Kann ich noch tiefer abstürzen?

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moqai
Beiträge: 4
Registriert: 21. Jul 2006, 12:32

Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von moqai »

Hallo Zusammen,

ich leide seit ca. 3 Jahren an Depressionen und Schlafstörungen. Fast 2 Jahre habe ich es ohne Hilfe ausgehalten, weil ich immer der Meinung war, dass ich das wieder alleine in den Griff bekommen werde. Ende 2007 war ich dann so fertig, dass ich endlich zum Arzt gegangen bin und über mein Problem gesprochen habe. Es folgte dann eine Überweisung zum Psychologen und seit Anfang 2008 mache ich jetzt eine Verhaltenstherapie und nehme Medikamente. Das Jahr 2008 war für mich eigentlich ein gutes Jahr ohne große Zwischenfälle. Ich war relativ ausgeglichen und hatte zwischenzeitlich nur kurze Rückfälle, die ich aber schnell wieder in den Griff bekommen habe. Vor 3 Monaten hat es mich dann aber wieder voll erwischt. Ich komme zur Zeit gar nicht mehr klar. Kann seit Wochen nicht richtig schlafen, bin den ganzen Tag nervös, habe Herzrasen und Heulanfälle. Mir ist den ganzen Tag übel und ich mag auch nichts mehr essen. Habe jetzt schon 5 Kilo abgenommen und bin jetzt bei 60 angekommen. Ein Ende ist nicht in Sicht. War dann nochmal beim Arzt. Die Medikamente wurden jetzt erhöht und ich habe noch ein zusätzliches Medikament verschrieben bekommen, damit ich Abends mal zur Ruhe komme und auch wieder schlafen kann. Beim einschlafen hilft es ganz gut, aber mehr als 3 Stunden Schlaf die Nacht sind trotzdem nicht drin. Ich bin jetzt seit 1 1/2 Wochen krank geschrieben, weil ich nicht mehr arbeiten gehen konnte. Habe den ganzen Tag nur noch anteilnahmslos dagesessen und bin in meinen Depris versunken. Mir fällt zur Zeit alles schwer. Meine Kontakte beschränken sich nur noch auf ein Minimum, weil ich meistens keine Kraft und Lust mehr habe mich überhaupt mit jemanden zu treffen oder was zu unternehmen.

Wie tief kann ich noch abstürzen???????

Irgendwann muss das doch mal ein Ende haben?? Diese ständige auf und ab zerrt an meinen Nerven. Ich habe Angst die letzten Menschen zu verlieren die mir noch geblieben sind, weil meine Krankheit mein komplettes Leben beherrscht.

Kann mir jemand einen guten Rat geben was ich noch tun kann? Noch habe ich die Kraft zu kämpfen! Wie lange? Keine Ahnung. Sollte ich den finalen Schritt gehen und mich stationär behandeln lassen??

Ich will doch einfach nur wieder glücklich sein und ein normales Leben führen!!!!!!

Danke für Eure Hilfe...

P.
BeAk

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von BeAk »

Liebe Moqai,

eins ist sicher, Du kannst noch erheblich tiefer fallen, bis hin zu Wahn, Halluzinationen oder völliger Bewegungsunfähigkeit. Das wäre dann die schwerste Ausprägung der Depression.

Sich aus so einer schweren Episode mit psychotischen Symptomen herrauszuarbeiten dauert Jahre.

Bist Du bei einem Facharzt, einem Psychiater in Behandlung?
Dieser ist für die Behandlung der Depression mit Medikamenten speziell ausgebildet, im Gegensatz zum Hausarzt.
moqai
Beiträge: 4
Registriert: 21. Jul 2006, 12:32

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von moqai »

Hallo Bea,

danke für deine Antwort. Ja ich bin in Behandlung bei einem Facharzt. Der verschreibt mir aber immer nur neue Medikamente. Meine Verhaltenstherapie mache ich aber woanders.

LG P.
GreenMandala
Beiträge: 28
Registriert: 15. Jan 2009, 13:51

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von GreenMandala »

Hallo P.!
Was Du schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich bin ein wenig verwundert, dass Du den Schritt in eine Klinik als FINAL bezeichnest!? Wenn Du Dich in Deinem momentanen Zustand in einer Klinik behandeln ließest, wäre das sicher eine gute Entscheidung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Dir besser wird, wenn Du zu Hause einfach hängen bleibst. Es gibt die Möglichkeit der stationären Behandlung und der Tagesklinik. Da geschieht natürlich viel mehr, als in einer wöchentlichen Therapiestunde.
Ich gehe mal davon aus, dass Du noch nicht in einer Klinik warst. Soll ich Dir das Prozedere erklären?
Gruß GreenMandala
Ohne die Nacht wüssten wir nichts von den Sternen.
BeAk

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von BeAk »

Liebe Moqai,

dann besprich das Frage der stationären Therapie mal mit Deinem Psychiater.
moqai
Beiträge: 4
Registriert: 21. Jul 2006, 12:32

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von moqai »

Hallo GreenMandala,

warum ich den Schritt der stationären Behandlung als FINAL bezeichne? Ganz einfach. Weil das für mich persönlich die letzte Stufe im Kampf gegen die Krankheit ist. Ich habe so große Angst davor diesen Schritt zu gehen, weil ich mir dann eingestehen muss, dass ich verloren habe Es ist mir einfach nur peinlich und ich will das alles nicht wahr haben! Ich war schon immer eine Kämpfernatur und habe es immer geschafft mit meinen Problemen alleine klar zu kommen. Ich habe so große Angst vor den Reaktionen aus meinem Umfeld. Ich will nicht das sich jemand Sorgen um mich macht. Ich will nicht das jemand denkt das ich krank bin. Ich will das mich alle so Erinnerung haben, wie sie mich in den letzten Jahren kennengelernt haben. Als lebensfrohen Menschen und starke Persönlichkeit. Alles was ich mir aufgebaut habe, würde dann zusammenbrechen und das macht mir Angst.

In einer Klinik war ich noch nicht, aber die ersten Vorbereitungen habe ich schon getroffen. Ich habe mir bereits eine Klinik in Berlin rausgesucht und auch eine Überweisung vom Psychologen für das Erstgespräch.

Wenn du mir vielleicht ein bißchen was dazu erzählen könntest, würde mir das sehr weiterhelfen.

Danke und LG

Patrick
GreenMandala
Beiträge: 28
Registriert: 15. Jan 2009, 13:51

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von GreenMandala »

Ja klar, Patrick, versuch ich Dir ein bisschen zu erzählen.
Wenn Du Dich schon bis zum Vorgespräch durch gerungen hast - finde ich gut! Danach wird man Dir einen Termin mitteilen, das kann ein bisschen dauern (bei mir waren es beim ersten Mal 6 Wochen, beim zweiten Mal 4 Wochen bis zum Aufnahmetermin). Eine Einweisung kann Dir der Hausarzt, Neurologe oder Psychiater schreiben, meines Wissens kann es der Psychologe nicht.

Die lange Wartezeit bis zur Aufnahme in die Tagesklinik hat mir nach und nach gut getan. Ich war krank geschrieben und konnte mich so aus allem herausziehen, vor allem aus meiner Arbeitsstelle. Nicht, dass ich zu irgendetwas Angenehmen zu tun in der Lage gewesen wäre, aber ich habe versucht mich mit zwei Sätzen über Wasser zu halten.
1. zur Arbeit: ES IST MIR SCH...EGAL, WAS DA JETZT LÄUFT!!! (es war sowieso eine befristete Stelle)
2. zum Überleben: Der Aufnahmetag in der TK ist mein Ziel.
Was mein soziales Umfeld davon gehalten hat, dass ich mich in eine psychosomatische Tagesklinik begeben habe und davon, dass ich depressiv bin kann ich aus der damaligen Situation heraus gar nicht sagen. Es mag sein, dass mich der eine oder die andere für bescheuert erklärt hat, aber das ist mir damals wie heute nicht wichtig, weil für mich nur die Menschen wichtig sind, die mich mit der Erkrankung mögen.
Ob sich damals jemand um mich sorgte, habe ich ebenfalls nicht wahrgenommen. Im Nachhinein weiß ich, dass meinem Lebensgefährte Literatur zum Thema Burnout und Depression geholfen haben, mich zu verstehen. Viel reden konnte und wollte ich nicht.

Natürlich wirst Du in der Erinnerung Deiner Familie, Freunde usw. ein lebensfroher Mensch bleiben. Aber jetzt bist Du ein tieftrauriger und verzweifelter Mensch. Auch das, finde ich, sollten die, die Dir lieb sind, wahrnehmen dürfen. Verstellen, wäre ein Vertrauensbruch. Ich weiß, dass ist leicht mal so dahin geschrieben, ich kriege das auch nicht immer hin. Vertrauenspersonen, die um Deinen Zustand wissen, finde ich sehr, sehr wichtig!

In die Tagesklinik zu gehen, war für mich mit einigen Unsicherheiten behaftet. Vor Jahren hatte ich einmal eine Gruppentherapie angefangen, ... naja, will das jetzt nicht vertiefen... Und wenn ich ehrlich bin, waren es nicht nur Unsicherheiten, sondern auch Vorurteile. (Da sitzt man im Kreis und redet...). Tatsächlich sitzt man auch mal im Kreis und redet, aber es wurde vieles mehr angeboten: Tanztherapie, Kunsttherapie, Einzelgespräche, Rollenspiele (auch im allgemeinen sehr vorurteilsbehaftet, kann aber in bestimmten Situationen kristallklare Erkenntnisse bringen), jede Menge Entspannungsangebote, Freizeitangeboten...
Gut getan hat mir die (ebenfalls kristallklare) Erkenntnis, dass man nicht als einzige so leidet.
Sorry, Patrick, ich kann mich schon wieder seit einer Viertelstunde nicht mehr konzentrieren, deshalb muss ich jetzt mal abbrechen.
LG GreenMandala
Ohne die Nacht wüssten wir nichts von den Sternen.
moqai
Beiträge: 4
Registriert: 21. Jul 2006, 12:32

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von moqai »

Hallo GreenMandala,

vielen lieben Dank für deine Antwort und für das was du geschrieben hast. Die lange Wartezeit macht mir ein bißchen Angst, denn in meinem aktuellen Zustand weiß ich nicht wie lange ich das noch aushalten kann. Heute ist es wieder besonders schlimm

Ich werde mir jetzt nochmal intensiv Gedanken darüber machen, was ich tun werde...Montag werd ich wohl wieder zum Arzt gehen und mir eine neue Krankschrift holen...

würde gern noch mehr schreiben, aber bin jetzt selbst gerade so fertig, dass ich mich erstmal hinlegen muss....kann keinen klaren Gedanken mehr fassen

LG und ein schönes Wochenende
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Kann ich noch tiefer abstürzen?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo moqai!

Du bezeichnest den Gang in die Klinik als FINAL. Ich denke, jeder, der mal in der Klinik war, hat so seine eigenen Erfahrungen. Nicht weil die Klinik schlecht ist, man Dich in die Gummizelle oder Zangsjacke sperrt und mit Medikamenten ruhig stellt. Nein, das ist schon lange vorbei (Gottseidank!).

Ich kenne einige Depressive, für die war der Klinikaufenthalt ein Segen, die bereuten es bitter, nicht schon viel früher gegangen zu sein. Mit der Klinik kamen sie raus aus dem Loch, lernten sich völlig neu kennen, fanden mit Unterstützung von Personal und Mitpatienten zu neuem Selbstvertrauen.

Bei mir war es anders. Seit zehn Jahren an Depressionen leidend war für mich die Klinik immer der letzte Schritt. Im Mai letzten Jahres war es soweit, ich konnte nicht mehr. Doch dieses "nicht mehr können", mein Leben nicht mehr im Griff zu haben, nicht mehr zu arbeiten, das führte in der Klinik in einen Teufelskreis, der tiefer führte, als ich es je erlebt habe. Ich fühlte mich wertlos, alt, als Krüppel. Aber ich konnte auch nicht einfach gehen. Ich hatte Angst vor allem. Denn ich war zum kleinen ängstlichen Kind geworden, das von Monstern gejagt wurde. Und die Klinik schützte mich davor, den allerletzten, wirklich FINALEN Schritt zu gehen. Ich lebte nicht, aber ich überlebte.

Mühsam und ganz langsam kam ich wieder raus aus dem Loch und den ewigen Selbstgeisselungen, mit denen ich mich fertig gemacht hatte. Nach sechs Monaten. Aber das, was mich reingebracht hat (ich sah keine Zukunft mehr), das begleitet mich noch immer. Im Großen und Ganzen habe ich die letzten zwei Monate gut funktioniert und drei mal einige ganz scheußliche Tage gehabt (derzeit das dritte Mal), die mich wieder zurückbeamen in die Zeit, als ich völlig hilflos war - und ich auch erleben musste, dass Ärzte und Psychologen nicht viel tun können.

Im Nachhinein vermute ich, es wäre nicht so heftig und so lange geworden, wenn ich nicht in die Klinik gegangen wäre. Andererseits war meine Verzweiflung so groß, als ich hineinging, dass ich das Gefühl hatte, ich habe keine andere Wahl. Mein Leben war in Gefahr.

Insofern: Ich möchte nie wieder in die Klinik. Aber ich gehe wieder, wenn es nicht mehr geht. Aber auch erst dann.

Alles Gute!

dolitte
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