Abwenden von Anderen nötig?

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Sunshine77
Beiträge: 261
Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Abwenden von Anderen nötig?

Beitrag von Sunshine77 »

Hallo Zusammen,

Mich beschäftigt seit einiger Zeit die Frage ob ein Abwenden von Menschen die einem nicht immer gut tun oder einen immer wieder enttäuschen richtig oder gar nötig ist?

Wenn Menschen mich immer wieder enttäuschen oder verletzen ziehe ich häufig den Schlußstrich - wende mich ab da mir das Gefühl sagt, Kontakte die einen runterziehen, müssen gemieden werden. Aber - wo ist der Punkt erreicht wo ein Abwenden richtig und notwendig ist, denn irgendwann hat man ja so schon fast jeden "verlassen"? Muss man nicht eher lernen auch mit negativem Verhalten Anderer umzugehen - es einfach "auszuhalten"?

Wäre für ein paar Sichtweisen ganz dankbar...

LG,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

TearsforFears
Beiträge: 392
Registriert: 18. Jan 2008, 12:52

Re: Abwenden von Anderen nötig?

Beitrag von TearsforFears »

Hallo Tini,

Ich kenne Dein Problem gut. Ich habe mich auch schon oft von Menschen abgewandt, die schlecht für mich waren und die maßgeblichen Anteil an meiner Krankheit hatten. Insofern würde ich sagen, den Kontakt zu solchen Leuten abzubrechen ist absolut richtig und gut.

Trotzdem fragt man sich natürlich, ob man nicht zu empfindlich ist. Gerade wir Depressiven geben ja immer zuerst uns die Schuld.

Ich sehe das so:
Erstens kommt es auch auf die Art der Beziehung an. Auch meine Eltern haben einen Anteil an meiner Krankheit, aber zu ihnen habe ich den Kontakt nicht abgebrochen und jetzt kommen wir ganz gut klar. Bevor man den Kontakt zu seinen Eltern abbricht, muss schon einiges passiert sein (was nicht heißt, dass das in manchen Fällen nicht berechtigt ist!).

Zweitens muss man sich seiner Depri-Denke und der daraus resultierenden mimosenhaften Art bewußt sein. Manchmal sind Freunde einfach schlecht drauf, weil es in der Partnerschaft oder im Job nicht läuft und stänkern rum. Dann kann es mich auch mal erwischen. Das darf man nicht so persönlich nehmen. Im Zweifelsfall kann man ja auch temporär etwas Abstand zu der Person suchen, bis sich die Lage wieder gebessert hat. Etwas anderes ist es natürlich, wenn es imemr nur gegen Dich geht. Dann nix wie weg.

So mache ich das, bei mir klappts so ganz gut.

Grüße,
Tears
kaitain
Beiträge: 819
Registriert: 13. Jan 2007, 23:31

Re: Abwenden von Anderen nötig?

Beitrag von kaitain »

penelope
Beiträge: 73
Registriert: 11. Apr 2008, 21:16

Re: Abwenden von Anderen nötig?

Beitrag von penelope »

das frage ich mich auch. wieviel schmerz kann ein herz vertragen und wann reicht es endlich größe zu zeigen. das wüsste ich auch gern. immerzu ausgenutzt werden und sich selbst die schuld geben und das schlimmste ich sich niemanden mitteilen zu können weil es einem keiner glauben möchte, das ist was mich am meisten zerstört. immer gesagt zu bekommen "du hälst ja gar nichts aus", ist so grausam, zumal derjenige der das sagt, den druck den ich in mir spüre wohl kaum kennt, also wie kann er wissen dass ich nichts aushalten kann?
ich habe aber auch oft das grfühl dass die depression mich stärker macht. gebrochener und stärker in einem zug. merkwürdig.
vielleicht sind auch alle freundschaften die einem verletzten "a lesson that we have to learn" wie es so schön heißt, dass es hätte so kommen müssen. wer weiß.
Sunshine77
Beiträge: 261
Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: Abwenden von Anderen nötig?

Beitrag von Sunshine77 »

Danke für Eure Antworten.

Es ist wie Kaitain es trefflich beschrieben hat:

"Irgendwie will mir nicht einleuchten, warum ich mich weiter mit Menschen umgeben soll, die mir nicht gut tun, die mir weh tun, die trotz ihres Wissens um meine Erkrankung schlecht mit mir umgehen? Es ist aber auch ein wenig so wie Tini schreibt, irgendwann ist man ganz alleine, die Frage ist, will ich diesen Preis zahlen oder will ich (um nicht alleine zu sein) mich weiter verletzten lassen? Es ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ein Abwenden ist aus meiner Sicht dann erforderlich, wenn ein Austausch, ein Verzeihen, ein Vergeben (von beiden Seiten) nicht mehr möglich ist. Welchen Sinn sollte es haben, einer Freundschaft, einer Liebe, einer Beziehung nachzulaufen, Muster hin, Muster her. Darauf habe ich noch keine Antwort gefunden."

Wann ist der richtige Zeitpunkt erreicht wo man sich abwendet - weil etwas keine Zukunft hat oder immer häufiger zu lasten der eigenen Person geht? Wir alle sind soziale wesen, in gewisser Form auch aufeinander angewiesen. Vom Verstand ging es mir meistens dann gut, wenn ich mich klar positioniert habe und ggfs. einen Schlußstrich unter einer Freundschaft oder Beziehung (auch innerhalb der Familie) vollzogen habe. Dennoch stet im Gegensatz dazu, dass man schnell dazu neigt zu vereinsamen ohne Mitmenschen die einen wirklich was bedeuten (und die dich auch wertschätzen!). Aber solche Menschen findet man eben nicht immer und überall...

Auch ich denke, wenn man einmal einen Schlußstrich gezogen hat, ist es schwer eine Beziehung (welcher Form auch immer) wieder aufleben zu lassen. Der Riß ist da und meistens geschah der Abschied ja nicht ohne Grund (denn Spontane Reaktionen dieser Art konnte ich mir zum Glück abgewöhnen). Häufig sieht man Dinge mit etwas Abstand dann doch wieder versöhnlicher, nicht so dramatisch wie im Moment der Verletzung.

Bleibt also die Frage für uns alle, ob es besser ist faule Kompromisse einzugehen, etwas aufrecht zu erhalten dass einen schlimmsten falls schadet oder eben doch lieber alleine ggfs. sogar einsam zu sein?

LG,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

Gabriele
Beiträge: 663
Registriert: 11. Jul 2007, 22:18

Re: Abwenden von Anderen nötig?

Beitrag von Gabriele »

Liebe Tini,

als ich das erste Mal den Rat bekam mich zurückzuziehen, den Kontakt abzubrechen, war ich gewaltig erschrocken. Schließlich ging es um meine Urspungsfamilie. Ich habe nach einem Mittelweg gesucht. Kontakt mit einer gewissen Distanz sozusagen.

Fazit: Das lässt sich nur sehr schwer durchführen. Es ist sehr kraftaufwendig und anstrengend. Laufend steht man unter „Strom“, angespannt, voll konzentriert. In dem Moment, wo sich mein Gegenüber meiner wieder sicher war, ist wieder alles beim Alten.
Ich spüre also wie gut mir diese Distanz tut. Wie ich das in Zukunft gestalte, weiß ich noch nicht, es gibt da ja auch noch meine Mutter.

Wenn man sich dann aber endlich durchgerungen hat einen Schlussstrich zu ziehen, warum sollte man dann die Beziehung wieder aufleben lassen?


>„Häufig sieht man Dinge mit etwas Abstand dann doch wieder versöhnlicher, nicht so dramatisch wie im Moment der Verletzung.“<
Das ist es ja, oft wird darauf vertraut, dass wir wieder versöhnlich sind, oder zumindest schneller zur Versöhnung bereit. Leider ist es dramatisch und tut immer wieder weh. (Letzte Erfahrung jetzt erst im April zum Geburtstag meines Mannes gemacht.)


>„Bleibt also die Frage für uns alle, ob es besser ist faule Kompromisse einzugehen, etwas aufrecht zu erhalten dass einen schlimmsten falls schadet oder eben doch lieber alleine ggfs. sogar einsam zu sein?“<

Aber Tini Du schreibst es doch schon: Faule Kompromisse.
Isst Du einen faulen Apfel? Verzeih mir den Vergleich. Aber bei ungesundem Essen wissen wir, werden wir krank. Und bei ungesunden Beziehungen?

Und noch ein Wort zur Einsamkeit. Ich habe das Glück einen liebevollen Mann zu haben.
In den Monaten in denen ich hier lese, habe ich gelernt vieles aus ganz anderer Perspektive zu sehen. Wir haben oft gemeinsam gelesen, oder ich habe erzählt. Überhaupt haben wir viel geredet. Wir haben beide eine Entwicklung durchlaufen.
Ich weiß, dass ich noch ein gutes Stück Weg vor mir habe, aber ich fühle mich heute stärker, sicherer und auch beschützt. Und daran hat auch mein Mann seinen Anteil.
Das war damals auch der Grund, weshalb ich Dich nach der Unterstützung durch Deinen Mann gefragt habe.

Viele Grüße Gitte
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