Depression als Krankheit annehmen

Antworten
horcars
Beiträge: 140
Registriert: 8. Feb 2009, 16:42

Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von horcars »

Liebe Leidensgenossen ?!
Es hört sich immer so leicht an, wenn der Profi sagt, man möge doch die Depression als Krankheit anzunehmen und sie akzeptieren. Mir ist das bis heute leider nicht gelungen.
Die erste Depression habe ich vor Jahren zusammen mit meinem Hausarzt, der nicht all zu viel damit anfangen konnte, neben der Arbeit überstanden. Die zweite Phase, ein Jahr später, schmiss mich für ein paar Wochen ins Bett und wurde wieder nur vom Hausarzt medikamentös und therapeutisch unterstützt. Im Jahr darauf nahm ich dann Schlaftabletten, nicht viel, aber doch soviel, dass ich den Tod billigend in Kauf genommen hätte. Intensivstation, Akutklinik und mehrere Wochen Reha-Klinik waren die Folge. Diagnose Burnout und posttraumatische Belastungsstörung. Gab meine Führungsposition auf und ging zurück ins Mannschaftsglied. Das Jahr drauf wieder 5 Wochen Akutklinik wegen schwerer Depression, dieses Mal von meiner Therapeutin veranlasst. Seit Oktober 2007 bin ich arbeitslos, ab 1.10.2009 werde ich Rentner. Seit Beendigung meiner Arbeit ging es mir erst Monat für Monat besser und ich setzte die Medikamente ab.
Es gab zwar seither ab und zu depressive Verstimmungen, doch ich kam gut damit klar. Hatte auch meine ambulante Therapie abgesetzt, inzwischen aber wieder aufge-nommen und seit letzter Woche nehme ich wieder ein Medikament, weil es mir wieder schlecht geht.
Mein Problem ist nach wie vor die Akzeptanz dieser Krankheit. Hätte ich Krebs oder sonst ein organisches Leiden, wäre ich mir des Verständnisses meiner Umgebung sicher. So begegnet mir aber immer wieder – meine Frau ausgenommen – Ungläubigkeit und Unverständnis. Männer und dann auch noch Führungskräfte haben keine Depressionen, sondern Probleme, die es zu lösen gilt!!
Ich weiß heute, dass ich die Tabletten nicht mehr absetzen darf, ich weiß, dass ich jetzt für meine schlechte Stimmung die Verantwortung trage, ich fürchte aber, dass, wenn es mir wieder ein paar Monate gut geht, die Gefahr, das Medikament wieder abzusetzen, groß sein wird.
Wer kennt diesen Teufelskreis und wer konnte ihn wie verlassen?
Ein Ruheständler, der die Früchte seiner 42jährigen Arbeit ernten möchte ohne dass diese, durch Depressionen veursachten Einschränkungen, immer wieder verdorben sind.
Das einzig Unveränderliche in unserem Leben ist die Veränderung, sagt schon Laotse
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Hallo Ruheständler!

Ich bin neu hier im Forum und freue mich, einen (fast?)Gleichaltrigen zu treffen mit ähnlichen Problemen.
Ich bin/war im Schuldienst und wurde nach schweren Depressionen,psych.Schwankschwindel und unerklärlichen Schmerzattacken (laut Rheumatologen wahrscheinlich Fibromyalgie) von der Amtsärztin als nicht mehr dienstfähig eingestuft (burn-out). Seit ich den Antrag auf Frühpensionierung (ich werde 60) gestellt habe, ist alles nur noch schlimmer geworden. Ich leide unter dem Verlust meiner bisherigen Identität (Mann verstorben, Kinder aus dem Haus, Lehrerrolle weg. Ich habe mit einer Verhaltenstherapie angefangen. Mein Psychiater verschrieb mir außerdem Mirtazapin, ein Antidepressivum,das mir aber nicht half, ich werde jetzt auf Amitriptylin umgestellt, damit ich die Fibromyalgie "in den Griff bekomme". Ich habe mich um eine ehrenamtliche Tätigkeit im Schulbereich beworben, um wieder eine Aufgabe, die Sinn macht, zu bekommen und aus dem ständigen "Um-mich-selbst-kreisen" heraus zu kommen.Ich glaube, es ist wichtig, etwas Zuwendung zu bekommen und eine Aufgabe, die einem liegt, aber auch nicht überfordert.
Jetzt habe ich Dich zugetextet. Sorry, aber vielleicht hilft Dir der eine oder andere Gedanke.
Ruheständler schrieb:
> Liebe Leidensgenossen ?!
> Es hört sich immer so leicht an, wenn der Profi sagt, man möge doch die Depression als Krankheit anzunehmen und sie akzeptieren. Mir ist das bis heute leider nicht gelungen.
> Die erste Depression habe ich vor Jahren zusammen mit meinem Hausarzt, der nicht all zu viel damit anfangen konnte, neben der Arbeit überstanden. Die zweite Phase, ein Jahr später, schmiss mich für ein paar Wochen ins Bett und wurde wieder nur vom Hausarzt medikamentös und therapeutisch unterstützt. Im Jahr darauf nahm ich dann Schlaftabletten, nicht viel, aber doch soviel, dass ich den Tod billigend in Kauf genommen hätte. Intensivstation, Akutklinik und mehrere Wochen Reha-Klinik waren die Folge. Diagnose Burnout und posttraumatische Belastungsstörung. Gab meine Führungsposition auf und ging zurück ins Mannschaftsglied. Das Jahr drauf wieder 5 Wochen Akutklinik wegen schwerer Depression, dieses Mal von meiner Therapeutin veranlasst. Seit Oktober 2007 bin ich arbeitslos, ab 1.10.2009 werde ich Rentner. Seit Beendigung meiner Arbeit ging es mir erst Monat für Monat besser und ich setzte die Medikamente ab.
> Es gab zwar seither ab und zu depressive Verstimmungen, doch ich kam gut damit klar. Hatte auch meine ambulante Therapie abgesetzt, inzwischen aber wieder aufge-nommen und seit letzter Woche nehme ich wieder ein Medikament, weil es mir wieder schlecht geht.
> Mein Problem ist nach wie vor die Akzeptanz dieser Krankheit. Hätte ich Krebs oder sonst ein organisches Leiden, wäre ich mir des Verständnisses meiner Umgebung sicher. So begegnet mir aber immer wieder – meine Frau ausgenommen – Ungläubigkeit und Unverständnis. Männer und dann auch noch Führungskräfte haben keine Depressionen, sondern Probleme, die es zu lösen gilt!!
> Ich weiß heute, dass ich die Tabletten nicht mehr absetzen darf, ich weiß, dass ich jetzt für meine schlechte Stimmung die Verantwortung trage, ich fürchte aber, dass, wenn es mir wieder ein paar Monate gut geht, die Gefahr, das Medikament wieder abzusetzen, groß sein wird.
> Wer kennt diesen Teufelskreis und wer konnte ihn wie verlassen?
> Ein Ruheständler, der die Früchte seiner 42jährigen Arbeit ernten möchte ohne dass diese, durch Depressionen veursachten Einschränkungen, immer wieder verdorben sind.
Thery
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Ups! Ich habe ,glaube ich, einen falschen Button angeklickt und so kam Deine Mail noch mal! Ich lerne noch .
Thery
horcars
Beiträge: 140
Registriert: 8. Feb 2009, 16:42

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von horcars »

Hallo Thery,
danke für Deine Nachricht. Bei mir ist das Umfeld etwas anders, ich (64) war so unendlich glücklich, als ich nicht mehr arbeiten musste. Ich habe viele Interessen, die im Laufe eines sehr stressigen Berufslebens vollkommen auf der Strecke blieben, und betätige mich zudem, zwar nicht begeistert, aber doch mit zunehmender Erfahrung auch gern mit den handwerklichen Notwendigkeiten eines älteren Hauses. Ich bin seit 30 Jahren glücklich verheiratet, die Kinder sind zwar auch aus dem Haus, der Kontakt ist dennoch sehr intensiv. Nichtsdestotrotz hat es mich wieder erwischt und ich muss mich dem stellen, was ich in den letzten Monaten in hervorragender Weise verdrängen konnte. Es ist ja nicht so, dass ich mit der Krankheit, wie mit einem Bauchladen hausieren gehen möchte, aber annehmen, mich nicht mehr darum kümmern, was andere denken, wenn ich den Rückzug brauche und die Freudlosigkeit vorübergehend wieder mal um sich greift, das wäre schon ganz gut. Ich fühle mich halt eher wie ein Schwächling der denkt, Männer haben keine Depressionen sondern Probleme, die zu lösen sind, und vergesse schnell, was ich in meinem Leben alles geschafft habe.
Du, wie mir scheint, stehst eher vor einem Neuanfang. Hast Du Dich schon einmal gefragt, wonach der Sinn Dir steht? Vielleicht eine neue Partnerschaft zum Beispiel? Hast Du, als Du Ehefrau, Mutter und Lehrerin warst, Dir auch Zeit für Dich und Deine Interessen nehmen können? Egoismus ist zwar im deutschen Sprachgebrauch eher ein Wort mit negativem Vorzeichen, ich denke, wenn er richtig gepflegt wird und man darauf achtet, dass man niemanden damit schadet, kann der bewusste Gebrauch wahre Wunder vollbringen.
Jetzt habe ich Dich zugetextet, hat mir aber gut getan.... und wenn Du bist zum Schluß gelesen hast, danke für die Zeit.
der Ruheständler, der als erstes Gebot nach seinem Rausschmiss sagte: "Gott sei Dank, jetzt muss ich nicht mehr müssen":hello:
Das einzig Unveränderliche in unserem Leben ist die Veränderung, sagt schon Laotse
Mira1953
Beiträge: 185
Registriert: 2. Dez 2008, 15:32

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Mira1953 »

Hallo Ruheständler,

ich bin fast 10 Jahre jünger als Du, dennoch bin ich Ruheständlerin.

Ich war auch sehr froh, als ich endlich, endlich sagen konnte. Endlich nicht mehr müssen müssen. Bei mir waren es insgesamt nur 36 Berufsjahre mit einem 8 Stundentag plus Überstunden.

Dazu Ehefrau, Mutter, Haushalt, Ehrenämter.

Ich nahm auch über Jahre verschiedene Mittelchen, erst vom Hausarzt verordnet, viel später vom Psychiater, meistens nach Bedarf. Es gab REHA und Klinikaufenthalte.

Seit 2004 nehme ich regelmäßig ADs mit einer kurzen Unterbrechung, die reichlich schief ging. Meine Pillchen brauche ich wahrscheinlich für immer. Darin bestätigte mich auch meine Verhaltentherapeutin, die meinen erneuten Zusammenbruch erlebte.

Im Beruf war ich auf der anderen Seite für 15 Jahre an vorderster Stelle. Betriebsratsvorsitzende in einem größeren Betrieb. Einige 100 Mitarbeiter. Auch das kann verschleissen. Dazu mehrere Ehrenämter, die aus meiner Tätigkeit resultierten.

Heute fehlt mir davon nichts, aber auch gar nichts mehr. Mit Ehrenämtern könnte man mich jagen und vertreiben. Wenn ich wollte, ich hätte sofort mehrere. In der Gewerkschaft und in der Partei. Aber wofür? Für mein Seelenheil brauche ich diese Dinge nicht mehr. Auch kein Ehrenamt bei der Kirchengemeinde, in der Altenpflege, auf kulturellem Gebiet. Nur der Gedanke daran, verursacht bei mir schon Schmerzen.

Warum machst Du es Dir so schwer? Als Ruheständler im entsprechenden Alter musst Du doch keinem mehr Rechenschaft ablegen. Dass Männer nur Problemlöser sind, das kann nicht sein. Die männliche Seele wird genauso krank wie die weibliche. Überforderung trifft Männer und Frauen gleichermaßen.

Natürlich wäre ich auch gern lebendiger, fröhlicher, freier, unternehmungslustiger. Aber das ist die Krankheit.

So ganz langsam fange ich an, mit kleinen Schritten, das Leben wieder zu genießen und wenn ich einen schlechten Tag habe, dann kann ich damit umgehen. Ich setze mir nur noch kleine Ziele und die von Tag zu Tag. Volle Terminkalender hatte ich lange genug. Ich bin froh, diese Zeiten hinter mir zu haben.

Meine Indentität das bin ich. Mein Leben, mein Tag, meine Menschen, meine Tiere, mein Wohlbefinden. Die Außenwelt mit ihren Forderungen die halte ich mir sehr fern.

Das habe ich mir verdient und das ist mir Anerkennung genug.

Dass uns die Krankheit ab und zu beutelt, uns auch nicht immer gut und friedlich leben läßt, sehe ich mittlerweile als das kleinere Übel. Mit meinen ADs kann ich es aushalten.

Dein Posting hat mich sehr gefreut, ganz einfach, weil hier jemand aus meiner Altersgruppe spricht. Vielleicht bin ich schon einen Schritt weiter als Du. Vielleicht kann ich Dir helfen, das Leben mit der Depri etwas gelassener zu nehmen? Es würde mich freuen.

Lieber Gruß, Mira
Incognita
Beiträge: 62
Registriert: 15. Jan 2009, 09:15

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Incognita »

Charlie Chaplin
an seinem 70. Geburtstag am 16. April 1959
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist;
von da an konnte ich ruhig sein.
Heute weiß ich, das nennt man VERTRAUEN.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich, das nennt man AUTHENTISCH SEIN.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen
und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man REIFE.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man EHRLICHKEIT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das Gesunden Egoismus,
aber heute weiß ich, das ist SELBSTLIEBE.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer Recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man DEMUT.
...
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben
und mich um meine Zukunft zu sorgen.
Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es BEWUSSTHEIT.
Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann.
Als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte,
bekam der Verstand einen wichtigen Partner.
Diese Verbindung nenne ich heute HERZENSWEISHEIT.
Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,
Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich, DAS IST DAS LEBEN !


Lieber Ruheständler,

diese Zeilen hörte ich vor kurzem bei der Geburtstagsfeier zum 50. meiner Freundin. Ich war davon sehr beeindruckt und habe beschlossen, sie fortan zu meinem Lebensinhalt zu machen.
Vielleicht sagen sie Dir ja auch zu.

Herzliche Grüße
rm
Beiträge: 2209
Registriert: 5. Nov 2006, 15:46

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von rm »

Ganz herzlichen Dank an Charly Chaplin posthum und damit auch an die/denjenige(n),die/ der dies hier einbrachte!

Eigentlich fassen diese Zeilen für mich ziemlich alles zusammen, was ich mir so am erarbeiten/ erleben bin.

Reinhart
Incognita
Beiträge: 62
Registriert: 15. Jan 2009, 09:15

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Incognita »

@Reinhart:
immer gerne

LG
Uschi
Mira1953
Beiträge: 185
Registriert: 2. Dez 2008, 15:32

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Mira1953 »

Hallo Uschi,

dem ist nichts hinzuzufügen. Ein toller Beitrag von Charlie Chaplin und durch Dich wurden mir, dem Forum, diese Zeilen zuteil. Danke.

Damit wird mir um so klarer, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Danke auch an den Ruheständler, denn nur durch die Eröffnung dieses Threads konnten diese schönen Lebensweisheiten auch an dieser Stelle weitergegeben werden.

Lieber Gruß, Mira
Incognita
Beiträge: 62
Registriert: 15. Jan 2009, 09:15

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Incognita »

So sehe ich das auch, Mira

♥liche Grüße und allen eine gute Nacht!
GreenMandala
Beiträge: 28
Registriert: 15. Jan 2009, 13:51

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von GreenMandala »

Danke für die schönen Sätze von Charly Chaplin.
conni
Ohne die Nacht wüssten wir nichts von den Sternen.
SisterGoldenHair
Beiträge: 1485
Registriert: 2. Aug 2007, 14:23

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von SisterGoldenHair »

... diese Zeilen bringen "es" wirklich genau auf den Punkt... ein tolles Zitat !

Zufall... oder nicht... im Augenblick beschäftige ich mich mit einem Buch, in dem es genau um diese Dinge geht :o)

Liebe Grüße
Ulli


***

"die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern, dass er nicht tun muss was er nicht will"

:o)



(Jean-Jacques Rousseau)
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

@Incognita

Auch von mir ein herzliches Danke für die treffenden Zeilen! Wenn man sie verinnerlicht, können sie einen ein Stück weiter tragen.

@Ruheständler

Vor Jahren, bei meiner ersten längeren Depressionsphase sagte mein Hausarzt zu mir: "Was nicht sein soll, darf nicht sein." Damit meinte er meine Weigerung, diese Krankheit anzuerkennen. Sie ist in unserer Gesellschaft, wo jeder FUNKTIONIEREN soll noch immer ein Tabu. Ich glaube, wenn wir ohne Scham dazu stehen, fällt es uns leichter, damit umzugehen und wir bringen unsere verkopfte Gesellschaft ein Stückchen weiter, weil wir bekennen, dass wir aus Leib UND Seele bestehen. - O je, hoffentlich war´s jetzt nicht zu hochtrabend.
Liebe Grüße an alle
Thery
Thery
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Liebe Mira!
Habe Dein Posting mit Interesse gelesen.

Vieles kann ich gut nachvollziehen und bejahen. In der Aufnahme eines Ehrenamtes sehe ich für mich eine Chance, wieder am aktiven Leben teilzunehmen. Ich bin in den letzten 5 Jahren so ziemlich aus allem "rausgeworfen" worden, das mein Leben und eigentlich mich selbst ausmachte. Und alles kam eigentlich "plötzlich und unerwartet" und bedeutete immer wieder ein Stück von mir abgeben zu müssen. Man kann (und muss) es sicher positiv als Neustart sehen. Aber es ist eine kraftraubende Anstrengung!!! Ich muss erst noch akzeptieren, dass ein Ehrenamt eine sinnvolle Aufgabe ist, ich glaube, dann finde ich wieder etwas zu mir selbst zurück.
Thery
Mira1953
Beiträge: 185
Registriert: 2. Dez 2008, 15:32

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Mira1953 »

Hallo Thery,

wenn Dich ein Ehrenamt erfüllt, dann versuch es doch.

Ich habe ja auch noch eine Weile versucht, auf der alten Schiene weiterzumachen. Irgendwann stellte ich fest, dass ich in Sitzungen sehr ungeduldig werde, unruhig bin und mich nicht mehr lange mit vielen Menschen in einem Raum sitzen kann. Mein Hobby waren Gewerkschaft und Politik. Da findet viel im Saal statt. Große Veranstaltungen, Konferenzen aber auch Treffen im kleineren Rahmen. Das ist für mich mit viel Zeitaufwand und Terminen verbunden. Mit meiner Depri geht das nicht mehr zusammen.

Aber auch andere Ehrenämter sind zeitaufwendig. Ich kenne Leute, die gehören einer Theatergruppe, einer Trachtengruppe, einem Chor usw. an. Alles Vereinsarbeit, die ich kenne und weiß, ich kann es nicht mehr leisten.

Manche arbeiten in ihren Ehrenämtern mehr, als auf der Arbeit. Bei mir geht weder das eine, noch das andere.

Ich brauche viel Zeit für mich und bin froh, dass ich sie habe. Meine Krankheit habe ich akzeptiert.

Wenn es Dich aber erfüllt und glücklich macht, Dir neuen Mut gibt, dann versuche es und mache alles was Dir gefällt. Vielleicht ist das Dein Weg aus der Depression heraus oder auch nur Dein Weg mit der Depression leben zu lernen?

Für mich wäre mit einem Ehrenamt zu viel Druck verbunden. Ich müßte auch wieder müssen, denn alle würden auf mich zählen. Durch die Krankheit bin ich sehr unzuverlässig geworden. Das kann ich mir und anderen nicht zumuten.

Aber lass Dir den Spaß nicht verderben. Du erkennst schon, was für Dich richtig ist.

Lieber Gruß, Mira
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Hallo Mira,
danke für die lieben Zeilen. ich kann Dich gut verstehen. ich glaube, Du hast noch ein Teil Deiner Familie zu Hause. Bei mir starb mein Mann an Lymphdrüsenkrebs, 14 tage später ging mein Ältester zum Studium weit weg und drei Monate später mein Jüngster. Jetzt musste ich meinen (eigentlich geliebten9 Beruf an den Nagel hängen. Verstehst Du, ich finde mich selbst nicht mehr. Wer bin ich noch? Keine Ehefrau, keine (na ja, du verstehst schon) Mutter und keine Lehrerin mehr. ich habe auch (fast) keine Verwandten. Und die Freunde sind alle in einer festen familie oder Beziehung. da kann ich auch nicht immer "weinen" oder nur zum Gespräch kommen. Ach, es ist irgendwo alles ziemlich kräfteraubend. Irgendwie will man mit 60 nicht noch den Himalaya besteigen - und so fühle ich mich. Ich möchte auch seelisch mal zur Ruhe kommen. Aber dann kreise ich hier zu Hause nur um mein eigenes Problem.
Thery
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Hallo Ruheständler!
Danke für die wirklich gut gemeinten Ratschläge. Weißt Du, ich habe immer ALLES mit meinem Mann gemeinsam gemacht. Wir waren -wie man so schön sagt- ein gutes Team. Mir machen einsame Unternehmungen keinen Spaß, ich kann nichts mit-teilen. Die Freunde zählen dabei nicht. Und ein neuer Partner -wie Du schreibst- hätte nur ein von Depris und Sorgen zerfressenes Wesen am Arm hängen. Und was für mich selbst tun? Es mag an der Depri liegen, dass ich einfach keine Freude an Unternehmungen oder ... habe, einfach an nichts. Es ist alles ein Riesenkraftaufwand.
Thery
Mira1953
Beiträge: 185
Registriert: 2. Dez 2008, 15:32

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Mira1953 »

Hallo Thery,

mein Mann ist vor 19 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Mein Sohn ist schon lange aus dem Haus.

Ich habe einen Lebenspartner, den aber nicht ständig um mich herum, weil ich eine Partnerschaft auf Distanz heute mehr schätze. Mein Mann und ich waren auch ein gutes Team. Da ist es nicht leicht, sich auf einen anderen Menschen noch mal ganz einzulassen. Zudem, der andere hat ja auch seine Vergangenheit, die er mitbringt.

Ich habe also nacheinander auch alles verloren, den Mann, den Job und werde auch als Mutter nicht mehr gebraucht. Viele Verwandte habe ich auch nicht, weil meine Familie an sich schon sehr klein war und alle über ganz Deutschland hinweg verstreut leben/lebten. Freunde gibt es, aber die haben, wie Du auch sagst, Familie, müssen Mutter oder Vater pflegen und gehen teilweise noch einer Arbeit nach. Da kann man sich schlecht anhängen.

Meine Fragen sind dieselben wie Deine. Wozu bin ich noch da? Aber das Leben geht weiter und es gibt tatsächlich auch noch schöne Tage.

Gewinne einfach wieder Dein Selbstvertrauen und Dein Selbstbewußtsein zurück. Wir sind ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft, mit oder ohne Ehemann, Familie, Beruf.

Mit unseren Fähigkeiten können wir noch immer gute Dinge für diese Gesellschaft leisten und das machen wir ja auch.

Lieben Gruß, Mira
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Liebe Mira!

Ein ganz liebes Danke für Deinen Beitrag zum "Aufbau" meiner Seele! Wie sich unsere Schicksale gleichen!

Wir packen es,ok?
Alles Liebe für Dich und allen eine gute Nacht.
Thery
horcars
Beiträge: 140
Registriert: 8. Feb 2009, 16:42

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von horcars »

Liebe Mia,
danke für die netten Zeilen. Deine schwierige Aufgabe als Betriebsratsvorsitzende kann ich gut nachempfinden, wenn ich war über viele Jahre Personalchef für 1200 Mitarbeiter. Es war sicher ein Fehler, die Medikamente abzusetzen,aber mein Leben war schon immer davon geprägt, dass wenn andere nur einen Schritt machten, ich glaube, fünf gehen zu müssen um gleichziehen zu können. Inzwischen weiss ich zwar, dass meine Depression endogen ist und mit meiner Kindheit und Jugend nichts zu tun hat. Die hat mich immer dann eingeholt, wenn es mir schlecht ging, manchmal hatte es etwas damit zu, manchmal aber auch nicht. Eigentlich bin ich auf einem guten Weg und schwere Gedanken kommen eben, wenn die Depression mich im Griff hat. Ich werde Donnerstag neu eingestellt und hoffe, dass ich dann, auch wenn es mir wieder richtig gut geht, die runden Dinger weiter nehmen werde.
Also packen wir es an, wir haben ja immer nur einen Tag.
Beste Grüße
Ruheständler
Das einzig Unveränderliche in unserem Leben ist die Veränderung, sagt schon Laotse
horcars
Beiträge: 140
Registriert: 8. Feb 2009, 16:42

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von horcars »

Liebe Thery,
danke, dass Du geantwortet hast. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich Dir mit der Frage nach einer neuen Partnerschaft nicht zu nahe getreten bin. Der Hintergrund ist, dass ein guter Freund von mir nach dem sehr plötzlichen Tod seiner Frau irgend wann begonnen hatte, über das Internet Kontakte zu knüpfen. Seine erste Partnerin, auch Witwe, war toll aber für seine Verhältnisse zu aktiv und zu umtriebig. Jetzt ist er, seit über drei Jahren, wieder mit einer sehr lieben Frau zusammen. Mich hat überrascht, dass diese Art von Kontaktsuche in unserem Alter überhaupt funktioniert. Bei einem zweiten Fall in meinem Bekanntenkreis hat ein Mann mit Mitte Fünfzig, dem die ganze Familie weggelaufen ist, was ihn furchtbar getroffen hat, auch eine Frau über das Internet kennen gelernt. Er war vorher muffig, mundfaul, ein introvertierter Besserwisser und lebt in dieser neuen Partnerschaft auf, weil von der FRau die Kraft, die Power und die positive Grundeinstellung kommt.
Ich habe inzwischen gelernt, dass meine endoge Depression mit der konsequenten Einnahme von Medikamenten beherrschbar wird, und habe zudem den Eindruck, dass der Umgang mit anderen, einfach mal reden können, mir immer wieder über die nächste Stunde hilft. Deshalb gehe ich auch dreimal die Woche zum Fitnessstudio. Gut, im Moment setze ich aus, aber ich bleibe dran. Mir gefällt, was ich mit meinen Gedanken ausgelöst habe. Nur mit
Charly kann ich nicht viel anfangen. Derartig schöne Reden haben mir immer nur gezeigt, dass ich neben meiner Depression in der Kindheit und Jugend durch den Einfluss meiner Eltern mit Narben leben muss, die es schwer oder fast unmöglich machen, mich selbst zu lieben. Es reicht mir schon, wenn ich mir am Morgen müde lächelnd in den Spiegel schauen kann.
der immer noch hoffnungsfrohe Ruheständler
Das einzig Unveränderliche in unserem Leben ist die Veränderung, sagt schon Laotse
horcars
Beiträge: 140
Registriert: 8. Feb 2009, 16:42

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von horcars »

Hallo Incognita,
ein schöner Vers, doch für Menschen, die geschädigt wie ich sind, nicht zu gebrauchen.
Es ist nur die endogene Depression und ein davon unabhängiges burnout, das mir zu schaffen macht, sondern eine durch sexuellen Missbrauch, schwere körperliche und seelische Misshandlungen von Eltern aus gutbürgerlichem Umfeld, verkorkste Kinderheit und Jugend. Ich habe gelernt, damit so zu leben, dass die mich umgebende Gesellschaft mit größtem Respekt behandelte. Nur zum eigenen Leben hat die Kraft dann leider nicht mehr gereicht. Ich bin seit 30 Jahren verheiratet, habe zwei tolle Kinder und eine Enkelin, die es mir heute ermöglicht, zu erleben, wie Kinder groß werden, dazu gehört selbstverständlich auch ein netter Bekannten- und Freundeskreis, die wenig wissen und nur meine langjährig gut gespielte Rolle kennen.
Nachdem ich Stufe um Stufe erklommen und jede Hürde genommen habe, hoffe ich jetzt auf dem letzten Absatz endlich endlich auch einwenig ernten zu können.
Und dazu finde ich, passt auch ein Gedicht von Hermann Hesse sehr gut.

Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andere, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Abschied wohn ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der WEltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf´um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreis und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde !
Hermann Hesse, Die Gedichte, Zweiter Band

Ich danke auch Dir für den Versuch, mich durch Deine Zeilen über Charly zu neuen Gedanken zu bewegen.
Der immer noch hoffungsfrohe Ruherständler
Das einzig Unveränderliche in unserem Leben ist die Veränderung, sagt schon Laotse
Mira1953
Beiträge: 185
Registriert: 2. Dez 2008, 15:32

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von Mira1953 »

Hallo Ruheständler,

dann hätten wir womöglich miteinander zu tun gehabt, wenn wir im selben Betrieb gearbeitet hätten. Bei mir waren es so um die 600 Leute. Die Personalchefs waren mir immer die Liebsten. Denn ihnen ging es oft ähnlich wie mir. Sie mussten auch oft ausbügeln, was die anderen Vorgesetzten verbockt hatten.

Das Gedicht von Hesse sollte ich mal auswendig vortragen. Es hat mich sehr angesprochen aber im auswendig lernen von Texten war ich nie sonderlich gut. Manche singen einfach jeden Schlager nach oder können die Sprüche aus der Werbung, aus dem Stehgreif aufsagen. Das war noch nie meine Stärke.

Der Text allerdings begleitet mich seit meiner Schulzeit und längst habe ich die alte Lehrerin vergessen, die mir damit den Tag verdarb (und die Nacht davor). Dabei hätte ich es wirklich gerne aufgesagt. Aber mein Kopf, ein Sieb in solchen Dingen.

Meine Kindheitsgeschichte ist Deiner sehr wahrscheinlich ähnlich. Die Familie nach außen gutbürgerlich, aber nur nach außen. Missbrauch ist ein Thema meiner Kindheit, ebenso unbegründete und grundlose Beschimpfungen. Manchmal muss man halt als Kind für alles herhalten.

Ich habe immer ganz fest an mich geglaubt und wußte, dass ich es schaffe aus diesem Schlamassel herauszukommen. Ich habe mir auch meine Fassade aufgebaut, mühsam und mit viel Kraft. Kein Wunder, wenn man dann irgendwann doch von einer Krankheit eingeholt wird. Es könnte auch Krebs oder ein Herzinfarkt sein. So ist es die Depression. Sie muss behandelt werden, wie die anderen Krankheiten auch und sie braucht Zeit. Aber ich glaube noch immer an mich.

Ich wünsche Dir einen schönen Sonntagabend, Mira
hrd49
Beiträge: 20
Registriert: 9. Feb 2009, 10:22

Re: Depression als Krankheit annehmen

Beitrag von hrd49 »

Lieber Ruheständler!

Habe dieses Gedicht vor langer Zeit gelesen, mich aber noch nie damit wirklich beschäftigt. Es trifft unheimlich gut! Ich versuche mir besonders die Zeile einzuprägen "Wohlan denn,Herz, nimm Abschied und gesunde".
Das trifft so total auf meine jetzige Lebenssituation zu!...und gesunde...zu lesen tut meiner Seele schon sehr gut.
Danke!!!Auch für Deine anderen Lebensbeispiele, die Du an mich gerichtet hattest!

Liebe Grüße
Thery
Antworten