Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

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Zephirina
Beiträge: 26
Registriert: 23. Apr 2008, 12:32

Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von Zephirina »

Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll (und werde mein Posting bestimmt eh wieder bereuen), aber irgendwo möchte ich einfach mal etwas loswerden, auch wenn vllt. niemand antwortet, aber sonst werde ich noch verrückt...

Mir ging es in den letzten Wochen eigentlich relativ gut und stabil und ich habe sogar wieder zuversichtlich in die Zukunft geblickt (juchu!) Das für Außenstehende nun sehr Komische ist, dass ich am Montag abend eine prinzipiell bombig gute Nachricht und ein feines Angebot erhalten habe (eigentlich möchte ich da wenig ins Detail gehen...), aber ich paradoxerweise seitdem merke, wie es mir immer schlechter geht.

Ich bin nun in der sehr schwierigen Lage, eine ganze Menge wichtiger Entscheidungen auf einmal treffen zu müssen, die folgenschwer für mein Leben und speziell meine berufliche Zukunft sein werden. Jedenfalls habe ich nun panische Angst, die falsche Entscheidung zu treffen und grübele und grübele und grübele... Erschwerend kommt hinzu, dass ich niemanden habe, mit dem ich reden kann oder bei dem ich mir einen Rat einholen könnte (nicht, damit mir jemand meine Entscheidung abnimmt, sondern einfach nur, um mal ein Feedback von einem anderen Menschen zu bekommen). Mein Partner ist zur Zeit nicht da (ist wegen Arbeit nur am WE zu Hause) und zudem kann er mir leider nicht viele Tipps geben, da er beruflich aus einer ganz anderen Sparte kommt. Meine Familie ist erst Recht kein guter Ansprechpartner, da extrem kritiksüchtig (selbst ein Lob erfolgt dort mehr nach dem Motto „Dein Gesicht ist doch hübsch - trotz der vielen Pickel“); außerdem darf ich zur Zeit nicht auf Verständnis hoffen, weil mir ja was POSITIVES passiert ist. Da kriege ich dann höchstens Sprüche à la „Deine Probleme möchte ich haben“ oder „Jammern auf hohem Niveau“ reingedrückt oder mir schlägt sogar unverhohlener Neid entgegen.
Ich weiß ja, dass es für Außenstehende vllt. wirklich blöd kommt, aber was soll ich machen? Statt mich zu freuen, bin ich total verzweifelt und zudem seit Montag ständig versucht, dem Druck und den Grübeleien ein Ende zu machen, indem ich mir ein, zwei Gläschen Wein gönne (ich weiß, dass das kein guter Weg ist und werde es wohl auch nicht tun).
Mir fällt niemand ein, mit dem ich reden kann. Bin auch gehemmt, weil ich nicht als unselbstständig und dumm daherkommen will (den Vorwurf der Unselbstständigkeit habe ich mir schon öfter eingefangen, wenn ich mir bei Verwandten einen Rat einholen wollte). Bei der Telefonseelsorge anzurufen, traue ich mich auch nicht so recht.
Naja, jetzt konnte ich mir immerhin hier im anonymen Internet mal was von der Seele schreiben. Das in-sich-hinein-fressen macht mich echt fertig.
Monas
Beiträge: 366
Registriert: 3. Apr 2008, 19:49

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von Monas »

Hallo
Es ist kein Wunder das es Dir trotz der positiven Nachricht nicht gut geht
niemand da mit dem Du reden kannst, Dir ein Feedback holen kannst
Deine Familie die sogar positves abwertet, da kommen sicher bei Dir auch Gedanken "darf ich mich überhaupt freuen, habe ich ein recht darauf?

dann stehen durch die positive Nachricht, ja weitreichenden Veränderungen an wie Du schreibst,so das Du wohl grad auch ziemlich und und her gerissen bist mit Deinen Gefühlen


hast Du Freunde mit denen Du reden kannst?
aber gut das Du hier schonmal Deine Sorgen berichten konntest
Zephirina
Beiträge: 26
Registriert: 23. Apr 2008, 12:32

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von Zephirina »

Monas schrieb:
> hast Du Freunde mit denen Du reden kannst?

Leider nein.
Ich wohne noch nicht lange hier und habe bislang kaum Kontakte knüpfen können. Zu Studienfreunden habe ich nur noch sporadischen Kontakt, weil gerade alle selbst in einer Umbruchsphase sind und viel um die Ohren haben; außerdem befürchte ich die üblichen verständnislosen Reaktionen (jemand Gesundes kann sich vermutlich auch nur schwer in meine Grübelei hineinversetzen).

Wenn mir jemand anderes eingefallen wäre, hätte ich mich wohl auch nicht wider besseren Wissens an meine Familie gewandt, obwohl vorhersehbar war, dass mich das Gespräch nur eher weiter runterziehen würde...

*ratlos bin*
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von heike56 »

Hallo zepherina,

auch eine positive Nachricht kann viel Streß bedeuten und somit evt. auch eine Verschlechterung deiner Stimmung herbeiführen. Es soll sogar häufiger vorkommen als man denkt, dass positive Ereignisse die Stimmung negativ beeinflussen können.

Und wenn dann keiner zum reden da ist, wird es schwierig. Wenn ich vor großen Entscheidungen stand habe ich mir eine Liste gemacht. In der einen Spalte die Dinge, die für eine Veränderung sprechen.
In die andere Spalte das, was dagegen spricht.
Schreib einfach alles auf, was dir einfällt. Vielleicht entlastet dich das. Dann muss es nicht ständig im Kopf rumgeistern.

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht auf mein Bauchgefühl zu hören. Nicht unkritisch, aber es war meist ein guter Wegweiser.

Ich wünsche dir, dass es bald wieder aufwärts geht.

Liebe Grüße

Heike 47
LucyLost
Beiträge: 11
Registriert: 16. Mai 2008, 10:10

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von LucyLost »

Hallo Zephirina!

Vielleicht magst Du Dir das mit der Telefonseelsorge nochmal überlegen? Da könntest Du wenigstens darüber sprechen und hast einen Gesprächspartner, von dem Du weißt, dass er Dir zuhört - egal was kommt. Vielleicht solltest Du dort v.a. auch sagen, dass Du Deine negative Reaktion auf diese positive Nachricht nicht verstehst und da in einer Spirale drin bist. Das ist es, denke ich, was Dich momentan vielleicht am Meisten beschäftigt.

Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass mich die Entscheidung, meinen Freund zu heiraten, in "das Loch" gerissen hat. Ich hatte das Gefühl, im Moment eh alles falsch zu machen und vielleicht ist das ja die absolut falscheste Entscheidung meines Lebens und...und...und... Es war schrecklich, obwohl ich mich gleichzeitig eigentlich sehr gefreut habe und obwohl ich wusste/weiß, dass mein Freund "der Eine" ist.
Ich hätte nie gedacht bzw. mir eingestanden, dass meine bevorstehende Hochzeit mit meinen Depressionen in Zusammenhang stehen könnte. Aber seit ich die Zusammenhänge erkannt habe, kann ich einigermaßen damit umgehen.
Du bist da schon einen Schritt weiter, denn Du hast den Zusammenhang schneller erkannt! Freu Dich darüber. Jetzt weißt Du die Ursache und an den Auswirkung lässt sich arbeiten.

Liebe Grüße
Lucy
Zephirina
Beiträge: 26
Registriert: 23. Apr 2008, 12:32

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von Zephirina »

Danke erstmal euch allen für eure verständnisvollen Antworten! *sowas gerade echt brauch*

Gestern hatte ich mich dann doch dazu durchgerungen, beim Gesundheitsamt anzurufen, da hatte ich nämlich Anfang des Jahres, als es mir schlechter ging (und kein Therapieplatz in Aussicht war), öfter mal Gespräche mit einer Psychologin, die noch so halb in der Ausbildung steckt und mit der ich sehr gut klar kam (Altersmäßig waren wir nicht so auseinander und die Wellenlänge passte auch). Leider war sie an dem Tag nicht da und ich habe mich danach wieder so entsetzlich einsam und isoliert gefühlt und meinen Freund wollte ich nicht schon wieder auf der Arbeit anrufen und ihn von selbiger abhalten (habe eh schon ein schlechtes Gewissen deswegen).

Habe dann stundenlang Heulkrämpfe gehabt und leider doch was getrunken und bin dann ziemlich fix eingeschlafen (trinke sonst nix und vertrage daher nicht viel *g*).
Am Abend ging es dann aber wieder etwas besser und ich habe sogar etwas Sport gemacht. *freu*


@Heike:

Das mit der Liste habe ich mir auch schon überlegt und auch damit angefangen. Leider decke ich damit nur einen Teilaspekt ab, denn es sind ja eine ganze Menge Entscheidungs-Verzweigungen und Abgabelungen und nicht nur Ja-Nein-Entscheidungen (da geht es dann oft noch leichter), sondern die viel schlimmeren W-Fragen, die auf mich zukommen... Und bei denen bin ich leider gar nicht gut.
Hätte am liebsten ein weises Orakel, das mir die richtigen Antworten geben kann *lach*


Naja, heute abend kommt zumindest mein Freund nach Hause, dann habe ich zumindest jemanden, der mich aufbaut und meinen Katastrophen-Szenarien etwas Wind aus den Segeln nimmt...
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von heike56 »

Liebe Zerephina,

bist Du wegen deiner Depression in ärztlicher Behandlung? Es wäre sonst vielleicht nicht schlecht, wenn Du dir auch da Unterstützung holen würdest.

Zu den vielen W-Fragen. Das schwierige ist ja, dass es sich um Möglichkeiten handelt von denen alle oder keine eintreten muss. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Schwierigkeiten oft aus einer Ecke kommen, woran ich gar nicht gedacht hatte.
Ich will damit sagen, zu viel grübeln bringt meistens auch keine größere Entscheidungssicherheit, aber das ist leider typisch Depri.

Aber ich verstehe deine Schwierigkeiten zu gut. Ich selber musste in einer zwar behandelten aber längst noch nicht ausgeheilten Depri eine neue Stelle anfangen. Ich frage mich heute noch, wie ich das geschafft habe. Zumal auch noch ein Ortswechsel damit zusammenhing. Neue Stelle, neue Kollegen, keine Bekannten in dieser Stadt, nur mein Partner war hier.

Für mich wäre in einer solche Situation am wichtigsten, dass die Depression mich möglichst wenig beeinträchtigt.
Dann lassen sich auch viele andere Situationen einfacher bewältigen.

Liebe Grüße

Heike 47
Bellasus
Beiträge: 1628
Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von Bellasus »

Hallo Zephirina, Heike47, @all,

genau das ist glaube ich ziemlich typisch für depressives denken und fühlen, und ich erlebe es selber gerade ziemlich deutlich und unschön, obwohl EIGENTLICH alles gut ist.

Heiraten ist sogar ein bekannter Depressionsauslöser, Lucy! Uns wurden mal in einer Gruppe die häufigsten Auslöser vorgestellt, darüber gibt es Studien, und Heiraten stand ziemlich weit oben!

Ebenfalls kann es - auch nicht-depressiven - schnell passieren, dass man lange auf ein Zeil hinarbeitet, oder sich etwas sehnlich wünscht, dann hat man es erreicht - und fällt in ein tiefes Loch. Das trifft bei mir eher zu - auch beruflich, erste Arbeitsvertrag seit meinem Zusammenbruch vor 4,5 Jahren. So lange dafür gekämpft, jetzt arbeite ich seit 4 Wochen und hänge ganz schön in den Seilen, sowohl kräfte- als auch angst- und stimmungsmäßig.

Wenn man depressions-vorbelastet ist, wird jede größere Entscheidung schwerfallen, tiefsitzende Zweifel sind plötzlich wieder da und Angst, die erreichte Besserung aufs Spiel zu setzen. Ich habe einige solcher Entscheidungen getroffen in den letzten Jahren, und immer habe ich versucht, in mich hineinzuhorchen, mir vorzustellen, wie sich die Möglichkeiten anfühlen könnten, und dann war die Entscheidung immer sehr klar - ohne konkrete Argumente, wirklich nach dem, was sich stimmig anfühlte. Oft habe ich direkt NEIN oder JA in mir gehört.

Und das Ja zu dem, was ich dann getan habe bzw. zu der Stelle, die ich jetzt habe, stelle ich auch nicht in Frage. Ich habe viele Zweifel, brauche auch weiterhin professionelle Hilfe, weil es echt ein neuer Lebensabschnitt ist, den ich allein nicht bewältigen kann (dann läge ich ganz schnell wieder auf der Nase, fehlt ja so schon nicht viel) - aber irgendwo in mir sagt etwas, dass ich das schaffe.

Dieses Gefühl wünsche ich dir auch, und wenn sonst niemand zum reden da ist, dann nimm bitte das Forum dazu - zum Gedanken sortieren und Feedback bekommen. Ich bin selten hier, gucke aber immer mal wieder rein.

Toi toi toi
Annette




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- Betroffene für Betroffene -
cybolon
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Registriert: 10. Dez 2007, 19:55
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Re: Absinken in neues Loch wegen was Positivem?

Beitrag von cybolon »

Hallo Annette,

... und wenn Du dann schreibst, ist es immer toll formuliert, macht Freude, es zu lesen und bringt wertvolle, mutmachende Anstösse.

Liebe Grüße
vom
cybolon
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