keine Pubertät?

otterchen
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keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Hallo Ihr Lieben,

und besonders diejenigen von Euch, die wegen entsprechender Kindheitserfahrungen eine Depression entwickelt haben.

Ich stelle mir gerade die Frage:
bin ich womöglich so "gestört", weil ich eigentlich keine Pubertät durchmachen konnte?
In der Pubertät lehnt man sich gegen die Eltern auf, entwickelt sich, grenzt sich ab.

Was aber, wenn die Eltern einen derartigen Einfluss auf einen Heranwachsenden haben, so dass eine Auflehnung, ein Abnabeln gar nicht wirklich möglich sind?
Wenn z.B. nur Angst vorherrscht und Unterwürfigkeit; wenn die Eltern alles rigoros im Keim ersticken?

Kann das sein?
Kann es sein, dass ich endlich meine Pubertät nachholen sollte? Aufbegehren, endlich loslösen, mich selbst erforschen, denen Widerworte geben, groß werden?


Was meint Ihr dazu?
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bine2
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von bine2 »

Tolles Thema, interessiert mich sehr!
Ich bin schon gespannt auf die weiteren Antworten!

Selber habe ich bei mir das Gefühl, ich hatte gar keine Gelegenheit die Pubertät "auszuleben", weil ich schlicht viel zu abgeschottet war von allem. Ich habe so viel gar nicht mitgekriegt. Und das meiste nie hinterfragt. So hätte ich gar nicht gewusst, wogegen ich mich auflehnen soll. Jetzt weiß ich es vielleicht langsam ein bisschen und schaffe es doch nicht oder sehr selten, meine Meinung deutlich zu sagen.

Ich glaube, dass die "fehlende Pubertät" schon mit Depri zusammenhängen kann.

VG, Curly
gfb
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von gfb »

Hi Otterchen,

>Was aber, wenn die Eltern einen derartigen Einfluss auf einen Heranwachsenden haben, so dass eine Auflehnung, ein Abnabeln gar nicht wirklich möglich sind?
>Wenn z.B. nur Angst vorherrscht und Unterwürfigkeit; wenn die Eltern alles rigoros im Keim ersticken?

Dann kommt Trick 17b zum Einsatz:
Entzug, totaler Entzug...

Bei mir sah das so aus, dass ich am 17. Dezember 1974 um 9:20 zu den Leuten, bei denen ich Kind war sagte "Also... ich geh dann mal!"

Der Bus zum nächsten Bahnhof fuhr 9:25, zwei Stunden später war ich in Freiburg/Brsg. und begann "wohlgemut" mein Arbeitsleben als Tellerwäscher in einer Pizzeria.

Immerhin hab' ich dort das gute Essen kennen gelernt ("Spaghetti alla Vongole", "Saltimbocca", "Tiramisu", "Scampi alla griglia", "Ramazotti", "Espresso" e tutti quanti, also alles, was es in meinem Schwarzwaldkaff (800 Einwohner) NICHT gab - und dazu meine ersten paar Brocken Italienisch (sizilianische Schimpfwörter der Extraklasse wie "Testa di cazzo", "Putana Maria Vergine", "Stai zito, cretino", "Va fan'culo" undsoweiterundsofort...)

Und eine Woche später gab es das erste Weihnachten, an dem ich nicht "daheim" war, sondern mich SO besoffen habe, dass ich noch Tage danach davon was hatte...

Also:
man/frau kann/konnte diesem Pubertäts-Scheiss durchaus entfliehen, wenn der Leidensdruck groß genug war (ich war 17 und der Leidensdruck WAR groß genug)

Na ja...

Grüßleins

Friedrich
------------

"Warum sind wir so kalt?

Warum? Das tut doch weh!"



Erika Mann, "Die Pfeffermühle"
otterchen
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Friedrich,

ich bin auch geflohen... sobald ich konnte ausgezogen... und irgendwann den Kontakt abgebrochen

Ich glaube, was mir gefehlt hat, war die wirkliche Auflehnung, nicht das Weglaufen und Vermeiden.
Die Auseinandersetzung in einer liebevollen (!) Atmosphäre, in der - trotz Pubertät - eine Annäherung möglich gewesen wäre.

Was mir blieb, war die Flucht, die Vermeidung, das Wegdrängen - und ich hatte irgendwie nie die Gelegenheit, mich "schrecklich pubertierend" mit den Eltern auseinanderzusetzen; einfach aus Angst und dem Gefühl, klein und machtlos zu sein.
(Ich hatte ja noch mit über 30 Jahren Albträume)

Natürlich ist das eine schwierige Zeit, aber im Idealfalle gehen Eltern und Kind da durch und können sich hinterher wieder annähern; auch in der Gewissheit, dass man eine Familie ist, dass man dahin gehört, dass man zusammengehört.
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Ina80
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von Ina80 »

Hallo otterchen,

ich glaube auch, Pubertät muss einfach ausgelebt werden, um danach wieder eine Annäherung zu den Eltern möglich werden zu lassen. Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich hätte eine ganz tolle Pubertät gehabt, die für sie völlig stressfrei war und ich habe mich nie gegen sie aufgelehnt. Das Ergebnis davon ist, dass die Abnabelung von den Eltern nie stattgefunden hat, im Gegenteil, eine viel zu enge Bindung ist entstanden. Dafür erfolgt die Auflehnung im Erwachsenenalter, was die Sache nicht sonderlich leicht macht. Einerseits möchte man unabhängig leben, andererseits ist das total schwer, weil eine Loslösung vom Elternhaus nie stattgefunden hat. Und einer Annäherung gebe ich kaum eine Chance, das haben meine Eltern womöglich durch die verhinderte Pubertätsauslebung vermasselt.

Lg
Ina
Bedenke: Ein Stück Deines Weges liegt hinter Dir, ein weiteres vor Dir. Wenn Du verweilst, dann nur, um Dich auszuruhen, nicht aber, um aufzugeben. (Augustinus)
Dendrit
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Otterchen,

mir fiel dazu ein, was mir ein Psychologe erzählt hat: er und sein Bruder waren altersmäßig nicht weit auseinander, machten viel zusammen - auch eine doppelte Belastung mehr für die Mutter, da sie die Pubertät natürlich im Doppelpack hatte.

Seine Schwester war brav, lehnte sich nie auf, ja-und-amen, - also keine "Pubertät". Als sie so 60 Jahre alt war und die Mutter 90, fing sie an zu "spinnen". Sie widersprach ihrer Mutter, war "trotzig" usw. Die Mutter meinte, wenn sie einige Jahre jünger wäre, könnte man glauben, sie wäre in der Pubertät. Und so antwortete die Schwester trotzig, dass sie das nie war und die Mutter nun doch erleben sollte, wie sie gewesen wäre - wenn es auch verspätet komme.

Der Psychologe meinte, jeder kommt dort rein - der eine "normal", beim anderen verzögert und wenn es über 40 y später ist.

Wenn er recht hat, stehen Deine Chancen gut - dann könntest Du sie also noch bekommen.

LG, Manuela
912318798
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von 912318798 »

Guten Morgen!

Otterchen bedient uns ja mit Themen, eins brisanter als das andere!


Ich würde zum hiesigen gerne mal wissen, was man unter "Ausleben der Pubertät" versteht.

Auflehnung, Anarchie, Selbstfindung,....?
Wer weiß in diesem Zustand schon, was richtig ist,
oder wenn er es weiß, wer wollt sich dran halten?

Ich war das so ziemlich verrückteste Huhn, das man sich in damaligen Zeiten nur vorstellen konnte,
meine Eltern hatten Probleme en masse mit mir,
Auf- und Ablehnung, Pflichtverlorenheit,...
das einzige Übel, das nicht an mich rankonnte, waren Drogen.
Sonst war alles dabei.
Demnach, von "nicht ausleben" dürfte nach meinem Verständnis nicht viel vorhanden sein,
und dennoch ist heute alles kaputt, was nur kaputt sein kann.


Also was genau sollte man sich nun unter "Ausleben der Pubertät" vorstellen,
um dem Thema treu bleiben zu können?



Lieben und neugierigen Gruß

Jojo
ben1
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von ben1 »

Hallo an alle

meiner Meinung nach macht eine Depression häufig deutlich, das bestimmte Persönlichkeitsanteile (noch) nicht ausreichend entwickelt sind. Die Möglichkeit, nachzureifen, gibt es aber, wenn diese Aufgabe gesehen und angegangen wird.

Die Pubertät würde aus meiner Sicht (wenn sie idealtypisch verläuft) die Chance bieten, die richtige Mischung zwischen Intimität und Autonomie zu entwickeln. Ich darf mich nach der Pubertät Autonom fühlen, ohne die Intimität eines familiären Systems zu vermissen.

Was in unserer Kultur fehlt, sind klare Rituale, die diesen Übergang begleiten. Es gibt z.B. Kulturen, da werden die heranwachsenden Kinder in einem bestimmten Alter buchstäblich in den Wald geschickt und dürfen erst nach ein paar Tagen wieder kommen. Die Eltern beweinen in dieser Zeit den Tod des Kindes, denn wenn es wiederkommt, wird es als Erwachsener integriert und behandelt.

Eine spannende Aufgabe fände ich, so ein Ritual für sich zu finden. Was wäre äußeres und inneres Zeichen, das ich ab sofort Erwachsen bin? Und will ich das überhaupt - so richtig verantwortlich sein für alles, was mir passiert?

Ben
otterchen
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Hallo und vielen Dank zu Euren Beiträgen!

Ich möchte noch nicht einzeln darauf eingehen, aber Jojos Frage nicht unbeantwortet lassen:

@ Jojo:

bei Pubertät habe ich ein bestimmtes Bild im Kopf:

• die Kinder fangen an, sich an den Eltern zu reiben,
• sie lehnen sich gegen Vorschriften auf,
• stellen die Eltern in Frage,
• werden groß, indem sie sich selbst behaupten und einen anderen Weg gehen, als den, den ihre Eltern vorschlagen würden (aber der oft nicht der richtige ist - wie auch? - Hauptsache aber: Richtungswechsel, was Eigenes machen)
• sie werden aufmüpfig, entwickeln mehr und mehr ihre eigene Meinung, indem sie fast pauschal alles ablehnen, was von den Eltern kommt - aber nicht nur innerlich, sondern im Konflikt mit den Eltern, offen ausgetragen durch Anbrüllen, Streit, Türenknallen, Sachen-trotzdem-tun, sich-verweigern etc.
(ich glaube, das ist der Knackpunkt: ein stilles, nach innen gekehrtes Auflehnen im Gegensatz zum offen ausgetragenen Konflikt)
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Chiron
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.

Beitrag von Chiron »

"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
Chiron
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von Chiron »

Guten Morgen Friedrich,

nun hast Du bereits die unterschiedlichsten Therapieformen hinter Dir, aber die Erlebnisse aus der Kindheit belasten Dich immer noch.

Dazu:
"Wir können es bedauern, betrauern und darüber weinen, aber ändern, ändern können wir es nicht."

Das musste ich lernen in Bezug auf traumatische Erlebnisse und inzwischen weiß ich, es ist der einzige Weg einen lebbaren Umgang damit zu erreichen.

Deshalb empfehle ich Dir eine Traumatherapie, weil ich denke, ohne, wirst Du noch als alter Mann verbittert daran denken, was nichts anderes heißt, als dass diese Wunde ständig offen bleibt.

Und mit offenen seelischen Wunden ist das Leben nicht lebenswert und ein Verharren in der Depri vorprogrammiert.

Aber es gibt auch Menschen, die das Leid brauchen als Sinn des Lebens, weil ohne dieses Leid ihr Leben langweilig und öde wäre. Auch das kann ich inzwischen annehmen.
Ein Schritt raus aus dem "Helfersyndrom".

Alles Liebe und Gute für Dich,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
niederländer

Re: keine Pubertät?

Beitrag von niederländer »

Hallo Otterchen,

Du bringst ja interessante Sachen hier ins Forum. Pubertät!Na ja....
Ich hab drei Kinder von meine erste Frau. Die sind mittleweilen erwachsen. Jetzt habe ich zusammen mit meine jetzige Frau wieder zwei pubertierende kleine Monster ))).
Es ist um wahnsinnig zu werden....
Aber alles gewöhnt sich,sogar pubertierende Lieblinge.
Die suchen ja nur einen Weg zum Erwachsenwerden, mit alles was dazu gehört.
Meine beide Stiefkinder sind psychisch mishandelt worden und werden es noch dürch ihren leiblichen Vater der aus dem Kosovo kommt.Wohnt aber seit 30 Jahre in Deutschland.
Beide Kinder haben einen erheblichen Schaden erlitten und müssen teilweise noch leiden.
Mein Stieftochter (17),hat Borderline und Angstzustände. Mein Stiefsohn (14) hat fürchtbare Wutattacken .Beide stehen auf sehr schlechten Fuss mit ihren Vater.
Von meine drei kinder aus meine erste Beziehung haben zwei psychische Probleme. Meine älteste( 24) hatte Magersucht. Meine zweite Tochter(22) ist seit 18 Monaten in eine Klinik : sie hat eine Zwangsneurose (compulsive disorder) , Borderline und Depressionen.
Mein Sohn (20) gehts gut, hat eine liebe Freundin und einen guten Job.
Alle haben sie gelitten unter meine zwei Krankheiten . Etwas was ihre Pubertät sehr beeinträchtigt hat. Einer ist gut davongekommen.


So gibt es zahlreiche Beispiele von Kinder deren Pubertät nicht glimpflich verlaufen ist und sich trotzdem zu "normale " Erwachsenen entwickelt haben.
Es gibt auch welche die das nicht geschafft haben. Menschen so wie wir, die nicht die bessere Voraussetzungen und Eltern hatten.
Und genau das prägt weiter unser Leben. Wir lernen zwar damit umzugehen, können versuchen unser Verhalten zu beeinflussen und gesund leben.
Es bleibt aber unser ständiger Begleiter.

Machts gut,


Gruss,
Benny
laudine
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von laudine »

Liebes Otterchen,

das ist ein sehr interessantes Thema.

Ich denke, in die Pubertät oder in eine Art Pubertät bin ich natürlich schon gekommen.

Bei mir ist es aber so, dass ich gar nicht genau sagen könnte, ob ich während meiner Pubertät bereits an Depressionen gelitten habe oder ob sie dadurch ausgelöst wurden. Oder beides gleichermaßen.

Also kurz und schlecht: Pubertät fand statt, ich war auch dabei, aber ob sie mir gestattet hätte, gesund in den Lebensgestaltungsprozess hineinzuwachsen möchte ich bezweifeln. Wobei unklar ist, ob ich die Depression in diese Phase der Adoleszenz mitbrachte oder ob die Depression Folge der allgemeinen von außen stattfindenden "Verkorksung" war .... das kann ich heute gar nicht mehr sagen.

@ Friedrich:
Meine Güte... da hast du damls mit dem Mut der Verzweiflung gehandelt. Ich bin auch damals weg, so schnell ich konnte, sobald ich volljährig war, aber nicht so wie du ... anders.
Deine Schilderung bewegt mich sehr.

Liebe Grüße
laudine
EMHP
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von EMHP »

Hallo zusammen,

sitze auch gerade hier vorm Computer und das Thema, find ich sehr interessant.
Ich kann mir auch vorstellen, dass fehlende Auslebung der Pupertät, zu Depressionen führen kann.
Meine Eltern, oder viel mehr mein Vater, hat jeden Widerstand, jede Auflehnung und jeden Versuch mich selbst zu entdecken, im Keim erstickt.
Wenn man Erwachsen wird, will man doch wissen wo geht mein Weg hin, wogehöre ich hin,was ist meine Richtung, was will ich, ich will eine eigenständige selbstbewußte Person werden, meine eigenen Erfahrungen machen ob gut oder schlecht. Die Pupertät gehört dazu um sich selbst zu finden. Wenn man dazu keine Möglichkeit hat, fehlt einem was, man ist nicht vollständig, man ist ständig auf der Suche, nach einem fehlenden Stück.

Meim Vater war sehr, dominant, hat mir jegliche Möglichkeit in der Jugend genommen, mich mit gleichaltrigen auszuleben, d.h. in die Disco, Kino o.ä. zu gehen.Ich saß zu Hause und hab mich nicht mehr dazugehörig gefühlt, ich hab die Welt meiner gleichaltrigen Freunde nicht mehr verstanden, ich fühlte mich allein.

Mir fehlt diese Zeit, ich merke heute noch das mir irgendeine Verbindung ein Zwischenstück fehlt, aber es läßt sich nicht einfach mehr füllen, denn die Zeit kann man nicht mehr zurückdrehen, denn mit 46 Jahre fühle ich mich jetzt wirlich zu alt für eine Disco.


Liebe Grüße an alle
Nelle
otterchen
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Hallo Curly und Ina,

aha, so habe ich das noch gar nicht gesehen:
es kann also auch zu "schmusy" sein, so dass man die Abnabelung gar nicht richtig hinbekommt.

@ Friedrich:

bist Du eigentlich einfach nur abgehauen (sprich: Vermeidung wie bei mir), oder ist Deinem Rückzug von der Familie schon noch was an Auseinandersetzungen vorausgegangen, so dass da bereits ständig Gewitter bei Euch herrschte?

@ Manuela:

danke, das peppt mich gerade richtig auf.
Manchmal zweifle ich ja an meinen "Eingebungen", aber ich bekomme jetzt mehr und mehr das sichere Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Und... das hilft mir wahrscheinlich auch, meine wahre Größe wahrzunehmen. Innerlich bin ich immer noch das kleine Kind gegenüber den Eltern.

@ Jojo,

Du scheinst also eine typische Pubertierende gewesen zu sein.
Demnach waren es bei Dir andere Gründe, die zur Depression geführt haben.
Macht es auch nicht besser, was?

@ Ben,

Die Möglichkeit, nachzureifen, gibt es aber, wenn diese Aufgabe gesehen und angegangen wird.

Hehe, ich habe vor, nachzureifen, ich bin bereit dafür, habe sogar eine vage Vorstellung davon, wie ich es anfangen werde.

Das mit dem Ritual wäre wohl nicht verkehrt - unter bestimmten Vorzeichen. Was bringt es, durch ein Ritual offiziell als erwachsen zu gelten, wenn man sich innerlich doch noch klein und wertlos und unerwünscht fühlt?
Aber ja: die Verantwortung für mich selbst will ich mehr und mehr übernehmen, und ich möchte diesen Teil meiner Persönlichkeit durchaus eigenverantwortlich und vor allem mir entsprechend weiterentwickeln.

@ Chiron,

es fühlt sich bestimmt gut an, sich endlich seines Alters, seines Wertes als Erwachsene etc. bewusst zu werden. Da bin ich wohl leider noch nicht (aber hoffentlich kurz davor).

Gut, die Thera sagt dazu:"Nein, sie haben sich geändert. Deshalb geht ihre Mutter anders mit ihnen um."
Vielleicht ist es das was Du meinst, liebe Otterchen?

Nicht ganz, zumal keinerlei Kontakt mehr besteht. Aber ich könnte meine innere Einstellung ändern, so dass ich den Eltern zumindest gedanklich auf einer Augenhöhe begegnen kann.

@ Benny,

vielen Dank auch Dir, dass Du meinen Thread interessant findest.

Es gibt auch welche die das nicht geschafft haben. Menschen so wie wir, die nicht die bessere Voraussetzungen und Eltern hatten.
Und genau das prägt weiter unser Leben.

Ich werde jetzt - innerlich zumindest - meine Pubertät nachholen: aufmüpfig und wütend werden, Widerworte geben, sie in Gedanken anbrüllen, ihnen Vorwürfe machen, alles aus mir herausschreien, was so lange tief verschüttet war.

@ Laudine,

naja, irgendwas pubertäres werde ich auch an mir gehabt haben - aber ich habe das nie rauslassen dürfen (zuviel Androhung von körperlicher Gewalt; Kontrolle durch Tagebuch-Schnüffeleien; ständiges Leben in Angst).

Ich war allerdings, wie Du ja auch für Dich überlegst, bereits vorher depressiv - oder angeknackst oder wie immer man das nennen will. Mein damaliger Thera hat mal zu mir gesagt, ich hätte wohl bereits im Alter von 7 Jahren entsprechende Unterstützung gebraucht...

@ Nelle,

Wenn man dazu keine Möglichkeit hat, fehlt einem was, man ist nicht vollständig, man ist ständig auf der Suche, nach einem fehlenden Stück.

Ja, so ähnlich empfinde ich das auch.

...denn mit 46 Jahre fühle ich mich jetzt wirlich zu alt für eine Disco.

Nun, die Disco stand aber damals sicherlich nur stellvertretend für etwas anderes, nämlich dafür, dass Du Deine eigene Sache durchziehst.
Was wäre das denn heute?





*kreisch* ich hab ne Maus in der Wohnung!!! Hilfeeeee!! Ok, ich wohne ländlich, die könnte von der Terrasse reingekommen sein - aber hoffentlich verschwindet die auch auf demselben Weg und knabbert mir hier nichts an - und hoffentlich ist es nur die eine! *paralysiert-bin*
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ben1
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von ben1 »

Hallo Otterchen

"Das mit dem Ritual wäre wohl nicht verkehrt - unter bestimmten Vorzeichen. Was bringt es, durch ein Ritual offiziell als erwachsen zu gelten, wenn man sich innerlich doch noch klein und wertlos und unerwünscht fühlt?"

Du hast natürlich recht. Jedes Ritual bringt "für sich" erst mal nix. Erst bewußt durchlebt, bringt es weiter, läßt die Persönlichkeit reifen. Nimm z.B. das Ritual der Hochzeit - wenn ich mich bewußt damit auseinandersetze, was dieser Schritt für mich bedeutet, wenn ich das Ritual als Beginn einer neuen Lebensphase bewußt annehme, ist es etwas ganz anderes, als wenn ich heirate, weil "man" das eben so macht. Daher halte ich meine Frage mal aufrecht - wie könnte das "Ich bin ab jetzt Otterchen, eine erwachsene Frau" - Ritual aussehen? Was müßte da "außen" als Zeichen für eine innere Wandlung passieren (denn das mit den Jugendlichen aus meinem Beispiel wirklich etwas passiert, ist unstrittig, denke ich)

Gute Nacht

Ben
otterchen
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Hallo Ben,

ich bin noch wach, mit meinen Sinnen irgendwie noch mehr bei der Maus...

Aber ich möchte natürlich trotzdem meine Gedanken beisammenhalten und Dir antworten:

ich denke, dass es bei mir nicht auf ein Ritual hinauslaufen wird, sondern auf sowas wie "schreien im Wald" (haha, ich hab schon überlegt, aber so ein richtig einsames Plätzchen fällt mir nicht ein) oder aber auch ein Niederschreiben von all dem, was da noch in mir ist und anscheinend so langsam raus möchte.
Endlich aufbegehren, endlich Widerworte geben, endlich Kampfhaltung einnehmen, weil ich heute keine Schläge mehr zu befürchten habe.
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laudine
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von laudine »

Liebes Otterchen,

ich wollte nur mal eben was off topic wegen der Maus schreiben.
Wenn du keine echte Mausefalle aufstellen magst, könntest du eine Lebendfalle nehmen. Die bekommt man im Zoogeschäft oder im Landhandel. Im Zoohandel gibt es eine die TripTrap heißt. Köderstückchen rein und regelmäßig nachsehen.
Ich fange die Mäuse, die die Katzen reingebracht haben, um bei schlechtem Wetter drinnen was "Schönes zum Spielen " zu haben .... grrrmmmpf, grrrr, mittlerweile meist ohne Falle, einfach so... das geht auch mit etwas Geduld. Nur keine Sorge.
Entschuldige, dass ich mich hier so seitwärts am Thema vorbei melde...
... wünsche dir und der Maus einen guten Tag und ganz ganz liebe Grüße
laudine
otterchen
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Hallo liebe Laudine,

ja, das ist zwar echt off topic (und ich hoffe, das weitet sich hier nicht aus), aber selbstverständlich beschäftigt mich das sehr!

Zum einen: Maus gehört nicht in Wohnung. Punkt.

Zum anderen: irgendwann tote Maus in Ecke finden geht gar nicht!
Und: Mausefalle ist schrecklich! Soooo schlimm ist es ja auch wieder nicht - so ein kleines Wesen - dass ich es direkt töten muss. Als wäre es eine Bedrohung für Leib und Seele...

Wenn sie also nicht wieder den Weg über die Terrasse nach draußen findet, werde ich wohl die Lebendfalle besorgen.


Lehre:
1) lasse nie die Terrassentür über Nacht einen Spalt weit offen
2) wenn man Vogelfutter in der Abstellkammer verschüttet,
aaa) räumt man es direkt auf und
aab) lässt man nicht auch noch die Tür zur Abstellkammer mit den Sonnenblumenkernen einladend offen



Gestern war sie nur wenige cm von mir entfernt... saß irgendwie hinter oder in der Heizung und knusperte vor sich hin. Unverschämt! Heute habe ich sie noch nicht gehört... aber sie müsste noch da sein, weil die Terrassentür zu ist.
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horcars
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von horcars »

Ein wirklich wichtiges Thema.
Mein Vater war Berufssoldat, Auflehnen, sich reiben und trotzdem das Gefühl zu haben, geliebt zu werden, fand nicht statt.
Selbst habe ich heute zwei erwachsene Kinder.
Der Sohn wurde - was erst zu spät klar wurde, von mir auch unterdrückt. Die Tochter hat drei Jahre pubertiert, diese Zeit w+rde ich nicht meinen ärsten Feind wünschen.
Heute erlebe ich meine siebenjährige Enkelin.
Ihr täglicher Kampf um die Ausweitung neuer Grenzen ist bewundernswert. Da wird getobt und geschrieben, herzzerreissend geheult und dann...... Opa, ich hab Dich lieb.
Sie kann ihre Gefühle voll ausleben, wird immer wieder zu ihren Grenzen zurück gebracht und es wird nie vergessen, ihr in allen Phasendeutlich zu machen " Schön, das es Dich, so wie du bist, gibt ".

Chiron schrieb an Friedrich m.E. einen aber ebenso wichtigen Beitrag. Egal wie unsere Pubertät gelaufen ist, sie ist Vergangenheit.
Um den Triggern zu begegnen, müssen wir Werkzeuge im hier und heute finden und lernen, das was war, ruhen zu lassen.
Emotio
Das einzig Unveränderliche in unserem Leben ist die Veränderung, sagt schon Laotse
otterchen
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Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Hallo Emotio,

also sind wir uns wohl alle mehr oder wenig einig, dass die Pubertät - und das Auslebenkönnen derselben - durchaus ein wichtiger Abschnitt in unserer Entwicklung ist.

Aber Du schreibst:
Egal wie unsere Pubertät gelaufen ist, sie ist Vergangenheit.
Um den Triggern zu begegnen, müssen wir Werkzeuge im hier und heute finden und lernen, das was war, ruhen zu lassen.

Das, was war, ruhen lassen?
Das finde ich gar nicht - im Gegenteil.

Man muss nur die richtigen Mittel wählen, um seine Kindheit, seine Jugend und seine Pubertät in das Hier und Jetzt zu transportieren und dem richtig zu begegnen.

Wir haben heute die Möglichkeit, dem Kind in uns all das zu geben, was es damals nicht bekommen hat.

Ich glaube, wer sich dem verschließt, wird immer einen wichtigen Teil von sich vergraben. Das, was früher passiert ist, ist doch der Grundstein gewesen für das, was heute aus mir geworden ist. Die Erfahrungen von früher haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Also heißt es doch, andere Erfahrungen zu machen und die Negativerlebnisse von damals zu ersetzen.

Weggeschoben, verdrängt, ruhen gelassen - das habe ich doch über 40 Jahre gemacht, und genau das hat mich in die Depression gebracht.
Gewiss, wenn es noch triggert, sollte man sich dem nicht aussetzen. Aber wenn man (wie ich - denke ich zumindest) stabil genug ist, um sich dem zu stellen, kann man sich schrittweise (jeder nach seinem Tempo) der Sache annähern und sie aufarbeiten.
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Liber
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Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: keine Pubertät?

Beitrag von Liber »

Hallo Otterchen,

gutes und wichtiges Thema!

Ich gehöre auch zu denen, die eine äußerlich und für die Eltern völlig pflegeleichte Pubertät durchlebt haben. Äußerlich angepasst, brav, fleißig, unauffällig. Das war mein Lebensmuster, weil ich - wie ich glaubte - mir nur so Zuwendung verdienen konnte. Eigene Meinung, Abgrenzung von den Eltern, Wut oder gar Aggression - unausdenkbar! Ich spürte das alles nicht einmal. Im Innern jedoch fühlte ich mich völlig allein, ausgeliefert, verzweifelt, in mir gefangen und voller selbstzerstörerischer Gedanken. Nachts lag ich wach und malte mir aus, wie ich ... na ihr wisst schon.

Es merkte niemand in meinem Umfeld, wie es mir tatsächlich ging.

Statt die Pubertät auszuleben wurde mein "Ausweg" die Sucht und auch hier setzte ich alles dran, um es zu verstecken. Was mir jahrelang auch gelang. Viele Jahre bewegte ich mich auf dem schmalen Seil zwischen Sucht und äußerlicher Anpassung. Und darunter wartete immer der Abgrund der Depression. Immer wieder stürzte ich ab - um dann mit viel Mühe wieder auf das Seil zurückzukehren. Eine andere Lebensform kannte ich nicht.

Die Pubertät hatte ich nie erlebt, diese Phase der Selbstfindung, der Abgrenzung, des Eintretens in etwas Neues.

Erst viel viel später, in meiner Therapie wurde mir das klar und bewusst. Ansatzweise erlebte ich dort noch so etwas wie eine "Pubertät" nach. Allerdings immer wieder gestoppt durch die Erwachsene in mir. Es fehlten die hilfreichen Rituale, von denen Ben gesprochen hat. Ich bedaure es heute, dass da nicht mehr möglich war.

Ich glaube nämlich schon, dass wir die Pubertät in einem guten geschützten Rahmen auch heute noch nachholen können. Im Alltag kommt es für mich aber eher weniger infrage. Schließlich BIN ich keine 15 mehr.


Die Pubertät meiner Kinder erlebte und erlebe ich als beängstigend UND befreiend. Beide Gefühle gleich stark. Es wundert mich nicht - sie spiegeln mich selbst wieder.


Liebe Grüße an alle
Brittka
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: keine Pubertät?

Beitrag von otterchen »

Guten Morgen Brittka,

magst Du erzählen, wie Du einen Teil Deiner Pubertät nachgeholt hast?

Und - auch an Ben gerichtet - wie könnte so ein Ritual aussehen? Ich hätte da gar keine Idee, lasse mich aber gerne inspirieren.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
EMHP
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Registriert: 29. Mär 2009, 12:28

Re: keine Pubertät?

Beitrag von EMHP »

Hallo otterchen,

du hast geschrieben, dass die Disco stellvertretend, für etwas anders gestanden wäre, zwar dass ich meine eigene Sache durchziehen wollte und was das heute wäre?

Da kannst du schon recht haben, sicher ist das so.
Aber du triffst da einen wunden Punkt, ich weiß das ich jetzt, heute, morgen etwas ändern möchte, das ich so nicht weiterleben kann, aber ich bin zurzeit total leer, hab keine Ahnung und keine Kraft etwas zu ändern.
Manchmal ärgere ich mich, das ich nicht früher in meiner Jugend den Mut und die Kraft hatte, meinen Eltern etwas entgegen zu setzen. Aber vorbei ist vorbei.
Mich würde auch interesieren wie man die Pupertät nachholen kann.

Grüße an alle
Nelle
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: keine Pubertät?

Beitrag von ben1 »

Hallo Otterchen

so ein Ritual kann so aussehen, das man/frau was macht, was einfach den bisherigen Denkrahmen sprengt - und das sehr bewußt. Bei dem einen ist es, nackt in die Sauna zu gehen, beim anderen den Motorradführerschein nachzuholen, bei der dritten ungeschminkt aus dem Haus zu gehen, beim vierten dem Chef mal ein klares "Nein, das mache ich nicht" entgegenzuschleudern, beim fünften vielleicht das Erlernen eines Musikinstrumentes oder das Ausüben eines Hobbies auf Kosten der Sauberkeit der Wohnung, beim sechsten ein Wohnortwechsel oder ein Wechsel des Arbeitsplatzes - immer da, wo an Stelle von "man macht" ein "ich mache" tritt, das nicht kindlich-trotzig-naiv sondern erwachsen-verantwortungsvoll handelt, geschieht Reifung.

Ist ein Ritual für Dich dabei?

Ben
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