eben diesen Ansprüchen überhaupt nicht gerecht wurde, der dazu auch keine Lust hat, dem es um ganz andere Sachen ging (Kollege Jung würde wohl vom "Schatten" sprechen).

Das Problem vor dem ich stand (und immer wieder mal noch stehe) ist, das ich EIGENTLICH nicht so bin, wie ich meine, sein zu müssen. Ich habe sehr viel Anteile in mir, die gesellschaftlich eher negativ besetzt sind - z.B. bin ich sehr gerne faul, auch mal neidisch, wütend, ärgerlich, ängstlich, melancholisch usw. usf. Diese Anteile lebten all die Jahre auch in mir, konnten sich aber nicht so recht entfalten (ich war ja schließlich perfekt). Sich in einem ersten Schritt mal zuzugestehen, dass das bisher gelebte "Ich" nicht alles ist und in einem zweiten Schritt zu versuchen, diese nicht gelebten Anteile in ein lebbares Ganzes zu integrieren, war und ist für mich die Aufgabe der Depression.

Das große Problem meiner (ich würde mal sagen am ehesten narzistischen Persönlichkeitsstruktur) war und ist, das eine Aufgabe der "gewünschten" Person einem kleinen Selbstmord gleichkommt (subjektiv gefühlt) - keine Angst, das ist es aber nicht! Irrtümlicher Weise ging ich davon aus, nur liebens- und lebenswert zu sein, wenn ich eben diese "unerwünschten" Anteile meiner Persönlichkeit einfach ausblende. Das Gegenteil ist der Fall! Je echter ich werden kann, je authentischer ich im Leben stehen kann, umso mehr werde ich von anderen respektiert und akzeptiert! Ich kann heute oft sagen "Das weis ich nicht" oder "Das kann ich nicht" aber nicht resignativ im Sinne von "ich bin zu dumm", sondern im Sinne von "erklär mir das bitte" oder "lass uns gemeinsam eine Lösung finden".

Um im Bild zu bleiben - Ben 1 (der nach außen orientierte Ben) ist immer noch da und ich bin froh, ihn zu haben (der ist Kompetent, Zielgerichtet, Direkt usw), aber Ben 2 (meine bisher nicht gelebten Anteile) darf auch da sein und bereichert mein Leben enorm!

Die Kunst in meinem Leben ist, für beide Bens eine lebbare Grundlage zu schaffen (und das ist ein dynamischer Prozess, also eine Aufgabe, die sich immer (mal) wieder stellt). Ein simples "Mach jetzt das" oder "lass jene" wäre für mich also nicht der Weg aus der Depression gewesen - eher ein Lebenskonzept, in dem ich mich als Konglomerat verschiedenster Wünsche, Sehnsüchte, Ängste sehen kann und als Vermittler immer mal wieder zwischen allen meinen Anteilen vermitteln kann.

Vielleicht verwirrend, vielleicht auch nicht ...

Ben
Andreas01

Re: Suche Überstandene

Beitrag von Andreas01 »

Hallo Nadalien,

würde sehr gerne was dazu schreiben aber
ist hier sehr schwierig weil es mir ähnlich ergeht wie im den anderen hier verlinkten Tread von "Emily" beschrieben wurde.

>>>Was ich an diesem Forum nie verstehen werde: Warum glaubt man einem Menschen nicht, der sagt, er hat seine Depression überwunden? Weil nicht sein kann, was gar nicht sein "darf"? Weil bei einem anderen etwas gar nicht sein kann, was bei einem selbst leider noch nicht soweit ist? Weil nicht sein kann, wovon man lediglich "glaubt", dass es nicht sein kann???<<<

das Problem liegt wohl darin das die sog. Überstandenen im laufe der Zeit ein anderes Denkmuster entwickelt haben das dem der "Nicht" Überstandenen langsam aber sicher zuwieder läuft auch wenn oder gerade deshalb dieses "andere" Denkmuster es überhaupt erst möglich machten die Krankheit zu überstehen. Habe da ein selbst erlebtes Beispiel:
Ein junger Kollege von mir wurde nachdem er erfolgreich seine Alkoholabhängigkeit therapiert hatte und absolut trocken war von seinen Kollegen und Vorgesetzten regelrecht aus seiner vorigen Schichtgruppe heraus gemoppt weil sie weiterhin ihr Bier (Am Arbeitsplatz!!!) tranken er hingegen Trinken allgemein und am Arbeitsplatz erst recht einfach scheiße fand. Auch in meiner Schichtgruppe wurde illegalerweise schon mal ein Bier zum essen getrunken, er verstand das nie war aber trotzdem bei uns zufrieden weil wir ihn seinen aus unserer (falschen) Sicht den Glauben ließen Cola ist besser als Bier
Oder ,ich habe nie zuvor von Rauchern so großzügig viele Zigaretten angeboten bekommen als ich mir das Rauchen erfolgreich abgewöhnt hatte.

Da hier die Koalition der "nicht" Überstandenen ungleich größer ist als die der Opposition der Überstanden ist eine ausgeglichene Diskussion kaum möglich.

Gruß
Andreas
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Suche Überstandene

Beitrag von FönX »

Liebe Nadalien,

"ich bin raus aus der Depression" zu sagen, würde ich für mich total selbstüberschätzend erscheinen. Die Depression, die lange vorhanden war, und zu der ich mich im Januar 2005 erstmals bekannte, ist weniger dunkel, weniger lähmend als vor 4 Jahren. Aber ich bin weiter. Während ich zwei Jahre wie paralysiert war, habe ich einen großen Teil der Zeit, die in Fülle da war, genutzt, um über mich und mein Sein nachzudenken und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Zahllose gute und weniger gute Gespräche haben mir den Mut gegeben, an mich zu glauben, die Kraft, die in mir ist, in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich habe in den letzten Wochen etwas geschafft, was ich jahrelang versucht hatte, was mir aber unmöglich war: eine kleine Liste von Eigenschaften aufzuschreiben, die mich liebenswert machen. Das ging teilweise nicht ohne Hilfe. Aber es ging. In der letzten Woche habe ich sogar Leute angerufen um sie als Kunden für meine Webagentur zu gewinnen. Das war Angst erregend und furchtbar anstrengend, weil Kundenakquise für mich der krank machende Faktor Nr.1 war. Das bedeutet für mich: Ich bin viel weiter, als noch vor drei oder vier Jahren. Aber bin ich am Ziel?

Viele sagen "Der Weg ist das Ziel". Wenn das so ist, bin ich auf dem Weg, also am Ziel. Aber das Gefühl, am Ziel zu sein, habe ich nicht. Ich bin noch lange nicht so belastbar wie ich gern wäre. Viel zu schnell bin ich mit den Kräften (psychisch wie körperlich) am Ende und brauche Ruhe. Die gönne ich mir dann. Und auch das ist ein Schritt nach vorn. Dass ich mich wahrnehme und mir etwas gönne. Dass ich etwas für mich tue. Dass ich auf mich achte. Das kommt für mich schwerpunktmäßig aus den Therapien, die ich gemacht habe.

Wenn ich jetzt sagen würde, ich bin aus der Depression raus, würde ich mich belügen. Zumindest sähe ich das als gefährlich und überschätzend an. Ähnlich wie der Chinese, dem der Spruch nachgesagt wird: "Jeder ist weise, so lange er die Weisheit sucht. Wenn er glaubt, sie gefunden zu haben, wird er zum Tor".

Schönen Sonntag und
lieben Gruß vom
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Suche Überstandene

Beitrag von otterchen »

Liebe Nadalien,

ich bin auch noch nicht fertig... aber ich habe die Depression integriert, statt sie abzulehnen und loswerden zu wollen. Akzeptanz. Das ist ein Teil von mir.

Auch wenn es mir erheblich besser geht als noch Ende 2006, halte ich mich hier noch häufig auf. Weil ich "raus aus der Depression" ansehe als Lernprozess, der über viele Jahre andauert und eigentlich - nach meiner Definition - ein Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und von Wachstum ist.

Für mich gilt "lernen, annehmen, umsetzen, verinnerlichen" - und das in vielen, vielen kleinen Schritten, über Jahre hinweg.

Ansonsten: ich sehe vieles so wie Ben (klasse Posting Ben! )
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Karla
Beiträge: 136
Registriert: 12. Feb 2009, 09:01

Re: Suche Überstandene

Beitrag von Karla »

Hallo Nadalien,

ich bin nicht gerade eine Frau, die viele Sätze schreibt, doch fühle ich mich angesprochen.

Ich bin ein sehr nachdenklicher Mensch geworden, doch vor allen Dingen bin ich auch stolz auf mich, dass ich es soweit geschafft habe, die Tage, Wochen, Monate und Jahre nicht mehr so qualvoll verbringen zu müssen.

Ich erkrankte Ende 2004 das zweite mal in meinen Leben an einer schweren Depression.
So wie viele von Euch, bin auch ich durch die Hölle gegangen und glaubte manchmal nicht, jemals wieder ein annehmbares Leben führen zu können.

Ich schließe mich dem berühmten Satz an:

"Der Weg ist das Ziel",

und so muss man es auch sehen.

Nach einer überstandenen Depression ist man ein anderer Mensch geworden, es ist wirklich so, seelig und körperlich nicht mehr so belastbar.

Doch in letzter Zeit bemerke ich an mir doch noch Vortschritte.

Ich bin bei der Hausarbeit nicht mehr ganz so langsam.
Ich muss mich nicht jeden Tag nach dem Essen zur Ruhe legen.
Ich kann mich besser konzentrieren als vor einem Jahr.

Der Heilungsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen und ich glaube auch, dass er niemals abgeschlossen sein wird, denn das würde ja ein Stillstand bedeuten und Leben ist nun mal Bewegung.

Mir fällt ein Satz ein, den mir nach meiner ersten Depression ein Oberarzt gesagt hatte.

"Eines Tages wird Ihnen so sein, als hätten sie die Krankheit niemals gehabt".
Er sagte mir allerdings nicht dazu, dass ich dafür ungewähr 6 bis 8 Jahre brauchen werde.

Niemals darf man aus den Augen verlieren, dass die Gefahr wieder an einer Depression zu erkranken, sehr groß ist, deshalb schreibe ich in diesem Forum mit, um dafür aufmerksam zu machen.

Sich positiven Sachen zu zuwenden und auch positive Gedanken zu entwickeln ist eine Möglichkeit das Wohlbefinden zu verbessern.

HG Karla
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Suche Überstandene

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Ich weiß jetzt nicht, ob das direkt dazu angetan ist, Mut zu machen, aber es ist meine ganz spezielle Sicht und aktuelle Gedanken zum Überstehen von Depressionen.

Ich finde, jeder der danach noch lebt, hat die Depression überstanden. Und dann die nächste und wieder und wieder. Manche einmal, manche zweimal, andere öfter.

Ich persönlich habe schon geschätzte (mindestens) 20 Depressionen (oft sehr schwere) überstanden. Wie, das weiß ich leider selber nicht genau. Mit Hilfe, mit Aushalten, manchmal auch sich an den Gedanken klammernd "es geht vorbei" denn das tut es. Jede Depression hat einen Anfang und ein Ende, manchmal von jetzt auf gleich, manchmal schleichend. Mal sind es drei Wochen, mal drei Monate oder auch mal (war bei mir mal so) eineinhalb Jahre.

Das ist nun wohl nicht so recht, das was ihr hier hören wollt, eher wahrscheinlich, dass die Depression irgendwann überstanden und vorbei ist und nie wieder kommt. Das gibt es vielleicht auch.

Ich für mich sehe jede Depression, die ich überlebe als überstanden an, denn danach gibt es auch (fast) gesunde bzw. lebenswerte Zeiten. Vielleicht ist es dieses Wissen, bzw. die Erinnerung daran, die mich die Depressionen überstehen lässt. Auch wenn die Erinnerung an gute Zeiten dann ganz klein ist und im Unterbewusstsein verschwindet, eigentlich nicht mehr spürbar ist, ist es wohl genau sie, die verhindert, dass ich mir das Leben nehme und versuche durch zu halten bis es besser wird.

LG, jolanda


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Feedom's just another word for nothing left to lose (Janis Joplin)
niederländer

Re: Suche Überstandene

Beitrag von niederländer »

Hallo Nadalien,

Mir geht es seit langem sehr gut und bin stabil und konzentrationsfähig.
Viel hab ich gelernt aus meine Langzeittherapie und die Bücher von Holger Reiners.
Einer davon heisst:"Die gezähmte Depression"
Und so sehe ich es auch: Ich habe die Depression gezähmt, aber sie noch nicht überwunden.
Darum ist jeden Tag achtsamkeit geboten, muss ich gut für mich selbst sorgen und auf meine Nahrung achten.Als Tipp diese Buch auf Amazon:http://www.moodcure.com/Merchant2/merchant.mvc

Ich wünsche dir einen guten Weg die zu ein besseres Ziel führt!

Gruss,

Dutchy
CJ43
Beiträge: 466
Registriert: 12. Okt 2007, 10:38

Re: Suche Überstandene

Beitrag von CJ43 »

Liebe Nadalien!

Ich habe mehrere depressive Phasen gehabt, die lagen aber weit auseinander.
Dazwischen habe ich mich oft und lange gefühlt, als wäre nie etwas gewesen. Ich dachte auch, ich werde nie wieder depressiv.

Mein letztes depressiven Tief begann Ende 2007. Durch meine früheren Erfahrungen war ich relativ schnell beim Arzt, habe Tabletten genommen, später eine Kur gemacht, ich konnte es besser steuern als früher.
Inzwischen geht es mir besser und ich hoffe, dass ich bald sagen kann: es geht mir richtig gut!
Zur Zeit bin ich in Therapie, was manchmal alte Wunden wieder aufreißt. Ich erhoffe mir aber eine größere Stabilität für die Zukunft.

Alles in allem glaube ich, dass mancher nichtdepressive Mensch auch nicht besser mit dem Leben klarkommt, als ich. Immerhin schaffe ich meine Arbeit, erziehe meine Kinder...

Ich hatte natürlich finstere Wochen (und Monate!) in denen ich gedacht habe, es wird nie, nie mehr besser. Aber es ist nicht so geblieben, auch wenn ich mir das absolut nicht vorstellen konnte!
Diese ganz dunklen Zeiten habe ich überstanden, auf jeden Fall. Allerdings glaube ich nicht mehr, dass die Depressionen nie mehr wieder kommen.


Liebe Grüße, Constanze!
pk72
Beiträge: 4
Registriert: 22. Aug 2009, 22:18

Re: Suche Überstandene

Beitrag von pk72 »

Hallo Nadalien,
mir gehts nach ca. 12 Monaten Depression seit 3 Monaten wesentlich besser.
Ich schreibe das zwei Umständen zu:
Meine Lebensumstände haben sich verändert. Ich habe meinen alten Job gekündigt und bin umgezogen.
Ich wende eine Meditationsmethode an, die ich in einem anderen Zusammenhang gelernt habe (Achtsamkeitsmeditation) und von der ich zufällig gelesen hatte, dass sie bei Depressionen helfen kann.
Ich nehme an, dass das was ich hatte keine besonders schwere Depression war, aber ein Spaß wars trotzdem nicht.
Und ich glaube auch nicht, dass ichs vollständig hinter mir habe, aber es ist auf jeden Fall wesentlich besser.
Alles Gute für dich und möge es dir auch möglichst bald besser gehen. Dass eine Verbesserung möglich ist (auch wenn es einem über lange Strecken nicht so erscheinen mag) kann ich dir hier eindeutig bestätigen.
Lass dich nicht unterkriegen!
Philipp
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Suche Überstandene

Beitrag von dolittle909 »

Hallo,

Depressionen überstanden haben - ich glaube, das werde ich nie. Denke ich zum Beispiel daran, was mich im Leben noch alles erwarten wird - und darunter sind ganz sicher auch Verluste, Krankheit - und Tod , dann bin ich mir ziemlich sicher, dass es mir in solchen Lebenssituationen alles andere als gut gehen wird. Die Sensibilität ist da, die Labilität ist da - und auch die Angst.

Eine (!) Depression überstehen, das habe ich dagegen in den letzten 12 Jahren schon dutzende Mal. Und danach wollte ich zumeist mit dem Thema nichts mehr zu tun haben, wollte "normal" sein, wollte nicht mehr darüber reden. Es war mir peinlich, wie ein Versagen. Also schnell weiter. Da hätte ich in diesem Forum weder was gelesen noch etwas geantwortet. "Nee, mit den Depris habe ich nichts zu tun!" hätte ich wohl gesagt.

Nachdem ich letztes Jahr monatelang ausgefallen und erstmals in die Klinik musste, da konnte ich mich nicht mehr vor mir selbst verstecken. Zu schlimm waren der Zusammenbruch, die monatelange Qual, die Selbstvorwürfe, die Angst vor dem Tod. Der Weg zurück ins Leben war mühselig, langsam und er ist auch noch nicht abgeschlossen. Diese große schwere Depression ist überstanden und ich hoffe, ich muss so etwas nie wieder erleben. Andererseits geht es mir noch nicht wieder so gut wie zuvor und ich bin mir zudem sicher, dass ich immer wieder unangenehme bis schlimme Phasen überstehen muss. Aber es reicht mir, wenn ich da nicht verzweifle, nicht die Hoffnung verliere und in kurzen zeitlichen Abständen auch immer wieder schöne und glückliche Momente erleben darf.

Weil es bei mir schon mal jahrelang so lief, habe ich die Hoffnung, dass es auch wieder einmal so laufen wird. Vielleicht sogar besser.

Aber jede schwere Depression traumatisiert. Das ist wie Krieg, wie Schützengraben in Verdun 1917. Und ich kenne Leute hier, denen geht es schon seit Jahren gut. Aber sie sind sich bewusst, dass sie zum "Club" gehören und dass sie immer auf sich Acht geben müssen, wenn sie eine Wiederholung des Erlebten vermeiden möchten. Mit anderen Worten: Sie sind nicht mehr im Krieg, aber der Krieg existiert noch und man muss sich ziemlich anstrengen, da auch nicht wieder hineinzugelangen.

So ist für mich jede Stimmungsschwankung, jede Traurigkeit, jede Kraftlosigkeit gleich doppelt bis dreimal so schlimm, wie sie ohne das Trauma Depression wäre. Jedes Mal kommt die Angst dazu "Nein, jetzt fängt es wieder von vorne an..." Die kann sich wieder bis zur Panik steigern.

So werde ich lange brauchen, bis ich auch wirklich wieder das Gefühl habe, der Boden unter mir, der trägt mich. Es ist wie eine Reprogrammierung, die stattfinden muss, mit Input durch die Therapie und die Lebensereignisse.

Vielleicht gibt es dann mal den Punkt, wo ich sage "jetzt bin ich endgültig aus dem Gröbsten raus", aber ich glaube, das lässt sich wenn dann nur mit Blick in die Vergangenheit feststellen.

d.
Nadalien
Beiträge: 112
Registriert: 7. Okt 2008, 17:33

Re: Suche Überstandene

Beitrag von Nadalien »

Zunächst: TAUSEND DANK für die tollen Antworten! Eure Reaktionen darauf haben mich schon mal gefreut, das ist doch was!

weiter:
@ Ben:
ich hätte gerne was von Ben 1, der hört sich doch gut an... mir fehlt eine Nadalien 1 :0

@ Andreas
der Großteil der Bevölkerung ist nicht depressiv... Erklärungsnot!!! Das Unverständnis ist das Schlimmste.

@ FönX:
also ich glaub sowieso an Dich! Du siehst die Sonne, mach weiter so!

@ otterchen:
laut Thera soll ich meinen depressiven Teil, der mich ans Existenzminimum gebracht hat, auch akzeptieren. Das ist so ein blöder Stinkstiefel. Der steht immer vor meinem angstlosen Ich. Und ich krieg ihn da nicht weg...

@ Karla:
ja, das dauert. Das ich einen starken, überblickenden Teil habe, das sehe ich erst jetzt. Ich leide seit 15 Jahren und treffe immer wieder falsche Entscheidungen. Doch ich bin dabei es zu akzeptieren. Nicht jeder hat den Mut gleich ins Volle zu gehen. Mir hat oft genug die Gebrauchsanweisung gefehlt...

@ Jolanda:
Ja, überlebt haben wir, das kann man wohl sagen! Doch was mit dem Leben anfangen ...?

@ dutchy
Reiners hab ich auch gelesen, was mir fehlt ist eine Biografie. Habe einen ähnlichen Wertegang wie er und mich würde interessieren, wie ers geschafft hat. Mood Cure ist leider auf Englisch, dutchman, and I haven't got enough patience to read it, I think, but thank you.

@ Constanze
ein Klinikaufenthalt ist für mich in meiner Vorstellung so eine Endstation. Man ist raus aus dem brutalen Leben, aber dann??? Geht da nicht unglaublich viel Zeit drauf, entwöhnt man isch nicht von der brutalen Welt so sehr, dass man sich nur noch Klinikaufenthalte wünscht?

@ Philipp:
bitte schreibe mehr über die Achtsamkeitsmeditation (wer? was? wo?)

@ dolittle:
nochmal: wir haben überlebt, das schaffen wir, wir schaffen wasimmerauch

Grüße an alle,
Nadalien!
pk72
Beiträge: 4
Registriert: 22. Aug 2009, 22:18

Re: Suche Überstandene

Beitrag von pk72 »

Hi Nadalien,
ich hab Achtsamkeitsmeditation als buddhistische Meditationsmethode gelernt. Der buddhistische Übungsweg wird aber meines Wissens nur Gesunden empfohlen.
Ich rate auch davon ab, dass nach einer Anleitung aus einem Buch alleine zu probieren, besonders wenn es einem nicht gut geht. Meines Wissens wird allgemein geraten bei einem Lehrer zu lernen. Ich habe aber keine Ahnung inwieweit Therapeuten in Deutschland diese Methode anwenden.
Über Achtsamkeitsmeditation und Depression kann man ganz einfach googlen, auf deutsch "achtsamkeitsmeditation depression", auf englisch "mindfulness meditation depression". Die Methode wird auf englisch als "mindfulness based cognitive therapy" (MBCT) bezeichnet wenn ich das richtig verstanden habe.
Auf dieser Seite berichtet jemand dass es ihm geholfen hat, warnt aber auch dass es nicht in jedem Fall hilft:
http://www.netzwolf.info/fushiki/antwor ... depression
Alles Gute,
Philipp
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