Kindheit

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Nadalien
Beiträge: 112
Registriert: 7. Okt 2008, 17:33

Kindheit

Beitrag von Nadalien »

Hallo!
Hab hier schon Beiträge gegeben, möcht nun einen neuen (?) eröffnen. Bin wie ihr alle auf der Suche nach Ursachen. Und naturalmente bin ich auf die Kindheit gestoßen. Denn in vielen Bereichen denke ich, dass der Depressive nicht erwachsen werden will, und wenn, dann von jetzt auf gleich. Nicht falsch verstehen, denn Schwermut und Grübelei ist sicher sehr erwachsen, Reflexion umso mehr. Doch das Verantwortungsbewusstsein für sich, genauer nicht das Bewusstsein, sondern das Übernehmen und Erfüllen von Verantwortung ist doch ein Mango.
Meine Frage also: Können wir nicht erwachsen werden? Wie war das bei Euch?
Bei mir: Ich war als Kind einfach da. Und aus mir würde schon etwas werden. So. Auch trotz grobem Bruder, schweigendem Vater, gelangweilter Mutter. So einfach das Schema ist, so ist es doch auf den Punkt gebracht: Vernachlässigung. Desinteresse.
Und ich führe es weiter, im Namen der Depression.
Welches Schema habt ihr erlebt?
Beste Grüße, Nadalien
no name
Beiträge: 425
Registriert: 29. Okt 2008, 11:09

Re: Kindheit

Beitrag von no name »

Hallo Nadalien,

ja vieles taucht heute bei mir aus der Kindheit auf. Da werden Erinnerungen wach, die ich vor der Depression nicht hatte, bzw. waren sie zwar vorhanden, hatten aber nicht die Gewichtung wie heute oder waren so gut verdrängt, dass wirklich schlimme Erlebnisse aus der Kindheit bis vor einiger Zeit gar nicht existiert haben.

Ich bin als Einzelkind einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, was für die damalige Zeit eher eine Ausnahme war.
Und aus einer Therapie weiß ich, dass ich als Kind sehr früh bereits die Rolle eines Erwachsenen übernommen habe. Parentifizierung nennt sich so etwas, man könnte auch sagen, ich bin zu schnell erwachsen geworden.

Ich wurde bereits als Grundschulkind zum Leistungssport hingeführt, den ich über Jahre hinweg betrieben habe, so dass ich in dieser Zeit kaum Zeit für anderes hatte (z.B. Treffen mit Freunden) Mein Therapeut meinte dazu, ich hätte wohl mit dem Leistungssport einiges kompensiert.

Da frag ich mich natürlich heute, in wie weit diese Kindheitsprägungen mit meiner Erkrankung zu tun haben, weiß ich doch, dass die Auslöser für die Depression erst wenige Jahre zurückliegen. Aber ich denke auch, dass die Erlebnisse aus der Kindheit, bzw. wie ich aufgewachsen bin und erzogen wurde, was ich erlebt habe, mich für die Depression empfänglich gemacht haben, auch wenn ich über Jahrzehnte ein gesundes Leben führen konnte.

Ich versuche nach wie vor das eine oder andere aus der Kindheit aufzuarbeiten, was sicher nicht immer einfach ist. Aber ich habe auch erkannt, dass ich z. B. meinen Leistungssport (der mir im übrigen immer Freude bereitet hat) einfach nur als Begabung ansehen kann, die ich halt damals bereits hatte.

Du bist wahrscheinlich bei weitem nicht die einzige hier, die nach Ursachen in der Kindheit forscht.

Und ich bin überzeugt davon, selbst wenn das Schema der Kindheit nicht das übliche war, war doch nicht alles schlecht. Und nicht immer müssen die Ursachen dieser Erkrankung in der Kindheit liegen.

Viele Grüße

no name
Emely
Beiträge: 320
Registriert: 19. Nov 2007, 20:43

Re: Kindheit

Beitrag von Emely »

Hallo Ihr zwei,

über die Problematik des früh Erwachsenwerdens und des womöglich nicht Erwachsenwerden-Wollens (und nicht Verantwortung-Übernehmen-Wollen) habe ich mir auch viele Gedanken gemacht. Ich denke, beides steht möglicherweise, vielleicht auch nur bei manchen, in einem engen Zusammenhang. Auf der einen Seite das frühe Verantwortung-Übernehmen für Eltern und/oder Geschwister oder sei es "nur" für das eigene Leben - und auf der anderen Seite eine sehr kindliche Seite. Nun wäre die Frage, ob diese Kindlichkeit oder ein Nicht-Verantwortung-Übernehmen-Wollen nicht die meisten Menschen in irgendeiner Hinsicht in sich tragen. Zum Teil ist es ihnen nicht bewusst - ist häufig noch ungelebt - zum Teil wird es gelebt auf eine gesellschaftlich tolerierte Art.

Diese beiden Problematiken - Kindlichkeit auf der einen Seite und hohes Verantwortungsbewusstsein auf der vermeintlich anderen Seite - stehen für mich in einem engen Zusammenhang.

Über viele weitere Beiträge zu diesem spannenden Thema freut sich

Emely :
Leni_25
Beiträge: 97
Registriert: 10. Apr 2009, 14:24

Re: Kindheit

Beitrag von Leni_25 »

Hallo Ihr da draußen!

Finde dieses Thema super interessant, habe mir auch schon viele Gedanken darüber gemacht, vielleicht nicht ganz so bewusst. Ich bin 25 und habe irgendwie große Angst wirklich erwachsen zu werden, bzw. fühle mich noch nicht so "alt". Andererseits habe ich auch in meiner Kindheit schon sehr sehr früh die Verantwortung für mich selbst übernommen und wenig Unterstützung von meinen Eltern erhalten. (beide Alkoholiker). Meine Geschwister hatten selbst viele Probleme und ich als jüngste hatte immer das Gefühl, ich müsste die Stärkste sein und alle Probleme auf mich nehmen. So habe ich meine Probleme auch immer für mich behalten. Irgendwie hat es auch funktioniert, (nach außen). Ich habe es auch als einzige irgendwie geschafft aus eigener Kraft mein Abitur zu machen, und auch so hatte ich mein Leben im Griff. Doch jetzt kam irgendwie der Einsturz und ich habe das Gefühl ich kann gar nichts mehr zustande bringen. Bin mir grad auch nicht mehr sicher, ob das wieder kommt... ?
Ich hoffe ich habe das Thema grad nich all zu sehr verfehlt, oder zu verwirrt geschrieben - bin die letzten zwei Tage ziemlich down und verwirrt... Keine Kraft gerade...

Danke für euer Ohr, Leni
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Kindheit

Beitrag von otterchen »

Hallo Nadalien,

mir fällt dazu ein "werd doch endlich erwachsen!"

Ja gerne... aber WIE??

Ich wäre schon gerne eher erwachsen geworden, wenn ich nur gewusst hätte, wie man sowas anstellt.

Ich bin irgendwie ins Erwachsenen-Leben entlassen worden mit nichts als Ballast. Wie ein Rucksack, der für mich gepackt wurde, der aber keine Wegzehrung, kein Fernglas, keinen Regenschutz, nichts dergleichen enthielt, sondern nur schwere Steine.
Mit sowas kommt man halt nicht weit.
Wie soll man dann mit so einem Rucksack ein guter Wanderer = ein erwachsener Mensch werden?


mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
jw
Beiträge: 10
Registriert: 7. Apr 2009, 12:18

Re: Kindheit

Beitrag von jw »

Hallo Nadalien,

ich schalte mich mal als neuer Forumsteilnehmer dazu, weil mich das Thema sehr anspricht und berührt.

Erwachsen kann man m.E. nur werden, wenn es eine Zeit gibt, die Raum läßt zum Wachsen in liebevoller und stützender Umgebung. Wenn im familiären Umfeld zu starke Belastungen im Weg stehen, wird der notwendige Entwicklunsgprozeß zunehmend gestört und aufgehalten oder künstlich aus der Not heraus beschleunigt. Das kann nicht gutgehen.

Aber zum Glück ist der Mensch lernfähig und in der Lage, so entstandene Defizite zum Beispiel im Rahmen einer Therapie aufzufangen und durch neue Erfahrungen zu heilen.

Ich versuche, den Mut nicht zu verlieren und daran zu glauben...

Katzenpfötchen
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Kindheit

Beitrag von Denker »

Meine Ursachen liegen auch in der Kindheit. Wurde sehr leistungsorientiert erzogen, bin daher heute perfektionistisch und neige dazu, mich zu überfordern.
Mein Vater war außerdem sehr jähzornig und gewalttätig und ich habe meine Kindheit und Jugend in Angst vor ihm verbracht.

Zu diesem Thema gibt es ein Buch, welches ein absolutes Muss ist, wenn ihr euch dafür interessiert:
Josef Giger-Bütler: Sie haben es doch gut gemeint

Liebe Grüße
Denker
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Kindheit

Beitrag von Denker »

Sorry doppelt
DerSchatten
Beiträge: 154
Registriert: 19. Feb 2009, 22:35

Re: Kindheit

Beitrag von DerSchatten »

>Zu diesem Thema gibt es ein Buch, welches ein absolutes Muss ist, wenn ihr euch dafür interessiert:
Josef Giger-Bütler: Sie haben es doch gut gemeint

Und wenn man erstmal verstanden hat, dass Vati an allem Schuld ist, kann man dann das zweite Buch holen: "Endlich frei! Schritte aus der Depression" Regt zum Nachdenken an, enthält aber keine eindeutigen Handlungsvorschläge.

Hey Denker ,
mir hat das Buch (I) sehr geholfen, meinen Vater bissl besser zu verstehen (deine Kurzbeschreibung deiner Kindheit hätte auch von mir sein können). Und vor allem hat es mir geholfen, kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn ich jetzt glaube, dass meine Kindheit (speziell der Vater) den Grundstein für meine Depri gelegt hat. Hab lang genug gebraucht, das überhaupt einzusehen. Nun heißt es... das Verstandene umzusetzen, bzw. sich selbst zu verstehen - darum gehts dann in Buch II.
Aber... gibt es denn auch Bücher für die, die eigentlich Kind bleiben wollen? Oder... ist das Nicht-Erwachsen-Werden-Wollen eigentlich ein echtes NICHT-WOLLEN oder ist das auch "nur" ein depressives Muster?
---
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Kindheit

Beitrag von tomroerich »

Liebe Nadalien,

Welches Schema habt ihr erlebt?

Das Schema hieß bei mir:
"Wie kommst du denn plötzlich in mein Leben und warum störst du hier herum?"

Ich konnts nicht beantworten, leider. Ich war mir darüber so unklar wie meine Eltern sich wohl unklar darüber waren, was die Früchte der Liebe eigentlich bedeuten.

Niemand hat da was böse gemeint. Das geschieht einfach so. Verantwortung dafür, Bewusstsein darüber, wer man ist - das ist nicht sehr häufig, ist aber Bedingung dafür, dass etwas nicht einfach nur so geschieht.

Je eher man versteht, dass man nie gemeint war, umso besser ist es. Diese Botschaften von früher leben alleine von der Wichtigkeit, die man ihnen im Nachhinein gibt. Das Schema will leben und sich reproduzieren, aber dazu braucht es dich. An sich ist es völlig tot aber du gibst ihm neues Leben. Verweigere deine Zustimmung!

Liebe Grüße,

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Nadalien
Beiträge: 112
Registriert: 7. Okt 2008, 17:33

Re: Kindheit

Beitrag von Nadalien »

Hallo zusammen!
Vielen Dank für die vielen Antworten. Und wieder mal stellt sich heraus, dass jeder sein Schema hat (kann ja auch gar nicht anders sein, bei so vielen Menschen ...
Immer jedoch scheint das Kind ein Störfaktor zu sein. Entweder indem es einfach nicht Kind sein darf, oder einfach unerwünscht ist.
Lieber Denker. Es gibt Bücher zum Kind, d.h. es gibt eher esoterisch (würd ich meinen) angehauchte Bücher zum Thema "Inneres Kind" und wie man es trösten kann (Autosuggestion). Hab eins und habs auch gelesen, ist allerdings schon ne Weile her. Müsste nochmal nachforsten, kann gerade nicht mehr dazu sagen.
Was mir geholfen hat, ist das Leben meiner Eltern mit Abstand zu sehen. Auch sie haben ja eine Vorgeschichte, und vielleicht, ja wirklich, wussten sie es nicht besser. Darum betrachte ich sie mit Abstand, und akzeptiere gewisse Verhaltensmuster, die sich über Jahre eingespielt haben - bei ihnen und bei mir. Oder ich probiere einfach Neues (im Verhalten, Agieren, Reagieren). Das macht gesund Beste Grüße, Nadalien
Nadalien
Beiträge: 112
Registriert: 7. Okt 2008, 17:33

Re: Kindheit

Beitrag von Nadalien »

P.S. oh Mann... Verantwortung übernehmen ist keine Mango, sondern ein Manko der Depressiven (siehe Haupttext) :0
DerSchatten
Beiträge: 154
Registriert: 19. Feb 2009, 22:35

Re: Kindheit

Beitrag von DerSchatten »

Wer hat schon gern Mankos - ich nehm auch lieber die Mango
---
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Kindheit

Beitrag von otterchen »

Schema?

Sei gefälligst dankbar dafür, dass du was zu essen und ein Dach über dem Kopf hast.
Und klemm dich hinter die Bücher, sonst stecken wir dich in die Fabrik, da lernst du, was Arbeiten bedeutet.
Und heul nicht rum, sonst kriegst du eins in die Fresse, dann hast du Grund zu heulen.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Nadalien
Beiträge: 112
Registriert: 7. Okt 2008, 17:33

Re: Kindheit

Beitrag von Nadalien »

Hallo Otterchen!
Hab mich grad erschreckt, weil ich erst dachte Du meinst mich... das ist ganz schön scheußlich, was du dir anhören musstest. Hoffe du hast keinen Kontakt mehr zu solch neidischen Eltern.
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Kindheit

Beitrag von otterchen »

Hallo Nadalien,

tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.

Nein, zu diesen Personen habe ich keinen Kontakt mehr, schon seit vielen Jahren nicht.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Emely
Beiträge: 320
Registriert: 19. Nov 2007, 20:43

Re: Kindheit

Beitrag von Emely »

Hallo, einen schönen guten Abend an alle,

was mir auffällt, ist, dass viel über die Kindheit und das Verhältnis der Eltern zum Kind und umgekehrt geschrieben wird, zum Beispiel von dir, Nadalien:


>>Immer jedoch scheint das Kind ein Störfaktor zu sein. Entweder indem es einfach nicht Kind sein darf, oder einfach unerwünscht ist.<<

Und weiter:

>>Was mir geholfen hat, ist das Leben meiner Eltern mit Abstand zu sehen. Auch sie haben ja eine Vorgeschichte, und vielleicht, ja wirklich, wussten sie es nicht besser. Darum betrachte ich sie mit Abstand, und akzeptiere gewisse Verhaltensmuster, die sich über Jahre eingespielt haben - bei ihnen und bei mir.<<

Ich denke, es stimmt, was Thomas schreibt: die Verhaltensweisen und Muster haben die Macht, die wir ihnen geben. Die Vergangenheit ist geschehen, und sicher, Nadalien, haben Eltern ihre eigene Vorgeschichte. Die meisten von ihnen wollen sicherlich alles andere, als ihren Kindern zu schaden. Die Frage ist, wie sehr es hilft, sich immer wieder auf Kindheit und dort Erlebtes zu berufen. Das eine ist, sie zu verarbeiten, und das das heißt für mich auch ein Stück weit das, was war, zu akzeptieren, wie immer es auch war, sonst wird man immer hadern und nicht zu Frieden finden.

Das andere ist, sich mit eigenen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen - hier können wir etwas ändern - die Ausgangsfrage war ja die nach dem Nicht-Erwachsenwerden-Wollen einerseits und dem Fühlen von Verantwortung auf der anderen Seite. Beide Seiten wollen sicher gesehen werden.

Manchmal scheint sich beides geradezu auszuschließen - so wie vieles in der Depression Erlebte - zum Beispiel die nötige Ruhe und das Weitergehen auf dem Weg hin zu mehr Gesundheit - immer im Wechsel. So meine ich, möchte auch der Mensch beide Seiten leben, die Freude am Leben, das Spiel, das Un-Erwachsensein genauso wie den Ernst und die Übernahme von Verantwortung.

Dass ausgerechnet, du, Otterchen, einen Rucksack nur voller >>Missgepäck<< mit dir herumträgst, kann man sich gar nicht vorstellen, du scheinst doch schon sehr weit auf deinem Weg zu sein.

einen Gruß

Emely
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Kindheit

Beitrag von otterchen »

Hallo liebe Emely,

joh, ich bin zwar schon weit, da ist aber doch noch das ein oder andere, was ans Licht will.
Jetzt scheint die richtige Zeit dafür zu sein - jetzt scheine ich die Stabilität dafür zu haben, mir einige Dinge nochmal genauer anzusehen.

Das Thema kam einfach hoch - und ich bin bereit dafür und kann mich darauf einlassen.


♥ ♥ ♥
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
DerSchatten
Beiträge: 154
Registriert: 19. Feb 2009, 22:35

Re: Kindheit

Beitrag von DerSchatten »

>>>Das Thema kam einfach hoch - und ich bin bereit dafür und kann mich darauf einlassen.
das klingt schon eher nach otterchen
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