bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

laudine
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bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Hallo, ihr Lieben,

das hier wird nach der Vorstellung mein erster Beitrag, in dem ich ein Thema anspreche, das mich momentan sehr beschäftigt.

Als ich im Herbst begann, in eine schwere depressive Episode zu schlittern, habe ich die wenigen sozialen Kontakten, die nach meinem Umzug in ein anderes Bundesland noch übrig waren, nicht mehr aufrechterhalten.

Ich konnte und wollte mich einfach nicht mehr jammern und klagen hören. Ich konnte dem, was für mich so viele Jahre immer wichtig war, nicht mehr gerecht werden, nämlich beweisen, dass ich eine empathische Freundin bin.
Eigentlich habe ich immer versucht, für meine FreundInnen da zu sein, ihnen zuzuhören und nachzufragen, früher war ich für viele der Kummerkasten. Früher. Selbst in früheren Phasen von Depression habe ich es geschafft, eher den anderen zuzuhören und mich ihren Problemen zu widmen (,was natürlich auch eine ganz eigene Funktion erfüllte).

Na ja… im Herbst dann ging es mal wieder bergab mit mir und da es durch den Umzug und die damit verbundene räumliche Distanz ohnehin schon eine gewisse Brüchigkeit in meinen freundschaftlichen Beziehungen gab, habe ich es irgendwie nicht geschafft, diese alten Bezüge weiter zu pflegen.

Im Winter dann habe ich gedacht, dass es nicht gut ist, diese wenigen Kontakte nun auch noch so abbrechen zu lassen und den Entschluss gefällt, einigen Menschen zu schreiben, dass ich an einer Depression erkrankt bin und daher nicht imstande bin, meine Kontakte so aufrechtzuerhalten, wie ich es früher getan habe.

Irgendwie resultierte diese Entscheidung aus dem Gefühl heraus, endlich, nach so so vielen Jahren offensiv mit dieser Erkrankung umzugehen, die mein Leben so sehr bestimmt und mich immer wieder in langen Phasen unterwirft. Da war dann vielleicht noch irgendwo so ein Restchen Mut in mir vorhanden. Vielleicht auch Trotz und ganz ganz sicher mal wieder der Wunsch, es möge ein soziales Netz in meinem nächsten Umfeld geben, das mich zumindest partiell auffangen kann.

Ich machte die Erfahrung, dass ich mit dieser Entscheidung zur Offenheit im Umgang mit der Krankheit sozusagen meine eigene Isolation beschlossen hatte, denn es geschah … nichts.

Obwohl…. Nein, da bin ich ungerecht, es kamen zwei oder drei vereinzelte Reaktionen.
In einem Fall kam eine kurze knappe email, die sich mit dem letzten Theaterbesuch auseinandersetzte.
Ein Briefchen kündigte an, man sei im Moment so unheimlich, wahnsinnig „busy“, werde sich aber in den nächsten Tagen telefonisch melden. Und zwar „Auf jeden Fall!“ Das ist jetzt vier Monate her.
Und eine Reaktion war ein ziemlich langes Telefonat, aus dem schließlich so eine Art Abschiedsgespräch für immer wurde.
Der Rest meiner Rufe war offensichtlich im Off verhallt.

Und seitdem dreht sich die Gedankenspirale in meinem Kopf. Abseits von allen anderen negativen Gedankenpools gibt es jetzt einen tollen neuen Pool, in dem sich die Depression mal so richtig ausschwimmen kann!“

Ich leide extrem unter dieser sozialen Bezugslosigkeit. Ich weiß, ich muss es selbst schaffen, die Initiative zu ergreifen, aber ich bin nach sehr vielen Jahren und ziemlich schlechten Erfahrungen, kombiniert mit meiner jetzt erlebten Isolation nicht mehr die, die ich vor vielen Jahren war. Ich bin misstrauisch anderen Menschen gegenüber geworden, schaffe es nicht, mich einzubringen, ja, wage mich nicht in neue Gruppen oder auf neues Terrain, und weil das alles natürlich nicht ausreicht, mache ich mich schließlich auch noch selbst dafür nieder, denke, dass ich es schuld bin, weil die alten Freunde sich von mir abgewendet haben, dass ich wahrscheinlich nie wieder ein einigermaßen stabiles soziales Netzwerk aufbauen kann (natürlich nicht ...), weil ich entweder gar nicht erst wage, mich in neue soziale Zusammenhänge zu begeben oder wenn doch, ich selbstredend mutmaße, dass mich sofort alle für eine verbiesterte und verkomplizierte alte Jammertrine halten.
Ich frage mich, wie ich es schaffen kann, aus diesem Teufelskreislauf auszubrechen.

Aber zum Schluss will ich auch noch was Gutes aus dem Hut zaubern.
Zwei Freundinnen sind mir geblieben. Und ich weiß, die bleiben auch...

... aber was mach ich mit dem Teufelskreis aus selbstgezimmerter Sozialverweigerung und schmerzhaft empfundener Netzwerklosigkeit?

Ach ja... hatte in einem anderen Thread mal nach Selbsthilfegruppenerfahrung gefragt... da will ich wirklich hin, aber .... aber ... aber .... na ja... siehe oben.

Danke fürs geduldige Lesen... ich schaffe es meistens nicht mich kurz zu fassen... ist einfach alles so viel...
... seid herzlich gegrüßt von
laudine
Radlerin

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Radlerin »

hallo.
das thema kenn ich auch.
die paar wenigen leute, die ich auf meiner liste stehen habe sind nur flüchtige bekannte. ab und zu betreibt man smalltalk und jedesmal wird mir versprochen sich zu melden usw.

doch ich komme auch nicht drum herum die kontakte endgültig zu löschen- denn dann wäre meine liste ganz leer. das tut auch weh. wenn es mir sch.. geht, ärger ich mich maßlos über mich selbt und ringe mit der entdscheidung.

aber mittlerweile kann ich die leute ganz abhaken, auch wenn es wahnsinnig weh tut (gerade in schlechten) zeiten. die überlegung ist; wieviel sind dir die leute noch wert??

ich weiß- es klingt wie ein klugscheisser und es ist schwer umzusetzten. aber wenn ich der person gegenübersitze und nicht weiß, was ich sagen soll (30min. totales schweigen), dann ist der fall für mich erledigt.

jetzt muss ich mich nur noch mit meiner leeren liste anfreunden. machmal klappt ablenkung, machmal auch nicht.

war das jetzt überhaupt verständlich geschrieben??? bitte frag nach, wenn du etwas nicht nachvollziehen kannst- kann bei meinem wirren geschreibsel schon mal vorkommen.
cybolon
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von cybolon »

Hallo Laudine,

von meinen Freunden habe ich ebenfalls die leicht sortierbare Menge 2 behalten. Ich bereue es allerdings kein Bißchen, dass ich die Sauger aus meinem Dunstkreis katapultiert habe.
Die dürfen jetzt woanders jammern, jemand anderen ausnutzen und volllabern.

Lieber nur 2, dafür aber ECHTE Freunde!

Interessanterweise wehre ich mich auch gegen neue Freundschaften.
Die Neuen lasse ich zwar in meinen Vorgarten (Smalltalk-Area), aber spätestens an der Haustüre (Deep-Thinking-Area) klappt meine innere Mauer hoch.

In der Kneipe ist es mir zutiefst zuwider, über Poltik, Religion oder Geld usw. zu quatschen. Das war früher alles kein Problem, ich konnte das stundenlang. Selbst mein bester Freund bekommt von mir signalisiert, wann er meine Aufnahmefähigkeit an ihre Grenzen gebracht hat und ich lieber mal der Musik lauschen möchte.

Sicher ist es Glückssache, einen solchen Freund zu haben, der auch in schlechten Zeiten zu mir hält und mich sogar in der Klinik häufiger besucht, als mein eigener, leibhaftiger Bruder.
Diese Freundschaft fällt aber nicht vom Himmel!
Auf beiden Seiten stehen am Anfang der Aufwand, den Anderen kennenzulernen, sowie das Interesse, Gemeinsames zu unternehmen.
Speziell in der Depression ist aber beides verdammt schwer, wenn nicht sogar phasenweise unmöglich.

Bevor Du damit fortfährst, auf Dir selbst rumzuhacken, könntest Du doch auch hinterfragen, ob Du Dir nicht lieber dankbar dafür sein solltest, dass Du die maroden Brücken hast einstürzen lassen.
Somit hast Du zwar weniger Wege zur Auswahl, aber die sind wenigstens trittfest.

Ja - und da kommt er auch schon wieder, der liebe Satz:

WENIGER IST MEHR !!!

Ruhig und ohne inneren- oder äußeren Druck, pflege ich meine beiden Freundschaften. Wenn es mir sch* geht, auch schon mal nur mit minimalem Aufwand. Letzteres versteht ein echter(!) Freund auch, ohne sich abzuwenden. Falsche Freunde dürfen gerne die Flucht ergreifen, wenn sie von meiner Krankheit hören.
Ich bereue nicht, mich geoutet zu haben, damit!

Ganz wichtig:
Die Leute, die Du als "Bekannte" beschreibst, können auch Freunde sein. Manche davon sind es nur, wenn Du sie brauchst oder andersrum.
Bediene Dich selbst an allem, was DIR(!!!) davon gut tut!

Hier im Forum habe ich ein paar Leute kennengelernt, welche ich in meinem Leben nicht missen möchte, selbst wenn wir uns nur 2x im Jahr (Forumtreffen) sehen und ansonsten lediglich mal ne Mail schreiben.

Auch bin ich mir selbst mehr Freund geworden, als ich jemals zuvor war und das tut mächtig gut.

Ich wünsche Dir echte Freunde, durch Dick und Dünn.
Vor Allem aber, dass Du Dir selbst die beste Freundin werden kannst.
(Dann klappt's auch mit dem Nachbarn )

Liebe Grüße
vom
cybolon
laudine
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Vielen Dank,

tut gut, eure Meinung zu hören.

@radlerin
wieso wirres Geschreibsel? Ich verstehe dich 100%ig. Und trifft es sehr gut. Mit der leeren Liste anfreunden… ja, das tut wirklich wirklich weh.
Bist du denn im Moment in der Lage neue Kontakte aufzubauen? Das ist ja nicht gerade einfach. Bei mir scheitert gerade das Ändern-wollen zusätzlich auf ganzer Linie.

@ cybolon
Als eine leicht sortierbare Menge bezeichnest du sie? Ja, schön gesagt. Sehr leicht sortierbar.
Und in puncto Geschwister teile ich übrigens deine Erfahrung. Wenn’s einer schlecht geht, dann ist von meiner Schwester nur noch die Ahnung eines lange vergessenen Schattens zu mutmaßen.

Tja … besonders bedrückend ist eben der Aspekt, gefangen zu sein zwischen dem „Ändern-wollen“ der Situation indem ich neue Kontakte suche und dem „Gefangen sein“ innerhalb der Depression. Ich kann mich tatsächlich momentan schlecht auf andere einstellen, vielleicht auch gar nicht, es ist so eine Mischung aus Zurückscheuen und misstrauischem Beäugen… und ich hasse mich besonders für Letzteres. Tja, offenbar will nicht mal ich selbst mit mir befreundet sein.

@cybolon
Ich finde es toll, dass du hier über das Forum Freundschaft hast finden können.

Ich denke immer, es kommt auch nicht wirklich darauf an, dass man ständig zusammenhängt. Es ist das Gefühl, mit dem was und wie man ist, aufgehoben zu sein, bei dem oder der anderen. Sich angenommen zu fühlen, eben auch mit dieser Erkrankung. Das ist so wichtig. Eben nicht immer alles erklären zu müssen, was da gerade bei mir passiert. Ach ja…

Wenn ich so zurücksehe, dann packt mich oft eine ungeheure Verbitterung. Und nu steh ich gerade vor der leeren Liste… Muss jetzt gerade mal aufhören zu schreiben.

Ich wünsch euch jedenfalls noch einen schönen Abend …
Seid herzlich gegrüßt von
laudine

P.S. und @cybolon … bloß keine Nachbarn… (schiefes Grinsen)
Radlerin

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Radlerin »

danke dir,
das beruhigt mich ja, dass man meinen text nachvollziehen kann.

das mit den neuen kontakten hat cybolon gut beschrieben (mit den areas). mal öffne ich mich, dann mach ich wieder zu. gaanz langsam. bei mir braucht man geduld.

ich hab mehr dazu gelernt. es fällt mir leichter den kontakt fallen zu lassen. im handarbeiten hab ich einen guten ausgleich gefunden. es ist angenehm etwas mit den händen machen zu dürfen; dann komm ich nicht so ins grübeln.

im moment ist mein kopf soo leer; weiß nicht mehr was ich schreiben soll.
DerSchatten
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von DerSchatten »

@laudine und radlerin
so traurig das ist... irgendwie ist es beruhigend für mich zu lesen, dass es anderen ähnlich geht und...
@horst
es ist auch gut, das mal von der anderen seite aus zu betrachten.

ich war früher auch für viele der kummerkasten. geblieben sind von meinen ganzen damaligen "freunden" genau: 0,0

jetzt bestehen meine sozialen kontakte aus einem besten freund. der ist mehr wert als alle anderen "alten freunde" zusammen - aber bringt mir auch das "problem", dass ich deshalb große angst habe, ihn mal zu verlieren. er ist nämlich der einzige, der meine depri-probleme kennt und mit dem ich drüber reden kann.
und neue leute kennen lernen... nun ja, wenn ich nur zu genau drüber nachdenke, bekomm ich nen herzinfarkt.

@laudine nochmal...
ich finds richtig mutig, dass du deinen bekannten beschrieben hast, wie es dir geht. die reaktionen zeigen aber auch, dass du diesen "freunden" nicht nachtrauern brauchst. nur bleibt halt leider dann der punkt, dass die liste ziemlich leer ist...
---
mezzanine40
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Registriert: 22. Mär 2009, 08:22

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von mezzanine40 »

Es ist nicht leicht, für jemanden, der noch nie Depressionen hatte, nachzuvollziehen, wie es einem geht....
Auch ich hatte damit Probleme, bevor ich es selber kennenlernen musste.
Vor Jahren hatte ich eine Freundin, die starke depressionen hatte und weil ich sie nicht verstanden hatte, haben wir uns gestritten. Danach ist die Freundschaft eingebrochen. Wir haben zwar heute hin und wieder mal Kontakt, aber eher zufällig. Sie sagte mir damals, Depressionen kann jemand nur verstehen, wenn er selber mal welche hattte. Nun, heute kann ich sie dermaßen gut verstehen....
Ich will damit sagen, es ist für Freunde mit unter verdammt schwer, zu verstehen, wie es in einem aussieht und das Abwenden ist u.U. eine Reaktion, weil man nicht weiß wie man mit umgehen soll. Meine Mutter z.B. sagte mir neulich, sie traut sich gar nicht mehr bei mir anzurufen, weil sie nicht weiß, ob es mich nervt oder nicht. Sie hat das Gefühl es sei mir nicht recht und zieht sich deshalb zurück. Eigentlich ist ja das Gegenteil der Fall. Andersherum ist es auch so, dass ich auch das Gefühl habe, die Leute zu nerven, denen ich immer und immer wieder von meiner Umklammerung berichte.
DerSchatten
Beiträge: 154
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von DerSchatten »

Mmh, so wie mezzanine40 es beschreibt, kann man es natürlich auch sehen.
Warum müssen zwischenmenschliche Beziehungen nur immer so sch... kompliziert sein?
Aber das ist wohl auch Bestandteil der Depri, dass man zum einen nicht genug Leute hat, mit denen man reden könnte - und gleichzeitig auch alles tut, dass man diese Leute auch nicht "findet". Blöder Teufelskreis.
---
Radlerin

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Radlerin »

das es für außenstehende schwierig ist nachzuvollziehen kennn ich auch sehr gut. ich habe mich auch sehr mit meinen äußerungen zurück gehalten - dadurch entstand oft das gefühl von small talk.

ein richtiges rezept bzw eine anleitung für den sozialen kontakt gibt es leider nicht.

mir tut es im moment ganz gut mal gan neue leute kennen zu lernen- in einer fremden stadt. zu annfang war ich sehr verunsichert, was auch zu depri-schüben geführt hat. aber mittlerweile läuft es sich so ein. es ist nicht perfekt, aber immerhin gibt es small talk personen un den einen oder anderen, mit dem man mehr spricht. meine ganze geschichte werde ich nicht erzählen, aber immer so brockenweise berichten.
cybolon
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von cybolon »

Hallo Mezzanine,

ähnlich erlebte ich es mit meiner Mom.
Nach dem Tod meines Dad wurde sie depressiv. Sie rief mich an und sagte: "Mir ist sooooo langweilig !!!" Meine typische Outsider-Antwort war: "Mensch Mama, da draußen ist schönstes Wetter, geh doch mal Enten füttern, kein Wunder, wenn Du nur auf der Bude hockst..."
Wie sollte ich auch nur ansatzweise erahnen, dass die Frau an der totalen Unterreizung litt? Erst, als ich selbst in der Depression war, lernte auch ich diese Unterreizung kennen:

Wir wissen überhaupt nicht, was wir machen sollen, denn wir können ja auch überhaupt nix machen. Selbst das Runterdrücken einer Türklinke kann sich wie eine ungeheure Anstrengung anfühlen, in der Depression.

Die ewig langsamen Stunden des Tages, derenthalben wir alle 5 Minuten auf die Uhr schauen, weil wir uns nach nichts mehr sehnen, als endlich wieder ins Bett zu dürfen und diese ätzende Lähmung gegenüber jeglicher Tätigkeit.
Die immerwiederkehrende Frage "Wozu das alles?"
Der Verlust jeglicher Hoffnung auf irgendeine Besserung.
Der Kloß im Hals, dieses ätzende Körpergefühl.
Heul-Tage.
Das Kopfkino, Grübelzwang.
Schlaf- und Apetitlosigkeit.
Minderwertigkeitsgefühle, sich lästig vorkommen.
Autoagression.
Dann schließlich der Wunsch, alles ruckartig zu (er-)lösen.

Wer an diesem Punkt einmal angekommen war, der und nur der, kann verstehen, wovon wir überhaupt srechen. Warum also sollte es uns irgendwas nützen, es einem Outsider zu erklären?

Na - - Aufklärung!
Wüssten Laudine's "Freunde" genauer Bescheid, wären sie vielleicht eher bereit, mit der Situation überhaupt umzugehen.

Ich bewundere all' unsere Angehörigen, die DAS mit uns durchgestanden haben (Oder noch durchstehen)!

Auch wir selbst gehören bewundert. Höchsten Respekt habe ich vor allen Leuten, die diese Krankheit (über)leben wollen/müssen. Höchstleistungen im Denken und Schwerstarbeit an der eigenen Disziplin werden abverlangt. Ganz zu schweigen von Angst- und Panikattacken, sowie psychosomatischen Schmerzen.

Müde belächeln kann ich heute nur noch die Leute, wenn sie sagen: "Reiss Dich mal zusammen".

Wie Radlerin schon sagt: Eine Anleitung gibt es nicht.
Jeder hat andere Bausteine in sich.
Eines ist aber gewiss: Freunde suchen wir ganz anders aus, als früher.
Wenn es nich klappt, bleiben wir lieber, wie Schatten , bei 0,0.

Hugh, me spoken!

Liebe Grüße
vom
cybolon
laudine
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Registriert: 9. Mär 2009, 20:12

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Guten Abend, ihr Lieben,

danke für eure vielen Beiträge. Dass und was ihr mir schreibt, tut mir wirklich gut. Es hilft mir, mich nicht so allein zu fühlen und ich lese mit Interesse, unter welchen Aspekten ihr dieses Thema betrachtet.

@schatten … danke … ach ja… ach .. mutig… ach na ja…es war halt eher so der Mut der Verzweiflung…

@radlerin … ich handarbeite auch sehr sehr gern…. Sehr. Und es hilft mir auch. Diese Erfahrung kann ich nur bestätigen. Wenn nix mehr geht… das geht dann meist noch…

@alle. Ihr habt ja viel von euch berichtet. Unter all den Erfahrungen und Aspekten, die von euch angesprochen wurden, möchte ich besonders herausgreifen:

Den Angehörigenaspekt.

Auch ich bin der Ansicht, dass Depression nur sehr schwer dem sozialen Umfeld kommunizierbar ist. Besonders diejenigen von uns, die seit ihrer Kindheit und Jugend unter der Erkrankung leiden und sie schon etwas länger mit sich schleppen. Wir haben es gelernt, oft erstmal weiter zu funktionieren und weiter und weiter, bis rein nichts mehr geht. Aber wenn dann dieser Punkt erreicht ist, dann haben diejenigen, die uns am nächsten stehen, es auch wirklich schwer.

Da, an dieser Stelle liegt der schmale Grat, über den ich mich bewegen muss. Einerseits das Ziel, ein reflektiertes Verständnis für die „Außen-“stehenden aufbringen zu können (die ja oft z.B. in Form von engen Lebenspartnern rein physisch so sehr außen gar nicht sind), andererseits, mich dabei nicht so zu verbiegen, dass ich mal wieder über meine Grenzen hinweg agiere und unauthentisch werde.

Oder in einer schlimmen depressiven Phase, in der die Lähmung um sich greift ist es doch für beide Seiten furchtbar. Für uns (übrigens das Türklinkenproblem perfekt genau geschildert, Cybolon) , aber auch für die, die um uns rumspringen mit ihrem: „Machdochmalwas und reißdichdochmal…“

Tja… Aufklärung. Drüber reden… ich halte es auch für das Beste, daher auch mein etwas kläglich ausgegangener Versuch, offensiv mit der Erkrankung nach außen hin aufzutreten. Ich sollte zu meinem kleinen Erfahrungsbericht vielleicht noch hinzufügen, dass ich in meiner Rundum-Botschaft an die alten Freunde nicht nur deutlich gemacht hatte, dass ich an einer Depression erkrankt bin, sondern auch, dass ich schon sehr lange darunter leide, dass die Antriebslosigkeit und der soziale Rückzug und andere Symptome dazu führen, dass ich nicht oder nur unter Schwierigkeiten imstande sein werde, von mir aus den Kontakt aufrecht zu erhalten.

Ich glaube, insgeheim habe ich mit dieser Botschaft an die alten Freunde gehofft, dass sie Nachfragen aufwerfen würde, die dann wiederum zu einer Diskussion hätten führen können.

Manchmal denke ich, dass Menschen Angst haben, Depression sei ansteckend. Aber das ist eine etwas gewagte These und es könnte sein, dass ich nur aus Verbitterung so denke.

Oh Gott, das wird hier schon wieder alles viel zu lang….

Wie gut es mir tut, von euch zu lesen. Danke dafür.

… seid allesamt herzlich gegrüßt von

laudine
schmetterding
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Registriert: 9. Feb 2009, 01:13

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von schmetterding »

es tut wirklich gut zu lesen, dass es auch anderen so geht. soziale kontakte.. hmmm...
small talk, ja, das geht meistens, aber über mehr kommt es doch nicht hinaus. alle freundschaften sind futsch. und oft tut das auch verdammt weh. aber solange man auch nur einen menschen habe, auf den man sich wirklich verlassen kann, bei mir ist es mein partner, hat man schon viel. ich denke, dass es immer leicht ist, in "guten" zeiten, freunde und kontakte zu haben. solange ist es ja auch für alle beteiligten einfach. aber wenn wirklich schwere zeiten kommen, bleiben meist wenig übrig. aber die wenigen, die übrig bleiben, und wenn es nur ein mensch ist, auf die kann man sich dann wirklich verlassen und da steckt echte freundschaft oder liebe dahinter. so oft es auch weh tut, sind wir da nicht vielleicht sogar besser dran, als all die "gesunden", die ihr leben mit oberflächlichen spaßfreundschaften verbringen?
meine therapeutin meint, dass der verlust sozialer kontakte nicht so dramatisch ist, solange noch eine person bleibt, und noch interesse für irgendwas besteht.
für depressive ja nicht ganz leicht, aber ich habe es geschafft, aus meinem großten hobby, dem tanzen, häufig auch kraft zu ziehen...
Radlerin

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Radlerin »

ich finde es immer wahnsinnig interessant, dass es anderen auch so geht. hab uch depris erlebt, die sind in sozialen kontakten sehr eingebunden. manchmal wundert es mich doch ein wenig.

naja. wenn jemand interesse an einem handarbeitsaustausch hat oder fragen hat, kann er mich gerne anschreiben und fragen.

ansonsten wünsche ich allen ein schönes wochenende (die finde ich immer am schlimmsten rumzukriegen)
laudine
Beiträge: 237
Registriert: 9. Mär 2009, 20:12

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Hallo,

ja, das kenne ich von mir aus alten Zeiten. Noch "relativ" eingebunden in soziale Bezüge, selbst in schlechten Zeiten, aber dann das Gefühl, nicht wirklich anwesend zu sein, den Gesprächen und Kontakten nicht mehr gerecht werden zu können. Angst zu haben, unaufmerksam zu sein oder aber hochtourig zu laufen in Gesellschaft und danach vollkommen, sozusagen wie ausgezehrt zusammenzubrechen... so war das früher bei mir...

und @radlerin: Ich fände es schön, wenn wir hier im Forum vielleicht einen Bereich hätten, wo alle, die kreativ tätig sind, Austausch über ihre Kreativität haben können und diese Idee mal zur Diskussion in den Bereich Feedback gestellt.

Seid herzlich gegrüßt von
laudine
cybolon
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von cybolon »

Hallo Laudine,

was Du weiter oben schreibst, mit "ansteckend" ist doch garnicht so weit hergeholt:

Miese Laune steckt nun mal an. Egal wer ihr beiwohnt, seine Stimmung geht mit runter. Auch habe ich inzwischen öfter von Paaren gehört, bei welchen der zweite Partner ebenfalls in Depression fiel.
Bei meiner Frau konnte ich sehr wohl wahrnehmen, wie sehr sie unter der Last meiner Krankheit litt. Auch, dass sie es, trotz einer gesunden Psychohygiene ihrerseits, nicht abwenden konnte, mit(!)zuleiden.

Wenn mir heute jemand heulend entgegenkommt und "Horst, ich hab ne Depression" sagt, renne ich zwar nicht gleich weg, aber ich merke, wie meine Mühlen den Takt ändern und mir undaufhörlich zuflüstern: "Mitfühlen, ja! Mitleiden, nein! Je nach Temperament und Naturell des Betroffenen, kann es sogar zum Rückzug bei mir kommen.

Gut, wir denken hier ja darüber nach.
Wollen wir es hingegen denen übel nehmen, die sich schützen, ohne darüber nachudenken? So manches "Von-uns-abwenden" kann tiefe Wurzeln beim Freund haben, von denen wir nichts ahnen.
Erlauben wir unseren "Freunden" also den Rückzug, so wie wir ihn uns verdammtnochmal auch selbst erlauben sollten!

Jene, mit starker Psychohygiene und evtl. reichlich Zuneigung für uns, bleiben und fühlen mit. Dadurch bekommen aber auch wir eine Verantwortung, nämlich dafür, dass unsere Freunde nicht mitLEIDEN und Gefahr laufen, selbst abzurutschen.

Liebe Grüße
vom
cybolon
laudine
Beiträge: 237
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Hallo Cybolon,

ich gehöre eher zu der Fraktion, die sich selbst bis zur Unkenntlichkeit verbiegt, damit andere nicht durch meine Erkrankung "belästigt" werden. Seufz...

Wenn ich in einer sehr schweren depressiven Phase stecke, bin ich aber nicht immer in der Lage, so differenziert zu urteilen, wo und wie nun meine Anteile oder die anderer Menschen dazu führen, dass ich von ihnen zurückgewiesen oder abgelehnt werde.

Wie ich ja schon schrieb, das ist eine schmale Gratwanderung zwischen dem Zu-sich-selbst-stehen und dem Maß der gesunden Rücksichtnahme auf andere.

Mit "ansteckend" (siehe mein vorletzter Beitrag) meinte ich jetzt übrigens nicht einfach nur "schlechte Laune" (die ist zweifellos ansteckend), sondern die Scheu mancher Zeitgenossen, sich mit einem Menschen vertraut zu machen oder vertraut zu sein, der an einer psychischen Erkrankung leidet, so, als könne davon gewissermaßen etwas abfärben. Ich habe derartige Stigmatisierungen mit Mitte Vierzig bereits in früheren Phasen in meinem Leben erlebt und so etwas bringt mich immer wieder aus der Fassung.

Zum Punkt Mitfühlen-Mitleiden...
Ich erlebe das sehr unterschiedlich. Bei mir ist es so, dass das Mitfühlen manchmal auch Mitleiden bedeutet. Das ist in Phasen, in denen ich im Gleichgewicht bin, in Ordnung für mich, denn es gelingt mir auch später wieder, mich einzupendeln. In Phasen, in denen ich selbst nicht stabil bin, sind das Situationen, in denen ich oft über meine Grenzen gehe und mich anschließend ziemlich ausgezehrt fühle.

Ich finde übrigens aber auch, dass es sehr hilfreich ist, mit Menschen zusammenzusein, von denen ich weiß, dass sie achtsam mit sich selbst umgehen. Denn das bewahrt u.a. mich wiederum vor den Schuldgefühlen, die ich oft habe, wenn ich denke, dass ich mit meiner Erkrankung eben eine "Zumutung" für andere bin.

Nochmal lieben Dank für deinen Beitrag und sei herzlich gegrüßt von
laudine
Cookie
Beiträge: 290
Registriert: 26. Jun 2006, 17:55

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Cookie »

Hallo Horst!
Tolle Beiträge!!!
Nur mal so
grüßt
Luna
Marke1
Beiträge: 54
Registriert: 22. Sep 2007, 20:04

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Marke1 »

Hallo,Ihrs,
auch ich möchte mich herzlich für eure Beiträge und Gedankenäußerungen bedanken.
Sie treffen sehr gut, was auch bei mir durch die Depression losgetreten wurde und es ist gut zu wissen, daß es anderen auch so passiert !


Viele sonnige GrÜße
die Klar
Radlerin

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von Radlerin »

hallo laudine.
ich wollte mal auf deine handarbeitserfahrungen zurück kommen. ich weiß, es gehört überhaupt nicht hierhin...

kennst du das tuch namens "kiri"?? ich möchte das gerne machen. bin aber zu blöd die anleitung zu verstehen.

eigentlich passt es ja so ein ganz, ganz kleines bisschen. hab nämlich niemanden zum fragen.

also, wenn es jemanden gibt, der die anleitung einem idioten erklären kann, bitte melden *schäm- und schon weg bin*
laudine
Beiträge: 237
Registriert: 9. Mär 2009, 20:12

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Hallo radlerin,

ich hab gerade mal gegoogelt und eine pdf- Anleitung gefunden. Ein wirklich wunderschönes Tuch. Sieht aber kompliziert aus.

Mal überlegen...

Stimmt, eigentlich gehört das Thema ja nur ein kleines bisschen in diesen Thread hier.
Lass uns doch mit Kiri in einen anderen Bereich des Forums umziehen. Ich schlage einfach vor, wir lesen voneinander im Bereich "andere Therapieverfahren". Ich mach da einen Kiri-Thread auf, ja?

Ich hoffe, dass das okay ist.

Bis später und liebe Grüße
laudine
hubsia
Beiträge: 639
Registriert: 19. Mär 2003, 16:33

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von hubsia »

Hallo Horst!
Mein Gott, Du bist ein harter Brocken, ich las gerade Deine Antwort hier im Beitrag. Lass sie andere aussaugen und volllabern, gut das Du nie in der Situation warst wa. Du bist schon ein toller Hecht, alle Achtung.
Gruß Hubert.
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von otterchen »

Guten Morgen lieber Horst, frohe Ostern an alle hier!

Horst, ich glaube, ich verstehe, was Du meinst:
wir haben nicht das RECHT darauf, dass andere für uns da sind. Da können wir noch so sehr verzweifeln, jammern, aufstampfen, beklagen: wir können niemanden dazu verpflichten, für uns dazusein.

Je eher wir das einsehen, desto eher wenden wir uns uns selbst zu - so lange das auch dauert, so mühsam das auch ist.
Besser jedenfalls, als ins Beklagen zu verfallen - das bringt niemanden zu mir, und mir selbst stiehlt es nur die Zeit, die ich sinnvoll für mich selbst verwenden könnte.
(selbstverständlich darf man darüber auch traurig usw. sein, aber es geht mir darum, dass dieses Gefühl nicht dauerhaft bestimmend sein sollte)

Natürlich wäre es schöner, wenn alle füreinander da wären - keine Frage! Aber so ist es nun einmal nicht. Akzeptanz!

Und genauso wie wir das Recht (und vielleicht sogar die Pflicht) haben, uns vor Menschen und/oder Situationen zu schützen, die uns nicht gut tun, so haben andere das Recht, dies mit uns zu tun. Bitter, ja, sind wir doch in der Depression besonders bedürftig. Unsere Bedürftigkeit bedeutet jedoch nicht, dass automatisch andere Menschen ihre Zuwendung für uns abzwacken können.

Ich habe mich früher z.B. dabei ertappt, dass ich mir wünschte, andere würden sich für mich interessieren. Nur: habe ich mich für andere interessiert?!

Man kann soziale Bindungen nicht erzwingen, und es gehört wohl leider zum Lauf der Welt, dass diese wachsen und schrumpfen, dass sie sich wandeln (von fern zu nah, von negativ zu positiv - oder umgekehrt), dass da mal viele Menschen sind und mal wenige.
Ich bin derzeit so mit mir im Reinen, dass ich einer Freundin Unterstützung geben kann. Und ich merke, dass auch von ihr etwas zurückkommt, dass auch meine Person in den Fokus rückt, dass ich positives Feedback bekomme, Komplimente erhalte, etwas aus dieser Zeit mitnehmen kann. Selbst wenn diese derzeitige Freundschaft irgendwann einmal vielleicht weniger wird, so habe ich dennoch einiges, was ich derzeit in mein Schatzkästchen legen kann.
Ich bin aber auch jemand, der die Erfahrung gemacht hat, dass es manchmal auf Zufälle, auf Fügungen des Schicksals ankommt, dass sich die Dinge ändern können. Ich habe erfahren, dass nach Phasen des Alleinseins wieder geselligere Zeiten kommen, und das lässt mich diese Zeiten etwas besser durchstehen.
Und dieser Gedanke hat doch auch was Österliches, oder?

und der Wunsch, dass Ihr heute die Sonne, die knospenden und blühenden Pflanzen sowie das Vogelgezwitscher genießen könnt.
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elas
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von elas »

Guten Morgen, Otterchen,

hab Dank für dieses schöne posting. Ersetzt meine österliche kirchliche Predigt heute.
Das meine ich ganz ganz ernst.

Laudine, den von Dir eröffneten thread habe ich mit großem Interesse verfolgt, da bei mir im Moment sich auch ein paar Beziehungen verändern. Zu meinem Leidwesen, mit Trauer empfunden von mir.
Ich grüble dann immer über die Ursachen, ob ich was falsch gemacht habe oder ob es ganz einfach nur der Lauf der Dinge ist.

z.B. ist der Ehemann einer langjährigen Freundin und Nachbarin gestorben.
Die rennt nur noch weg, ständig auf Achse.
So traure ich halt anders als sie und ein wenig alleine hier.

Ich kann niemanden zwingen, sich so zu verhalten, wie ich es brauche, wie ich es richtig finde.

Wenn ich allerdings zu oft so ein Gefühl habe, geht die Beziehung in Distanz.

Spannend fand ich auch an den verschiedenen Beiträgen, dass wir alle sehr wohl das Recht haben, uns zu schützen vor Situationen und Menschen, die uns nicht guttun.
Und ebenso kann es sogar die beste Freundin sein, die sich schützt, weil sie grade mit unseren depressiven Gefühlen nicht klarkommt oder halt selber grad viele Sorgen hat.

Ich könnte dann immer toben und heulen. Nutzt nichts.

otterchen, so wie Du schreibst geht es mir auch oft.
Immer wieder treten neue und interessante Menschen in mein Leben. Aber eben auf Zeit.
Mir fällt das so schwer, das zu akzeptieren. Ich hätte doch so gerne meine guten Beziehungen ununterbrochen und auf Lebenszeit gebunkert.
Is halt nicht.

Auch Phasen größerer Einsamkeit kenne ich dadurch. Auch dieses Ostern isr nicht der Hit hier bei mir.
So lag ich halt gestern auf meiner Terasse und habe einen schönen Roman gelesen.

Alles fließt. Auch schwierigere Phasen gehebn vorbei, mein Selbsttrost.

Schöne Ostern Euch allen

elas
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otterchen
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von otterchen »

Hallo Elas,

hm, ja, der Wunsch nach einer dauerhaften Freundschaft ist gut nachzuvollziehen. Da berichten Menschen von Freunden, die sie schon aus dem Sandkasten / Kindergarten / aus der Schulzeit haben. Und unsereins? Fehlanzeige.

Mir kommt gerade der Begriff BEWERTUNG in den Kopf.
Ist eine langdauernde Freundschaft wirklich qualitativ (immer) besser als wechselnde Freundschaften? Oder interpretieren wir das hinein? Können vorübergehende Freundschaften nicht auch tiefer, intensiver, berührender sein?

Was rührt uns denn beim Begriff der langen Freundschaft? Ist es die Stabilität? Ist es das, was wir eigentlich suchen und brauchen? Und ist es dann nicht etwas, was wir erst einmal in uns selbst finden sollten? Oder dass die Menschen lange Jahre an uns hängen - weil wir das selber nicht können, weil wir immer wieder den Kontakt zu uns selbst verlieren?

Mir bleibt für heute nur die Frage:
welcher Freund will ich mir selbst sein
und
welcher Freund will ich für jemand anderen sein?




au weh, bin ich wieder tiefschürfend heute...
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laudine
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Re: bye-bye, ihr alten Freunde - vom Verlust sozialer Bezüge

Beitrag von laudine »

Hallo miteinander,

ich finde Otterchens Frage absolut spannend.Im Zusammenhang mit der Differenzierung nämlich zwischen den langjährigen und den anderen Freundschaften.

Ich habe schon oft gedacht, dass es in meinem Leben mit den freundschaftlichen Beziehungen ist, wie auf einer Bahnfahrt.
Geleise, die sich meinen Geleisen annähern, eine Weile gemeinsam, eine Weile nebeneinander laufen, dann sich verzweigen, wieder einen anderen Kurs einschlagen.

Ja, und ich könnte gar nicht sagen, ob es mir besser ginge, würde ich nun auf steinalte, gewachsene Verbindungen blicken. Ich glaube, das ist sehr davon abhängig, was man so erwartet oder wo die eigenen Defizite liegen.

Bei mir war es immer der Wunsch nach Familie, nach so was ganz bodenständig verlässlichem. So eine Art Kaffewerbungsillusion, die dann auch immer in Vorstellungen von Freundschaft eingeflossen ist.

Aber ginge es mir jetzt und hier wirklich besser, wenn ich in einem Kaffewerbungsfreundschaftsverbund stecken würde? Und beispielsweise feststellen würde, dass alles nur brüchige Fassade ist, oder die Strukturen so fest, dass ich mich nicht weiterentwickeln kann oder oder...

Andererseits erlebe ich bei mir selbst gerade, wie müde ich durch die ganzen sozialen Brüche bin. Da sind dann welche bei, die ich selbst gezimmert habe, aber auch welche, die einfach so geschehen sind, oder für die andere die Verantwortung tragen.

Und weil ich so müde bin und eben mit der Depression lebe, fällt es so schwer, wieder neue Kontakte zu knüpfen und dann kommt sie wieder, die Wunschvorstellung nach der "Heilen Welt". Und andererseits das Gewahrwerden der Dikrepanz zwischen dieser Vorstellung und der Realität.

Vielleicht, so denke ich manchmal, hat es auch seinen Sinn, phasenweise eben allein zu sein.
"All-eins", wie einer meiner Dozenten von früher das zu sagen pflegte.

Bin heute morgen etwas wirr nach einem Migränewochenende.

Seid herzlich gegrüßt von
laudine
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