Depression und Arbeitsstörung

Antworten
ididid
Beiträge: 48
Registriert: 24. Feb 2009, 15:54

Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von ididid »

Liebe Forianer,

schon oft habe ich daran gedacht, hier dieses Thema aufzuwerfen. Auch heute wollte ich dieses Vorhaben wieder wegschieben, weil das Formulieren sorgfältig geschehen muss, ich keine Zeit habe, die anderen mich vielleicht mit meinem Problem vielleicht nicht ernst nehmen etc. pp. *ausflücht*

Ich blende das alles jetzt bewusst aus. Es ist einer der wundervollsten Tage dieses Jahres, ein Samstag und ich sitze im Büro. Ich bin mehrere Stunden später als geplant hier aufgeschlagen und ich habe (bin seit 11:45 hier) immer noch nicht richtig angefangen. Dabei lenke ich mich nicht lustvoll ab, wie mancher jetzt meinen könnte, sondern ich sitze (14:45 Uhr) total blockiert vorm Rechner mit dem Gefühl massiv gestresst zu sein. Es muss etwas geschehen.

Ich habe eine ausgeprägte Arbeitsstörung. Ich schaffe es nur unter immensem Druck, Dinge fertig zu stellen, habe ständig das Gefühl, meine Arbeit nicht übersehen zu können und "einen Pudding an die Wand nageln zu müssen". Dass meine Arbeitsaufgaben wenig konkret sind und von mir stark selbst strukturiert werden müssen ist Teil des Problems. Zwar bin ich ein sehr strukturierter Mensch (im Kopf), aber in der Umsetzung kriege ich es dann aus Panik oder was auch immer nicht hin. Immer Angst, die Dinge nicht gut genug zu machen. Papierberge türmen sich, ich kriege meine E-Mails nicht in den Griff.

Ich rede hier nicht von dem "Modethema" Prokastination, zu dem lustige Geselln wie dieser Lobo komische Bücher schreiben; nein, ich kokettiere nicht mit dem Thema. Es quält mich. Und drüber reden fällt schwer, man hört dann höchstens "ja, das kenne ich auch bei mir dann bei der Steuererklärung und so, das mit dem Verschieben kennen wir doch alle" und "na, muss man halt den inneren Schweinehund überwinden, schaffst Du schon".

Ich leide schon lange an dem Thema und habe es aber weitgehend weggedrängt - irgendwie die Vorstellung, dass das alles unendlich peinlich ist und man auch "eh nichts machen kann".

Ich habe inzwischen begriffen, dass ein großer Teil meiner Probleme mit der Arbeitsstäörung zu tun hat und ich zumindestens versuchen muss, das Thema anzugehen, weil ich mir im Job viel damit kaputt mache bzw. mangelnde Arbeitsergebnisse durch zusätzliche Zeit am Arbeitsplatz versuche in den Griff zu kriegen, mein Privatleben im Zuge dessen manchmal quasi ausgelöscht ist und die Arbeitsstörung den Weg in die Depression sozusagen planiert.

Da gibt es nämlich ziemliche Überschneidungen bei Depressionen und Arbeitsstörung (zumindestens bei mir): dauerhafte Blockaden, Antriebsschwäche, immense Selbstvorwürfe wenn etwas wieder nicht so hingekriegt wie gewollt / geplant, immenser Druckaufbau gegenüber sich selbst, Perfektionismus, nicht Abschalten können, übermäßig großer innerer Schweinehund, Rallern im Leerlauf.

Und zumindestens bei mir bereitet die Arbeitsstörung, wenn sie gerade wieder besonders massiv ist, den Weg in die Depression vor, wo ich dann Stückchen für Stückchen reinschliddere.

Hat jemand von Euch ähnliche Erfahrungen?

Puh, das war jetzt nicht so einfach für mich. Nicht gegenlesen, schicke es jetzt einfach ab .

Freue mich über Antworten,

Gruß
by_heart
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von otterchen »

Hallo by_heart,

naja, so richtig kann ich Dir wohl keinen Tipp geben, aber immerhin berichten, wie ich das bei mir handhabe:

wenn ich wieder nur Berge vor mir sehe und mich selbst hetze, Angst bekomme, dass ich etwas übersehe, dann sortiere ich zunächst meine Arbeit grob in Themengebiete.

Danach erstelle ich einen Ablaufplan, in dem ich im Rhythmus von 30 oder 60 Minuten mir Zeit für gewisse Vorgänge einplane.
30 Minuten: Emails sichten
60 Minuten: Aufträge erfassen
etc.
so dass ich nichts liegenlassen kann, so dass ich zumindest mit einer Sache angefangen habe, bevor sie unerledigt untergeht.
Beim Vorsortieren sehe ich dann natürlich auch, was in der nächsten Zeit Priorität hat, und mit diesen Dingen fange ich dann an.

Mit diesem System schaffe ich es, mich selbst zu beruhigen und mich den einzelnen Themen ganz widmen zu können.


Ist Dir dies zu praktisch?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
bine2
Beiträge: 141
Registriert: 21. Jul 2007, 21:37

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von bine2 »

Hallo!

Leider habe ich keinen Rat zu dem Thema. Ich stehe oft vor dem gleichen Problem und leide darunter. Auch dass man sich dafür schämt und es nicht aussprechen kann /will, kenne ich.

Otterchen, deinen Tipp finde ich gut, wüsste aber gerne, wie man es überhaupt schafft, die Berge grob zu sortieren. Bei mir ist schon vor diesem Schritt eine seltsame Barriere, die ich manchmal nicht überschreiten kann. Sobald ich einmal irgendwie angefangen habe, geht es meist recht gut.

So, während ich hier schreibe, sollte ich eigentlich lieber ein paar Sachen abarbeiten.

Viele Grüße, Curly (die diesen Thread gespannt verfolgen wird)
ididid
Beiträge: 48
Registriert: 24. Feb 2009, 15:54

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von ididid »

Hallo Otterchen,

nein, je praktischer die Tipps desto besser!

Etwas ähnliches habe ich bei mir auch eingeführt und dadurch klappt es auch schon besser: Ich schreibe die zu erledigenden Aufgaben des Tages auf und versehe sie mit Zeitzeichen (ein Dreieck = eine halbe Stunde). Dadurch kriege ich schon besser den Überblick. Die Aufgaben nummeriere ich dann (Wichtigstes zuerst!), damit, wenn was hintenüber fällt, das wichtige schon erledigt ist. An panischen Tagen wie heute nützt das leider nur begrenzt, aber "im Normalfall" ist das schon eine Stütze.

Leider schätze ich Aufwände auch immer noch falsch ein, vor allem bei den unangenehmen Sachen. Muss heute abend noch einen -für mich persönlich- sehr schwierigen Artikel fertigstellen. (Eigentlich müsste der schon lange fertig sein natürlich, aber das letzte Rumgefeile wird wieder endlos betrieben.) Bei dem Artikel dachte ich auch: Ach, das schreibst Du an einem Abend runter, du steckst ja in dem Thema drin und hast Bausteine zur Verfügung. Pustekuchen. Ich habe nicht gezählt wie viele Tage ich dafür mal mehr, meist weniger produktiv vor dem Rechner gehangen habe. Und ich denke an kaum etwas anderes und mache mir Druck Druck Druck.

Und:
Je blockierter ich bin, desto weniger Zeit nehme ich mir für das Sortieren... Also dann, wenn es am nötigsten wäre, unterbleibt es. Ich denke, da hilft nur allgemein der Versuch ruhiger zu sein und die Dinge dann etwas kontrollierter angehen zu können.

Danke für Deinen Tipp, werde mir das an meinem Arbeitsplatz noch mal unauffällig markieren ("Memo").

Gruß
by_heart
steppenwolf1

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von steppenwolf1 »

hallo by_heart,

überforderung aufgrund keiner Freizeit weil ich meine Arbeit nicht schaffe, haben bei mir auch immer wieder depressive Episoden ausgelöst. Die letzte mit Todesängsten.

Was mir bei mir aufgefallen ist ... ich möchte keine Fehler machen und alles muss auf Anhieb 100% stimmen. Ich verkompliziere meine Aufgaben und komme vom 100sten ins 1000ste ... damit bleibe ich dann immer schon am Anfang stecken.

Nach Krankschreibung bin ich ab Montag wieder "auf Arbeit" und werde versuchen das etwas anders zu handhaben, um ein Projekt vllt. auch mal zu Ende zu bringen ... auch wenn es nicht 120%ig umgesetzt ist. Ob das funktioniert .. keine Ahnung.

Tagespläne werde ich natürlich auch machen. Bzw. Wochenpläne.

Lass Dich nicht unterkriegen !

Grüße, s.wölfin
ididid
Beiträge: 48
Registriert: 24. Feb 2009, 15:54

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von ididid »

Hallo Steppenwolf,

danke für die guten Wünsche.

Ich könnte unter Dein Post auch meinen Namen setzen... Überforderung, Depression, Todesängste (das erste Jahresdrittel war so)... Vom 100sten ins 1000ste etc.

Naja, wenigstens haben wir DAS schon erkannt. Typischer Satz von Muttern "Nu' mach mal keine Wissenschaft daraus!" - fällt mir gerade ein... Die einfachsten Dinge werden manchmal so komisch kompliziert in meinem Kopf, wo andere einfach machen...

Ich wünsche Dir alles gute für Montag, und immer dran denken: 80% tun es auch!!!

GlG
by_heart
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von Denker »

Hallo by_heart,
finde mich in deinem Beitrag ziemlich gut wieder. Daher mal ein paar Dinge, die mir helfen:

1. Einfach nur für 5 Minuten anfangen! Danach darfst du weiter aufschieben. Das hilft, den Perfektionismus zum überwinden und sich statt auf ein (perfektionistisches) Ziel auf den Anfang zu konzentrieren.

2. Eine Kontrollgruppe gründen. Sich mit Personen austauschen (z.B. täglich per mail), die die gleichen Probleme haben (und die gibt es massenhaft!) So entsteht eine gewisse Selbstverpflichtung. Ich mache das jetzt seit über einem halben Jahr und es klappt ganz prima!

3. Die Zeit, die man sinnlos im Netz rumsurft begrenzen, z.B. indem man einen Wecker stellt. Ich verhindere damit ein Absinken in die "Internet-Trance" wie ich es nenne.

4. Einen Vertrag mit sich selbst schließen, welches Verhalten akzeptabel ist (z.B. hinsichtlich der im Internet verbrachten Zeit) und sich im Falle des Zuwiderhandelns verpflichten, eine Spende an eine verhasste politische Partei zu zahlen. Das funktioniert aber nur dann, wenn du im Zweifelsfalle wirklich zahlen würdest.

Ich hoffe, da ist etwas für dich dabei!

Liebe Grüße
Denker
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von FönX »

Hallo by_heart,

ich hab zwar keine Lösung. Aber unterschreiben kann ich deinen Beitrag wie meinen eigenen.

Aber eine Frage habe ich: Hast du bei deinen Arbeitsstörungen auch mal in Richtung AD(H)S geguckt? Ich habe aufgrund meines unbehandelten ADS (bin nicht hyperaktiv) eine anankastische Persönlichkeitsstörung (u.a. exzessiver Perfektionismus, googel einfach mal...) entwickelt und mich im Laufe von vielen Jahren in schwere Depressionen eingeschlichen, die vor über vier Jahren zum kompletten und nachhaltigen Rausfallen aus dem Arbeitsmarkt führten. Auf ADS kam ich erst zwei Jahre nach dem Zusammenbruch. Im vergangenen Jahr wurde die Diagnose ein zweites Mal bestätigt. Ich will nicht das Lamento "Hättste hättste hättste" anstimmen. Aber vielleicht kannst du mal in diese Richtung schauen und das Ruder noch rechtzeitig herumreißen. Ich wünsche es dir jedenfalls!

Lieben Gruß
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Nienor
Beiträge: 277
Registriert: 31. Okt 2008, 08:24

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von Nienor »

ADS wollte ich auch gerade schreiben.
Und frag nicht, wie es bei mir aussieht, mein ADS hat mir beruflich völlig das Genick gebrochen, und dürfte auch die Ursache dafür sein, dass ich mich tief in die Depression hineinmanövriert habe.
Moya
Beiträge: 105
Registriert: 21. Apr 2009, 13:47

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von Moya »

Hallo by-heart,

Ich möchte dir, ähnlich wie einige meiner Vorschreiber, empfehlen eine Liste zu schreiben mit den Aufgaben, die zu erledigen sind.

Ich selbst gliedere meine Listen so, dass ich aufschreibe, was am selben Tag zu erledigen ist und gliedere hier Schritt für Schritt, was ich zu tun habe. Bei komplexeren Aufgaben, die aus mehreren Arbeitsschritten bestehen, gliedere ich nochmal in die einzelnen Schritte auf. SOFORT nach Erledigung setze ich einen dicken GRÜNEN Haken dran oder steiche die Aufgabe durch - so sehe ich deutlich, was ich schon geschafft habe.

Ganz wichtig: mehrere kleine Pausen einlegen und die schreibe ich mit in die Liste, damit ich mich auch daran halte!

Dann gibt es eine Liste für die gröbere Übersicht, auf der z.B. die kommende Woche vermerkt ist oder auch eine Monatsplanung - kommt ja immer auf die Arbeit an, die vor einem liegt.

Sehr, sehr wichtig finde ich, sich immer nur auf den nächsten anstehenden Schritt zu konzentrieren und nicht zu denken "oh Gott, wie soll ich nur diesen riesigen Berg schaffen - es wächst mir alles über den Kopf... ich schaff' das nie!"
Mein Tip hierzu:
Du kannst deine Liste so falten, dass du immer nur eine Aufgabe siehst und wenn die erledigt ist, faltest du das Blatt so auseinander, dass du die nächste Aufgabe siehst... es verschafft Übersicht und Ruhe sich nur auf das zu konzentrieren, was man gerade im Moment tut - so habe ich gelernt, mich vor Überforderung zu schützen.
Oder du kaufst die ein kleines Heftchen, auf dem du pro Seite eine Aufgabe einträgst (oder kleine Kärtchen...).

Was ich dir auch noch empfehlen möcht ist eine Arbeitstherapie.
Dort werden genau solche Themen, wie Handlungsplanung, Struktur, Umgang mit Druck und Perfektionismus, Konzentration, Aufmerksamkeit etc. gezielt angegangen.

Ich hoffe, du kannst die hier was Herausziehen...

Liebe Grüße von Moya
ididid
Beiträge: 48
Registriert: 24. Feb 2009, 15:54

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von ididid »

Hallo zusammen,

wow, das ist ja toll! So viele hilfreiche Antworten auf mein eines Post! Vielen Dank dafür.

@curly:
Ja, diese Hürde noch vor dem Strukturieren habe ich auch. Dieses diffuse irgendwie-muss-ich das-Chaos-bändigen-wie-kriege-ich-bloss-einen-Faden-an-dem-ich-ziehen-kann kenne ich gut.

@Denker:
Wow, das sind tolle Tipps! ich denke, da kann ich viel mit anfangen - so und so
Auch Deine "Internet-Trance" ist mir wohl bekannt... Das "ideale" Medium für Leute, die sich nicht abgrenzen können bzw. schnell ablenken lassen (eine Zeitung ist irgendwann ausgelesen, im Netz klickt man weiter und weiter und weiter...) und oft verzetteln.

Wie hast Du denn Deine(n) Gegenüber als Kontrollgruppe gefunden? Hast Du Freunde mit den gleichen Problemen oder entspringen diese Kontakte SHGn / Foren (habe bis jetzt noch nicht so viel dazu gefunden)?

@FönX und Nienor:
Uff. Da habe ich ganz schön geschluckt. Ist vielleicht etwas dran mit dem ADS, da muss ich mich mal näher mit beschäftigen. Das Stichwort "anankastische Persönlichkeitsstörung" passt auf jeden Fall schon mal ziemlich gut. Oh weia. Persönlichkeitsstörung heisst ja immer, dass da so grundlegende Strukturen betroffen sind, dass man da nicht viel machen kann... Puh, das muss ich mal sacken lassen.

@Moya:
Das mit den Listen ist schon ganz gut. Ich versuche das auch. Problem: Je gestresster ich mich fühle desto diffuser werden die Listen: Neue Zettel ohne die alten zu checken, Papierberge wachsen an, aus Angst Gedanken zu verlieren schreibe ich alles mögliche auf die tw. unmöglichsten Unterlagen etc. Das mit den Haken muss ich mir dringend auch so angewöhnen wie Du schreibst. Nicht einfach neue Zettel anfangen und so den Abhak-Effekt versäumen! Und die Sache mit den Pausen. Soooooo wichtig. Aber ähnlich wie in den "Internet-Trance" komme ich am Rechner oft in so einen Arbeitssog aus dem ich dann nach Stunden wieder "aufwache"...

Und immer den nächsten Schritt im Auge behalten, ja, da hast Du recht, das ist wichtig!

Ich habe auch schon über eine Arbeitstherapie nachgedacht und möchte das auch machen. Irgendwie kriege ich aber nicht so richtig raus, wie und bei wem man das machen könnte. Mein Therapeut hat da auf jeden Fall wenig Zugang zu, ich merke, wie der das Thema immer irgendwie umschifft und sich auf andere Probleme von mir stürzt. Hast Du eine Idee? Ich wohne im "dicken B", habe aber hier bis jetzt nichts gefunden außer einem Doc, der ein gutes Buch über das Thema geschrieben hat aber keine Patienten mehr aufnimmt. Bin für jeden Tipp dankbar!

Vielen Dank Euch allen! Bin sehr froh, dass ich mich jetzt doch mal getraut habe, mein Schamthema hier anzusprechen! Und offensichtlich geht es anderen ja auch so wie mir.

Herzlichen Gruß
by_heart
Moya
Beiträge: 105
Registriert: 21. Apr 2009, 13:47

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von Moya »

Hallo by_heart,

Arbeitstherapeuten sind keine Psychotherapeuten, sondern Ergotherapeuten!

Ich bin selbst angehende Ergo - habe vor meiner Ausbildung auch nichts über diese Therapieform gewusst... Ergotherapie ist in der Öffentlichkeit noch recht wenig bekannt bzw. es ist schwer einen Einblick zu gewinnen, weil Ergos in so vielen Bereichen tätig sind.

Also, die Arbeitstherapie findet meines Wissens nach nicht ambulant statt, sondern in Rehakliniken.
Man könnte aber versuchen, eine Tagesklinik zu finden, damit du nicht stationär aufgenommen werden musst. Und soweit ich weiss, gibt es auch Abend- und Nachtkliniken für Menschen, die berufstätig sind und die Arbeit nicht unterbrechen wollen.

Die Arbeitstherapie ist somit nur ein Teil des gesamten Therapieprogramms, d.h. in so einer Klinik gibt es immer auch eine psychotherapeutische Betreuungund ggf. weitere Therapieangebote.

Du wirst sicher eine Klinik finden, die Arbeitstherapie anbietet. Ambulant sehe ich eher keine Möglichkeit.
Das liegt an der Ausstattung, die eine Arbeitstherapie erfordert. Es wird mit Hilfe von unterschiedlichen Medien an dem jeweiligen Problem gearbeitet und dazu braucht es eine Art Werkstatt. Meist findet die Therapie in Gruppen statt.

Vielleicht hast du ja weitere Fragen dazu, dann gebe ich dir gern weitere Informationen.

Liebe Grüße von Moya
Moya
Beiträge: 105
Registriert: 21. Apr 2009, 13:47

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von Moya »

Hallo by_heart,

Habe gerade nochmal bißchen gegoogelt.
Es gibt doch ambulante Arbeitstherapie (sogar mit Bürotrainingsbereich) - vielleicht magst du ja selbst nochmal schauen. ich habe einfach "Arbeitstherapie ambulant" eingegeben...

Liebe Grüße von Moya
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von otterchen »

Liebe by_heart,

naja, es ist derzeit "mein" Thema, deshalb vermute ich es vielleicht auch dort, wo es gar nicht ist, aber ich möchte dennoch einen Versuch machen:

Es ist das "Muss".
• ich muss das schaffen
• das muss ich doch hinbekommen - Hilfe!
• ich darf das nicht verpeilen
• das muss noch erledigt werden
usw.

Wie wäre es, wenn Du das mit einem "ich will" ersetzt, ganz peu à peu?

• ich will heute diesen Papierberg in Angriff nehmen
• ich will dieses Chaos mal sortieren
• ich will mir jetzt 10 Minuten nehmen, in denen ich mir einen Überblick verschaffe
• ich will heute mein Bestes geben, um so weit wie ich kann (!) voranzukommen

Solange Du hinter Deiner Arbeit immer noch ein Muss siehst, bremst Du Dich selber aus.
Wenn Du aber irgendwann sagen kannst, dass nicht die Arbeit Dich, sondern Du die Arbeit im Griff hast, wendet sich das Blatt.
Und die Arbeit wirst Du erst dann in den Griff bekommen, wenn Du das auch WILLST.

Also:
was will ich?
und was bin ich bereit dafür zu tun?

Gib Dir etwas Zeit - das ist nicht direkt am ersten Arbeitstag zu schaffen.
Wenn Du merkst, dass Dein Herzschlag steigt und Du außer Puste kommst, nimm Dir 5 Minuten Auszeit; geh eine rauchen oder zur Toilette oder sonstwas.
Und dann kein "ich MUSS jetzt ruhiger werden", sondern "ich WILL ruhiger werden".

(DAS klappt übrigens bei mir mittlerweile total gut und sogar schnell! Ich gehe ein paar Schritte, atme tief durch, mache mir bewusst, dass ich mich selbst hetze und dass ich jetzt ruhiger werden will... "in der Ruhe liegt die Kraft"... und schon kann ich runterfahren. Ich staune, was im Bereich der Psyche alles möglich ist!)


mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
cool
Beiträge: 2797
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von cool »

Hallo by_heart,

ich kenne das auch, besonders in einer depressiven Phase. Das ist bei mir dann eine Kombination aus Antriebslosigkeit und Katastrophengedanken. Und dann geht nichts mehr, im wahrsten Sinne des Wortes.
Das ist allerdings meine Interpretation.

Ganz zu Beginn meiner Verhaltenstherapie sprach meine Therapeutin mal von Arbeitshemmung. Vielleicht auch ein Stichwort um zu googeln.

Ich bin gerade dabei meinen Arbeitsplatz aufzuräumen. Ich bin ein Papiertiger ! Ich könnte aber völlig papierlos arbeiten. Tatsächlich brauche ich keinen Fetzen Papier ausser Klopapier.
Außer einer speziellen Software arbeite ich hauptsächlich mit Excel, Word und Outlook.

Ich habe mir angewöhnt, konsequent bei jedem Dokument in der Kopfzeile den Dateinamen einfügen zu lassen, in der Fußzeile Datum,Uhrzeit und die Seitenzahl. (Seite 1 von 39 z.B.) So weiß ich, wo ich das Original im Computer finde, wie aktuell der Druck ist ,und ob er komplett ist.

Der Windows-Explorer ist ein Segen. Ich habe im Grunde ein gutes Gedächtnis und kann mir daher gut prägnante Stichworte merken, die in einem Dokument vorkommen. Also sucht der Explorer für mich.

Letzte Woche habe ich angefangen mir in Excel ein Stichwortverzeichnis anzulegen. Das soll die Grundlage sein für eine Ordnerstruktur im Computer und für die wenigen Leitzordner, die ich nach meiner Aufräumaktion noch haben werde.
Regelmäßige Ablage ist absolut wichtig. Aber wohin damit, wenn man keinen Plan hat.

Ich habe ein gutes Buch, wie man in Outlook Herr seiner Mail-Flut wird, es ist allerdings im Büro, ich schaue aber am Montag mal nach, wie es heißt.

Ich simuliere gerade im Büro, daß ich meinen Arbeitsplatz in den nächsten Wochen aufgebe, Übergabe an den Nachfolger machen muss und dann an einen neuen Arbeitsplatz wechsle.
Und stelle mir vor, was ich mir als Nachfolger wünschen würde. Ich bin natürlich mein eigener Nachfolger. Das klappt sehr gut, weil ich natürlich für ANDERE (= Nachfolger) leichter Ordnung schaffe, als für MICH.

Ich habe gerade etwas gegoogled und dieses Buch gefunden. Es ist erschwinglich. Einfach mal runterscrollen, nach der Danksagung steht auch einiges zum Inhalt. Evtl. kaufe ich es mir und werde dann berichten.
http://www.deutsches-fachbuch.de/reinsc ... 306108.htm

Und hier ein Test, ob man das Buch überhaupt braucht:
http://www.ifeva.de/fragenundtest/test.html

Und grundsätzlich zum Thema. Es lohnt sich sicher, sich Unterstützung zu holen. Sei es nun durch Bücher und Kurse zum Thema Software, Büroorganisation und Zeitmanagement, oder mit therapeutischer Hilfe.
Was nun zuerst da war, die Depression oder die Arbeitsstörung/Arbeitshemmung, ob man evtl. noch was anderes hat (Persönlichkeitsstörung, Aufmerksamkeitsstörung,.....)ist ganz wichtig zu klären. Es kann der Schlüssel zur Lösung des Problems sein.

Viele Grüße Cool
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von otterchen »

Hallo,

in der Arbeit nutze ich viel Google Desktop-Search.

Hier kostenlos herunterzuladen:
http://desktop.google.com/de/

Wenn dieses Programm installiert ist und alle Dateien durchsucht hat, reicht es, ein einziges Stichwort einzugeben (z.B. wenn man genau weiß, dass man einem Herrn Müller-Lüdenscheid mal geschrieben hat, aber die Datei nicht mehr findet).
In diesem Falle würde ich also Müller-Lüdenscheid als Suchbegriff eingeben, und dieses Programm findet alle Dateien auf meinem Rechner, die dieses Stichwort enthalten.

Es erspart mir viel Zeit, die ich sonst mit dem Suchen nach Dateien vergeuden würde.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von Denker »

Hallo by-heart,
Kandidaten für eine Kontrollgruppe kannst du hier finden:
http://www.bychan.de/procrastination/board/

Liebe Grüße
Denker
ididid
Beiträge: 48
Registriert: 24. Feb 2009, 15:54

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von ididid »

Mann, ich bin total erschlagen von Euren Antworten - im positiven Sinne natürlich! Da sind wahnsinnig viele wertvolle Tipps drin, viiiiiiielen Dank dafür! Allerdings muss ich die Infos erst mal in Ruhe auswerten und jetzt muss ich erst - obacht! otterchen - WILL ich erst noch meine Aufgaben erledigen. Danach will ich eine kleine Wanderung machen um noch ein bischen Wochenendgefühl zu bekommen und den Kopf zu lüften. Die nächste Woche wird sehr hart und ich will (da war es fast schon wieder!) mich gut organisieren, meine Aufgaben begrenzen (d. h. nicht perfekt machen wollen) und mir Erholung gönnen. So könnte es klappen!

Auf das herzlichste dankt schon mal Euch allen

by_heart

(edit: Rechtschreibung korrigiert)
912318798
Beiträge: 1590
Registriert: 28. Jul 2007, 13:39

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von 912318798 »

Ey, Didi...
und alle!

Bevor hier Euforie und etwa sogar sowas wie Erfolge auftreten, die Du von den vielen guten Ratschlägen aus diesem Thread ernten kannst, möcht' ich auch noch schnell etwas hinzufügen,
vielleicht als Erklärung und Solidaritäts-Kundgebung - quasi präventiv, für den Fall, daß Deine Bemühungen letztendlich DOCH nicht glücklich enden...

Erstmal hat mich Deine innere Stimme "Es muß etwas geschehen!" sofort und sehr intensiv an diese Kurzgeschichte (?) von Heinrich Böll aus Herrn Wunsiedls Büro erinnert...
...kennst Du die?

Wir mußten sie uns in der Unterstufe in einem Lesebuch ("Welt im Wort", wer's kennt) einverleiben,
und obgleich ich damals von Stress, Lebensinhalten, höheren Wertigkeiten absolut keine Ahnung hatte, und auch kein Interesse daran,
war mir dieser Satz "Es muß etwas geschehen" derart ins Hirn gebrannt, daß er mich nie wieder losließ,
aktuell blieb in den Anforderungen aller jeweiligen Lebensphasen...

bis zu jener grotesken Manie, die mich letztendlich in allem scheitern ließ,
"was zu geschehen hatte".


Vielleicht trifft die Geschichte nicht ganz den Kern Deines Headers,
aber ich finde, sie ergänzt sie gut,
denn aus diesem "muß" wird, wie ja viele von uns wissen,
beinahe in konsequenter Folge ein "kann nicht", oder "weiß nicht, wie"
bis zum ultimativen "weiß nicht, WAS".

Die "Arbeitsstörung" sehe ich in meinem Lebenslauf darin, daß aus dem Perfektionsdrang Unerreichbarkeiten entstanden sind,
die aus meinem "Arbeits-Fluß" ein "Arbeits-Soll" erzeugt haben, und wiederum letztendlich ein "Arbeits-Muß"...
...und daran nahtlos eingereiht wiederum die Unerreichbarkeit.

Dadurch entstand eine Hemmung, eine Arbeit überhaupt in Angriff zu nehmen,

der Gedanke: "Machst Du das richtig, wird das zum überdurchschnittlichen Ergebnis führen?
Letztens hat es das nicht. Wieso eigentlich nicht?
Warum sollte ich es JETZT besser schaffen?
Wie fange ich es an, um ein besseres Ergebnis zu erzielen?
Ist es überhaupt möglich, ein Ergebnis zu erzielen?
Es wird wohl besser sein, ich fange erst gar nicht damit an, da kann wenigstens kein Blödsinn resultieren...

aber Du MUSST es doch machen, irgendwann,
jetzt!!!!"


Bei all diesen Gedankenkreiseln verspüre ich einen derartigen Druck auf den Magen,
daß mir davon übel wird (nicht mehr so schlimm in letzter Zeit, wird wohl die Pharma erwirkt haben ).

In meiner Erwerbstätigkeit macht man das nicht lange, bis sich massive Existenz-Probleme einstellen.

Die Tages-Strukturen mußte ich bald wieder aufgeben, weil mich "Dazwischenkommungen" ständig an deren Einhaltung hinderten,
aber das muß ja jetzt nicht auch Dich treffen.

Ich meine schon, daß viele Tipps oben wertvoll sein können, wenn man das Glück einer geregelten Arbeitszeit genießt,
den eigenen Teil des Tages kann man sicher damit gut ordnen.

Ich wünsch' Dir viel Erfolg beim Strukturieren,


...und wenn's schief geht, weißt Du, daß Du nicht allein bist,
... im Land der Müsse!


Lieben Gruß

Jojo
ididid
Beiträge: 48
Registriert: 24. Feb 2009, 15:54

Re: Depression und Arbeitsstörung

Beitrag von ididid »

Liebe Jojo,

vielen vielen Dank für Dein Post, es hat mich sehr angesprochen!!! Momentan schaffe ich es nicht, hier mit der gegebenen Sorgfalt darauf einzugehen, hoffe, dass kann ich noch (nach dieser superheftig anmutenden Woche) später tun. (Oh weh, da wären wir schon fast beim Thema...) Aber ich will in dieser Woche, um nicht wieder in das Elend zu schlittern, ganz gut auf mich aufpassen (sonst pack ich es nämlich nicht): Meine Aufgaben klar begrenzen, früh ins Bett gehen, regelmäßig Pausen machen. Deswegen Schicht im Schacht und PC aus - by_hearts www-Anti-Schwarzes_Loch-Verordnung Denker - nach diesen Zeilen.

Jetzt erst mal ein Vers von Eugen Roth, den mir mein erster Freund mal (mit 8-Punkt?-Nadeldrucker noch) damals schon angesichts meiner Zetteldünen ausgedruckt hat:


Ordnung

Ein Mensch, mit furchtbar vielen Sachen,
Will eines Tages Ordnung machen.
Doch dazu muß er sich bequemen,
Unordnung erst in Kauf zu nehmen:
Auf Tisch, Stuhl, Flügel, Fensterbrettern
ruhn ganze Hügel bald von Blättern.
Denn will man Bücher, Bilder, Schriften
In die gemäße Richtung triften,
Muß man zurückgehn zu den Quellen,
Um gleiches gleichem zu gesellen.
Für solche Taten reicht nicht immer
Das eine, kleine Arbeitszimmer:
Schon ziehn durchs ganze Haus die kühnen
Papierig-staubigen Wanderdünen,
Und trotzen allem Spott und Hassen
Durch strenge Zettel: Liegen lassen!
Nur scheinbar wahllos ist verstreut,
Was schon als Ordnungszelle freut;
Doch will ein widerspenstig Päckchen
Nicht in des sanften Zwanges Jäckchen.
Der Mensch, der schon so viel gekramt,
An diesem Pack ist er erlahmt.
Er bricht, vor der Vollendung knapp,
Das große Unternehmen ab,
Verräumt, nur daß er auch wo liegt,
Den ganzen Wust: Das Chaos siegt!

Eugen Roth


Es grüßt ganz herzlich die jetzt eine Woche abtauchende
by_heart
Antworten