Mr. Orientierungslos

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lt.cable
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Mr. Orientierungslos

Beitrag von lt.cable »

Hallo an alle !

Ich melde mich erst jetzt zurück, obwohl ich die Klinik schon lange wieder verlassen habe. Was hat mir die Klinik gebracht ? Vor allem Einsicht in den Schweregrad meiner Erkrankung und Kontakt zu anderen ähnlich Betroffenen und weiteren Menschen mit ganz anderen Problemen. Das war - bei allem Elend - gerade deshalb eigentlich eine ganz schöne Zeit. Ich hatte für eine gewisse Weile tatsächlich dein Eindruck, ich käme wieder zurück.
Der aktuelle Stand der Dinge spricht allerdings eine andere Sprache. Momentan halten mich die Medikamente einigermaßen stabil, ohne dass ich dabei jedoch in den wirklich guten Bereich vorstoße. Das hat für mich nachvollziehbare Gründe, denn viele alte Probleme melden sich langsam wieder: Einsamkeit, (berufliche) Orientierungslosigkeit, Zukunftsängste, Selbstzweifel und der fast unmögliche Zugang zu meinem tief in mir verschlossenen Gefühlsleben. Auch der Kampf Geist gegen Körper und umgekehrt geht allmählich wieder los. Ich fühle mich zu oft ungewohnt ausgelaugt, schwermütig und physisch schwer wie Blei. Bisher bin ich nach jeder Episode wieder zurück auf die Straße geklettert, aber aktuell habe ich den Eindruck, dass in der letzten, schwersten Episode mehr kaputt gegangen ist, als ich auf die Schnelle reparieren kann. Das Vertrauen in meine Belastbarkeit, meine Fähigkeiten und die Möglichkeit eines tragfähigen Lebensentwurfes für mich ist am Ende und dementsprechend leer fühle ich mich auch. Nach dem Totalabsturz zum Ende des WiSe 07/08 und dem Urlaubssemester SoSe 08 gehe ich nun recht zahnlos das kommende WiSe als mein nächstes aktives Semester an. Mein bisheriges Berufsziel scheint mir nicht zu halten - auch wenn mir etliche Leute anderes erzählen wollen. Momentan mache ich nur weiter, damit ich nicht ohne eine tragfähige Alternative abbreche. Aber es riecht für mich grundsätzlich schwer nach Abbruch, da ich fürchte, dass mir die Kraft fehlt, mich den vielen einschüchternden Situationen in der Uni zu stellen. Vielleicht schüchtere ich mich oftmals auch nur selbst ein - ich kann das momentan schwer trennen. Angesichts meine Fähigkeiten und Leistungen habe ich keinen Grund, an mir zu zweifeln, aber die Zweifel sind einfach präsenter denn je. Schon der Gedanke an die Uni weckt in mir schlechte Gefühle und den Wunsch an bloße Verdrängung, aber dieser Quatsch ist natürlich keine Lösung. Die Planung des Semesters und der Ziele, die ich vielleicht erreichen möchte, scheint mir so unendlich sinnlos, da mir ein erneuter Zusammenbruch jederzeit wieder die Schein-Ernte verhageln kann.
Ich breche an dieser Stelle erst mal ab und schreibe vielleicht später weiter, da es mir momentan schwer fällt, meine Gedanken zu ordnen. Für Rückmeldungen bin ich natürlich dankbar.

Es grüßt
lt.cable
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- Charles Lewinsky
eyering
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von eyering »

Hi lt.cable

Mir gings nach meinem Klinikaufeinthalt nicht besser... Ich bin sogar die ersten Tage noch tiefer in ein Loch gefallen.

Die Klinik ist ein geschützter Bereich, wo du nicht nur mit gleichgesinnten zusammen triffst sondern auch dich voll und ganz um deine Probleme kümmern kannst; Kraft tanken kannst. Und vorallem OHNE deine gewohnte Umgebung fern ab der Heimat.

Jetzt bist du wieder im "alltag" und hast das Gefühl es geht nicht mehr. Ich habe zum Beispiel da viel mit Freunden gesprochen, hab mir nochmal die Unterlagen aus der Klinik rausgeholt und nochmal alles durchgegangen und sprach mit meinem Therapeuten darüber. Es half mir etwas wieder hochzukommen. Versuch dir eine Situation zu schaffen, die der in der Klinik (wo es dir ja gut ging) entspricht und versuch dir nochmal die Workshops und Gruppenstunden wieder aufzurufen, was die dir da auf den Weg gegeben haben. Vielleicht hast du dann die Kraft zum Wintersemester wieder mit dir und deinen Gedanken im Reinen zu sein

Ich hoffe es half ein Wenig..

Gruß
Marc
Nimm den Menschen wie er ist... Anders bekommst du ihn eh nicht.
Stefan1970
Beiträge: 9
Registriert: 23. Sep 2008, 07:34

Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von Stefan1970 »

Hallo,

"Einsamkeit, (berufliche) Orientierungslosigkeit, Zukunftsängste, Selbstzweifel und der fast unmögliche Zugang zu meinem tief in mir verschlossenen Gefühlsleben. Auch der Kampf Geist gegen Körper und umgekehrt geht allmählich wieder los. Ich fühle mich zu oft ungewohnt ausgelaugt, schwermütig und physisch schwer wie Blei."

Ich möchte Dir nur schreiben, dass ich das auch kenne und ich kämpfe auch. Mehr kann ich jetzt gar nicht schreiben. Ich selber habe mein Studium durchgezogen, auch das Referendariat und den Eintritt in den Beruf...ich zweifle noch immer. Macht Dir Dein Studium etwas Freude? Gibt es erhellende Lernmomente? Vielleicht kannst Du Dich daran hochziehen?

VG

Stefan
Sonnenblümchen:-)
Beiträge: 8
Registriert: 8. Sep 2008, 08:48

Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von Sonnenblümchen:-) »

Hallöchen ratloser Student:-),

ich kämpfe seit fast 2 Jahren mit schweren Depressionen, mal ist es erträglich, da sag ich mir:"jetzt bist du übern Berg" und dann kommt wieder ein Loch und der Absturz ins Bodenlose, aus dem mich meine Therapeutin bisher immer wieder geborgen hat.
Und Summa-summarum: ich zwinge mich, meinen Job zu tun, um finanziell nicht auch noch abzustürzen und dann den letzten Schritt ins Nichts zu tun. Ist schwer, jeden Tag, immer wieder.
Und wenn du sagst, dass du dein Studium notenmäßig schaffst, dann mach weiter!!! Die Krankheit ist vielleicht überwindbar, ich weiß es nicht,aber ich hoffe es ganz sehr, aber ohne Beruf und in deinem jungen Alter geht gar nix. Versuche dein Studium durchzuziehen, das ist ganz wichtig.
Ich drücke dir ganz fest die Daumen.
Liebe Grüße vom Sonnenblümchen
lt.cable
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von lt.cable »

Hallo zusammen !

Vielen Dank für die bisherigen Antworten.

Momentan finde ich neben eurem Zuspruch ganz gut, dass auch die wenigen Kontakte, die ich an der Uni habe, klar machen, dass sie sich auf meine Rückkehr freuen. Bisher habe ich mich immer gerne dem Eindruck ergeben, dass meine An- oder Abwesenheit sowieso niemandem auffällt. Wahrscheinlich aber wird das auch noch etlichen anderen Menschen dort aufgefallen sein, die sich in der Zwischenzeit gar nicht haben zu Wort melden können, weil ich entsprechende Kontaktmöglichkeiten entweder abgeblockt oder entsprechende Kontakte möglichst unverbindlich gehalten habe.
Das wird überhaupt ein wichtiger Punkt im neuen Semester: Mehr am Leben teilnehmen, also auch mehr Verbindlichkeiten eingehen und für persönlicheren Kontakt zu anderen Menschen offen sein. Sich nicht nur über Leistung und fachliche Anerkennung zu definieren, das könnte mir bestimmt einige seelische Entlastung verschaffen. Immerhin diese Erkenntnis habe ich gewonnen, dass ich das Leben bisher immer abgewiesen habe mit der Behauptung: "Lasst mich erst mal gesund werden, dann lege ich schon los ! Aber jetzt habe ich einfach keinen Nerv dafür." Nur mittlerweile wüsste ich nicht, auf welche Gesundung - die vielleicht nie kommt - ich da warten sollte, während mein Leben an mir vorbeizieht.
Ansonsten sollte ich mein nächstes Semester wohl fachlich solide und realistisch planen, damit es auch zu entsprechenden Erfolgen kommen kann. Dazu zählt mit Sicherheit auch, dass ich mich endlich besser organisiere - vielleicht auch zusammen mit anderen Studenten - und mir schon im Vorfeld Problembewältigungs-Strategien für mögliche Krisensituationen während des Semesters zurechtlege. Und ich werde mich endlich mal umfassend und mit offenem Geist über Alternativen zu meinem bisherigen Berufsziel informieren (lassen) - falls mich da was packt, werde ich dann nämlich auch nicht zögern, eine Kurskorrektur vorzunehmen.

Es grüßt
lt.cable
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*Rosanna*
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von *Rosanna* »

Hallo lt.cable,

die Zeit während meines Studiums war für mich die Zeit, in der mir meine Depris zum ersten Mal richtig bewusst wurden und das, was so seit Jahren in mir schlummerte, einen Namen bekam. Ich haderte auch sehr oft mit meinem Studium, überlegte mir von Semester zu Semester, ob ich aussteigen soll, was ich aber letztlich nicht tat, weil ich für mich keine wirkliche Alternative wusste und mir der Mut fehlte. Gegen Ende des Studiums wurden meine Zweifel wieder heftiger, weil ich mir nicht zutraute, in meinem Beruf überhaupt arbeiten zu können. Von daher schob ich Diplomarbeitschreiben etc. auf die lange Bahn und jobbte dann erstmal eine Weile rum, bevor ich mich überhaupt mal auf Stellen in meinem Arbeitsgebiet beworben habe.

Ich kann dein Abwägen und Hin- und Herdenken, deine Zweifel und deine Orientierungslosigkeit gut nachvollziehen!! Gerade, wenn du dir nicht sicher bist, ob dein gewähltes Studienfach eigentlich das ist, was du wirklich machen möchtest und wenn du die Uni an sich als belastend für dich empfindest.
Hast du denn eine Idee, eine Ahnung, was du lieber machen würdest, wo deine wahren Interessen liegen?

Ich stelle es mir schwierig vor, das Studium abzubrechen, wenn du momentan für dich noch keine Alternativen hast. Wenn du dich derzeit sowieso nicht stabil fühlst, kann die Gefahr bestehen, dass du dann ins Nichts stürzt.
Bist du denn in Beratung/Therapie und kannst das dort thematisieren?

Und wenn du nun das Studium weiter durchziehst, sorge für dich, indem du dich nicht übernimmst oder dich zu sehr unter Druck setzt. Ich glaube, wichtig ist es, dass du neben dem Studium noch einen guten Ausgleich hast, also dich nicht nur auf Uni etc. fixierst. Wenn du schreibst, dass du einen Zusammenbruch hattest, hatte der sicher auch einen Grund und von daher achte einfach auf dich.

Alles Gute
Rosanna
*Rosanna*
Beiträge: 16
Registriert: 17. Sep 2008, 17:11

Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von *Rosanna* »

Ich nochmal .
Hatte dein letztes Posting noch nicht gelesen, als ich meines abgeschickt habe.
Ja, was du gerade geschrieben hast, hört sich richtig gut an. Ich drücke dir die Daumen,

Rosanna
SP2
Beiträge: 159
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von SP2 »

Hallo lt.cable

Deine Beschreibungen in deinem ersten Posting sind völlig normal. Wenn man aus dem geschützten Raum Klinik nach Hause kommt und Woche für Woche mehr Alltag zu einem zurückkehrt, fällt es einem schwer seine frisch erreichte Stabilität zu halten. Dazu kommt noch, dass nicht alle erlernetn Stabilisierungspraktiken zuhause umsetzbar sind.

Ich bin in derselben Lage wie du (wenn auch ohne Uni). Ich bin seit Mitte August aus der Klinik (nach 3 Monaten Aufenthalt!) und kämpfe seitdem schwer mich einigermaßen im Lot zu halten. Das Hauptproblem, dass ich habe ist die Tatsache, dass ich immer wieder in alte Muster verfalle, von mir selbst wegkomme und mich wieder übergehe und überfordere.

Also lt. cable, was auch immer du tust, BLEIBE BEI DIR!! VERLIERE DEN KONTAKT NICHT ZU DIR, SUCHE IHN IMMER WIEDER AUFS NEUE (so wie ich auch) denn das ist die Haupttür Richtung AUSWEG!!!

Viel Glück
______________________________

"Der Gesunde hat tausend Wünsche. Der Kranke nur einen einzigen: ..wieder gesund zu werden."
lt.cable
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von lt.cable »

Hallo an alle !

Bezüglich meines Studiums denke ich momentan, dass die Wahl des Berufsziels richtig gewesen ist, denn ich habe gemerkt, dass es das ist, was ich gerne machen würde. Die Zweifel setzen nur bei der Frage an, ob ich die Kraft habe, das Studium zu beenden, den Vorbereitungsdienst zu schaffen und dann noch erfolgreich in den Beruf einzusteigen - von der Berufsausübung ganz zu schweigen.
Aktuell scheint es mir eher so, dass ich die Kraft nicht verspüre und auch nicht davon ausgehe, sie wieder zu finden. Denn bald läuft erneut an, was an meinen Kräften zehrt: Ein permanenter Leistungs- und Prüfungsdruck (BA/MA sei Dank !), mäkelnde Dozenten, die statt Motivation zu wecken lieber mal abschätzige Kommentare ablassen, und der eigene Perfektionismus. Besonders bei diesen Punkten muss ich mir Strategien einfallen lassen, wie ich die Tiefschläge möglichst auffange.
Aber der zentrale Tiefschlag lässt sich fast nicht mehr auffangen und das ist im Grunde ein richtiger Knackpunkt: Ich habe festgestellt, dass ich bisher auf meinen Traumberuf hin studiere, aber ich muss durch die neuen Erkenntnisse über mich auch dahingehend ehrlich sein, dass die Zeichen gerade nicht auf Realisation des Traums stehen, sondern auf Neuorientierung. Diesem Schmerz habe ich mich bisher weder gestellt, noch habe ich ihn auch nur ansatzweise verarbeitet. Momentan sehe ich es nur als Ungerechtigkeit, dass ich weniger frei leben und entscheiden kann als andere Menschen, statt aus der gegebenen Situation produktiv etwas zu machen.

Es grüßt
lt.cable
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- Charles Lewinsky
lt.cable
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von lt.cable »

Es ist wirklich unheimlich, wie mir schon der bloße Gedanke an die Uni oder auch einfachste Organisationsaufgaben (z.B. Stundenplanerstellung, Übersicht über die bisher erbrachten Leistungen verschaffen) spürbare körperliche Beschwerden verursachen, während es mir ansonsten eigentlich recht gut geht. Es scheint, als drücke sich mein Widerwillen gegen das feindliche Terrain Uni im schwirrenden Kopf und unangenehmen Muskelverspannungen aus. Momentan möchte ich hinwerfen und flüchten, aber genau betrachtet war das schon immer meine Scheinlösung für fast alle Probleme. Gibt es hier eigentlich weitere aktive Studenten mit ähnlichen Problemen ? Oder auch ehemalige Studenten, die mit ähnlichen Beschwerden zu kämpfen hatten ?

Es grüßt
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Äpfelchen
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von Äpfelchen »

...
lt.cable
Beiträge: 556
Registriert: 5. Mär 2008, 20:55
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von lt.cable »

Hallo Äpfelchen!

Das Wichtigste zuerst: Es freut mich, dass hier nach der langen Zeit jemand an mich denkt und nachfragt. Danke!
Ohne Ausbildung bin ich theoretisch ja nicht, aber praktisch dürfte der tatsächliche Marktwert meiner Erstausbildung mittlerweile ungefähr auf dem Niveau von Toilettenpapier angekommen sein. So gesehen ist diese Qualifikation eigentlich nur ein Feigenblatt zur Selbstberuhigung, faktisch bin ich in und ansonsten ohne Ausbildung, die man in klingende Münze umsetzen könnte. Ich bin mehr denn je finanziell (und räumlich) von meinen Eltern abhängig und fühle mich dauerhaft schlecht dabei. Den Sprung in den eigenen Haushalt haben mir Therapeutin und Arzt schon lange immer wieder empfohlen, doch geschafft habe ich ihn bisher noch nicht. Ich gehe also langsam klar auf die große 30 zu und bin dabei, auch zu dieser Marke noch in einer Unselbständigkeit versackt zu sein, die krank macht.
In deinem Beitrag bringst du einige sehr gute Punkte zur Sprache. Die Sache mit der permanenten Flucht - höchstwahrscheinlich vor den Anforderungen anderer - kommt mir sehr bekannt vor. Allerdings könnte ich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen, dass das Studium an sich eine falsche Wahl gewesen ist, auch das Berufsziel war das erste, das sich nicht fremd angefühlt hat. Der momentan immer noch andauernde Schmerz speist sich vor allem aus der Erkenntnis, dass die Beendigung des Studiums schwierig und das Erreichen des Berufsziels fast völlig unmöglich sein wird. Das Studium als grundsätzliche Qualifikation scheint mir sinnvoll, aber Lehrer werde ich nicht mehr werden. Der Traum ist ausgeträumt, was ich allerdings schon länger geahnt und mir nur nicht eingestanden hatte. So wie ich schon jetzt im Studium am Stock gehe, schaffe ich des Referendariat (und den anschließenden Schuldienst) nie. Selbst wenn: Bei meiner Grunderkrankung kann ich mir Verbeamtung abschminken und der Idealismus geht mittlerweile nicht mehr so weit, dass ich dieselbe (stressige!) Arbeit für deutlich weniger Geld oder in prekären Lohn- und Vertragsverhältnissen leisten würde. Dann lieber ein solides Auskommen, bei dem es vielleicht auch sowas wie einen Feierabend gibt.
Leistungsdruck und Versagensangst begleiten mich auch stetig, daran können auch gute Leistungen nur sehr kurz etwas ändern. Bei einer der Klausuren des letzten Semesters habe unter den Studierenden meines Studiengangs die beste und insgesamt gesehen immer noch eine sehr gute Klausur abgeliefert. Das gelöste Hochgefühl hat nicht lange gehalten, auf mein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl ist kein dauerhafter Einfluss erhalten geblieben. Ich weiß, dass es wenig ratsam ist, sich nur über derartige Leistung zu definieren, doch viel anderes gibt es aktuell bei mir nicht. Mir fehlen Leute, die mich auch unabhängig von Triumph und versagen einfach dafür mögen, dass ich eben einfach ich bin. Die eigene Familie scheint das wohl nicht immer zu leisten. Ich weiß auch, dass ich was kann, wenn ich denn nur kann. Leider fehlt mir die Planungssicherheit, denn abstürzen kann ich jederzeit.

Es grüßt
lt.cable
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- Charles Lewinsky
Äpfelchen
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Re: Mr. Orientierungslos

Beitrag von Äpfelchen »

Hallo, Mr. Orientierungslos ,

ich hoffe, daß ich Dir mit meiner Frage nicht zu nahe trete:

warum vollziehst Du nicht diesen für Dich so immens wichtigen Schritt und trennst Dich von dem noch immer bestehenden Leben als Kind und gestaltest Dir eine selbstbestimmte und eigenverantwortlichen Zukunft als Erwachsener.

Das scheint doch DER Auslöser zu sein, der Dich am meisten be-hindert.

Fühlst Du Dich Deinen Eltern gegenüber zu irgendetwas verpflichtet?

Fragt sich
Äpfelchen
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