Entscheidung fürs Besserfühlen

otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Entscheidung fürs Besserfühlen

Beitrag von otterchen »

Guten Morgen,

ich wollte mal eine Anregung geben, die mir erst vor kurzem wieder ein Stück weiter geholfen hat:

Wenn ich z.B. lahm und antriebslos auf der Couch rumliege, habe ich die Möglichkeit, mich in dieser Lage, in dieser Stimmung zu belassen - oder ich tue etwas, um dies zu ändern.
Indem wir uns der Antriebslosigkeit "hingeben", treffen wir quasi eine Entscheidung für's Schlechtfühlen und gegen uns.
Auch Unterlassungen sind eine Entscheidung! Durch Untätigkeit nehme ich nämlich den Status Quo hin.
Es geht darum, zum einen die Möglichkeiten zu sehen, die ich habe, um meinen Zustand zu ändern, und zum anderen die Entscheidung zu treffen, meinen Zustand zu ändern.

Es ist zwar oft/manchmal mühsam und kostet Kraft und Überwindung, aber selbst kleine Dinge können helfen, uns besser zu fühlen:
• einfach mal duschen - man fühlt sich frischer und wacher danach
• das Bett neu beziehen - ich finde es toll, in frischer Bettwäsche zu schlafen
• einen Spaziergang machen
(to be continued)

Es sind wohl erst einmal die kleinen Dinge, die uns wieder Kraft geben. Winzige Kraft-Tankstellen, die aber bald etwas mehr Vitalität geben.

Denn jedesmal, wenn wir NICHTS für uns tun, entscheiden wir uns (auch wenn's unbewusst ist) FÜR's Schlechtfühlen und behandeln uns gleichgültig, nebensächlich und wertlos.
Es geht darum, Kräfte in uns - für uns! - zu mobilisieren, damit wir uns wieder besser fühlen, denn wir haben es verdient, dass es uns gut geht. Wir wenden uns uns selbst liebevoll zu und ändern ein klein wenig unseren Zustand.

Gewiss sind dafür Hürden zu nehmen - aber so hoch sind die eigentlich doch gar nicht. Der Akt als solches lockt zwar nicht wirklich - aber das Ergebnis!

Vielleicht habt Ihr andere Dinge, nach denen Ihr Euch gut (oder zumindest ein wenig besser) fühlt - aber einen Versuch ist es zumindest wert.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man wahrnehmen kann, wie es sich davor und wie es sich danach anfühlt. Gewisse Tätigkeiten sollten also auf diesen Vorher-Nachher-Effekt mal bewusst überprüft werden.

Einen schönen Tag wünscht
Otterchen
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von freebird »

Hallo Oetterchen,

guter Thread, gefällt mir.

Genauso denke ich auch, wenn ich matt und antriebslos in meinem Ohrensessel abhänge und die Welt mal wieder grau und düster sehe.

Dann sage ich mir immer mach eine Kleinigkeit, z.B. einfach mal ein wenig das Chaos beseitigen, oder die Betten machen, Spazierengehen. Natürlich ist es schwer mich auf zu raffen. Ich sage mir dann immer, mach langsam, Stück für Stück und soweit du kannst.

Z.B.

Spazierengehen - Nicht gleich die große Runde von 1 - 2 Stunden vornehmen. Ich gehe erst mal los und schaue wie weit ich komme und verkürze dem entsprechend.

Aufräumen - Ich fange z.B. mit dem Betten machen an und schaue dann, ob ich noch die Kraft für andere Dinge aufbringen kann. Manchmal hilft auch eine kleine Pause, um weiter zu machen.

Es ist schwer, sich immer wieder selbst zu motivieren und wenn ich ganz tief unten bin, schaffe ich es auch nicht. Dann hilft nur noch der Doc. Allerdings wenn ich merke, dass ich wieder abrutsche, sind meine Strategien immer eine große Hilfe, um Schlimmeres zu vermeiden.

Auch die weitesteste Reise beginnt mit dem ersten Schritt

Viele Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Reve
Beiträge: 754
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Reve »

Klasse-Posting, man kann nicht oft genug darauf hinweisen und eigentlich sollte diese Seite von Otterchen als allererste täglich im Form erscheinen.

Denn man übersieht es nur zu gerne, die "Lust", "Lebensfreude", das Gefühl der "Zufriedenheit" stellt sich leider - und gerade in den ganz schlechten Phasen - grundsätzlich erst nach getaner Handlung ein. Dann aber sorgt es für einen überraschenden Effekt.

In diesem Sinne gute Gefühle
Carin
HANRIKA
Beiträge: 97
Registriert: 5. Jul 2009, 10:21

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von HANRIKA »

otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

Ich denke, wenn ich depressiv bin, sehe ich diese Entscheidung eben nicht.

Eben! Du SIEHST sie nicht - aber sie ist da!! Genau deshalb habe ich diesen Thread eröffnet.

Ich liege im Bett und denke, kein Mensch interessiert sich für mich

Zunächst einmal solltest DU Dich für DICH interessieren. Du kannst lange warten, bis sich irgendein Mensch für Dich interessiert. Fang mit dem Gesicht im Spiegel an.

Was du schreibst, liest sich, als wenn ich mich nur genug anstrengen muss oder eine Entscheidung fürs positive treffen muss und dann geht es mir prima

Bitte fang doch endlich einmal an, das umzusetzen, was Dir hier geraten wird, als immer nur DAGEGEN zu sein. Dies klappt bei Dir nicht, weil... jenes funktioniert nicht, weil... Ja, Du musst Dich anstrengen, um da raus zu kommen! Das macht kein anderer für Dich! Du musst erst einmal Interesse für Dich selbst aufbringen, selbst gut zu Dir sein.

Ach Mensch, ich wollte doch gar nicht... ich weiß doch, dass alles, was ich Dir hier schreibe, vergeblich ist, weil Du zumindest gegen meine Worte resistent bist.
Du und nur Du allein kannst Dich aus Deiner Depression holen. Das kann hier keiner von uns leisten, auch wenn Du immer wieder betonst, wie wenig das hier geschriebene Dir hilft, wie sehr das alles an Dir vorbeigeht.

Ich möchte mich auf keine weitere Diskussion mit Dir einlassen und hoffe, dass Du das verstehst: es kostet mich zuviel Energie.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
HANRIKA
Beiträge: 97
Registriert: 5. Jul 2009, 10:21

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von HANRIKA »

Sorry!
Ich spare mir das auch besser.
Tschüss
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Chiron »

Guten Morgen Otterchen,

sehr gute Ansätze, die Du da beschreibst.
Anmerken möchte ich noch Folgendes:

Das Gegensteuern muss in den Anfängen passieren, im "Endstadium" (schwere Depression) gibt es oft keine Kraftreserven mehr und für jeden der derzeit darin steckt, hören sich Deine Ansätze an wie:

"Streng dich an, nur du kannst etwas an deiner Situation ändern."

Und dies kann wie ein Schlag ins Gesicht rüberkommen.

Darum möchte ich anmerken:
Auch aus der schwersten Depression kommt man mit Hilfe wieder raus.
Nur man muss bereit sein, diese Hilfe anzunehmen.
1. Zum Arzt gehen. Wenn die Kraft nicht reicht, jemanden bitten mitzugehen.
Den Arzt um einen Hausbesuch bitten.
2. Zum "Aufpäppeln" in die Klinik gehen
3. Eine Therapie beginnen.
4....

Liebe Grüße,

Chiron

P.S.: Und noch was:
Es gibt Menschen, die brauchen ihre Krankheit, weil sie das einzige ist, was sie im Leben haben.
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
Clown
Beiträge: 4337
Registriert: 8. Nov 2004, 18:22
Kontaktdaten:

Re: Entscheidung fürs Besserfühlen

Beitrag von Clown »

Moin Otterchen,

vielleicht sollte die Frage lauten:

Wie schaffe ich es (in jeder Sekunde meines Lebens) mich fürs Gutfühlen zu entscheiden?

DAS ist, aus meiner Sicht, der Knackpunkt.

Wenn du hinschaust, dein Posting von eben an Hans-Richard, hast DU dich in dem Moment gut gefühlt?

Grüße,

Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Wycombe1
Beiträge: 278
Registriert: 7. Dez 2006, 15:22

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Wycombe1 »

Hallo,

was für ein guter thread!

Erinnert mich an den, den ich vor meinem Urlaub schrieb, der dann geschlossen wurde, weil die Meinungen irgendwie völlig in andere Richtungen gingen.....

Ich habe mich am Anfang meiner Krankheit auf meine Thera verlassen, so nach dem Motto "Bin da, tu was, mach das es weg geht".... Ist natürlich blödsinn so zu denken; den Zahn hat sie mir auch schnell gezogen!

Ich kann nur sagen, wir selbst sind dafür verantwortlich wie es uns geht und was wir daraus machen, ich kann mich total "aufgeben" und mich FÜR das schlechtfühlen entscheiden oder überlegen ob ich in die andere Richtung gehen möchte... Und wenns da Klick gemacht hat, dann geht es Schritt für Schritt vorwärts... Mit Einbrüchen, das ist klar, aber es wird besser!

Ich habe auch noch ab und an richtig schei** Tage wo ich nur schwarz in schwarz sehe und bin darüber verzweifelt und ungeduldig, warum das jetzt wieder ist usw. usf.... Aber in der Regel schaff ich es immer diese Tage zu "überstehen" und mir zu denken "Okay, ist jetzt so, musst du durch".

Wirklich, super thread!

VG
Wycombe1
Ich weiß freilich nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.

Aber soviel weiß ich sehr wohl, es muß anders werden,

wenn es besser werden soll.



(G. C. Lichtenberg)
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

Hallo Chiron ,

ja, Du hast Recht: wenn man ganz unten ist, wird es sicher nicht gehen.
Es ist eher... wie ein Gegensteuern gemeint, dass man nicht wieder abdriftet.
Solange man noch Kräfte in sich mobilisieren kann, sollte man die in sich selbst investieren.
Ich habe z.B. heute nach einem Zahnarztbesuch einfach einen Stadtbummel rangehängt und dann noch eine Freundin mit einem ihrer Kollegen in der Stadt getroffen - und mich einfach dazugesetzt, obwohl ich früher bestimmt große Bedenken gehabt hätte, dass ich stören würde. Weggewischt - und nett mit beiden geplaudert! Toll war's.
Möglichkeit erkannt, wahrgenommen, Entscheidung getroffen: dazusetzen.

...
Auch die von Dir beschriebenen Schritte gehören natürlich dazu - es ging mir aber eben auch darum, dass wir im Alltag, wenn wir womöglich gerade eine Therapiepause haben, nicht wieder abdriften.


Hallo Clown

Wenn du hinschaust, dein Posting von eben an Hans-Richard, hast DU dich in dem Moment gut gefühlt?

Ganz ehrlich? Gut habe ich mich gefühlt.
Weil ich endlich etwas geäußert habe, was ich mich sonst nicht getraut hätte.
Weiteres gehört aber nicht hierher


Hallo Wycombe1

"Bin da, tu was, mach das es weg geht"

Das hast Du gut erkannt! Das wabert doch bestimmt in einigen Köpfen herum, hm?

ich kann mich total "aufgeben" und mich FÜR das schlechtfühlen entscheiden

Da hast Du was sehr wichtiges gesagt: den meisten ist wohl nicht bewusst, dass sie sich im Moment der Unterlassung für das Schlechtfühlen entscheiden. Sie sehen nicht die Möglichkeiten, die sie haben, um einen kleinen Tick zu ändern. Wenn wir auf einer Skala von minus zehn bis plus zehn vielleicht gerade auf einer 0 bis 1 stehen, bringt uns ein Spaziergang bestimmt nicht auf eine +10, aber wenn es nur auf +2 oder +3 geht, ist es doch schon eine Verbesserung!

Dazu gehört allerdings Achtsamkeit!
Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als mein damaliger Lebensgefährte mich "gedrängt" hat, Sport zu treiben. Ich habe es getan - aber nur ihm zuliebe/seinetwegen. Im Hinterkopf hatte ich dann ein "liebst du mich jetzt mehr als vorher?".
Das ist natürlich die falsche Vorgehensweise und bewirkt überhaupt nichts!
Ich habe mich durch den Sport nicht besser gefühlt - weil ich gar nicht "hingefühlt" habe.

Heute kann ich viel besser unterscheiden: wie geht es mir vor dem Duschen, wie fühle ich mich hinterher. Wie fühlt sich frische Bettwäsche an, wie fühlt sich der Wind auf meiner Haut an, wie fühlt sich kühler Regen an, wie fühlt sich die Beschäftigung mit meinen Pflanzen an, wie fühlt es sich an, wenn ich mich sorgfältig pflege, kleide, schminke, frisiere...

Und dies kann ich alles für mich einsetzen.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Dendrit
Beiträge: 4981
Registriert: 23. Mai 2003, 11:14
Wohnort: Oberbayern
Kontaktdaten:

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Otterchen,

mir gehts wohl wie Chiron:

sehr gute Ansätze, die Du da beschreibst.
Anmerken möchte ich noch Folgendes:

Das Gegensteuern muss in den Anfängen passieren, im "Endstadium" (schwere Depression) gibt es oft keine Kraftreserven mehr und für jeden der derzeit darin steckt, hören sich Deine Ansätze an wie:

"Streng dich an, nur du kannst etwas an deiner Situation ändern."

Und dies kann wie ein Schlag ins Gesicht rüberkommen.

Für mich war das jetzt ein Schlag. Im Gesamten das nun in knappen Worten beschreiben, kann ich nicht. Es kommt für mich rüber: "wenn Du nicht kannst, bist Du selber schuld. Offenbar liebst du die Depri, sonst würdest ja was tun." Aber wenn die KRAFT dafür nicht da ist!!

Falls ich das falsch verstanden hab, möcht ich mich entschuldigen.

LG, Manuela
HelH3
Beiträge: 1030
Registriert: 20. Dez 2007, 16:09

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von HelH3 »

Deja-vu... Die, denen es laut eigener Aussage wieder besser geht (wohl auch durch Therapie, Medikation und/ oder Zeitablauf, nicht wahr?), die finden einen solchen Thread ganz super oder finden gar, man sollte ihn im Forum vorschalten.

Die, denen es warum auch immer wieder schlechter geht oder erstmals sehr schlecht geht oder einfach noch nicht besser geht, fühlen sich durch diese Wortwahl "Entscheidung fürs Schlechtfühlen" und die nachfolgenden Erläuterungen womöglich abgewertet, angegriffen, abgestempelt.

Achtung, Polemik-Modus an: Ich verstehe nicht, warum ein Thread-Titel wie "Umgang mit dem Tod" grenzwertig sein soll, so einer wie "Entscheidung fürs Schlechtfühlen" in einem Forum für ganz unterschiedlich stark betroffene Depressive okay ist?

Otterchen, wenn das alles so einfach wäre... Ich gönne dir, dass es dir besser geht, und ich glaube durchaus, dass DU dir mit diesen Gedanken weiterhelfen kannst. Genau so geartete Threads gibst ja nicht ohne Grund eh schon.

Was ich aber wirklich besch*** finde, ist diese Anmaßung, anderen zu unterstellen, sie wollten sich ja gar nicht besser fühlen, sich gar mehr oder weniger bewusst fürs Schlechtfühlen zu entscheiden, ihnen übel zu nehmen, dass sie nach jenen ach so wertvollen Ratschlägen aus der Ferne nicht gleich zum Ober-Positiv-Denker mutieren.

Wenn du die Energie aufbringst, lange Postings über den Zusammenhang von Achtsamkeit, Duschen, Bett-Beziehen und Wohlbefinden zu zu verfassen, wie kann dann ein Posting wie das von Hanrika dich andererseits soviel Energie kosten?

Gruß Helena *die sich krampfhaft abstrampelt, rechtzeitig Entscheidungen für ihr Besser-Befinden zu treffen, wobei das Bett-Beziehen dabei eher Prio 99 hat*

Edit: Einmal Polemik-Modus an hätte gereicht. Nun ist er jedenfalls wieder aus *g*
Reve
Beiträge: 754
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Reve »

Helena, das was du „im Forum vorschalten“ nennst, meinte ich ähnlich wie die 3 guten Dinge des Tages oder raus mit Euch. Es ist eine Utopie anzunehmen, die Lust, der Antrieb kämen automatisch, er oder sie kommen nicht, weil es krankhaft bedingt ist.

Was soll man dann machen, warten bis man schwarz ist, bis die Beziehung endgültig zerstört ist, bis es ja jeder mitbekommt? Was sollen die machen, bei denen es endogen verankert ist, die täglich an Energiemangel leiden und an der Unfähigkeit, den natürlichen Lauf zu akzeptieren?

Meinst du, du oder Hanrika seid die einzigen, die schwer depressiv waren oder sind? Ich war es genauso wie du und bin es leider immer noch bzw. wieder (mein 1. Kind zieht aus, für mich der Supergau schlechthin, obwohl ich weiß, dass es für ihn so sein muss).

Ich konnte nicht warten und zusehen, bis die Lust und die Energie kommen, ich musste und muss mich immer wieder antreiben wie ein Sklaventreiber, sonst würde ich aus meinem Tief niemals herauskommen.

Gruß Carin
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

Nun gut, der Thread kippt, ich kann das wohl nicht mehr rumreißen.

Ich wollte einen positiven Impuls geben, nichts weiter. Denn schon alleine den Gedanken, den ich im Eingangsposting beschrieben habe, fand ich tröstlich und hilfreich, und das wollte ich mit anderen teilen. Ich hab's quasi auf den Tisch gelegt; wer da was von nehmen will: gut. Wer nichts damit anfangen kann: auch gut.

Ich wollte keine Debatten, warum gerade dies jetzt nicht geht.

Hm, ich bleibe wohl mal wirklich bei einem platten Vergleich - man möge mir dies bitte nachsehen:
Wenn jemand einen Aprikosenkuchen auf einen Tisch stellt und in die Runde sagt "bedient Euch", dann möchte man sicher mit einem Einzelnen keine endlosen Diskussionen führen, warum es denn ausgerechnet Aprikosen sind, dagegen sei man doch allergisch, die könne man ja gar nicht essen, außerdem der ganze Zucker, ob ich denn nicht was mitbringen konnte, was allen schmeckt und gut tut...

Ich weiß, dieser Vergleich hinkt - aber so ähnlich fühlt es sich gerade an. Ich habe für mich etwas herausgearbeitet und biete einfach diesen kleinen Stein, der mich ein Stück weitergebracht hat, an... es kann ihn aufgreifen, wem er hilft.


Was darüber hinaus in meine Worte hineininterpretiert wurde - wahrscheinlich auch bedingt durch meine Wortwahl, dass muss ich eingestehen - finde ich allerdings zum Teil etwas weit hergeholt.
Aber - und das ist wirklich meine Einstellung - man muss selbst etwas ändern, man muss lernen, Neues zulassen wollen. Andere werden mich nicht aus der Depression holen. Sie können mich zum Brunnen führen, aber trinken muss ich alleine.
Hans-Richard braucht wohl derzeit etwas, was ich ihm nicht bieten kann.

Um ganz konkret auf das betreffende Posting von Hans-Richard und meine Antwort darauf einzugehen: das hat natürlich eine Vorgeschichte. Und, obwohl ich eigentlich nicht weiter darauf eingehen wollte, weil ich seine Verletzlichkeit durchaus schützen wollte, komme ich wohl nicht umhin, meine Sicht der Dinge zu schildern:
Ich habe bereits in anderen Threads Beiträge verfasst, mir Mühe gegeben, mir Gedanken gemacht, versucht auf ihn einzugehen. Ich strecke meine Waffen! Ich bin keine Therapeutin. Mit soviel "geht nicht" komme ich einfach nicht klar.



Ja, ich habe mich hinreißen lassen, sein Posting zu kommentieren. Ich hätte es vielleicht ignorieren sollen - aber aktuell ist für mich wichtig, auch mal zu sagen, wenn mir was nicht passt (hat mit einer anderen Problemstellung in meinem Leben zu tun). Immer brav sein, immer Rücksicht nehmen, immer auf die anderen achten - meine aktuelle Lernaufgabe besteht darin, auch mal zu sagen, wenn mir was nicht passt.

Ich habe, um wieder zum Beispiel zurückzukommen, die Diskussion über meinen Kuchen abgebrochen, weil ich einfach über sowas nicht mehr diskutieren wollte.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

@ Manuela; Du schreibst:

Für mich war das jetzt ein Schlag. Im Gesamten das nun in knappen Worten beschreiben, kann ich nicht. Es kommt für mich rüber: "wenn Du nicht kannst, bist Du selber schuld. Offenbar liebst du die Depri, sonst würdest ja was tun." Aber wenn die KRAFT dafür nicht da ist!!

Ich habe doch EINE KLEINE Krafttankstelle beschrieben - ich bin überfroh, dass ich sie überhaupt für mich gefunden habe!
Es ist irgendwie so, dass ich hier stehe, froh, dass ich irgendwas für mich entdeckt habe, dies zum Teilen anbiete - und prompt einen auf die Mütze bekomme, weil jemand anders damit nichts anfangen kann.

Dass es Tiefen gibt, in denen sowas nicht funktioniert, ist mir klar!
Für jemanden in solch einer Situation war dieses Posting auch nicht gedacht.
Sollte es? Müsste es?

Ja, ich sehe ein, dass meine Antwort auf ihn vielleicht anders hätte ausfallen können:
"H-R., es tut mir leid, dass du mit meiner Idee nichts anfangen kannst. Du steckst anscheinend in solch einem Tief, dass dir mein Beitrag total unsinnig erscheint. Ich kann dir leider momentan nicht weiterhelfen. Ich wünsche dir, dass du für dich auch eine kleine Krafttankstelle findest, aus der du ein wenig Start-Energie tanken kannst"

Es tut mir leid, dass ich gestern nicht in der Lage war, so zu formulieren.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

@Helena, Du schreibst:

sie wollten sich ja gar nicht besser fühlen, sich gar mehr oder weniger bewusst fürs Schlechtfühlen zu entscheiden, ihnen übel zu nehmen, dass sie nach jenen ach so wertvollen Ratschlägen aus der Ferne nicht gleich zum Ober-Positiv-Denker mutieren

Ich zieh mal die Polemik raus und schildere meine Sicht:
ich strample hier phasenweise noch genauso wie andere. Es ist MEIN Ding, dass ich mit diesem "geht nicht" nicht klarkomme. Sollte ich? Müsste ich?
Darf ich nicht sagen "ich kann damit nicht umgehen"?
Ich kann nur Angebote machen, und dies mache ich mit vielen anderen hier. Oft sind sie total unnütz. Aber viele hier teilen diesen "Ideen-Pool" und ziehen am Ende ihren Nutzen daraus - selbst wenn sie von den einzelnen Vorschlägen nichts, aber auch gar nichts annehmen, sondern wenn sie nur durch die Diskussion dazu gebracht wurden, ihren ganz persönlichen Schritt zu machen.
Es sind soviele Leute hier im Forum - müssen alle dasselbe "leisten", dieselben Stärken haben, sich in derselben Form um andere kümmern?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von freebird »

Liebe Carin,

Aus deiner Sicht hast du Recht.

Ich bin ja genauso gepolt. Schon immer. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon als kleines Kind derartige Entscheidungen treffen musste.

Ich kann nicht anders und dennoch ist es meine persönliche Meinung, dass am Ende nur jeder sich selbst aus der Krise befreien kann. Natürlich mit Hilfe, das steht doch außer Frage. Und mit Hilfe meine ich Ärzte, Therapeuten, Medikamente, Klinikaufenthalte, Familie, Freunde und auch das Forum. Dennoch bin ich aus eigener Erfahrung, ich nehme an, wenn ich dein Posting richtig gelesen habe, du auch, das am Ende jeder selbst das Heft in die Hand nehmen muss. Keiner, aus ich selbst kann meine Lage verändern.

Ich bin fest davon Überzeugt, aus eigener, ganz persönlicher Erfahrung, das alle die Helfer an meiner Seite, mir stets nur Wege aus der Krise aufzeigen können, gehen muss ich sie, so schwer und schmerzhaft es auch ist, nun einmal selbst.

Und dennoch kenne ich auch die andere Seite der Medaille. Denn auch ich hing schwer im Loch, sonst wäre ich ja auch nicht ins Krankenhaus gegangen. Wo alles düster, alles schwarz, alles nutzlos und nicht lebenswert erscheint.

Da konnte man auch auf mich einreden, wie auf einen Ackergaul.

Ich hatte einen sehr guten Arzt und Therapeuten in dem Krankenhaus. Der hat nicht "Heile, heile segen...morgen gibt es Regen, übermorgen Sonnenschein, dann wird alles besser sein" gepredig. Der hat mich auch nicht mitleidsvoll in den Arm genommen, oder mit mir gemeinsam geheult. Auch wenn ich es mir noch so sehr gewünscht hatte. Auch hat er keinen Zauberstab rausgeholt und meine Depression einfach weggezaubert.

Er hat mir oft unverblümt die Wahrheit gesagt. Mir den Spiegel vorgehalten und mir eben genau das gesagt, was ich oben geschrieben habe. Ich habe ihn gehasst dafür, hätte ihm die Gurgel umdrehen können. Nach einer Weile dann wusste ich, dass er recht hatte. Ehrlich gesagt, war er der erste Therapeut der so war und im Nachhinein bin ich ihm sogar dankbar.

Auch heute bekomme ich noch diese tiefen Löcher, wie vor knapp drei Monaten. Ich weiß, dass ich mir dann die Zeit zum Heulen, wüntend sein und Verzagen nehmen darf und auch muss. Doch ich versinke nicht darin und verfalle in Selbstmitleid (ich weiß das es bei mir so war), sondern nehme dann das Heft wieder selbst in die Hand. Am Anfang mit kleinen Schritten und dann sehe ich plötzlich welche Potential, trot der tiefen Trauer doch in mir schlummert.

Am Anfang steht immer das große tiefe Loch und es darf auch sein. Nur ich habe für mich entschieden, dass ich nicht darin versauern darf und will, wenn ich irgendwann die Depression überwinden möchte.

Liebe Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Clown
Beiträge: 4337
Registriert: 8. Nov 2004, 18:22
Kontaktdaten:

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Clown »

Moin Otterchen,

was ist los bei dir gerade?



Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

Hallo Carin,

Es ist eine Utopie anzunehmen, die Lust, der Antrieb kämen automatisch, er oder sie kommen nicht, weil es krankhaft bedingt ist.

Ja, ich habe auch verdammt lange gebraucht, um zu erkennen, dass ich vergeblich auf Lust und Antrieb warten kann.
Was ich aber gemerkt habe (und ich bin verdammt froh, dass ich das mit der Achtsamkeit gelernt habe), ist, dass die Lust beim Tun kommt. Nicht immer - aber es passiert. Oder dass man sich nach einer erledigten Sache besser fühlt als vorher.

Wenn es nicht klappt: auch ok für den Moment oder den Tag oder für die Phase. Aber nicht aufgeben, nochmal versuchen.
Meine Antriebslosigkeit hat mich oft arg im Griff, aber ich bin froh, dass ich jetzt ein wenig eine Idee habe, wie ich ihr beikommen kann.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von otterchen »

Hi Clown ,

nichts weiter... oder doch? Ich glaube, es geht mir gut und ich spüre ein Vertrauen in mir... Vertrauen zu mir selbst.
Ich spüre keinen Drang zu Rechtfertigung, aber ich möchte erklären.
Ich bin innerlich ganz ruhig, fühle mich in keinster Weise angegriffen, nehme aber Unverständnis wahr.

Ich kann und darf Grenzen setzen. Ich kann und darf ungeduldig sein und auch mal mit einer Äußerung daneben liegen. Ich sehe irgendwie meine "Funktion" in diesem Forum und bin mir meiner "Rolle" hier bewusst.
Ich fühle mich klar und ausgeglichen.

Wow!

Ach ja: außerdem habe ich Zeit wg. Urlaub... und genieße den kühlen Wind am offenen Fenster und das Rauschen der Blätter... und meinen Kaffee
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von freebird »

Oetterchen

Wieso kippt der Thread?

Hier wird kontrovers diskutiert, was m.E. von Lebendigkeit zeugt.

Es gibt immer Mitbetroffene, die noch nicht so weit sind und sich erst einmal gegen unsere Erfahrungen, Wege im Umgang mit der Depression sperren und auch erst einmal, auch wenn der Betreff so eindeutig ist, wie deiner, da gegen an gehen.

Das ist doch nichts schlechtes. Das zeigt dennoch erst einmal interesse an diesem Thema und sie setzen sich auf ihre Weise damit auseinander und das ist doch ein Anfang.

Lass dich doch nicht dadurch entmutigen.

Was glaubst du wäre passiert, wenn sich unsere Helfer (Ärzte und Therapeuten etc.) davon hätten entmutigen lassen. Wären wir dann da wo wir jetzt sind?

Hier kippt meines Erachtens überhaupt nichts und ich finde diesen Thread wirklich richtig gut.

Also, Oetterchen bleibe dabei, mach weiter mit.

Ich finde es eine Wohltat hier auch Mitbetroffene zu finden, die schon weiter oder genauso weit sind wie ich.

Viele liebe Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Liber »

Hallo Ihr Lieben,

ich kenne beide Zustände, die hier beschrieben werden:

Zum einen den Zustand, in dem mich so ein Thread triggern könnte: "Aha, da haben wir's wieder, ich bin selbst schuld. Wenn ich mich bloß anstrengen würde, ginge es mir nicht so schlecht". Und das reißt mich noch tiefer runter. In diesem Zustand brauche ich etwas anderes, nämlich erst mal so und da sein zu dürfen, wie und wo ich bin, ohne jegliche Aufforderungen.

Aber ich kenne auch gut den Zustand, in dem ich mich sozusagen auf der Kippe befinde. Ich fühle mich irgendwie leer, unentschlossen, zögerlich, aber nicht richtig schlecht - und in diesem Zustand habe ich diese Entscheidungsmöglichkeit, was ich mit mir selbst tue. Lass ich mich auf das Sofa fallen und sinke noch tiefer in die Unentschlossenheit, die dann oft mit Sinnlosigkeitsgefühlen einhergeht - oder tue ich einfach mal das Nächstliegende, und sei es die Spülmaschine zu bestücken. An dieser Kippe kann ich noch entscheiden. Und wenn ich mich da fürs Tun entscheide, fühle ich mich besser.


@Carin: ich stecke zur Zeit in einer ähnlichen Situation wie du mit den Kindern, diese Abschiede seelisch zu verkraften, fällt mir sehr schwer, obwohl der Verstand genau weiß, dass es richtig und wichtig so ist.


Lieben Gruß
Brittka

Edit: in welchem der "Zustände" ich diesen Thread lese, das ist natürlich meine und nicht Otterchens Verantwortung !
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von freebird »

Liebe Britta,

der Betreff ist doch eindeutig und wenn es mich triggern könnte, gehe ich doch da nicht rein, oder habe ich wieder was nicht mitbekommen.

Ich entscheide doch selbst welche Forumsbeiträge ich lese.

Nur mal so zurück (bitte nicht schlagen )

Viele liebe Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von Liber »

Hallo Corinna,

habe mein Edit geschrieben, ehe ich deinen Beitrag gelesen habe.

Ja, es ist natürlich meine Verantwortung, ob ich den Thread lese oder nicht und was ich dann damit tue.

Ich wollte mit meiner Gegenüberstellung nur deutlich machen, dass ich beide Reaktionsweisen nachvollziehen kann.


Lieben Gruß


Brittka
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Entscheidung fürs Schlechtfühlen?

Beitrag von freebird »

Liebe Brittka,

hast du dass jetzt etwas als Schelte, oder Kritik aufgefasst

Dann hast du mich missverstanden. Ich kenne ja auch beide Seiten.

Liebe Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Antworten