Hochschwanger in Mnchen und Mutter mit Depr. in Klinik in Norddeutschland

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Janine
Beiträge: 7
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Hochschwanger in Mnchen und Mutter mit Depr. in Klinik in Norddeutschland

Beitrag von Janine »

Hallo, Ihr, tja, wo soll ich anfangen?!? Muß mich mal ein bißchen ausheulen: Also, ich wohne mit meinem Mann seit letzten Sommer in München. Bin jetzt hochschwanger (ET Mitte Mai). Meine Mutter lebt alleine in Bremen (unsere alte Heimat). Sie hat ihr Leben lang immer wieder mit Depressionen zu kämpfen. Der erste Schub kam wohl schon in ihrer Pubertät (sie ist 61). Dann erinnere ich mich an eine weitere Phase, da war ich ungefähr 10 oder so. Und dann nochmals, als ich so 16 / 17 Jahre alt war. Und nochmals vor ca. 7 Jahren, als sie einen Schlaganfall erlitt (sie ist heute stark gehbehindert). Das sind so die wirklich heftigen Phasen in ihrem Leben gewesen, während derer sie an Depressionen allerstärkster Art litt. Sie hat auch 1-2 Suizidversuche hinter sich. Außerdem ist sie Alkoholikerin, aber seit Jahren trocken. Da ich einziges Kind bin und es auch sonst keine Angehörigen gibt, die sich kümmern, kenne ich mich ganz gut mit Depressionen aus. Seit einigen Wochen nun ging es mit ihr psychisch kontinuierlich bergab. Ich konnte förmlich sehen, dass sie immer weiter in dieses große schwarze Loch fällt. Aber mehr als täglich mit ihr telefonieren kann ich halt auch nicht tun... Ich habe versucht, sie zu motivieren. Sie hat sich um eine Psychotherapie bemüht und fing an, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Aber offensichtlich war das alles zu wenig, offensichtlich hat sie doch ganz gut vor mir verborgen, wie schlecht es ihr wirklich geht. Denn nachdem ich am Sonntag nicht mit ihr gesprochen habe und ich sie gestern und auch heute morgen telefonisch nicht erreicht habe (trotz Nachrichten auf ihrem AB), habe ich dann heute morgen Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt (Nachbarn alamiert, Polizei gerufen, Tür aufbrechen lassen etc.) und rausgefunden, dass sie heute Nacht ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Offensichtlich hat sie einige Tabletten geschluckt (lt. ihrer Aussage Antidepressiva). Wohl nicht soviel, dass sie wirklich ernsthaft gefährdet gewesen wäre, aber eben doch so, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte, gefallen ist und nicht wieder aufstehen konnte. Ein Nachbar hat ihre Hilferufe gehört und sie ins Krankenhaus bringen lassen. Der Arzt sagt, sie hätte einen erhöhten Medikamentenspiegel.... aber auch erhöhte Entzündungswerte. Sie wollen jetzt erstmal herausfinden, woran diese erhöhten Werte liegen, und dann sich um ihre Psyche kümmern (verlegen in die Psychotherapie?!?). Tja, nun sitz ich hier mit meinem Elend. Was soll / kann ich tun?? Eigentlich nicht wirklich etwas, oder?? Hinzu kommt, dass ich (schon länger) eine ziemliche Wut auf meine Mutter deswegen habe. Ich weiß, dass das ungerecht bzw. nicht gerechtfertigt ist. Ich weiß, dass Depressionen eine Krankheit sind. Dass sie nichts dafür kann. Dass Sprüche wie: "du mußt dieses oder jenes tun" ihr nicht weiterhelfen. Aber ich habe einfach keine Geduld mehr!!! Mein bzw. ihr Leben lang verfolgt uns diese Krankheit! Ich mag mich einfach nicht mehr kümmern!! Immer waren irgendwie unsere Rollen vertauscht: ich hatte die Mutterrolle, sie eher die Kind- bzw. hilflose Rolle. Immer muß ich mich kümmern, sie bemuttern, sehen, dass sie ihr Leben irgendwie meistert. Denn selbst in den Phasen, in denen sie nicht akut depressiv war, war sie immer ein lebensuntüchtiger Mensch. Und ich war immer für sie da! Ich hab mich immer, so gut ich konnte (aber ohne mich selbst aus den Augen zu verlieren), um sie gekümmert. Es ist mir schon klar, dass sie es augenscheinlich nicht verkraftet hat, dass wir nach München gezogen sind. Obwohl ihr Verstand auch sagt, dass das in Ordnung geht. Aber Bauch und Hirn gehen eben manchmal auseinander... Aber nun ist es momentan mal so, dass wir hier leben, weit weg von ihr. Ich kann es jetzt grad ja auch nicht wieder ändern. Und morgen oder übermorgen oder nächste Woche kommt mein Kind zur Welt! Und dann?!? Wie gesagt, ich habe momentan einfach nicht mehr die Gelassenheit, Verständnis für sie bzw. diese Krankheit aufzubringen. Ich könnte sie nehmen und schütteln. Vorhin am Telefon habe ich mich doch tatsächlich dazu hinreißen lassen, ihr zu sagen, sie möge doch auch mal an mich und ihr zukünftiges Enkelkind denken. Ich weiß, dass das falsch war!! Dass ihr das nicht hilft oder was bringt. Aber so empfinde ich halt im Augenblick: wie kann sie mir das jetzt antun?!?! Warum reißt sie sich nicht zusammen?? Ich muß mich auch dauernd zusammen reißen, mir ging es während der Schwangerschaft psychisch zeitweise auch ziemlich bescheiden. Ich hab mich auch an den Haaren rausgezogen usw. usw. usw. Ich weiß, dass das alles bei echten Depressionen nicht funktioniert, nicht hilft und nicht weiterbringt. Aber ich kann gegen meine Gefühle halt auch nicht an. Hat jemand von Euch schon mal was Ähnliches erlebt?? Oder kann sonstwie was dazu sagen?? Würde mich über einen Austausch sehr freuen. LG Janine
anna
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von anna »

hi janine, meine erfahrungen mit meiner mutter decken sich weitgehend mit deinen. meine mutter ist allerdings voll im berufsleben und in der lage, ihr leben zu gestalten, mittlerweile. mir fällt es trotzdem noch sehr schwer, das rollenverhältnis umzukehren und tochter zu sein, die verantwortung abzulegen, die ich sehr früh übernommen habe. loslassen gehört zu den schwersten dingen überhaupt, glaube ich. deine aggressionen sind absolut legitim, und ein schritt in die richtige richtung. du hast selbst schon festgestellt, dass du deiner mutter nicht helfen kannst - das ist aufgabe von ärzten und therapeuten. du hast "nur" die aufgabe, dich um das kind zu kümmern, dass bald zur welt kommt und um dich selbst. vielleicht fällt es dir zu schwer, dir eine innere distanz zu deiner mutter aufzubauen; dann kann eine therapie ungeheuer hilfreich sein. deine mutter kann es nur freuen, wenn du ein "gesunder" mensch bleibst! deine mutter ist offensichtlich in guten händen. du musst nicht helfen, wenn du es nicht kannst. ich wünsche dir viel kraft und erleichterung beim ausleben deiner wut und natürlich alles gute für die geburt deines kindes! anna
Anonym
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Anonym »

hallo janine, auch ich kenne ähnliche rollenverteilung mutter - tochter, wo die tochter die mutterrolle hat und umgekehrt...ich kenne auch die wut, denn wenn man tochter ist möchte man auch eine mutter haben, die in manchen situationen stark ist... du hast dein "bestes" gegeben..mehr kannst du in deiner momentanen lage nicht machen...ich weiß... die schuld...wenn deiner mutter etwas passiert...bist du nicht schuld..fühlst aber vielleicht so..nein, deine mutter ist selbst verantwortlich für ihr leben..nicht du...laß die verantwortung für ihr leben bei ihr.. ich wünsche dir kraft für dein leben mit deiner kleinen familie (und natürlich alles gute für die bevorstehende geburt !!!) herzliche grüße saturn
ute
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Beitrag von ute »

Hallo Janine ! Jtzt habe ich Deine Geschichte auch im Chat gefunden,nachdem wir uns im Diskussionsforum "Angehörige"getroffen haben. Und da hast Du mir gesagt,dass Du nicht die Geduld und Liebe aufbringen kannst wie ich....dabei hast Du jahrzehntelang soviel für Deine Mutter getan!!! Jetzt musst Du Dir nicht die Sorgen machen,dass sie allein zuhause ist, vermutlich wird sie Medikamente bekommen und vielleicht ist das die Chance,wieder in eine bessere Balance zu kommen. Mir hat in einer Krise jemand gesagt : Du musst immer auf dem Festland bleiben,wenn Deine Mutter auf der Insel ist. Man kann rüberschwimmen,sooft man es kann und will, aber man darf nie drauf landen..... Ich wünsch Dir,dass Du gerade jetzt abschalten kannst und Dich ganz auf Dein Kind freust. Für mich ist es total neu, dass es Leute mit solchen Parallelen zu mir gibt.Tochter (manchmal die einzige )einer seit Ewigkeiten depressiven Mutter.Nach 5 Psychatrieaufenthalten und 2 1/2 Jahren Heim habe ich sie zu mir geholt.Ich finde es schwer,aber da sie mir ungeheuer viel bedeutet,war es für mich nicht leichter zu ertragen,als sie aus meinem Blickfeld war. Wäre schön,wenn wir uns hier weiterhin austauschen können. Liebe Grüsse an alle auf dieser Seite Ute
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