Psychische Abhängigkeit von ADs?

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toto
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Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von toto »

Hallo zusammen,

meine Frau hatte 2003 eine reaktive Depression, die u.a. mit ADs behandelt wurde und nach einigen Monaten abklang.
Das AD (Trevilor) nahm/nimmt sie weiterhin - in vergleichsweise geringer Dosis (37,5 mg glaube ich) und fühlt sich nach eigenen Aussagen gut damit. Sie empfindet es als eine Art Schutzmantel.

Letztes Jahr hatte sie das Mittel für einige Monate abgesetzt, nach zwei fehlgeschlagenen Schwangerschaften
(jeweils Frühgeburten im den ersten Wochen der Schwangerschaft) dann aber wieder genommen. Vor ein paar Wochen war sie erneut schwanger, sie hat die Schwangerschaft dann aber - trotz grundsätzlich vorhandenem Kinderwunsch und ohne Anzeichen eines medizinischen Problems - abgebrochen, weil sie Angst vor einem erneuten Absetzen von Trevilor hatte.
Meine Frau ist 36 Jahre alt.

Für mich war das ein Schock. Nicht nur wegen des Schwangerschaftsabbruchs selbst, sondern weil es mir vor Augen geführt hat, wie - neutral formuliert - wichtig die Treviloreinnahme für sie ist.

Ich habe meine Frau in der akuten Depressionsphase erlebt und begleitet und wenn ich es mit damals vergleiche, dann würde ich nicht sagen, dass sie in den letzten Monaten/Jahren depressiv war/ist. Statt dessen verfestigt sich bei mir der Verdacht, dass sie eine Art psychische Abhängigkeit von Trevilor entwickelt hat.
Die Erfahrung der Depression hat sie derartig traumatisiert, dass sie eine Riesenangst davor hat, dort noch mal rein zugeraten. Jedes Gefühl, dass sich "nach Depression anfühlt" - zum Beispiel die Trauer nach den beiden Frühgeburten - ängstigt sie zu Tode und wird mit Trevilor bekämpft, weil sie das Vertrauen verloren zu haben scheint, da "selbst", also ohne ADs durchzukommen.

Das Trevilor wird ihr von Ärzten einer psychatrischen Abulanz verschrieben. Daneben macht sie seit Ihrer Depression eine Psychotherapie. Die Stunden bei der Therapeutin bringen sie nach ihrer Aussage weiter (Verhaltenstherapie - Abgrenzen lernen etc.).
Allerdings vermute ich, dass das AD (i.e. Leben ohne) bei der Psychologin nicht grossartig thematisiert wird, möglicherweise weil meine Frau gar nicht so Recht will, dass es thematisiert wird…

Trotz dieses relativ langen Textes - Danke für Eure Geduld! - ist das Geschilderte natürlich nur grob skizziert. Zu allen Facetten gäbe es viel mehr zu sagen, aber vielleicht fällt Euch ja trotzdem was dazu ein.

Gruss,
Torsten
Dendrit
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Torsten,

eine psychische Abhängigkeit mag vllt. da sein, es kann aber auch sein, dass Deiner Frau bewusst ist, dass sie ohne dem Trevilor nicht auskommt und das Medikament nehmen muss - DAMIT sie keine Depression (oder so schlimm) bekommt. Also dass sie vernünftig denkt.

Habt Ihr schon mal mit einem Arzt gesprochen, inwieweit tatsächlich Trevilor zu den Abgängen führte und ob es andere Möglichkeiten gibt? (Ich kenn Trevilor nicht, deshalb vllt. blöde Frage. )

Tut mir leid, was passiert ist. Ich nimm an, für Deine Frau muss das auch schlimm sein.

LG, Manuela
BeAk

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von BeAk »

Lieber Trosten,

es kann auch sein, das Deine Frau sich nicht in der Lage sieht eine Schwangerschaft durchzustehen, und/oder aber sich inzwischen gegen Kinder entschieden hat.

Sie ihr Leben so wie es jetzt ist weiter führen möchte.
toto
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von toto »

Hallo Manuela,

Trevilor hat aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu den Abgängen geführt, zumal meine Frau da ja gar kein Trevilor genommen hatte. In der Zeit hatte sie ja abgesetzt und als Reaktion auf die Abgänge bzw. die aus ihnen resultierende Trauer wieder mit der Einnahme begonnen. Die Abgänge dürften einfach Schicksal/Pech gewesen sein. Solche frühen Abgänge sind ja gar nicht so selten.
Bei Trevilor ist die Datenlage zu dünn, um halbwegs gesicherte Aussagen über mögliche Risiken während der Schwangerschaft treffen zu können. Der Frauenarzt riet ihr bei der letzten Schwangerschaft daher zu einem Medikamentenwechsel oder dem Schwangerschaftsabbruch, falls sie sich ein Absetzen nicht zutraue.


Hallo Bea,

ja natürlich, genau das war die Begründung. Sie traut sich eine Schwangerschaft ohne AD nicht (mehr) zu.
Und ja, möglicherweise ist sie auf dem Weg, zugunsten der AD sich von ihrem Kinderwunsch zu verabschieden. Abgesehen davon, dass mich selbst das ja auch betrifft, ich die Entscheidung aber nur "zur Kenntnis nehmen" und ggf. kritisieren kann, befürchte ich eben auch, dass sie diese Entscheidung gegen ein Kind irgendwann einholen könnte.
Ihr Kinderwunsch war in der Vergangenheit ohne jeden Zweifel und ich war eher der Zweifler/Bremser (Kinderwunsch ja/nein). Meine Frau sprach noch vor Monaten sogar davon, dass sie sich auch eine Adoption vorstellen können und dass sie auch ein behindertes Kind bekommen würde (sollte eine Behinderung während der Schwangerschaft diagnostiziert werden). Der Kinderwunsch war also offensichtlich stark.

Gruss,
Torsten
cool
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von cool »

Lieber Torsten,

bei mir ist das Thema Baby inzwischen aus Altersgründen abgeschlossen.
Deshalb kenne ich mich mit Medikamenten und Schwangerschaft nicht aus.
Es gibt aber Beratungsstellen. Zum Beispiel diese :
http://www.embryotox.de/

Ich denke nach den 2 Fehlgeburten und dem Schwangerschaftsabbruch braucht Deine Frau erst einmal Zeit, daß zu verarbeiten.
Du natürlich auch.
Darum würde ich jetzt auch nicht darauf drängen, eine Entscheidung zu fällen, ob ihr nun eigene Kinder haben wollt oder nicht.
Allerdings finde ich es wichtig, daß ihr über die Fehlgeburten und über den Schwangerschaftsabbruch sprecht. Das ist Trauerarbeit und Abschied nehmen. Trauer ist nicht gleich Depression, auch wenn es sich ähnlich anfühlt. Nach einem Trauerfall in der Familie, befürchtete ich z.B. wieder depressiv zu werden. Mein Psychiater sagte mir damals, Trauer und Depression, das wären " 2 verschiedene Kanäle " im Gehirn.
Wenn man Trauer aber nicht zu läßt und verarbeitet, kann dies wiederrum zu Depressionen führen.

Vielleicht stabilisiert sich auch im Laufe der Psychotherapie Deine Frau soweit, daß sie selbst über einen Medikamentenwechsel oder über ein Leben ohne Antidepressiva nachdenkt.

Viele Grüße Cool
toto
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von toto »

Hallo Cool,

mein Beitrag bzw. mein Ratsuchen sollte sich eigentlich nicht so sehr um das Thema Schwangerschaft drehen, der "freiwillige" Abbruch war nur ein weiterer Augenöffner.

Ich befürchte bei meiner Frau, dass sie durch das traumatische Depressionserlebnis, die Erfahrung "ADs haben mich davon befreit" und die jahrelange Dauereinnahme ("Schutzmantel") gewissermaßen verlernt hat, belastende Gefühle (in diesem Fall Trauer nach den Fehlgeburten, aber auch Ärger im Job o.ä.) als zum Leben gehörig und "normal" zu akzeptieren und sich auf sie einzulassen. Statt dessen ist die Reaktion "Oh Gott, jetzt kommt die Depression wieder!" nebst Griff zu ADs. Das wollte ich mit dem Titel des Beitrags "psychische Abhängigkeit" ausdrücken. Sie hat - obwohl mutmaßlich von der damaligen Depression längst geheilt - das Vertrauen in ihre seelischen Abwehrkräfte verloren und statt dessen die Abwehraufgabe an die ADs delegiert.

Ich empfinde auch die Trennung zwischen Psychiatern, die die Medikation entscheiden, an meiner Frau aber alles andere als "nah dran" sind und der Psychotherapeutin, die sich bei diesem Thema scheinbar raushält (raushalten muss?!) als sehr unglücklich. Ich kann irgendwie bei keinem der Beteiligten das Ziel "Leben ohne ADs" erkennen.

Zu vielen Themen rund um ADs sind reichlich Informationen - auch im Netz - verfügbar. Zu der von mir angesprochenen Problematik findet sich aber erstaunlich wenig.
adfd.org kenne ich, da geht es aber scheinbar hauptsächlich um andere Kritikpunkte.

Danke für Eure Zeit!

Gruss,
Torsten
Dendrit
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Torsten,

das ist wohl ein schwieriges Thema, vermutlich besonders für Außenstehende. Selbst kann man eher sagen, ob man sich abhängig fühlt und sich das eingestehen kann oder ob der "Griff zur Tabl." ein reales und sinnvolles Verhalten ist, dass jemand weiß, was der Auslöser eine Depri ist und ihn durch eine rechtzeitige Einnahme es zum Ausbrechen verhindern kann oder wenigstens nicht in der Intensität.

Ich kann Dich insofern als Außenstehender nicht leicht einordnen, ob Du jemand bist, der lieber eine Tabl.einnahme mit Erinnerung an eine Krankheit gleichsetzt und mit allem Möglichen versucht, das jemanden "auszureden" ODER ob Deine Vermutung Tatsache ist. Sorry, ich hoff Du nimmst mir die offenen Worte nicht übel.

Ich könnt mir vorstellen, dass das durch ein Gespräch zwischen Deiner Frau und einem Psychiater/Psychologen eher festzustellen ist. Die haben doch immer irgendwelche Fangfragen, wo man sich "verrät" - ob eine Abhängigkeit bewusst oder unbewusst besteteht.

LG, Manuela

PS: vllt. waren die Bezugnahmen auf die Schwangerschaften von den anderen auch so wie bei mir gemeint, dass das selbst uns als Fremde nicht kalt lässt.
BeAk

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von BeAk »

Lieber Thorsten,

in meinen Psychotherapien wurden bisher immer nur die Themen bearbeitet, die mir wichtig waren/sind.

Es ist Sache Deiner Frau, das Absetzen des AD in der Psychotherapie anzusprechen und um eine Unterstützung durch die Therapeutin zu bitten.

Tut sie dies nicht, wird sie schon ihre Gründe haben. Möglicherweise auch in dem Glauben, nicht ohne AD zurecht kommen zu können.
Nur, kein Mensch der Welt wird deine Frau dazu bringen, ein Thema erfolgreich psychotherapeutisch zu bearbeiten, das sie nicht bearbeiten will.

Die Therapie einer Abhängigkeit welcher Art auch immer, macht nur dann Sinn, wenn der Abhängige aus seiner Abhängigkeit herraus will.
aseia
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von aseia »

Hallo Torsten,
ich bin ebenfalls mitten in der Depression schwanger geworden, es war ein Wunschkind und geplant.Ich habe damals Sertralin genommen und es vorher abgesetzt.

Aber es ging absolut nicht, ich wurde aggressiv und habe mich so verändert, daß selbst mein Mann mich bat, wieder zum Arzt zu gehen.Darauf hin habe ich die niedrigste Dosis Sertralin genommen und über eine Beratungsstelle an der hiesigen Universität wurde Kontakt nach Berlin aufgenommen zu einer Beratungsstelle, welche sich mit Medikamenten und deren Auswirkungen auf das ungeborene Leben auskennen.
siehe auch den genannten Link "embryotox"

Von dort wurde ich intensiv telefonisch und schriftlich informiert und man nahm mir meine Sorge.Ich konnte also mein Baby austragen und auch mit dem Medikament stillen.

Ich weiß nicht, ob es ev. eine psychische Abhängigkeit von Trevilor bei Deiner Frau gibt.Ich selbst nehme jetzt auch seit einem halben Jahr Trevilor.Wenn es ihr damit besser geht, sollte sie es nehmen. 37,5mg ist die unterste Dosierung.
Glaube mir, der Wunsch das AD abzusetzen kommt irgentwann von alleine.Mann merkt selbst, ob man psychisch stabil ist oder nicht.
Du solltest sie nicht drängen.

Ob sie miit Trevilor schwanger werden kann, können euch nur Spezialisten sagen.Die o.g. Auskunftsstelle in Berlin ist auch für Laien als Ansprechpartner da.Man muß einen Fragebogen ausfüllen.

Ansonsten sollte sie sich von ihrer Frauenärztin in eine genetische Spezialsprechstunde überweisen lassen.Diese gibt es zumindest an Universitäten und mit einem Alter von über 30 Jahren gibt es da keine Schwierigkeiten, da es sich per Definition in diesem Alter immer um sog."Risikoschwangerschaften" handelt.Die Ärzte dort helfen auf jeden Fall weiter.

Bei mir war es ebenfalls so, ich war 39 Jahre alt und habe AD genommen.Deshalb spreche ich aus Erfahrung.

Ich wünsche euch alles Gute.
aseia
cool
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von cool »

Hallo Torsten,

wenn schwanger werden nicht das Problem ist, was stört Dich dann daran, daß Deine Frau weiterhin Trevilor nimmt ?
Es ist nicht ungewöhnlich, daß Antidepressiva als Rückfallprophylaxe weiter verschrieben werden, auch wenn die akute Phase vorbei ist.

Mir ist nicht bekannt, daß Antidepressiva psychisch oder körperlich abhängig machen. Vielleicht hast Du deswegen auch wenig oder nichts dazu bei Deinen Recherchen gefunden.
Wobei auch genau zu definieren wäre, was Du unter psychischer Abhängigkeit verstehst.

Auch wenn Du Deine Frau in ihrer Depression begleitet und unterstützt hast, kannst Du nicht ermessen, wie quälend dieser Zustand war. Selbst Betroffene untereinander können nur bedingt nachempfinden, wie schlecht es dem anderen geht oder ging.
Die Depression ist eine ganz individuelle Angelegenheit. Und die Depression ist eine Krankheit.
Das eine schwere psychische Krise ein traumatisches Erlebnis ist, kann ich bestätigen. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Ich habe nach den ersten Phasen, recht schnell vergessen, vielleicht auch verdrängt. Habe gedacht, es kommt nie wieder.
Dann auch die Medikamente gegen ärztlichen Rat abgesetzt, wegen den Nebenwirkungen. Und weil ich dachte, ich brauche das nicht, ich schaffe das alleine.
Nach 5 stationären Klinikaufenthalten (insgesamt 18 Monate) habe ich es dann gerafft, daß es bei mir nicht ohne Medikamente geht. Im Vergleich zu mir, scheint Deine Frau vernünftig mit ihrer Erkrankung umzugehen.

Antidepressiva zu nehmen, ist kein Zeichen von Schwäche. Und wenn eine Frau Antidepressiva nimmt, heißt das nicht, daß ihr Mann sie nicht glücklich machen kann.

Ich habe immer noch nicht verstanden, warum es Dich stört oder es Dich besorgt macht, daß Deiner Frau Trevilor so wichtig ist.
Darum geht vielleicht auch dieses posting wieder am Thema vorbei. (?)

Viele Grüße Cool
triste
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von triste »

Hallo Torsten,

ich finde die Frage, die Du aufgeworfen hast, sehr interessant. Wann soll ein Depressiver seine Medikation absetzen? Rechtfertigt allein die Angst vor einer erneuten Erkrankung die Fortsetzung der Medikation? Ist diese sogar eine Art "Bequemlichkeit", weil man unter AD gegen die negativen Erlebnissen des Lebens besser gewappnet ist?

Zunächst einmal stelle ich die These auf, dass sich das Empfinden von Trauer wesentlich unterscheidet von depressivem Erleben. Traurigkeit ist nicht gleich Traurigkeit. Ich selbst konnte und kann nach Abklingen meiner schlimmsten Episode, (auch heute noch unter AD), deutlich voneinander trennen, was ein depressives Symptom ist, und was eine "normale" Traurigkeit. Um eine "normale" Traurigkeit zu verhindern, würde ich niemals das AD erhöhen.
Ich weiß nicht, ob negative Erlebnisse bei Depressiven nicht generell, sozusagen automatisch, eine depressive Symptomatik hervorrufen, oder ob es den Unterschied zwischen "normaler" Traurigkeit und depressiver Traurigkeit bei allen Depressiven geben kann. Letztlich ist das aber auch irrelevant: Deine Frau empfindet sich selbst ohne Medikament als zu wenig resistent. Und das ist doch eigentlich Argument genug, oder?

Letztlich, finde ich, sollte jeder Depressive unbedingt auf sein Gefühl hören. Deine Frau hatte ja bereits einige Monate ihr AD abgesetzt und kann doch als einzige beurteilen, wie es ihr damit ging. Wenn sie das Gefühl hat, ohne AD nicht klar zu kommen, finde ich es richtig, dass sie sich den Schutz des ADs zugesteht. Selbst wenn sie, wie Du meinst, nicht mehr krank ist, so kann sie sicher gut beurteilen, ob wieder depressive Gefühle hoch kommen, was auch noch länger nach Abklingen der eigentlichen Episode der Fall sein kann. Sie selbst muss dann entscheiden, ob sie es riskieren will, weiter abzurutschen, oder ob sie versuchen will, ohne Medikamente erst einmal abzuwarten.

Deine Frage, ob sie durch das Medikament die Fähigkeit verloren hat, Trauer auszuhalten, stellt sich mir nicht. Erstens halte ich die Empfindung eines depressiven Menschen - seine eigene Relisienz betreffend - für einzig relevant und zweitens: was ist das Problem, wenn sie sich selbst mit AD vor einer erneuten (evtl. nur befürchteten) Episode schützt? Selbst wenn es so ist, wie Du sagst, nämlich dass sie eigentlich nicht mehr depressiv ist, was genau stört Dich daran, dass sie selbst offenbar das AD für lebenswichtig hält? Bitte bedenke, dass viele Menschen Medikamente ein Leben lang nehmen, weil sie chronisch krank sind. Auch eine Depression kann lange da sein und wieder stärker aufbrechen, wenn man Medikamente reduziert oder absetzt. Was spricht dagegen, wenn der Patient sie dann wieder einsetzt?

Wenn Deine Frau eine Schwangerschaft abbricht, weil sie das AD nicht absetzen will, dann deute ich das so, dass entweder ihre Angst vor einer neuen Depression tatsächlich sehr groß ist oder aber, dass sie vielleicht auch ein Problem mit der Schwangerschaft hat, vielleicht auch etwas, das ihr gar nicht bewußt ist.
Beide Gründe rechtfertigen ihre Entscheidung.

Natürlich ist es für Dich extrem schmerzlich, bei einer Entscheidung wie einem Abbruch aussen vor zu sein, das verstehe ich vollkommen. Aber ich appelliere an Dich, Deiner Frau das Vertrauen entgegen zu bringen, dass sie das für sich richtig entscheidet. Und ohne, dass sie es auch selbst (wirklich) will, macht es doch keinen Sinn, ein Kind zu bekommen, oder?

Was Deine Kritik an den Behandlern Deiner Frau betrifft: In der Regel sind Psychotherapeuten Medikamenten gegenüber nicht besonders wohl gesonnen und sprechen das Thema Absetzen deshalb auch immer wieder an. Vielleicht spürt oder weiß die Therapeutin Deiner Frau, dass es dafür noch zu früh ist?
Psychiater raten beim leisesten Zweifel wahrscheinlich eher zu einem Fortführen der Medikation, einfach weil es "einfacher" ist, als dem Patienten die Komplikationen einer eventuellen erneuten Episode zuzumuten und mitzutragen. Insofern muss der Patient sich selbst befragen, ob er einen Absetzversuch machen will, oder nicht.
Deine Frau hat das versucht und offenbar kein gutes Gefühl damit gehabt.

Es gibt viel Druck von aussen, wenn es darum geht, ob man AD absetzt oder weiter nehmen soll. Auch einige, die ich kenne (mich eingeschlossen), die entschieden absetzen wollten, haben ein erneutes Auftreten der Symptomatik erlebt und aus diesem Grund wieder hochdosiert. Wir wissen nicht, ob dies psychische oder pharmakologische Gründe hat. Tatsache ist, ohne AD geht es uns schlecht, und auch wenn man selbst eigentlich gern ohne AD auskommen würde, geht das manchmal nicht, bzw. bedeutet starke Einbußen der Lebensqualität.
Ich finde, die Entscheidung kann nur Deine Frau treffen. Was zählt, ist einzig und allein, ob und wie es ihr gut geht.
Dass Du Dir Sorgen machst, finde ich schön. Aber laufe nicht Gefahr, Deinen Eindruck über ihr Urteilsvermögen zu stellen.

Gruß!
Virginia
toto
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Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von toto »

Ich danke Euch allen für die zahl- und hilfreichen Denkanstösse! Muss das jetzt erst mal sacken lassen.

Gruss,
Torsten
Spitzweg
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Registriert: 25. Mär 2009, 15:20

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von Spitzweg »

Lieber Torsten,
ich hab selbst etwa 1 Jahr Trevilor genommen. Glaub mir das Absetzen war die Hölle, Angstzustände, Alpträume, ich wusste nicht was real oder Traum ist. Man könnte fast von Halluzinationen sprechen.
Ich glaubte auch, nicht zuletzt durch „druck“ von außen, das es ohne geht.
Nach dem Abklingen der Symptome, etwa 2 Wochen Hölle, ging es tatsächlich besser. Ich hab mich gut gefühlt und glaubte die Depri besiegt zu haben.
Das dicke Ende kaum wie der Dieb in der Nacht und langsam ging es bis ganz nach unten. Eh man sich das wieder eingesteht und eh ich das meinem Mann gesagt hatte vergingen wieder Wochen der inneren Qual, ohne das ein Außenstehender das merkt. Ich habe eine Art Fassade aufgebaut. Bis die Antriebsstörung und die innere Qual so groß wurden, dass ich wieder zum Arzt ging. Das ist jetzt 4 Monate her und ges geht mir trotz AD nicht viel besser. Jetzt habe ich ein andere Med. Moclonemid auch hoch dosiert, ohne besondere Wirkung, ich fahr immer noch „Achterbahn“. Jetzt muss ich es ausschleichen und bekomme dann das neue Valdoxan. Ich klammere mich an die Hoffnung es wird helfen.
Ich kann die Angst vorm Absetzen der AD von Deiner Frau sehr gut verstehen, glaub mir sie hat Recht.
Aus Erfahrung kann ich sagen, auch der Ehemann kann nicht beurteilen, ob man die Krankheit besiegt hat oder nicht. Es beleiben immer Ängste, Gefühle die nicht ausgesprochen werden ( können).Ein Depressiver hat selbst Schwierigkeiten alles einzuordnen. Das ist das schlimme und gefährliche an der Krankheit.
Lieber Torsten, hab Geduld
Schönes Wochenende MarianneC
BeAk

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von BeAk »

Lieber Torsten,
die Erfahrung hier geschildert wurden kann ich so bestätigen.

Auch ich habe versucht ohne mein pflanzliches Hilfsmittel auszukommen. Dann gab es größere Belastungen und ich war ihnen nicht gewachsen.
Hatte wieder depressiven Symptome.
Ich mußte wieder aufdosieren auf das doppelte der vorherigen Dosis, nachdem ich 2 Monate keine Mittel mehr eingenommen hatte.

Und selbst diese Dosis hat mich Anfang der Woche nicht vor einem Zusammenbruch geschützt.
Alinababina
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Registriert: 27. Nov 2007, 23:30

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von Alinababina »

Hallo Torsten,

Ich verstehe deine Überlegungen sehr gut. Dass man als Aussenstehender (selbst ich als persönlich Betroffene und langjährige Trevilor-einnehmende Patientin stelle mir immer wieder die Frage nach der psychischen Abhängigkeit) auf diese Gedanken kommt, ist nur zu verständlich, umso mehr bei euch auch noch das gemeinsame Thema Kinderwunsch/Schwangerschaft hinzu kommt.

Das Thema Schwangerschaft unter Trevilor lasse ich mal aussen vor, das ist zu heikel, als dass hier jemand dir wirklich verlässliche Ratschläge geben könnte.

Du sorgst dich um deine Frau, weil du den Eindruck hast, dass sie Trevilor als Schutzmantel (miss-)braucht/benutzt, um in ihrem weiteren Leben mit potentiellen Belastungen fertig zu werden. Ich finde es völlig logisch, dass du dir diese Sorgen machst. Virginia hat dir im großen und ganzen beschrieben, wie es vielen Betroffenen geht. Sie versuchen, das AD irgendwann loszuwerden, aus allen möglichen Gründen, unter anderem auch aus dem Grund, dass sie den Anspruch an sich selber haben, das Leben gerade eben ohne "Schutzmantel" meistern zu können, um wieder "normal" zu werden, um wie vorher leben zu können, um nicht mehr krank zu sein (durch die tägliche Tabletteneinnahme werden sie ständig daran erinnert, dass sie krank sind, dass ihnen etwas im wahrsten Sinne des Wortes fehlt, was einem Mangel und Makel gleich kommt). Und leider ist es so, dass sie damit meistens gehörig auf die Nase fallen..... Da hilft alles Wünschen und Wollen nicht, es IST tatsächlich so. Vor allem betrifft dies eben Depressive, die bereits mehrere und/oder besonders schwere Episoden hinter sich haben. Inwiefern das bei deiner Frau der Fall ist, kann ich nicht beurteilen.

Auch du hast diesen Anspruch, du schreibst ja selbst vom Ziel "ein Leben ohne AD". Wie gesagt, ich verstehe diesen Anspruch sehr gut. Ich habe jetzt (nach Erfahrungen, die denen von Virginia ähnlich sind) aber für mich persönlich beschlossen, vorläufig NICHT auf den Schutzmantel Trevilor zu verzichten und nehme dafür auch einige Nebenwirkungen in Kauf, die ich lieber nicht hätte. Meine schlimmen Erfahrungen, die ich in den einzelnen Phasen durchmachen musste, ließen diesen Entschluss in mir reifen. Ab und zu denke ich auch jetzt noch, dass ich es doch eigentlich auch ohne packen müsste, aber ganz objektiv frage ich mich dann: weshalb eigentlich? Um mir etwas zu beweisen, und wenn ja, was denn genau? MEINE Normalität besteht eben in täglicher Trevilor-Einnahme, und seit der Anspruch, es ohne schaffen zu wollen, bei mir nicht mehr im Vordergrund steht, lebe ich viel gelassener, und somit auch zufriedener, ja sogar glücklicher. Und das kommt auch meinem Partner und meiner Familie zugute.

Ich wiederhole mich noch einmal: ich habe vollstes Verständnis für deine Überlegungen, umso mehr deine eigene Lebensplanung ja durch die Entscheidung Pro oder Contra Schutzmantel mit betroffen ist. Leider kann ich dir keinen Rat geben, wie DU mit dieser Situation umgehen sollst, ausser mit deiner Frau über das Thema im Gespräch zu bleiben und wenn es geht, ihr keine Vorwürfe deswegen zu machen (was aber bestimmt nicht einfach ist, da du eigene Wünsche deswegen hintenan stellen musst).

Ich wünsche euch alles Gute und hoffe, dass ihr zu einer euch beiden zufriedenstellenden Lösung kommt.

Herzliche Grüße von

Alinababina
Mariposa
Beiträge: 55
Registriert: 26. Okt 2004, 21:44

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von Mariposa »

Hallo Torsten,

Dein Beitrag hat mich sehr berührt.

Ich habe im November nach einer langen sehr stabilen Phase mein AD ausgeschlichen im Hinblick auf Kinderwunsch. Leider ging es mir schon im Dezember zunehmend schlechter, ich habe dennoch ohne AD weitergemacht mit dem Ziel Schwangerschaft vor Augen.

Dann vor drei Wochen habe ich gemerkt, dass ich schwanger war. Und mit dem Augenblick war es vorbei. Ich bin in eine absolute Panik und Depression gefallen, auf einmal waren Gedanken da wie "wie soll ich ein Kind erziehen können, ich kann doch kaum für mich sorgen", "ein Kind wäre zuviel Belastung, ich kann das nicht", "wie soll es finanziell weitergehen". Nicht, dass ich mir davor keine Gedanken gemacht hätte, weit gefehlt, aber das... Ich hatte auf einmal das Gefühl, ich würde mich mit einem Kind in eine Gefängniszelle sperren.

Die Verzweiflung war so groß, dass ich die Schwangerschaft abgebrochen habe. Mein Leben ist nun komplett durcheinander, mein Familienwunsch, der so etwas wie sinnstiftend für mich war, hat sich als Illusion oder Märchenschloss entpuppt. Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Dazu kommt die Trauer um das Kind.

Jetzt, wo die Schwangerschaft vorbei ist, fühle ich aber auch, wie sehr die schwangerschaftsbedingte Hormonumstellung mich in diese absolute Ausnahmesituation gebracht hat. Man darf das wohl nicht unterschätzen.

Wie es jetzt weitergehen wird, weiß ich nicht. Das AD brauche ich jetzt auf jeden Fall als Stütze und werde es wohl mein Leben lang als Begleiter akzeptieren müssen. Auch möchte ich bald in eine Klinik zur Reha gehen.

Ob ich jemals nochmal eine Schwangerschaft wagen werde, kann ich nicht sagen. Wenn, dann wohl nur unter Einnahme von AD.

Zum Thema Abhängigkeit. Ich für mich glaube nicht, vom AD jemals abhängig gewesen zu sein. Wo ich dir aber rechtgebe ist die Tatsache, dass sich die Gefühle unter einer Art Schutzmantel befinden. Wenn dieser nicht mehr da ist, müssen sich die Gefühle neu ordnen und zurechtfinden, was leider mit einer hohen Anfälligkeit verbunden ist.

Die Angst vor einem Rückfall in die Depression ist immer groß, auch unter EInnahme von AD. Sie ist aber natürlich ohne AD noch um einiges größer. Wenn sich Deine Frau also nicht stabil fühlt, dann macht ein Absetzen von AD auch keinen Sinn, im Gegenteil.

Für Dich als Partner ist die Situation im Moment doppelt schwer. Denn zu dem bekannten Problem ist jetzt ein neues getreten, der Schwangerschaftsabbruch. Das ist für beide sehr schwer. Mein Partner ist im Moment auch überfordert mit der Sitation. Er versucht, einfach nur dazusein, aber auch das ist sehr schwer, weil er ja nicht nachvollziehen kann, was ich empfinde.

Ich wünsche Euch viel Kraft in dieser harten Zeit.
Mariana
triste
Beiträge: 1061
Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von triste »

Liebe Mariana,

mich hat Deine Geschichte total betroffen gemacht.
Ich wünschte, die Nicht-Depressiven in unserer Gesellschaft würden irgendwann einmal verstehen, was für Abstriche wir Depris machen müssen, was wir uns versagen müssen, um unser Leben überhaupt halbwegs aufrecht halten zu können.
Mich macht es unheimlich traurig, dass Du so eine Entscheidung treffen musstest und ich wünsche Dir sehr, dass Du Dir keine Vorwürfe machst!! Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine Schwangerschaft, bzw. der Umstand, dass ein Kind kommen wird, höchstgradig überfordernd auf eine depressive Frau wirkt, insofern hast Du mein vollstes Verständnis.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Frauen in der Vergangenheit diese Belastung aushalten mussten... wir müssen froh sein, dass wir (in unserem Land) heute die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, ob wir ein Kind austragen können ooder wollen.
Trotzdem macht es mich traurig, dass die Krankheit Deinen Herzenswunsch unmöglich macht. Aber vielleicht klappt es zu einem späteren Zeitpunkt, immerhin verändert sich ständig alles und wir entwickeln uns weiter, und mit uns die Krankheit.
Alle Frauen, die wegen der Depression ihr Kind nicht austragen, haben mein volles Mitgefühl und auch mein volles Verständnis für die Entscheidungen, die sie treffen.

Ich wünsche Dir und auch Torstens Frau, dass ihr keine Schuldgefühle entwickelt und dass ihr eines Tages Eure Wünsche nach einem Kind erfüllen könnt.

Alles Liebe,
Virginia
night
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Registriert: 16. Mai 2007, 20:36

Re: Psychische Abhängigkeit von ADs?

Beitrag von night »

Hallo Thorsten,

ich glaube Antidepressiva machen nicht nur psychisch abhängig. Auch wenn es immer herißt da seien nur Absetzerscheinngen habe ich ganz klare Entzugssymptome gehabt als ich mein Antidepressivum mal vergessen hatte. Das viel mir erst auf als ich Abends nach Hause kam und meine Medikamente auf dem Tisch liegen sah. Vorher hatte ich nur Panik und konnte mir nicht erklären woher die Entzugssymptome kamen.

Liebe Grüße

Andreas
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