Klinik-Erfahrung in Hamburg

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HelH3
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Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von HelH3 »

Hallo allerseits,

vorab: Mein nachfolgender Bericht soll niemanden prinzipiell von einem Klinikaufenthalt abschrecken, es handelt sich dabei um eine individuelle Erfahrung in einer bestimmten Klinik (siehe mein Thread vom 24.04.). Ich habe dort insgesamt 5 Tage verbracht und hoffe, dass dies mein erster und letzter Klinikaufenthalt war...

Hinterher weiß man eben immer mehr...

Ich hatte wenige Tage zuvor eine Akut-Eimweisung wg F 32.2G erhalten. Wegen der räumlichen Nähe zu besagter Klinik landete ich denn auch dort - es handelt sich um eine offene Station mit ca. 26 Plätzen für chronisch Depressive sowie Angstgestörte und Patienten auf Benzo-Entzug. Ich hatte gehofft, ein dicht gepacktes Therapie-Programm zu erhalten, v. a. Psychotherapie, aber auch Bewegungs- und Ergotherapie - da ich bereits eine ambulante Langzeittherapie abgeschlossen hatte, schien mir der Weg über die Klinik sinnvoll, auch im Hinblick auf eine neue Bewilligung für eine weitere PT.

Dort angekommen, passierte am ersten Tag zunächst gar nichts. Angenehmerweise hatte ich eine sehr nette Zimmergenossin, die wg Panikattacken und Benzo-Entzug dort war - übrigens schienen sowieso die wenigsten Patienten auf jener Station "nur" die Diagnose Depression zu haben, die Mehrheit war auf klinisch begleitetem Benzo-Entzug, (ca. ein Drittel), ein weiteres Drittel war angstgestört und der Rest bestand aus Depris wie zB mir... Mir wurde dann ein dicker Ordner namens "Therapieführer" ausgehändigt, in welchem mir ein 4-wöchiges Programm vorgestellt wurde, von dem in den 5 Tagen nur ein Bruchteil tatsächlich im Angebot war. Man wurde eben erstmal auf diverse Wartelisten gesetzt. Theoretisch konnte man innerhalb der ersten beiden Tage die Zuweisung eines Psychotherapeuten und einer Bezugsschwester erwarten, aber beides ergab sich für mich nicht, und ich habe mit Patienten gesprochen, die fast 4 Wochen dort verbracht hatten, ohne auch nur eine einzige PT-Sitzung erhalten zu haben.

Ich hatte am zweiten Tag ein Arztgespräch, bei dem allerdings nicht wirklich viel über den weiteren Verlauf gesprochen wurde, es diente halt der Erstinformationsaufnahme für den Arzt. Dabei haben wir uns immerhin auf eine Verdopplung meiner AD-Dosis (Fluoxetin) geeinigt, mehr aber auch nicht. Die im Therapieführer avisierten Depressionsbewältigungsgruppen u dergl waren allesamt überfüllt, und es war unklar, ab wann ich denn dort reinkommen könnte.

Da ich in unmittelbarer Nähe der Klinik wohne und von Anfang an sehr viel Leerlauf zwischen den wenigen Therapiesessions war, wollte ich gerne zwischendurch nach Hause, was aber nur mit Erlaubnis des Arztes möglich war. Das störte mich bereits, da ich nun wenigstens nicht suizidal war und mich vor allem freiwillig dort aufhielt. Zwei kurze Aufenthalte zu Hause wurden mir erlaubt, nicht aber eineinhalb Tage am Wochenende, obwohl seit dem Donnerstag (Feiertag mit anschließendem Brückentag für die meisten Therapeuten) nahezu nichts passiert war und man nur durchhing.

Dieses Durchhängen zog mich noch viel mehr runter, und das latente Gefühl des Eingesperrt-Seins trotz der Freiwilligkeit bei der ganzen Aktion erst recht... Die zwei Sitzungen mit Bewegungstherapie und die Session mit progressiver Muskelrelaxation gefielen mir wohl, nichtsdestotrotz stellte ich mir die Sinnfrage, ob ich denn dafür wirklich stationär untergebracht sein müsste...?

Erschwerend kam hinzu, dass alle Patienten auf dieser Station den erheblichen Kostendruck der seit einigen Jahren privatisierten Klinik massiv zu spüren bekamen - das Essen war fast immer zu knapp bemessen, die hygienischen Standards entsprachen auch nicht dem, was man normalerweise von einem Krankenhaus erwartet (keine Seifenspender, schmuddeliges Bad uvm) und zT extrem gestresstes, überlastetes Pflegepersonal - wobei ich jenen keineswegs generell Vorwürfe machen möchte, nur finde ich es unangemessen, wenn eine Stationsschwester uns im Patienten-Meeting vorhält, wir seien schließlich nur "Gäste" - ich dachte doch, wir seien Patienten bzw im Neusprech jener Klinik-Gruppe sogar "Kunden"...?

Ich hatte in den 5 Tagen ansonsten nur noch ein EEG, das angesetzte EKG habe ich dann schon nicht mehr mitgemacht, weil ich mich entschlossen hatte, auf eigenen Wunsch den Klinik-Aufenthalt abzubrechen und weiterhin zu versuchen, die Genehmigung für eine weitere ambulante Therapie zu erhalten. Was mir in den wenigen Tagen gefallen hatte, war der Kontakt zu den Leidensgenossen, aber das allein reichte einfach nicht, zumal ich mich mit meiner stark antriebssteigernden Medikation doch allzu stark von der Mehrheit der auf Benzo-Entzug vor sich hinleidenden Patienten unterschied.

Schließlich erfuhr ich, dass ich ohnehin nur eine Psychotherapie-Sitzung pro Woche zu erwarten hatte - das kann man aber auch ambulant haben...

Nun ja, immerhin gestaltete mein Abgang sich nicht so kompliziert wie anfangs befürchtet - offenbar gibts doch recht viele vorzeitige Abgänge unter freiwilligen Psychiatrie-Debütanten

Vllt hat mich diese eher ernüchternde Erfahrung sogar gepusht, "draußen" wieder aufzuleben, was für mich natürlich sehr erfreulich ist - nur, wie gehts dabei denen, die noch viel weiter unten sind und auch nicht Monate Zeit dort verbringen möchten, weil sie so wie ich einfach wieder lebens-, arbeits- und beziehungsfähig werden wollen...?

Fragt sich Helena, nunmehr Kurzzeit-Psychiatrie-Erfahrene
mizobel
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Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von mizobel »

hallo helena,

na das war dann wohl nix mit deinem ersten klinik-versuch ;-(
vielleicht hast du auch einfach nur zu früh abgebrochen? in der ersten woche ist alles ungewohnt, muss sich erst einspielen und man muss sich eingewöhnen und akzeptieren, dass man hilfe benötigt und sich dafür leider etwas anpassen muss.
falls du es erneut versuchen möchtest, schau dir doch mal das http://www.heinrich-sengelmann-krankenhaus.de/
im norden hamburgs an - eine bekannte von mir war dort und ihr wurde dort aufgrund der sehr guten therapeuten geholfen.
mein psychiater hat mir die klinik auch empfohlen, aber meine therapeutin rät mir von einem weiteren klinikaufenthalt ab.

ps. mein profil ist derzeit übrigens offen - falls du magst?
bis bald - micha
anci1970
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Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von anci1970 »

Hi!

Keine schöne Erfahrung...!

Ich selbst bin mal in die Krisenintervention gegeangen, weil ich Angst vor mir und um mich selbst hatte. Nach nur einer Nacht habe ich die Flucht ergriffen.

Ich war mit einer Patientin im Zimmer, die mir "verboten" hat, mich nachts im Bett umzudrehen oder mich auch nur zu räuspern... Dabei wurde sie am nächsten Tag entlassen.

Ich habe dann versucht, im Aufenthaltsraum bei Neonlicht zu schlafen.

Einen Arzt habe ich nicht gesehen... Da habe ich mich so erniedrigt, ausgeliefert und hilflos gefühlt, dass ich lieber auf "Hilfe" verzichtet habe.

Mal ´ne Frage - nicht angegriffen fühlen:

Deine letzte Therapie scheint demnach noch keine zwei Jahre her zu sein. Worauf führst Du es zurück, dass kein dauerhafter Erfolg eingetreten ist?

Also nicht falsch verstehen, mir selbst ist überhaupt nicht klar, warum wir diese alberne Pause machen müssen. Meiner Partnerin, die jahrelang an der Dialyse war, hat auch keiner gesagt: "So, nun machen Sie erstmal zwei Jahre Pause und dann bekommen Sie wieder Dialyse." Und ein Diabetiker bekommt auch nicht zwei Jahre lang kein Insulin...

Aber meine eventuell zukünftige Therapeutin fragte mich, weshalb die Therapie nicht "länger hielt".

Ich wünsche Dir, dass Du die Hilfe bekommst, die Du brauchst.

LG Bianca


Wer meine Sehnsucht kennt, weiß wie ich leide!
HelH3
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Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von HelH3 »

Hi Bianca,

meine letzte Therapie endete sogar erst vor 4 Monaten... Tja, warum sie mich nicht endgültig geheilt hat - Pech, Schicksal... Hatte im Herbst meinen langjährigen, mich stabilisierenden Job verloren (danach Freistellung bis vor einem Monat), außerdem der Tod des liebsten Menschen aus meiner Familie... Beides zusammen hat mir so den Boden unter den Füßen weggezogen; alles, was ich noch hatte, was mich im realen Leben verankerte, war einfach nicht mehr da...

Eigentlich wäre meine Therapie bereits im Oktober beendet gewesen, aber es gab noch eine sogenannte "Entdeckelung" (soll wohl akute Krisenintervention bezeichnen), so dass es bis Ende Januar weiterging. Danach begann jene Sperrzeit, mit der ich mich immer noch herumschlage.

Die Probleme, die ich vor dreieinhalb Jahren hatte - die Ursachen für meine reaktive Depression - hatte ich wohl im Griff, war aber nicht gewappnet gegen die noch viel härteren, unerwarteten Schläge, die dann kamen - nur, kann man eine solche Härte tatsächlich schon nach einer Therapie von sich erwarten? Ich weiß es immer noch nicht so recht - definitiv hatten mir die Therapie und die Medikation geholfen, dies ohne totalen Zusammenbruch zu überstehen, aber der monatelange Leerlauf danach hat mich irgendwie so versteinert, dass mir ein Klinikaufenthalt erstmal wie eine Rettung erschien. Nun ja, manchmal muss man solche Erfahrungen gemacht haben, um zu verstehen, dass sie einen nicht weiterbringen...

Was du über deinen Klinik-Aufenthalt schreibst, klingt noch übler als das, was ich da erlebt habe - trotz meiner im Vergleich zu den anderen Patienten abweichenden Diagnose habe ich die Gespräche mit jenen immer noch als das beste dort empfunden. Trotzdem möchte ich nie wieder "rein"...

Wie siehst du das aus heutiger Sicht für dich?

LG Helena
anci1970
Beiträge: 96
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Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von anci1970 »

Hallo Helena!

Ja - das kann ich nachvollziehen, dass Dir das den Boden weggehauen hat! Mir ging´s ähnlich...

Da sind immerzu Menschen aus Familie, Bekannten- und Freundeskreis gestorben im letzten und im vorletzten Jahr unsere Katze, an der ich enorm hing.

Wie sehe ich das heute?? Also die Reha von der Deutschen Rentenversicherung hat mir sehr gut getan.
Ich hatte da auch tollen Kontakt zu den anderen Patienten und ein Einzelzimmer, in das ich mich zurückziehen konnte, wenn ich für mich sein wollte. Das brauche ich sehr... Zeit für mich - weil mich zu häufiger / intensiver Kontakt zu anderen Menschen nach einer Weile enorm anstrengt.

Danach war ich noch in einer psychiatrischen Tagesklinik. Das war auch gut! Ich wäre gerne noch etwas länger als die drei Monate geblieben, die ich da war. Da war auch der Kontakt zu den Anderen mit das Beste. Wobei ich da auch eine ganz tolle Ärztin hatte, die sich sehr bemüht hat, mir zu helfen, indem sie auch noch recht neue Medikamente ausprobiert hat.

In die Tagesklinik würde ich in jedem Fall noch mal gehen, wenn zu Hause nix mehr geht. Aber erstmal will ich jetzt versuchen, es "draußen" mit ambulanter Therapie zu schaffen. Bei mir waren die zwei Jahre im Januar rum. Davor war ich im Sommer letzten Jahres in der Reha und danach bis November in der Tagesklinik. Ohne das?? Wär nicht gut gegangen!

Sonnige Grüße aus Capital-City von Bianca


Wer meine Sehnsucht kennt, weiß wie ich leide!
sonne1
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Registriert: 14. Apr 2008, 18:35

Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von sonne1 »

Halo La Helena,

schade, dass Du so schlechte Erfahrungen gemacht hast. Ich stehe beim Asklepios
Westkinikum Hamburg auf der Warteliste.

War es diese Klink? Du kannst mir gerne
eine Mail schreiben, wenn Du die Antwort nicht ins Forum stellen willst. Danke.

Alles Gute für Dich.
HelH3
Beiträge: 1030
Registriert: 20. Dez 2007, 16:09

Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von HelH3 »

Hallo Sonne,

ich war im Klinikum Nord - welche Station es war, habe ich am 24.04. in einem eigenen Thread gepostet. Allerdings bezog sich meine Einweisung auch auf das Klinikum West, und ich stand dafür zunächst auch auf der Warteliste. Dann bekam ich aber die Rückmeldung über einen freien Platz in der anderen Klinik.

Mein Psychiater hatte sich recht positiv über die psychiatrischen Stationen im Westklinikum geäußert, seiner Meinung nach ist das Behandlungskonzept dort sehr gut...es gibt übrigens sogar ein Gästebuch für die betreffenden Stationen auf der Asklepios-Website, was für das Nordklinikum nicht der Fall ist...vllt mal reinschauen?

Leider kann ich nichts dazu sagen, ob und inwieweit sich das "Asklepios-Klima" auch dort durchgesetzt hat, aber der folgende Link (Qualitätsbericht 2006 fürs Westklinikum) hilft vllt weiter:

http://www.asklepios.com/HamburgRissen/ ... H_2006.pdf


Viel Glück!
Lee
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Registriert: 5. Jul 2004, 16:42

Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von Lee »

Hi Helena,

>>>Da ich in unmittelbarer Nähe der Klinik wohne und von Anfang an sehr viel Leerlauf zwischen den wenigen Therapiesessions war, wollte ich gerne zwischendurch nach Hause,

Wäre eine Tagesklinik nicht für dich geeignet? Da kannst du nachmittags nach Hause gehen und übers Wochenende. Und auf die Station wechseln, falls du Sorge hast, ein Wochenende nicht allein zu überstehen.

Viele Grüße

Lee
HelH3
Beiträge: 1030
Registriert: 20. Dez 2007, 16:09

Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von HelH3 »

Hi Lee,

ja, Tagesklinik oder besser noch eine neue ambulante Therapie, so etwas schwebt mir auch vor. Mein Psychiater hat mich jetzt erstmal für ein bestimmtes Programm meiner Krankenkasse angemeldet, es nennt sich "Versorgungsnetz Depression"... bei meinem nächsten Termin soll ich mehr über die konkreten Möglichkeiten erfahren, die dieses Programm bietet. Ich könnte mich auch mit ambulanter Gruppentherapie anfreunden. Mittlerweile fühle ich mich deutlich stabiler als noch vor ein paar Wochen, u. a. dank Sommer, Sonne, verdoppelter AD-Dosis und überhaupt... so kanns gerne länger bleiben. Nach Ablauf meiner Krankschreibung muss ich mich dann endlich mal ums Arbeitsamt kümmern, was ich viel zu lange aufgeschoben habe...

LG Helena
sonne1
Beiträge: 11
Registriert: 14. Apr 2008, 18:35

Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von sonne1 »

Hallo La Helena,

vielen Dank für Deine schnelle Rückmeldung.

Ich wünsche Dir alles Gut für die Zukunft.

Viele Grüße
kleineGroße
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Registriert: 3. Aug 2008, 20:12
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Re: Klinik-Erfahrung in Hamburg

Beitrag von kleineGroße »

Hallo,

das hört sich ja nicht so positiv an. Ich war 2006 und 2007 insgesammt fast 6 Monate im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen. Ich kann auch nur ositives von der Station F berichten. Mir hat es sehr viel geholfen und einen großen Schritt nach vorn gebracht. Ähnliches kann ich auch über die Tagesklinik Alsterdorf berichten.

Liebe Grüße

Francy
Ich bin eine von Vielen, aber doch anders!
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