Ich gehe ein wie eine Primel!

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holzbein
Beiträge: 3
Registriert: 16. Okt 2008, 11:18

Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von holzbein »

Ich bin ganz neu hier und bin froh, den Weg hierher gefunden zu haben. Die Alternative wäre heute irgendwie, sich einen Strick zu nehmen.... nein, keine Sorge, dafür bin ich viel zu verantwortungsbewusst, aber mein Gefühl ist heute so.

Mein Grundproblem? Ich bin fürchterlich einsam. Familie? Oh ja, massenweise. Ich bin verheiratet, habe eine Menge Kinder, meine Ehe ist so gut wie sie nur sein kann, wir leben in einem schönen Haus in einer schönen Gegend, was will ich mehr?? Tja, ein Luxusproblem, ganz eindeutig. Und es zeigt, dass Depressionen nix zu tun haben müssen mit Sorgen um die tägliche Existenz oder nur Scheidungsopfer betreffen.

Wir sind vor ein paar Jahren aus unserer Heimat 500 km entfernt hierher gezogen, aus dem Rheinland mit seinen offenen, freundlichen Menschen in einen Ort im Norden, wo man sich nicht mal die Tageszeit sagt, wo jeder nur sein eigenes Süppchen kocht und sich nicht die Bohne für den anderen interessiert. Und das Ganze dann als Wahrung der Intimsphäre verkauft...

Obwohl ich mich reichlich ehrenamtlich engagiere, einen Job habe ich hier nie gefunden, fühle ich mich hier total nutzlos. Ich schlage einen Tag nach dem anderen tot, sitze nur zuhause, lese viel und putze das Klo. Das ist doch kein Leben!!! Ich brauche Menschen um mich rum, aber da ist niemand.

Die Kinder gehen ihren eigenen Weg, und das sollen sie auch! Es ist nicht ihr Job, Mutti zu beglücken. Wegen Mangels an Ausbildungs- und Studienplätzen sind alle Kinder bis auf eines weit weggezogen, wir sehen uns nur alle paar Wochen mal, telefonieren aber häufig. Der Jüngste wohnt noch zuhause, aber er ist 17, macht sein eigenes Ding, kommt nur noch zum Schlafen und Wäschewechsel nach Hause, wie das so ist.

Und mein Mann ist während der Woche auf Montage, kommt eigentlich nur am Wochenende nach Hause, da muss dann der Rasen gemäht, die Dachrinne gesäubert, das Laub gefegt, Termine abgestimmt und Einkäufe gemacht werden. Zeit für wirklich persönliche Gespräche, nach denen ich mich so sehne, bleibt da kaum.

Seit Sonntag abend, und heute ist Donnerstag, hab ich mit keinem Menschen mehr gesprochen, keinen Menschen mehr gesehen. Nicht mal einkaufen muss ich, bin ja ganz alleine, es sind Ferien, auch der Jüngste ist nicht da, da geht einfach nix dadurch. Und das große Haus ist natürlich auch immer sauber, wenn keiner da ist, der es verschmutzt.

Ich bin völlig am Ende, fühle mich einsam und nutzlos, brauche dringend ein wenig Ansprache und Ermutigung. Ob ich das hier finden kann?

Diese Woche hatte ich mir den Magen verdorben, habe mich die ganze Nacht erbrochen, da wurde mir bewusst, dass kein Mensch merken würde, zumindest nicht bis Freitag Nacht, wenn ich hier tot liegen würde. Ich habe nicht mal jemanden, den ich im Notfall zur Hilfe rufen kann.

Ich würde gerne eine Psychotherapie machen, aber hier im ländlichen Raum gibt es so gut wie keine Plätze dafür, Wartezeit liegt bei etwa einem Jahr. Da hab ich nicht mal den Mut, mich anzumelden.

Kann mir irgendjemand Mut machen? Darf ich mich wenigstens hier mal aussprechen? Gibt es Hoffnung? Wie bekommt mein Leben einen Inhalt? Wie gesagt, ich habe mehrere Ehrenämter, aber deren zeitliche Beanspruchung ist ausgesprochen unterschiedlich, mal knubbelt es sich, mal ist gar nix, und jetzt ist natürlich gar nix, wo ich am meisten Zeit hätte und ich so dringend das Gefühl benötige, etwas Sinnvolles zu tun.

Bitte, bitte helft mir!!!

Danke fürs Lesen sagt

Hedwig
Das Licht am Ende des Tunnels ist immer nur der heranrasende Zug.
danni64
Beiträge: 457
Registriert: 1. Jun 2008, 17:16
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Re: Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von danni64 »

Hallo Hedwig,

erst einmal herzlich willkommen und ich bin mir sicher,du wirst noch mehr Antworten bekommen.

Oh ja,ich kenne es mit dem einsam sein und besonders in einem Dorf oder dorfähnlichen Gegend. Ich wohne ich in so einer und wenn man nicht hier geboren wurde,hat man kaum Chancen jemanden kennen zu lernen.

Ich habe sogar noch zwei kleine Kinder,die in den Kiga hier gehen und trotzdem bekomme ich irgendwie keinen Anschluss. Die anderen Mamas kennen sich eben und haben ihre kleinen Clübchen,da wird mit nicht mit offenen Armen aufgenommen.

Aber weisst du was ? Ich kenne ganz viele Leute online und wenn ich mich alleine fühle,gehe ich in ein Forum und dann kann ich mit diesen tollen Frauen schreiben.

Auch hier gibt es viele supernette und liebe Menschen,die da sind,wenn man sie braucht.

Also,fühle dich hier aufgenommen und verstanden,denn irgendwie haben wir alle die gleiche Geschichte,auch wenn sie ein wenig abweichen.

Herzlich willkommen noch mal und liebe Grüsse von Danni !!!


Nimm dir jeden Tag eine Stunde,in der du nur für einen Menschen da bist: FÜR DICH !!
Dendrit
Beiträge: 4981
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Re: Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von Dendrit »

Hallo Hedwig,

herzlich Willkommen im Forum!

Klar findest Du hier Ansprache - schreib einfach. Es gibt schon einige Threads, in denen ein guter Austausch stattfindet, vllt. ist das auch für Dich was.

Wg. Ehrenämter: das Problem kenn ich auch. Und es gibt gar nichts zum "Vorarbeiten"? Das kam mir grad spontan. Oder hast Du irgendwelche Hobbys?

Ich wünsch Dir, dass Du Dich hier gut aufgehoben fühlst.

Gute Besserung!

Manuela
Ha-Pe
Beiträge: 50
Registriert: 13. Dez 2007, 17:00

Re: Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von Ha-Pe »

Hallo Hedwig,

auch von mir ein herzliches Willkommen. Ich bin zwar kein Vielschreiber, aber ein Vielleser. Ich fühle mich in diesem Forum sehr wohl und es hilft mir. Ich sehe, dass ich mit meiner Krankheit nicht alleine bin.

Ich wünsche Dir, dass Du Dich hier auch wohlfühlst.

Bis Du in ärztlicher Behandlung wegen Deiner Depression?

Gruß
Ha-Pe
Ina80
Beiträge: 151
Registriert: 24. Jul 2007, 16:17

Re: Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von Ina80 »

Hallo Hedwig,

auch von mir ein warmer Willkommensgruß! Auch ich bin sicher, dass Du in diesem Forum auf viele nette Menschen treffen wirst, die Dir auch ein bisschen Ablenkung und auch mal eine Umarmung schicken werden. Und allen geht es mehr oder weniger ähnlich.

Wissen Deine Kinder von Deiner Situation, wie Du Dich fühlst? Kannst Du sie nicht mal besuchen fahren, wenn bei Deinen Ehrenämtern grade ein bisschen Platz ist, wie jetzt grade? Und wie steht es mit Hobbys, bei denen Du Dich selber beschäftigen lässt? Es klingt so, als wären Deine Ehrenämter eher Aufgaben, bei denen Du Dich um viel kümmern musst. Versuch das doch mal umzudrehen und Du lässt mal jemand anderes machen, wovon Du dann auch etwas hast. Zum Beispiel eine Sportgruppe oder sowas. Dabei lernt man dann auch Leute kennen.

Ich kann verstehen, dass Du Dich nach dem Rheinland zurück sehnst;-)

Liebe Grüße aus dem (fast) Rheinland und alles Gute
Ina
Bedenke: Ein Stück Deines Weges liegt hinter Dir, ein weiteres vor Dir. Wenn Du verweilst, dann nur, um Dich auszuruhen, nicht aber, um aufzugeben. (Augustinus)
Krimi
Beiträge: 332
Registriert: 11. Jul 2008, 15:19

Re: Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von Krimi »

Hallo Hedwig,

herzlich willkommen in diesem Forum, schön, dass Du hergefunden hast!

Warst Du denn mal bei einem Facharzt (Psychiater), um abklären zu lassen, ob Du an einer Depression leidest oder ob Dir - flapsig gesagt - einfach die Decke auf den Kopf fällt, weil Du einsam bist? Es klingt so, als würdest zu ziemlich ländlich wohnen, aber es wird doch irgendwo eine größere Stadt mit einem entsprechenden Arzt geben, oder? Bist Du mobil, kannst Du Auto fahren und hast ein Auto zur Verfügung? Oder hast Du genug Geld, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln ´rumzufahren? Wäre es eine Möglichkeit, unter der Woche aktiv zu sein, also z.B. Freunde in der alten Heimat zu besuchen oder so?

Ich finde es toll, dass Du scheinbar schon viel versucht hast, Dich um ehrenamtliches Engagement bemüht hast usw. Aber wenn das nicht ausreicht, musst Du vielleicht andere Wege gehen. Was würde Dir Spaß machen? Hast Du Hobbies außer dem Lesen? Vielleicht würden Dir Brieffreundschaften ein bisschen Nähe bringen? Hast Du es mal mit Kontaktanzeigen versucht, um eine Freundin zu finden? Das kann in so einem ländlichen Raum sehr schwierig sein, ich weiß. Vielleicht entwickelt sich ein Kontakt hier über das Forum (schau mal unter "Beziehungen").
Weiß Dein Mann von Deiner Situation? Kannst Du mit ihm darüber sprechen?
Müsst Ihr dort wohnen bleiben oder wäre es eine Alternative, wieder in die alte Heimat zurückzuziehen?

Wie gesagt, ich würde erstmal abklären, ob Du wirklich eine Depression hast und die dann ggf. auch entsprechend behandeln lassen. Und ansonsten finde ich es wichtig, Deine Situation zu verändern. Wie kannst Du zu realen menschlichen Kontakten kommen...

Alles Liebe,
Bea
holzbein
Beiträge: 3
Registriert: 16. Okt 2008, 11:18

Re: Ich gehe ein wie eine Primel!

Beitrag von holzbein »

Vielen Dank euch allen für das herzliche Willkommen.

Um einige Fragen zu beantworten:

ja, mein Ehrenamt besteht hauptsächlich im Kümmern um andere. Das liegt mir und das ist mir auch wichtig.

Sport ist nicht so mein Ding, alleine kann ich mich schon mal gar nicht aufraffen. Ich gehe gerne *stramm* spazieren, aber auch das stürzt mich, da ich ja immer alleine unterwegs bin, meist in noch tiefere Depressionen. So romantisch wie sich *Strand im Herbst bei Sturm und Regen* theoretisch anhört, in der Praxis kann das ganz schön traurig sein. Alleine eben.

Letzten Herbst hab ich hier an der Volkshochschule einen Gymnastikkurs besucht, extra im Ort, um dann dort wirklich auch Kontakt zu finden. Aber, und das kenne ich so überhaupt nicht, nach Beendigung der Stunde gingen alle kommentarlos auseinander, da gab es nicht mal ein Small-Talk-Schwätzchen in der Umkleide, keiner redete mit keinem, unvorstellbar. Und klar, dass natürlich hinterher nicht irgendwer noch einen trinken ging oder so. Hier steht die Individualität über allem, keiner belästigt den anderen, so wird das hier erklärt. Riesengrundstücke, damit man bloß nicht in Versuchung kommt, aus Versehen mal am Gartenzaun den Nachbarn zu treffen. Außer mir scheint das auch keiner zu brauchen, ich versteh das nicht.

Meine Diagnose lautet *endogene Depression*, mein Hausarzt hat da nicht viel mit am Hut, Verständnis gleich Null, den würde ich also im Notfall auch niemals kontaktieren.

Ich habe eine kurze Zeit lang mal Antidepressiva genommen, aber da war mir den ganzen Tag kotzeschlecht und ich konnte nix mehr essen und riechen, dafür hab ich innerhalb von 2 Wochen 5 kg zugenommen, was mich dann noch mehr fertiggemacht hat. Also hab ich sie abgesetzt. Irgendwie geht es auch so.

Meine Kinder wissen schon um meine Traurigkeit, so habe ich es ihnen verkauft. Aber was sollen sie denn machen? 500 km von mir entfernt? Und es ist ja auch nicht ihr Job, für mich zu sorgen. Wenn ich das schon selber nicht fertigbringe....

Mein Mann ist voller Verständnis, wir telefonieren jeden Abend, meist sehr lange, miteinander. Aber auch er weiß nicht, was er tun soll. Seinen Job aufgeben? Keine Alternative!

Hobbies? Lesen halt. Quatschen und eben meine Ehrenämter, soziales Engagement.

Ich bin mobil, habe auch ein Auto zur freien Verfügung, aber wohin soll ich fahren? Allein in der Stadt rumlaufen? Allein am Strand, siehe oben? Allein im Wald? Da hab ich dann auch noch Angst, hier ist ja keiner.

Ich fahre schon hin und wieder in meine alte Heimat, besuche Freunde und Verwandte, aber für alle ist das Leben weitergegangen, alle haben ihre Jobs und Familien, mein Platz ist da nicht mehr. So ist es auch, wenn ich die Kinder besuche: die müssen zur Uni, zur Arbeit, da sitze ich dann nur rum und störe. Und ich will halt auch nicht, dass ich ihnen zur Last falle mit meiner Anwesenheit. Sie sollen ihr eigenes Leben führen und sich nicht um ihre alte Mutter sorgen. *ggg*

Zumal ich wegen des Jüngsten, (der selber Schulschwierigkeiten und wenn schon, denn schon den falschen Umgang hat, die Schule abbrechen will usw.) auch nicht einfach mal ein paar Tage oder gar Wochen wegfahren kann. Selbst Fortbildungen, die ich wegen meiner Ehrenämter gelegentlich besuche, sind schwer zu organisieren, denn er ist sehr unzuverlässig, schwänzt dann die Schule und so. Das belastet mich zur Zeit fast am meisten, diese Angst, was nur aus ihm werden soll. Und nie einer, mit dem ich das alles teilen kann...

Ein Umzug in die alte Heimat kommt eigentlich nicht in Frage, hier ist es landschaftlich so schön, wir fühlen uns in unserem Haus so wohl wie lange nicht mehr im Leben, ich würde also auch was aufgeben, wenn ich wegginge. Und es käme auch einer Resignation gleich. Ganz abgesehen davon, dass mir das Engagement in meinen Ehrenämtern, das woanders SO nicht möglich wäre, total fehlen würde. Man kann halt nicht alles haben, klar.

Danke, dass ihr mir hier zuhört, das ist schon eine große Hilfe!

Hedwig
Das Licht am Ende des Tunnels ist immer nur der heranrasende Zug.
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