Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

r.p.mcmurphy
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Wolke,

ich stimme Deinen Ausführungen zu.

Viele Grüße,
Patrick
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo,

ich geb auch mal meinen Senf dazu, wenn es jmd. interessiert.
Ich sehe das ähnlich wie Patrick und weiss, dass es schon mehrere Diskussionen im Forum gab zum Thema.
Am Ende war stand schon die Meinung, dass man selbst etwas tun kann, wie eben nicht bei Lidl einkaufen (sofern die Möglichkeit besteht), aber auch Jobs ablehnen, bei denen man eben nur 3 € bekommt. Oder eben der älteren Nachbarin die Einkaufstüten hochtragen, etc. - ich glaube nicht, dass das irgendjemand bestritten hat.
Solche Aktionen halte ich aber in der gesamtwirtschaftlichen (und sozialen) Entwicklung als Tropfen auf den heissen Stein.

Was ich nicht gut finde und wo ich oft denke, mit meiner Meinung "abgewatscht" zu werden, wenn es heisst, es würde nur gejammert. Seine Meinung sagen und auf unschöne Dinge, eigene Erfahrungen und Entwicklungen hinzuweisen hat nichts damit zu tun. Oft habe ich das Gefühl, dass man mundtot gemacht werden soll und halte auch denke auch, dass der Ausdruck "Gejammere" gezielt eingesetzt wird, um eben das Ziel zu ereichen.

Das es den Menschen in den Entwicklungsländern schlechter geht, bestreitet auch niemand. Nur sehe ich es als promlematisch an, diesen Umstand im Hinblick auf Themen unser Land betreffend ständig anzumerken (was für mich den selben Zweck wie das Gejammere erfüllt). Soll das heissen, wir sollen jetzt alle unseren Mund halten, weil den Sudanesen geht es noch viel schlechter ? Ist das die Rechtfertigung dafür, dass wir uns immer mehr von der sozialen Marktwirtschaft weg hin zur freien Marktwirtschaft bewegen ? Ich denke, umgekehrt wird ein Schuh draus. Nämlich die Entwicklungsländer müssen sich "vorwährts" entwickeln und wir nicht "rückwärts".

Auch (aggressives) Marketing, um die Kunden bewusst zu täuschen, halte ich für moralisch verwerflich. Aber Geld stinkt nicht. Um im Wettbewerb zu bleiben, nutzen die meisten solche "Machenschaften".

Nun, ich habe Angst vor der Zukunft und wie sich alles noch so entwickelt. Und manchmal habe auch ich noch nicht die Hoffnung aufgegeben und bin auch der Meinung, allein zu diskutieren, verschiedene Meinungen zu hören, dazuzulernen kann dazu beitragen, ein Problembewusstsein (für sich und andere) zu entwickeln.

Gruss, s.wölfin

P.S. war auch schon im Ausland und hab Armut gesehen - und auch nicht nur im Urlaub
r.p.mcmurphy
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von r.p.mcmurphy »

@ Virginia

ich BEWERTE diese Tatsachen nicht negativ, diese Tatsachen SIND negativ - zumindest für die entlassene Belegschaft. Diejenigen, die sich daran über alle Maßen gesund stoßen, sehen das natürlich anders. Aber das ist eine verschwindend geringe Minderheit.
r.p.mcmurphy
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von r.p.mcmurphy »

@ s.wölfin

Du hast mir aus der Seele gesprochen. Danke Dir dafür!

Viele Grüße,
Patrick
triste
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von triste »

Hallo Wölfin,

ich fühle mich angesprochen, da du nun wiederholt das Beispiel mit den Entwicklungsländern anführst. In dem anderen thread habe ich den Vergleich mit ärmeren Ländern angeführt und er wird seitdem immer wieder falsch zitiert. Ich hatte es zwar schon einmal richtig gestellt, sage es aber gern noch mal:
Ich meinte NICHT, dass deutsche Depressive nicht jammern sollten, weil es anderen anderswo viel schlechter geht. Ich meinte, dass deutsche Depressive sich vergegenwärtigen sollten, dass die Chancen, gesund zu werden, in Deutschland vergleichsweise viel besser sind als in den meisten übrigen Ländern, was die Angebote unseres Gesundheitssystems betrifft. Damit meine ich NICHT, dass diese Angebote optimal sind, ich meine NUR, dass sie besser sind, als beispielsweise in Afrika.

Also falls Du dieses von mir gemachte Beispiel meintest, dann verstehst Du jetzt vielleicht besser, wie ich es gemeint hatte. Falls Du nicht mich damit meintest, dann vergiss dieses Posting bitte.

@ Patrick:
ja, die Entwicklungen sind zum Teil absolut negativ, da gebe ich Dir unumwunden Recht. Aber indem Du alles schrecklich findest, änderst Du doch nichts daran, ausser, dich selbst immer mehr in die Hoffnungslosigkeit zu bringen.
Ich will dich wirklich nicht ärgern....aber ich muss mich jetzt hier ausklinken, weil diese Diskussion für mich irgendwie keinen Sinn macht.

Grüße
Virginia
r.p.mcmurphy
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Virginia,

keine Angst, Du ärgerst mich nicht. Schade, dass Du Dich ausklinkst!

Viele Grüße und eine Gute Nacht,
Patrick
Nyx
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Registriert: 31. Jan 2007, 14:42

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von Nyx »

Hallo Patrick,

mhmm, Beliebigkeit ist sicher ein Aspekt, allerdings nicht genau das, was ich meinte.
Was meinst Du damit, wenn Du sagst, es gäbe keine allgemeingültigen Richtlinien und Gebote? Versteh ich nicht?

Bezüglich der Hochglanzmaganzine/Werbung im allgemeinen: Natürlich wird hier beschönigt, herausgestellt, alleingestellt, aufpoliert. Ja und? Das ist das Prinzip der Werbung. Es liegt nur an Dir, was Du damit machst und inwieweit Du Dich selbst davon beeinflussen lässt.

Ich sage nicht, dass es einfach ist, heute zu leben. Ich beneide all die, die heute vor der Wahl eines Studiums / Ausbildung stehen und keine Ahnung haben, welchen Weg sie gehen sollen, nicht wirklich. Es ist schwer, weil so vieles möglich ist und sehr viel Eigeninitative notwendig ist. Auf der anderen Seite gibt es so gut wie keine gesellschaftliche Lebensform, die heutzutage nicht lebbar ist. Das bedeutet eine sehr große Freiheit. Jeder Rückschritt würde eine Beschneidung dieser Freiheit bedeuten.

Ich finde es auch zum K***, wenn Leute entlassen werden, nur um die Gewinne noch ein klein wenig mehr zu erhöhen. Ich bin sowieso der Ansicht, man müsste die Aktienkurse eines Unternehmens irgendwie anders bewerten. Allerdings bin ich kein Economist und hab von der Machbarkeit solcher Dinge von daher keinen blassen Schimmer .

Ich hab nicht alle Beiträge in Ausführlichkeit gelesen. Ich sehe es allerdings schon so, dass insbesondere in Deutschland ziemlich viel gejammert wird, auf eigentlich sehr hohem Niveau. Das ist in anderen Ländern, als Beispiel: USA, völlig anders. Und das wiederum ist eine reine Einstellungsfrage. Die "German Angst" ist nicht umsonst ein etablierter Begriff. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich das "globale Jammern" eher aufregt. Weil es nichts bringt, zu nichts führt, andere in der Regel mit herunterzieht, negative statt positiver Impulse setzt.

Viele Grüße
Nyx
TearsforFears
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von TearsforFears »

Hi Wölfin,

"Am Ende war stand schon die Meinung, dass man selbst etwas tun kann, wie eben nicht bei Lidl einkaufen (sofern die Möglichkeit besteht), aber auch Jobs ablehnen, bei denen man eben nur 3 € bekommt. "

Nee, ich bin wiss. Mitarbeiterin an der Uni. Wenn ich Billig-Jobs ablehnen würde wäre ich arbeitslos und bei meinem Gehalt (liegt auf dem Niveau einer Klofrau - kein Scherz) muss ich bei Lidl einkaufen.

Und trotzdem find ichs geil hier
FOKUS
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von FOKUS »

@ s.wölfin

„Ich geb auch mal meinen Senf dazu, wenn es jmd. interessiert.“

Ich finde, dass Du mit diesem Anfangssatz Deinen Beitrag schon im Vorwege selbst entwertest, „Senf dazu geben“ hat für mich etwas von Beliebigkeit, von Überflüssigkeit, von Resignation, von Langeweile…oder was wolltest Du damit zum Ausdruck bringen?

Nach dem Motto, „ich sage mal was zu dem Thema, hat aber weiter keine Bedeutung für mich“… Wenn so etwas am Anfang steht, mag ich gar nicht weiterlesen…

Ich bin relativ neu hier und möchte hier zusammen mit anderen versuchen, mich und andere besser zu verstehen, zu reflektieren und für mich weiterzukommen,…das Schreiben hier hat für mich überwiegend nur Sinn, einen Gewinn, wenn damit eine verständnisvolle und intensive Auseinandersetzung verbunden ist…und zwar mit meinen inneren Vorgängen und den inneren Vorgängen anderer…und das möglichst fernab von Gejammer oder Moralisierungen, Bezichtigungen, Wertungen… aus einer möglichst gesunden Mitte heraus…

Tja, mal sehen, ob und wies so möglich ist, in diesem Webforum…hinterher ist Mensch bekanntlich immer schlauer…


@Patrick

Ich kenne solche Diskussionen wirklich zur Genüge (ich sage nur „Soziapädagogikstudium“)…verkopft gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen, anprangern und damit von der eigenen Psyche abzulenken…wenn ich meiner Aggression eine Richtung nach außen geben kann, hat es ja auch eine entlastende Wirkung, völlig ok, und das mag ja auch Motor sein, für Veränderungen…

….aber einen nachhaltigerer Sinn ergibt sich für mich, mir die Frage nach der Ursache, nach dem Motiv, nach meinem tieferen Hintergrund zu stellen…die innere Betrachtung…die Reflektion…

Und mein Hintergrund ist der Wunsch nach einer kuscheligen Welt, mütterlicher Fürsorge, Geborgenheit, Entlastung von Schuldgefühlen, versorgt werden…nichts leisten müssen…also kindliche Ansprüche…und wenn diese Welt nicht so ist, wie ich sie schon mal hatte und wie ich sie wieder fordere, dann macht mich das hilflos, traurig, verzweifelt, ohnmächtig, depressiv…durch den Konflikt zwischen meinem Wunsch und der Wirklichkeit…ich betrachte die Welt mit der moralisierenden Lupe und fühle mich umzingelt, von Gefahren, Ungerechtigkeiten, schlechten Verhältnissen…Tod und Verderben…

Insofern betrachte ich meine Depression als Rückwurf auf meine (vermeintlich) berechtigten kindlichen Bedürfnisse, „Regression“ im Fachjargon, und die feindliche Welt liefert und befriedigt diese Bedürfnisse nicht…und als „gefühltes Kind“ kann ich die Anforderungen der „Erwachsenengesellschaft“ zurzeit nicht erfüllen…

…und dann meldet sich bei mir die staatsanwaltliche Über Ich Instanz, und rechnet mit den Verhältnissen ab…

…ich denke, dass diese Psychodynamik nicht nur bei mir stattfindet, sondern auch in ähnlicher oder anderer Form auch bei anderen Betroffenen…

Solange die Diskutierer hier nicht willens, bereit,offen und in der Lage sind, ihre Psychodynamik selbstkritisch, sachlich zu analysieren, sich zu besinnen, es auch als Selbsterfahrung zu begreifen, solange bleibt für mich allenfalls ein Sekundärgewinn und schlimmstenfalls ein „gut, dass wir mal wieder darüber geredet haben“…

Lieben Gruß
FOKUS
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo Virginia,

ich habe jetzt nur auf die Argumentation mit den Entwicklungsländern geantwortet, war aber jetzt nicht speziell auf Dich bezogen. Und mir ging es in dem Zusammenhang auch garn icht so um die Depression, sondern um den Tatbestand, dass wenn jemand Kritik an unserem Wirtschaftssystem und der Entwicklung äussert, immer dieses Argument gebracht wird. Und es ist ein Totschlagsargument, weil jeder sofort ein schlechtes Gewissen bekommt und damit mundtot gemacht wird. Und das ist meiner Meinung nach nicht richtig. Denn nur wenn es Leute gibt, die eben was sagen, von mir aus Jammern oder oder ... aber zumindest im Gespräch bleiben, kann sich auch was verändern.

Wir können natürlich alle schweigen und alles was da kommen mag, wie eine Herde Schafe hinnehmen. Und in diesem Zusammenhang möchte ich Dich, Nyx einmal fragen, ob Du Beispiele nennen kannst, was denn "Jammern auf hohem Niveau" bedeutet ?

Eine Soziale Marktwirtschaft ist auch erst entstanden, weil es Idealisten gab. Eine weise Rose, weil es Menschen gab, die eben Ihre eigene Meinung hatten und sich nicht von polemischen Sprüchen, wie die "Jammern all nur" haben leiten lassen.

Wenn sich ein namhafter Politiker öffentlich hinstellt, und sagt: "In Zukunft werden die Hauptschüler nicht mal mehr als Konsumenten interessant sein", dann ist das für mich in höchstem Grade menschenverachtend. Es wird immer Menschen geben, die nicht so leistungsfähig sind, oder nicht so intelligent - aber haben die denn keine Berechtigung in unserer Gesellschaft ?
Diktatur des Profit - das fand ich eine sehr gute Frage von Patrick und da ist gar keiner weiter drauf eingegangen.

@tears es ist ja Deine Sache und wenn es Dir Spass macht. Mir wurde ein Vollzeitjob für 500€ Netto angeboten, nachdem ich da 8 Monate für umsonst gearbeitet hatte. Sag mir, wer davon leben soll (hier in Dtl.) ? Ich hab gefragt, ob sie einen Halbtagsjob daraus machen, aber da ging kein Weg rein.
Ich finde eben, das Lohndumping erst möglich wird, weil die Unternehmen immer wieder Leute finden, die für noch weniger arbeiten. Um am Ende mehr Gewinne zu erzielen. Aber sind das dann wirklich mehr Gewinne ? Grosse Zweifel.

s.wölfin
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

@FOKUS ja, es hatte vllt. was von Überflüssigkeit, denn so fühle ich mich nun einmal sehr oft.
TearsforFears
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von TearsforFears »

@wölfin: Hast ja Recht. Die Unis würden allerdings komplett zusammenbrechen, wenn die Heerscharen von Doktoranden und Lehrbeauftagten mit ihren halben und viertel
Stellen in den Streik treten würden.

Ich bin ja schon froh, dass ich überhaupt bezahlt werde. Früher, als ich noch Lehrbeauftragte war, gab es 0 Euro für eine zweistündige, wöchentliche Veranstaltung. Weil, es ist ja eine Ehre an dieser speziellen Uni unterrichten zu dürfen

Mit der freien Wirtschaft hat das allerdings nichts zu tun. Nicht nur dort wird ausgebeutet.

Grüße,
Tears
parvus

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von parvus »

jo, depressionen sind sicher eine zivilisationskrankheit. na und?

in gesellschaftsformen, die weniger geeignet sind depressionen hervorzubringen gibt es halt andere gesellschaftlich bedingte gesundheitsrisiken wie z.b. verhungern, totgeschlagen oder verbrannt werden oder an mangelerkrankungen verrecken.

da ich momentan nicht wirklich in der lage bin, mir die gesellschaftsform auszusuchen, in der ich lebe, mag ich jetzt nicht darüber jammern, in einer elendigen und dekadenten dem zusammenbruch geweihten wohlstands- und beschissgesellschaft zu leben. ich nehme das einfach mit stoischem gleichmut hin.
FOKUS
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von FOKUS »

@ s.wölfin

Zitat:
„ja, es hatte vllt. was von Überflüssigkeit, denn so fühle ich mich nun einmal sehr oft.“

„Was ich nicht gut finde und wo ich oft denke, mit meiner Meinung "abgewatscht" zu werden, wenn es heisst, es würde nur gejammert. Seine Meinung sagen und auf unschöne Dinge, eigene Erfahrungen und Entwicklungen hinzuweisen hat nichts damit zu tun. Oft habe ich das Gefühl, dass man mundtot gemacht werden soll und halte auch denke auch, dass der Ausdruck "Gejammere" gezielt eingesetzt wird, um eben das Ziel zu ereichen.“

Ich habe jetzt Hunger und wollte jetzt einkaufen gehen, aber ich möchte gerne noch mal auf das hinweisen, was ich eben oben zu meinem Hiersein geschrieben habe:

Zitat:
„Ich bin relativ neu hier und möchte hier zusammen mit anderen versuchen, mich und andere besser zu verstehen, zu reflektieren und für mich weiterzukommen,…das Schreiben hier hat für mich überwiegend nur Sinn, einen Gewinn, wenn damit eine verständnisvolle und intensive Auseinandersetzung verbunden ist…und zwar mit meinen inneren Vorgängen und den inneren Vorgängen anderer…und das möglichst fernab von Gejammer oder Moralisierungen, Bezichtigungen, Wertungen… aus einer möglichst gesunden Mitte heraus…“

Wölfin, glaubst Du dass es hier Inhalte für Dich gibt, die auf Dich und andere eine therapeutische Wirkung haben, helfen sich zu entwickeln und zu befreien?
Die 360 Beiträge von Dir können ja nicht nur Zeitvertreib, Trostsuche und Abwatschgejammer gewesen sein…oder?
Wenn ja, welche Inhalte sind es für Dich?

Es gibt viele Schriftsteller, die als Motiv für ihr Schreiben die „Selbsttherapie“ genannt haben…

LG FOKUS
Nyx
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von Nyx »

Hallo Steppenwölfin,

ich sage nicht, dass es keine Missstände gibt, vieles ist durchaus verbesserungswürdig. Nur halte ich es für absolut kontraproduktiv, über all diese Missstände (nur) zu lamentieren. Deswegen habe ich persönlich einen riesen Respekt vor der 68er-Bewegung. Oder vor allen anderen, die die Dinge tatsächlich angepackt haben, Veränderungen in Gang gesetzt und herbei geführt haben.

Ich bin der Ansicht, dass Deutschland im internationalen Vergleich, und damit meine ich ausschließlich einen Vergleich mit westlichen Ländern einiges im sozialen Bereich aufzweisen hat. Zum Beispiel: Kündigungsschutz, Arbeitnehmerschutzgesetze, Mutterschutz, Schwerbehindertenschutz, einen Standard von 30 Tagen Urlaub, Verbraucherschutz, Mieterschutz, im internationalen Vergleich gute Sozialleistungen, um nur mal ein paar dieser Dinge aufzuzeigen. Das meine ich mit Jammern auf hohem Niveau.

Viele Grüße
Nyx
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

@FOKUS das bezog sich nur auf diesen Thread und ich habe den nicht unbedingt mit Depression verknüpft.
Aber Therapie ist das nun hier wirklich nicht, es ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe - ich weiss nciht, was Du darunter verstehst? Ich lerne (oder versuche) aus Texten, aus Meinungen etc. - was hast Du gedacht ? Ich weiss beim besten Willen nicht, was Du da jetzt projezierst.

Ach ja, und dass ich mich oft überflüssig fühle, hängt nicht nur (teilweise vllt. auch) mit dem Forum zusammen. Du wolltest ja nur eine Erklärung für meinen Satz ("Senf dazugeben") haben. Und den hab ich geliefert.

@tears ja, leider ist das so. Aber bei einer viertel oder halben Stelle kann man sich vllt. noch was nebenher suchen ...

s.wölfin
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo Nyx,

ja, das stimmt. Diese Leistungen sind eine Errungenschaft und sollten doch behalten werden. Aber sie werden abbgebaut. z.B. kenne ich den Kündigungsschutz nicht, etc. ... cybs Daten fand ich auch sehr interessant.
Anpacken ist gut. Ich war am Montag auf einer Demo und Kundgebung, speziell unsere Stadt betreffend. Ich war erschrocken, wie wenig Leute da waren.
Ich ziehe auch den Hut vor den 68ern, aber auch die haben angeprangert und die Bewegung ist entstanden, aus der Meinung vieler und nicht von heute auf morgen.

s.wölfin
TearsforFears
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von TearsforFears »

@Wölfin: Eigentlich nicht, denn nebenher schreibt man ja die Doktorarbeit. Halbe Stelle heißt an der Uni ja auch nicht halb arbeiten, nur halb bezahlt werden

Daher auch mein manchmal etwas geringes Verständnis für die notleidende Arbeiterklasse. Ich finde 40-Stunden-Wochen nicht lang und von dem Gehalt eines ungelernten Arbeiters kann ich nur träumen.

Ich habe halt manchmal das Gefühl, dass in D. auf sehr hohem Niveau gejammert wird. Es gab Zeiten, da hatte ich weniger in der Tasche als ein Hartz IV Empfänger und ich habe zu der Zeit gearbeitet. Ich habe auch zwei Jahre lang mit meinem Freund in einer Ein-Zimmer-Whg. gelebt...Trotzdem bin ich zufrieden, ich möchte auch nicht tauschen und ich neide anderen in meinem Alter nicht ihre BMWs und Häuser. Mir sind andere Dinge eben wichtiger.

Ich empfinde es auch als einen Wahnsinns-Luxus in einem Staat zu leben, der mir, wenn alle Stricke reißen, dass nötigste zum Leben bereitstellen wird.
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo Tears,

bin Hartz4ler und hab auch schon kostenlos gearbeitet. Nur ein Zustand für jedermann und für immer sollte ess nicht werden. Mir geht es auch nicht ums Geld, nur ich befürchte wie Patrick, dass der karren irgendwann gegen die Wand fährt.
Man kann so vieles her nehmen. Schüler, die nicht mehr so viel Chancen haben, wie besser gestellte, oder bin ich auch absoluter Gegner von Studiengebühren.
Dann betrachte ich schon mit Sorgen die Entwicklung auf den Finanzmärkten, die Inflation, sicher auch die Situationen in den Entwicklungsländern und Schwellenländern.
Ich finde schon, dass wir uns fragen sollten, was wir als Gesellschaft oder besser noch als Menschheit erreichen wollen. Ist es immer höher, schneller, weiter (so ist das leider, ansonsten ist man sein Job los) oder einfach, dass so viele Menschen so gut wie möglich leben können.
Rein theoretisch wären genug Nahrungsmittel vorhanden um die Menschheit zu ernähren z.B. ... es sind so viele Dinge, die mir da durch den Kopf schiessen. Sowas wie Butterberge kann und möchte ich auch nicht verstehen ....

s.wölfin
TearsforFears
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von TearsforFears »

"Sowas wie Butterberge kann und möchte ich auch nicht verstehen ...."

Ich auch nicht. Und das, obwohl ich meine Studis auch die EU erklären muß.

Grüße,
Tears
steppenwolf1

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von steppenwolf1 »

*gg* ... na denn, dann sitzt Du ja direkt an einer einflussreichen Quelle
r.p.mcmurphy
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Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo FOKUS,

Du schreibst „…verkopft gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen, anprangern und damit von der eigenen Psyche abzulenken…“

Was verstehst Du bitte unter „verkopft“? Wenn Du damit meinst, dass ich in meinen Ausführungen versuche, sachlich und objektiv zu bleiben, nachvollziehbare Argumente zu bringen, Beispiele aufzuzeigen, abzuwägen, Tatsachen zu bringen, dann bin ich in diesem – Deinem – Sinne sehr gerne „verkopft“.

Oder sollte ich, Deiner Meinung nach, mehr gefühlsmäßig an die Sache herangehen? Aus dem Bauch heraus urteilen? Subjektives Zeugs ablassen? Dies hätte sicherlich folgenden "Vorteil": Man bräuchte mir dann nicht mehr zu unterstellen, dass ich jammere. Dann würde ich nämlich tatsächlich jammern. Du verstehst, dass ich das nicht möchte.

Sei im Übrigen unbesorgt, ich bin sehr wohl selbstkritisch, hinterfrage und analysiere mich, versuche, in meine seelischen Abgründe hinabzusteigen. Nur möchte ich, wie Du sicher verstehst, mich nicht ständig und immerwährend innerlich betrachten und vor mich hin reflektieren. Denn sonst komme ich womöglich nicht mehr dazu mich über aktuelle Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten, mir meine Meinung zu bilden und positive oder negative Kritik zu üben. Ganz einfach so wie manch „Gesunder“ auch.

Viele Grüße,
Patrick
TearsforFears
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Registriert: 18. Jan 2008, 12:52

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von TearsforFears »

Hallöchen,

irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen wegen meinem Auftreten gestern.

Ich wollte wirklich nicht die traurige Situation von Hartz-IV-Empfängern klein reden.

Armut ist immer relativ und in einem reichen Land wie D. ist eine Existenz auf Hartz-IV-Niveau alles andere als schön, gerade weil der Vergleich, den man vor Augen hat eben nicht Afrika ist, sondern die deutschen Wohlstandbürger.
Sorry wenn ich gestern unsensibel rüber kam.

Grüße,
Tears
FOKUS
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Registriert: 2. Apr 2008, 13:46

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von FOKUS »

Hallo Patrick,

ich denke, dass es zwischen den Polen „verkopft“ und „gefühlsmäßig“, zwischen „immerfort zu reflektieren“ „seelische Abgründe“ und vermeintliche „ sachliche und objektive Analysen“ schon eine Mittelweg gibt, der die verschiedenen Aspekte einschließt, insbesondere das eigene Erleben, ohne in „Gejammer“ verfallen zu müssen…das Klavier hat da schon mehr Tasten, als nur links und rechts außen…

Ich finde, das ist auch eine Frage des Abstandes zu mir und meinem Erleben,zu großer Abstand wäre vielleicht „verkopft“, ausschließlich rational,- zu gering wäre für mich zu gefühlsorientiert und „Gejammer“, oder kann auch euphorisch sein…je nach dem...

Ich habe mich in meinem Leben oft zwischen Polen bewegt (kein bipolares Krankheitsbild), und je nach meiner Verfassung, die gesellschaftlichen Verhältnisse verschieden betrachtet und bewertet. Und wenn ich für mich konstruktiv weiterkommen möchte, stellt sich doch die berechtigte Frage, warum ist das so…und einige Antworten für mich, habe ich weiter oben ja schon versucht, zu geben…

In einer Depression bin ich nun eher geneigt, gesellschaftliche Verhältnisse…mich… andere…alles in Zweifel zu ziehen, und eher negativ zu bewerten…und das habe auch bei anderen erlebt…immer wieder das gleiche Muster.

So…wenn ich depressiv bin, fühle ich in mir also eine Schwäche, die mir das Gefühl gibt, mich in der Gesellschaft nicht behaupten zu können, zu sensibel auf alles zu reagieren, mich nicht abgrenzen zu können. Da kann ich nun mein Erleben als Maßstab erklären, und sagen, sofern sich die Verhältnisse nicht ändern, solange werde ich nicht „gesund“…und genau diese These stellst Du ja als Überschrift,und ohne Fragezeichen, an den Anfang…

Was Du „solltest“ oder nicht „solltest“, das solltest Du für Dich selbst entscheiden, …ich wollte mit meinen Beiträgen versuchen, meine Haltung darzulegen und Deiner polarisierenden Haltung als Angebot entgegenzuhalten…

Klar kannst Du das alles untermauern, es gibt ja genug Missstände, und Du kannst es auch gerne verallgemeinern, differenzieren, distanziert analysieren…wenn Dir Deine Feindbildpflege etwas nützt…bitte gerne…und ich stimme Dir ja auch in vielen Deiner Ansichten zu, aber die gesellschaftlichen Verhältnisse würde ich eben nicht isoliert betrachten: „Alles hängt mit Allem zusammen“

…wenn Du aus meiner Sicht so polemische Ausdrücke verwendest, wie „Gejammer“, „subjektives Zeugs ablassen“ und „seelische Abgründe“, dann hat das für mich Schwäche (selbst?-) verachtende Züge…verachtest Du Deine Schwächen, oder wie gehst Du mit Dir um?

…oder ich kann versuchen, an mir zu arbeiten…(ich betrachte diese Auseinandersetzung hier auch als so eine Arbeit…)(im übrigen habe ich eine mehrjährige (!) Einzel- und TP Gruppentherapie hinter mir, insofern reklamiere ich für mich zu wissen, was es heißt „an sich zu arbeiten“) und zu versuchen, mich mit den Verhältnissen, die ich nicht ändern kann, zu arrangieren in dem ich mich abgrenzen kann…ohne die Missstände außer acht zu lassen und mich vielleicht irgendwann konstruktiv gesellschaftlich zu engagieren, einen Beitrag zu leisten…wie groß oder klein der Tropfen auf dem heißen Stein dann auch sein mag...

Gruß
FOKUS
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Unser System, unsere Gesellschaft als Ursache für Depression

Beitrag von Holgi »

Hi

Ein interessantes Thema, was meinen Blutdruck in die Höhe schnellen lässt.

Ich gebe Patrick uneingeschränkt recht.

Auf einer Scala 1-10, würde ich eine 11 geben.

Geld regiert die Welt.

Das Kapital ist der Motor für die Selbstvernichtung aller Gesellschaftsformen.

Moral und Gewissen sind für die "Geldmaschinerie" so gefährlich, wie das Tageslicht für einen Vampir.

Arbeitnehmer werden durch Maßnahmen wie den Nokia-Umzug nach Rumänien "gefügig" gemacht.

Es zählt nicht das Produkt und der Mensch, der es hergestellt hat, nur die Gewinnoptimierung ist wichtig.

Natürlich ist für jeden verständlich, das ein Konzern, der 7,9 Milliarden € Gewinn macht, bei dem die Lohnkosten für die Handyherstellung 5 % ausmachen, das Unternehmen ins Lohndumpingland verlagern muss.

Und das ist nur ein Beispiel für die Perversion des Kapitalismus.

Wir haben uns schon lange verabschiedet von der sozialen Marktwirtschaft.

Globalisierung unterliegt den Darwinschen Gesetzten.

Geld ist Papier gewordenes Fleisch, das wir früher im Wald gejagt haben, als wir dort noch lebten.

Wer keine psychische und physische Stärke hat, wird logischerweise erkranken.

Es grüßt euch herzlichst

Holgi
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Als ich reich war und allein,
wollten alle meine Freunde sein.
Als ich arm war und in Not,
waren meine Freunde tot.
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