Was tun?

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Clemens
Beiträge: 6
Registriert: 28. Jul 2009, 17:03

Was tun?

Beitrag von Clemens »

Hallo,

schreib' heute zum ersten Mal hier. Hab' mit Mitte 30 zurzeit meine vierte depressive Phase; die letzte war vor 6 Jahren. Bin so lange wie möglich arbeiten gegangen, aber seit zwei Wochen nun doch zu Hause.

Empfinde nur noch Müdigkeit, Unruhe/Angst und Verzweiflung. Die Müdigkeit ist zu ertragen, das andere nur schwer. Die Unruhe wird durch optische und akkustische Reize stärker, so dass ich kaum aus dem Haus gehen oder fernsehen kann; auch Internetzugang geht nur kurz. In den Wellen der Verzweiflung scheint mir gerade der Gedanke an Schönes (etwa den letzten Urlaub) unerträglich, weil ich das Gefühl habe, nie mehr etwas Ähnliches erleben zu können. Über Gründe für die Depression nachzudenken, scheint mir ganz unnütz, da bin ich noch nie zu irgendeinem Ergebnis gekommen; trotzdem dreht sich das Denken meist um die Krankheit. Zeitweise kann ich mich mit Lesen etwas ablenken. Ansonsten bleibt nur der Gedanke, dass ich's dreimal schon überstanden habe - aber das heißt eben auch, es kann ein fünftes, sechstes, siebtes ... Mal geben.

Hat jemand ähnliche Erfahrungen? Woran kann man denken, was tun?
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Was tun?

Beitrag von freebird »

Lieber Clemens,

ich kenne das, was du beschreibst nur zu gut. Meine letzte depressive Phase liegt jetzt 12 Wochen zurück (Gott seis getrommelt und gepfiffen). Frag mich aber nicht die wievielte Episode es in meiner Krankheitsbiografie war. Ich habe aufgeben sie zu zählen, weil es ein Zug nach Nirgendwo wäre.

Zur Müdigkeit.
Du schreibst, dass du dich zur Arbeit geschleppt hast. Für mich heißt das, du hast deine ganzen Energiereserven aufgebraucht. Akku leer.
Akzeptiere die Müdigkeit. Sie zeigt dir, dass du Erholung brauchst. Am Anfang einer Episode war ich aúcheine richtige Schlaftablette. Die ersten Tage habe ich viel geschlafen. Da habe ich neue Kraft tanken können. Sobald ich aber wieder einen Hauch von Kraft gespürt habe, bin ich wieder regelmäßig zur gleichen Zeit aufgestanden, auch wenn es schwer fiel. Der Körper und die Seele brauchen die Zeit, sich wieder umzustellen.

Die innere Unruhe, dass selbst einem die kleinsten Umgebungsgeräusche auf die Neverven gehen, sind bei mir ein Anzeichen dafür, dass ich total überspannt bin, weil ich zuvor quasi auf Hochtouren lief (zur Arbeit schleppen und 150% bringen z.B.). Nun zieht mein Nervensystem die Notbremse. Ich habe dieses Notsignal ebenfalls beachtet und Ernst genommen. Alle äußeren Reize ausklammern. Radio und TV aus, die tickende Uhr notfalls aus dem Raum verbannen. Entspannungsübungen wie Atementspannung, progressive Muskelentspannung, Autogenes Training.

Gedankenkreisen. Laß sie kreisen, aber halte keinen einzelnen Gedanken fest. Ich stelle mir immer vor, dass ich jeden einzelnen Gedanken, der kommt auf eine Wolke setze und ziehen lasse. Kommen die Gedanken trotzdem nach drei, vier Versuchen wieder, schreibe ich sie auf. Nur den Gedanken, keine Kommentare. Höchstens noch die Gefühle die damit verbunden sind aufzählen, nicht werten, nicht beschreiben.

Wenn du schon einige Episoden hinter dir hast, dann erinnerst du dich doch auch daran, dass sie immer ein Ende haben. Daran halte ich mich fest und kann die Depression so akzeptieren.

Sobald ich wieder ein Fünkchen Aufbruchstimmung verspüre, dann beschäftige ich mich mit kleinen Dingen. Papiere sortieren, Wäsche waschen, Kreuzworträtsel, erste kleine Spaziergänge, etc.

Schau doch mal in den Thread "Entscheidung" zum Besserfühlen. Vielleicht findest du dort Anregungen, aber erst wenn du dich wieder stabil fühlst, ergo den ersten Funken Hoffnung, Energie verspürst, sonst setzt dich das vielleicht nur zusätzlich unter Druck.

Seit 6 Wochen steckst du in der depressiven Phase. Das ist schon sehr lange. Ich würde an deiner Stelle noch 1 - 2 Wochen, vielleicht die o.g. Tipps machen. Wenn dann keine wesentliche Besserung eintritt, würde ich an deiner Stelle den Arzt und/oder Therapeuten kontaktieren. Dann brauchst du direkt und praktische Unterstüzung.

So habe ich es bei meiner letzten Episode gemacht. Leider habe ich zu lange zu gewartet, daher dauerte sie etwas länger.

Viele Grüße
Corinna
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Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
uli2705
Beiträge: 179
Registriert: 12. Aug 2007, 19:20

Re: Was tun?

Beitrag von uli2705 »

Hallo Clemens,

nicht länger warten bis diese Phase vorüber ist. Sondern gleich einen Psychotherapeuten aufsuchen und eine Therapie anstreben.

Du siehst es richtig: wie soll es beim 5,6,7 mal werden (wenn es dazu kommt).
Da ich (leider) aus Erfahrung spreche weiß ich, das diese kommen werden und ohne Hilfe eigentlich immer schwieriger und vor allen Dingen kraftaufwendiger werden.

Du brauchst fachmännische Hilfe.

LG
Ikarus

Vielleicht schon morgen Termin holen.
Clemens
Beiträge: 6
Registriert: 28. Jul 2009, 17:03

Re: Was tun?

Beitrag von Clemens »

Dank dir, Corinna!

Insbesondere die "Gedanken-Wolke" gefällt mir; hoffe, dass ich das auch manchmal so machen kann. Jetzt nehme ich erstmal Lorazepam (2 x 0,5 mg), um ruhiger zu werden, und mein Arzt sucht einen stationären Klinikplatz. (Die Klinik-Ärztin, mit der ich beim letzten Mal sehr gut zurecht kam, ist leider nicht mehr da. Hoffe, an einen halbwegs einfühlsamen Menschen zu geraten.)

Im Gegensatz zu früheren Episoden sind bei mir diesmal die Schwankungen im Tagesverlauf sehr ausgeprägt, und die Tiefpunkte scheinen mir schlimmer als früher - da ist das Bewusstsein dann total verengt, und ich hab' das Gefühl, in Unruhe und Verzweiflung regelrecht zu ertrinken ...

Ich denke, ich hätte schon im April einfach annehmen sollen, dass es eine neue Phase ist, auch wenn das vielleicht da noch nicht ganz gewiss war, und im Juli auf keinen Fall das Mirtazapin (wie von meinem Arzt geraten) absetzen dürfen.

Wie lange waren denn bisher die Zeiten zwischen den Phasen bei dir? Bei mir waren's in der Regel vier Jahre, zuletzt sogar mehr.

Wünsche dir jedenfalls von Herzen, dass aus deinen 12 Wochen ein möglichst langer, langer Zeitraum ohne neue Episode wird!!!

Clemens
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Was tun?

Beitrag von freebird »

Lieber Clemens,

ich war vor meiner letzten Episode 2 1/2 Jahre annähernd symptomfrei. Kleine und kurze Stimmungsschwankungen gibt es ja immer .

Viele Grüße
Corinna
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Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Babi
Beiträge: 1963
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Was tun?

Beitrag von Babi »

Hallo Clemens,
diese Phasen kenne ich auch zu Genüge.
Als bei mir meine jetzige Depressionsphase anfing, war ich auch 2 Wochen zu Hause, konnte nicht mehr arbeiten.
In dieser Zeit habe ich viel geschlafen, damit ich nicht ständig irgendwelche Gedanken habe. Das war bei mir das einzig wirksame zu der Zeit.
Später habe ich dann an schöne Dinge gedacht oder mich auf Balkon oder eine Bank oder eine Wiese gesetzt und in die Wolken geguckt. Das hat mir ein Gefühl von Leichtigkeit gegeben. Ich habe mir vorgestellt, mit den Wolken davonzuziehen, hab mich völlig in diesen Gedanken reinversunken. Das hat mir unglaublich geholfen, mich besser zu fühlen.
Probier das doch auch mal.
Alles Liebe Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
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